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Vierter Strauss. Wiedergewonnen

I.

Entsteig', o Morgenroth, der Nacht, bring' östliche, tröstliche Rosen!
Der Welt, die dir entgegen wacht, bring' östliche, tröstliche Rosen!
Dem armen Herzen, welchem nie der nackte Strauch des Lebens
Genusses Rosen hat gebracht, bring' östliche, tröstliche Rosen!
Der jungen Seele, die ein Hauch des Frühlings und der Liebe
Zu Rosengluth hat angefacht, bring' östliche, tröstliche Rosen!
Der Liebsten, die mit einem Strahl des Lächelns meinen Busen
Gleich einer Ros' erblühen macht, bring' östliche, tröstliche Rosen!
Der süßen Wange, deren Duft mir füllt den Raum der Welten
Mit ew'ger Frühlingsrosenpracht, bring' östliche, tröstliche Rosen!
O bring' zum Schmucke jedem Glück, zum Troste jedem Leide,
Das ihr ein Dorn hat zugedacht, bring' östliche, tröstliche Rosen!
O Morgenroth! der ganzen Welt, um meiner Liebsten willen,
Weil sie die Welt mir lieb gemacht, bring' östliche, tröstliche Rosen!

 

II.

Herr Gott! einen Engel
In dem Lande der Mängel,
Einen selig geschmückten,
Doch zum Staube gedrückten,
Einen unerkannten
Himmelsabgesandten,
Den du herabgesendet,
Und der zu dir gewendet
Blickt auf zu allen Stunden,
Hab' ich allhier gefunden,
Habe mich ihm gesellet,
Mich ihm zu Dienst gestellet
Mit meiner Liedergabe,
Die auch von dir ich habe.
Ich hab' ihm mit Liebkosen
Gestreut auf die Pfade Rosen,
Ich habe mit meinen Tönen
Sein Leben wollen verschönen,
Mit freundlichen Himmelsbildern
Der Erde Rauhheit mildern.
Der Engel hat angenommen
Meine Dienste, die frommen,
Er schien sich zu erfreuen
An seines Dieners Treuen;
Vor meines Liedes Fächeln
Scheint ihm die Welt zu lächeln;
Es macht ihm still Entzücken,
Wie schön ich ihn kann schmücken.
Herr Gott! laß diesen Engel,
Diesen Lilienstengel,
Blühen in deinem Thaue,
Zum Schmuck der Erdenaue!
Gieb ihm heitere Mienen,
Und mir gieb, ihm zu dienen
Zu einem Frühlingshauche,
Dem er zu zittern nicht brauche,
Dem er mit leisem Schwanken
Das leise Spiel mag danken!
Nicht hab' ich gelebt vergebens,
Wenn dieses Engellebens
Gesenkte Blüthen nach oben
Durch meinen Hauch sich hoben.
Herr Gott! wenn diesen Engel
Aus dem Lande der Mängel
Du einst zum Himmel rufest,
Für welchen du ihn erschufest;
Laß um des Dienstes willen,
Den ich ihm weiht' im Stillen,
O laß mich, um der stillen
Liebe des Engels willen,
O laß mich ohne Bangen
Mit ihm hinauf gelangen,
Vor deinem Thron vertreten
Von seinen Herzgebeten!

 

III.

Sie sprach: Versagt ist mir ein glänzend Glück;
Doch wie mich jedes kleinste Flitterstück,
Das mir zum Schmuck, zum Spiel fiel in die Hand,
Freu'n kann, mein Freund! o war' es dir bekannt!
Wie eine Erstlingsblum' im Garten heut',
Und morgen einer Freundin Gruß mich freut;
Der Vogel, der mir guten Morgen singt,
Der Bote, der von fern den Gruß mir bringt;
Ob Morgens mir ein Hausgeschäft gelang,
Und ob ich Abends that um's Thor den Gang;
Ob ich zur guten Stund' in gutem Buch
Fand einen meiner Seel' entschrieb'nen Spruch;
Und ob mein Inn'res sich in deinem Lied
Wie in dem Spiegel, der verschönert, sieht –
Ein Wort, ein Blick, ein Hauch, ein Sonnenstrahl,
Die einzlen Freudenfunken ohne Zahl,
Sie alle samml' ich still an einem Platz,
Und stets im Wachsen ist mein kleiner Schatz,
Ich sprach, indem ich in den Arm sie schloß:
Du nennst die Schätze klein und fühlst sie groß.
Wer raubt dir das, was du so fühlest dein?
Wie freut es mich, davon ein Theil zu sein!
Nie sei von unzufried'nem Weltgewühl
Gestört dein sicheres Eigenthumsgefühl!
Wenn eitle Größ' in Schutt und Trümmer füllt,
Bau' ruhig dir aus Kleinem deine Welt,
Weil stillen Elementen nur, die nächst
Zusammen treten, jedes Ganz' entwächst!
So flicht der Himmel seinen ew'gen Kranz
Aus vieler unscheinbaren Sterne Glanz,
So sieht aus Demantsplittern wohl zuletzt
Ein Strahlenring zusammen sich gesetzt;
So webt aus einzlen kleinen Blumen nur
Auch ihren Frühlingsteppich die Natur.

 

IV.

Die gute Nacht, die ich dir sage,
Freund, hörest du;
Ein Engel, der die Botschaft trage,
Geht ab und zu.

Er bringt sie dir und hat mir wieder
Den Gruß gebracht:
Dir sagen auch des Freundes Lieder
Nun gute Nacht.

 

V.

Wenn ein Wort die Liebste spricht,
Fühl' ich oft so tief es nicht;
Oder auch im Lustgefühle
Fühl' ich nicht, wie tief ich's fühle.
Aber wann ich bin allein,
Stellt das stille Wort sich ein;
Und wie es erblüht als Lied,
Staunet mein Gemüth und sieht:
Daß sie tiefer fühlt und lichter,
Dichterischer als ihr Dichter;
Nur das Wort ist Poesie,
Das sie spricht, und andres nie.

 

VI.

Die Reichste möcht' ich sein,
Mein Freund, für dich allein,
Die Schönste unter allen,
Mein Freund, dir zu gefallen.
Ich sprach: Und liebst du mich?
Sie sprach: Was fragst du? sprich
Ich sprach: Wenn du mich liebst,
Wie du zu seh'n mir giebst,
So bist du schön und reich,
Daß Keine dir ist gleich.
Dein liebendes Gemüthe
All' eine Schönheitsblüthe,
Dein Herz an jedem Platz
Für mich ein ew'ger Schatz.
Du bist die Reichstbegabte,
Ich bin der Tiefstgelabte,
Du bist die Schönstgeschmückte,
Ich bin der Höchstbeglückte.

 

VII.

Liebster! nur dich seh'n, dich hören
Und dir schweigend angehören;
Nicht umstricken dich mit Armen,
Nicht am Busen dir erwarmen,
Nicht dich küssen, nicht dich fassen –
Dieses Alles kann ich lassen,
Nur nicht das Gefühl vermissen,
Mein dich und mich dein zu wissen.

 

VIII.

Wenn du auch nicht mehr mich liebtest,
Doch dich lieben wollt' ich noch.
Wenn du eine Andre liebtest,
Noch dich lieben wollt' ich doch.
Nur daß ich auch diese liebte,
Weil du sie, weil sie dich liebte,
Das ist meinem Sinn zu hoch.

 

IX.

Abends, wo im Zimmer
Um uns Andre sind,
Still zum Fenster immer
Folg' ich meinem Kind;
Und zum Himmel ferne
Schau'n wir, wo die Sterne
Helle Liebesaugen sind.

O wie sie erbaulich
Auf in's Dunkel schaut,
Sich an mich vertraulich
Lehnet ohne Laut. –
»Was ich ohne Grauen
Dir nicht darf vertrauen,
Sei von Sternen dir vertraut!

Sternenblicke sagen
Dein und mein Geschick,
Und nicht niederschlagen
Darfst du deinen Blick.
Ja! nicht mehr zu retten,
Fühl' ich schon die Ketten
Deiner Arm' um mein Genick.«

 

X.

Daß die Leute mein vergessen könnten,
Wie ich ihrer rein vergessen habe,
Daß sie so mein stilles Glück mir gönnten,
Wie ich ihnen jede Glückesgabe!

Daß sie alle so von uns nichts wüßten,
Wie wir nichts von ihnen wissen wollen,
Nach Gefallen so wie wir sich küßten
Oder schmollten, wenn sie lieber schmollen!

 

XI.

Kommen sie dahinter nie,
Daß wir glücklich ohne sie!
Doch wenn sie dahinter kämen,
Wollen wir uns auch nicht grämen.

Mir gefällt's an deinem Kuß,
Daß ihn Niemand wissen muß;
Aber wenn sie's wissen müssen,
Wollen wir uns dennoch küssen.

 

XII.

Ich bin dein Baum, o Gärtner, dessen Treue
Mich hält in Liebespfleg' und süßer Zucht,
Komm, daß ich in den Schooß dir dankbar streue
Die reife, dir allein gewachs'ne Frucht.

Ich bin dein Gärtner, o du Baum der Treue!
Auf andres Glück fühl' ich nicht Eifersucht:
Die holden Aeste find' ich stets auf's neue
Geschmückt mit Frucht, wo ich gepflückt die Frucht.

 

XIII.

Am frühen Morgen aufgewacht,
Hab' ich den Tag geschrieben,
Dann mein Geschrieb'nes in der Nacht
Gelesen meiner Lieben.

Der Liebsten hat darauf das Lied
Im Schlummer nachgetönet,
Und jeder Traum des Dichters sieht
Durch ihren sich verschönet.

Dann hat sie mir am andern Tag
Den Traum erzählet wieder,
Den ich nun wieder fassen mag
Und schöner noch in Lieder.

Und diese Lieder wird sie dann
In neue Träume weben,
So daß uns Stoff nicht fehlen kann
Für Lied und Traum auf's Leben.

 

XIV.

Als ich die Augen schloß,
Sich Schlaf auf mich ergoß,
Da kam dein Augenpaar
Und sah mich an so klar.

Es sah mich an so tief;
Ich schaut' hinein und schlief.
Es ging ein süßer Schmerz
Mir mitten durch das Herz.

Mich schaut' ich ganz hinein,
In Duft zerfloß der Schein,
Da fühlt' ich deinen Hauch
An meinen Wangen auch.

Ich streckte meinen Arm,
Am Busen war mir's warm,
Als lägest du daran;
Wie dürft' ich dich umfah'n!

Wie ich dich an mich zog,
Wie ich dich in mich sog!
O warst du fern mir da?
So nah' warst du mir ja.

Trug dich der Traum zu mir?
Trug mich der Traum zu dir?
Wir haben diese Nacht
Beisammen zugebracht.

 

XV.

Ich sprach: Es ist nun Herbst für mich.
Nein! sprach sie: es soll Frühling sein;
Und als ich trüb' in Nacht entwich.
Da holt' ihr heller Blick mich ein.

Ich sprach: Der Wangen Ros' erblich.
Sie sprach: Ich will dir meine leih'n.
Bist du so alt? so jung bin ich:
Und ist nicht meine Jugend dein?

 

XVI.

Was ist alle Phantasie
Gegen Liebeswirklichkeit?
Was sind alle Lieder, die
Ich gesungen vor der Zeit?
Ein verlorenes halbes Streben,
Was nicht lebte, zu beleben;
Diese Lieder leben nur,
Weil ich sie an mir erfuhr.

Nicht in ferne Himmelsräume
Braucht' ich dichtend auszufliegen,
Nicht in wesenlose Träume
Eigensinnig mich zu wiegen.
Still daheim in Liebe wach,
Unter meines Liebchens Dach
Schrieb ich unbemüht nur nach,
Was mein Herz mit ihrem sprach.

 

XVII.

Wie sie alle Lieder lobt,
Die hier meinem Kiel entthauen,
Hab' ich freilich wohl erprobt,
Daß der Richt'rin nicht zu trauen.

Welchen Theil der Eigennutz
Hat am Lob, muß ein mir leuchten:
Diese Lieder sind ihr Putz;
Sollt' ihr Putz nicht schön ihr däuchten?

Und so darf ich mir gesteh'n,
Und sie soll mir's nicht verneinen,
Daß sie Manches mit läßt geh'n,
Weil es eben ist vom Meinen.

Wäre das mir zum Verdruß?
Nicht doch! Was vom Kunsturtheile
Ich dem Lieb entziehen muß,
Wird dadurch mir selbst zu Theile.

Welch ein reizender Gewinn
Wäget allen Schaden nieder!
Weil ich doch mir näher bin
Als die liebsten meiner Lieder.

 

XVIII.

Alle Liebeslieder, die
Ich geschrieben je im Leben,
Sieht auf meinem Antlitz hie
Meiner Liebsten Auge schweben.
Sie verschönen es für sie,
Wie den Anger Frühlings Weben;
Und die Jugendblüthe nie
Darf ich zu verlieren beben.

 

XIX.

Auf des Freundes edle Kunst
Bin ich eifersüchtig.
Wie ist Dichterworte-Dunst
Gegen Farben flüchtig!

Phantasie auf Wolkenflor
Malt mit duft'gem Scheine
Mir ihr Bild; wie blaß ist's vor
Dem auf Elfenbeine!

Wie in voller Wahrheit ganz
Durft' er sie erfassen,
Doch des Ideales Glanz
Um sie spielen lassen.

Wenn in seinem Bilde sie
Nun sich lieber sähe
Als in meinem Lieb, o wie
Mir da recht geschähe!

 

XX.

Der Freund, der mir die Liebste malen sollte,
Zuerst hier mußt' er diese Lieder lesen,
Weil er die Augen sich eröffnen wollte
Für seines Gegenstandes inn'res Wesen.

Da sprach er, als er sie gelesen hatte:
Wie könnte so die Braut ein Maler malen,
Wie hier der Dichter that? Von jedem Blatte
Seh' ich die Züge eines Engels strahlen.

Er sprach mit Rührungsthau an Augenliden:
Ein Goldschmidt ist der Vater mein gewesen,
Doch hat er solchen Schmuck nicht können schmieden,
Wie hier der Dichter seiner Braut erlesen.

 

XXI.

Nun ich zweimal so in's Schöne
Mich gemalt, o Liebster, sah,
Einmal hier durch deine Töne,
Und einmal in Farben da:

Laß uns in die Bilder theilen,
Wozu braucht' ich alle zwei?
Laß mich schau'n in deine Zeilen,
Und mich schau' im Konterfei.

Was des Freundes Kunst gemalet,
Besser schätzest du's als ich.
Was aus deinen Liedern strahlet,
Mehr entzückt es mich als dich.

Denn du hast es mir gestanden,
Daß ein Lied, das dir entrann,
Kommt es wieder dir zu Handen,
Dir nicht mehr gefallen kann.

Wie es doch mich kränken sollte,
Wenn einmal auch dieses Lied
Dir nicht mehr gefallen wollte,
Das mir selber ähnlich sieht.

Darum gieb du's mir! Auf Erden
Sei mein Streben, mein Beruf,
Aehnlich diesem Bild zu werden,
Das dein Lied von mir erschuf.

 

XXII.

Maler Traum hat diese Nacht
Meine Liebste mir gewiesen.
Nie an ihr noch hab' ich diesen
Glanz geseh'n, wann ich gewacht.
Hat der Maler das erdacht?
Nein, er sah in Paradiesen
Meine Ros', eh' sie zu diesen
Rauhen Lüften ward gebracht,
Die sich feindlich ihr bewiesen,
Daß mit holder Liebesmacht
Zwar sie, doch so hell nicht lacht
Wie vordem in Paradiesen.

 

XXIII.

Ich lag von fünftem Traum umflossen
Und fühlte selig mich in dir.
Als ich die Augen aufgeschlossen,
Da hingst du lächelnd über mir.

Wie gerne mag mein Traum zerstieben,
Von deinem Kuß hinweggeflößt.
Wie hast du schön dich selbst vertrieben,
Wie schön dich selbst hier abgelöst!

 

XXIV.

Ja, die Liebe kann die Welt vereinen;
Seh' ich doch des Großen Bild im Kleinen!
Wie Familien, zwei, durch alle Glieder,
Von den Häuptern bis zum Kleinsten nieder,
Die sich sonst nicht kannten, schnell sich kennen,
Wechselnd sich mit Liebesnamen nennen,
Ineinander sich verschmolzen finden,
Sich in einen Kranz zusammenwinden
Um ein Paar, das sich zuerst gefunden,
Still die Andern hält um sich verbunden.

 

XXV.

Schüre du, Sommer, die feurige Gluth!
Veilchen ist lange geschieden,
Rose verbirgt sich, und Lilie ruht,
Nachtigall schweiget zufrieden.
Sing', o Cicade, im sonnigen Glanz,
Lade die Aehren, die Sichel zum Tanz!
Ab ist die Blüthe gestreifet,
Aber die Frucht ist gereifet.

Liebchen, und siehst du nach Blüthen dich um,
Sieh' nur die blauen irrt Korne!
Schöner die grannigen Aehren herum
Steh'n als um Rosen die Dorne.
Sieh', wie die Reb' um die Hütte sich schlingt,
Die zu den Aehren die Trauben uns bringt;
Komm', und bei Most und bei Garben
Wird auch die Liebe nicht darben.

 

XXVI.

Seltsam! aber wahr empfunden
Hab' ich es in meiner Brust:
Leichter als in trüben Stunden
Stirbt es sich in froher Lust.

Denn im Unglück mußt du hoffen,
Daß dein Glück dir komme doch;
Aber es ist eingetroffen,
Worauf hoffen willst du noch?

Jetzo kann's das Leben denken
Ohne Schauder vor dem Tod,
Wie die Sonne sich zu senken
In ein Liebesabendroth:

Wie die Augen froh begnüget
Schließt der Greis von Kanaan,
Als der Himmel es gefüget,
Daß sie Joseph wiedersah'n.

 

XXVII.

Wann ich dich nicht zu küssen habe,
Dann will ich singen von dem Kuß.
O wie ich diese Liedergabe
Dann segne, die mich trösten muß.

Entweder küssen oder dichten,
Am schönsten Beides allzugleich.
Doch muß ich schon auf Eins verzichten,
So macht mich auch das And're reich.

Nur wann er kommt, uns zu umringen,
Der ungelegne Menschenschwarm,
Daß ich nicht küssen darf noch singen,
Dann fühl' ich mich verwirrt und arm.

 

XXVIII.

Neuste Weltbegebenheiten
Machten oft das Herz mir schwer;
Und die Kunden alter Zeiten
Sah'n mich an so groß und hehr.

Soll ich die zur Lust auftischen
Neu für's alte Lesekind?
Oder mich in jene mischen,
Die so unerfreulich sind?

Liebe sprach: In Zweifeln schwebst du,
Schwankend zwischen Jetzt und Einst.
Dich des Zwiespalts überhebst du,
Wenn du alle zwei verneinst.

Nichts besagen die Geschichten,
Als daß Menschen stets gelebt.
Soll man außen dir berichten,
Was in deinem Busen bebt?

Aus! mit Liebe dich erdreuste!
In dir selb ist Ewigkeit.
Liebe ist die ältest-neu'ste
Einz'ge Weltbegebenheit.

 

XXIX.

Ich bin der Welt abhanden gekommen,
Mit der ich sonst viele Zeit verdorben.
Sie hat so lange von mir nichts vernommen,
Sie mag wohl glauben, ich sei gestorben.

Es ist mir auch gar nichts daran gelegen,
Ob sie mich für gestorben hält;
Ich kann auch gar nichts sagen dagegen,
Denn wirklich bin ich gestorben der Welt.

Ich bin gestorben dem Weltgewimmel
Und ruh' in einem stillen Gebiet.
Ich leb' in mir und meinem Himmel,
In meinem Lieben, in meinem Lied.

 

XXX.

Ach, hinunter in die Tiefen
Dieser sel'gen Augen schau'n!
Die von Himmelsfrieden triefen,
Die von Frühlingswonnen thau'n;
Ist es doch, als ob sie riefen:
Fass', o blödes Herz, Vertrau'n!
Steig' herunter ohne Grau'n
Zu den stillen Friedensgau'n;
Hier auf Paradieses Au'n,
Wo nur Unschuldsträume schliefen,
Sollst du nun die Hütten bau'n
Unter'm Schatten der Oliven.

 

XXXI.

Himmel! eh' ich nun dies Auge schließe,
Das am Tag der Anblick der Geliebten
Hat beseligt, falt' ich diese Hände,
Die sich heut' um ihren Nacken schlangen,
Falt' ich sie zum Nachtgebet und bitte:
Heil und Segen, Freude, reine Wonne,
Jugendfülle, Lebensmuth, Gesundheit,
Heiterkeit und Frohsinn, Ruh' und Frieden,
Ungestörtes Seelenglück: das Alles
Bitt' ich nicht für mich, für die Geliebte.
Denn ich weiß, in diesem Augenblicke,
Fern von mir die holden Augen schließend,
Bittet sie für ihren Freund dasselbe.

 

XXXII.

Liebster! Liebster! wie ich bange!
Wie ich so dich halt' im Arm,
Werd' ich so dich halten lange?
Wie du liebest, macht mir Harm.

Wie du liebest, wie du dichtest,
Wie du tausend Lieder schreibst –
Sag', ob du dich nicht vernichtest?
Sag', ob du nicht auf dich reibst? –

Hab' ich doch schon lang' geschrieben,
Immer war's mir eine Lust.
Seit ich schreibe, wie wir lieben,
Quillt ein Strom in meiner Brust.

Liebste! das sind keine Mühen,
Ist kein Werk, das kämpft und ringt.
Das ist, wie die Blumen blühen,
Das ist, wie der Vogel singt.

Laß mich singen, laß mich küssen,
Schenk' mir beide Becher voll,
Weil ich nach des Himmels Schlüssen
Nichts als dieses kann und soll!

Schlagt, ihr Flammen, in einander!
Selig, wer in euch verschwebt!
Doch ich bin ein Salamander,
Der in Doppelgluthen lebt.

 

XXXIII.

Wenn ich früh in den Garten geh'
In meinem grünen Hut,
Ist mein erster Gedanke,
Was nun mein Liebster thut?

Am Himmel ist kein Stern,
Den ich dem Freund nicht gönnte.
Mein Herz gäb' ich ihm gern,
Wenn ich's herausthun könnte.

 

XXXIV.

Die Liebste fragt, warum ich liebe?
Wie wenn, o schöne Fragerin,
Ich dir die Antwort schuldig bliebe,
Warum ich athme, leb' und bin?

Die Liebste fragt mich, was ich liebe?
Dich lieb' ich und die Welt in dir,
Ich lieb' in dir des Schöpfers Liebe,
Und seiner Schöpfung Zier an dir.

 

XXXV.

So lang' ich werde: »Liebst du mich,
O Liebster?« dich fragen,
So lange sollst: »Ich liebe dich,
O Liebste!« mir sagen.

Werd' ich mit Blicken: »Liebst du mich,
O Liebster?« dich fragen,
Mit Küssen sollst: »Ich liebe dich,
O Liebste!« mir sagen.

Und wird ein Seufzer: »Liebst du mich,
O Liebster?« dich fragen,
Ein Lächeln soll: »Ich liebe dich,
O Liebste!« mir sagen.

 

XXXVI.

Liebster! zürne nicht den Fragen:
Liebster! liebst du mich?
Mußt mir immer wieder sagen:
Ja, ich liebe dich.

Nicht als ob ich es vergessen,
Was du mir gelobt;
Nicht als ob ich's nicht indessen
Tausendmal erprobt;

Sondern weil ich's nie kann fassen,
Wie ich's denk' in mir,
Muß ich mir es sagen lassen
Immer neu von dir.

Immer muß ich mir erregen
Zweifel neuer Pein,
Aber immer widerlegen
Mußt du sie mir sein.

Immer muß ich dich empfinden
Inner-äußerlich,
Immer muß ich dich umwinden,
Sehen, hören dich.

Mußt mir nur nicht müde werden!
Willst du schweigen still?
(Gieb mir Antwort mit Geberden,
Was ich fragen will.

Sag' in jedem Augenblicke,
Was ich wissen muß,
Sag' es mir mit einem Blicke
Oder einem Kuß!

 

XXXVII.

Immer drängt es mich, zu sagen, wie ich liebe!
Und ich weiß es nie zu klagen, wie ich liebe.
Meinst du wohl, daß auf den Fluren Morgenlüfte
So nach Rosendüften jagen, wie ich liebe?
Meinst du wohl, daß so aus nächt'gem Schooß der Wolke
Rothe Morgenlichter tagen, wie ich liebe?
Meinest du, daß Adler streben, wie ich fliege?
Oder hohe Cedern ragen, wie ich liebe?
Sieh', es sagt die stille Knospe, die am Herzen
Fühlt den Wurm des Grames nagen, wie ich liebe.
Rose mit Erröthen, Lilie mit Erblassen
Wollen dir's zu sagen wagen, wie ich liebe.
Und die kleinen unbemerkten blauen Blumen
Wollen's sagen und verzagen, wie ich liebe.
Wenn der Sonne Strahl sie küsset, Thau sie tränket,
Sagt's ihr trunk'nes Wohlbehagen, wie ich liebe.
Und es sagt's ihr Todesschauern, wenn am letzten
Blick des Tages sie erlagen, wie ich liebe.
Alle Abendlüfte seufzen, wie ich leide,
Und die Nachtigallen schlagen, wie ich liebe.
Schatten flüstern, und die nächt'gen Bronnen rauschen
Dir's im Traume vorzutragen, wie ich liebe.
Jeder Mund der Schöpfung redet Freimunds Liebe;
Warum willst du mich erst fragen, wie ich liebe?

 

XXXVIII.

Ich liebe dich, weil ich dich lieben muß;
Ich liebe dich, weil ich nicht anders kann;
Ich liebe dich nach einem Himmelsschluß;
Ich liebe dich durch einen Zauberbann.

Dich lieb' ich, wie die Rose ihren Strauch;
Dich lieb' ich, wie die Sonne ihren Schein;
Dich lieb' ich, weil du bist mein Lebenshauch;
Dich lieb' ich, weil dich lieben ist mein Sein.

 

XXXIX.

Warum willst du And're fragen,
Die's nicht meinen treu mit dir?
Glaube nichts, als was dir sagen
Diese beiden Augen hier.

Glaube nicht den fremden Leuten,
Glaube nicht dem eignen Wahn;
Nicht mein Thun auch sollst du deuten,
Sondern sieh' die Augen an.

Schweigt die Lippe deinen Fragen
Oder zeugt sie gegen mich?
Was auch meine Lippen sagen,
Sieh' mein Aug' – ich liebe dich.

 

XL.

Liebst du um Schönheit,
O nicht mich liebe!
Liebe die Sonne,
Sie trägt ein gold'nes Haar.

Liebst du um Jugend,
O nicht mich liebe!
Liebe den Frühling,
Der jung ist jedes Jahr.

Liebst du um Schätze,
O nicht mich liebe!
Liebe die Meerfrau,
Die hat viel Perlen klar.

Liebst du um Liebe,
O ja mich liebe!
Liebe mich immer,
Dich lieb' ich immerdar.

 

XLI.

Wer in der Liebsten Augen blickt,
Der hat die Welt vergessen.
Der kann nicht, wen ihr Arm umstrickt,
Was draußen liegt, ermessen.

Ich halt' in meinem Arm mein Glück;
Wer kann es mir entziehen?
Und nährn' es morgen Gott zurück,
War's heut' mir doch geliehen.

Verlangen kann ein Menschenherz
Nichts Besseres auf Erden,
Als fühlen Liebeslust und Schmerz,
Und dann begraben werden.

 

XLII.

Der Schöpfung ew'ger Mittelpunkt
Ist in des Menschen Herzen,
Aus welchem durch die Welten funkt
Ein Strahl von Lust und Schmerzen.

Des Menschen Seel' erwärmt allein
Der Erde starre Glieder
Und gießt durch's eherne Gebein
Des Fühlens Schauer nieder.

Es füllt allein des Menschen Geist
Mit Leben aus die Räume,
Bis wo die letzte Sphäre kreist,
Aussendend Liebesträume.

Die Bälle, die, im Kreis geführt,
Dem Bann der Schwere fröhnen,
Wie sie der Liebe Blick berührt,
So leuchten sie und tönen.

Zum unbewußten Kind der Au'
Die Liebe spricht: Erwache!
Im Auge der Empfindung Thau,
Der Sonn' entgegen lache!

Der ew'gen Hoffnung Morgenröth'
Im Osten angeflogen,
Und in den Wolken steht erhöht
Des Glaubens Regenbogen.

Die Perle naht, der Edelstein,
Aus Schacht und Meeresgründen,
Zum Dienst der Liebe sich am Schein
Der Sonne zu verbünden.

Ich möcht' ein Stern nicht sein, wenn ich
Kein liebend Aug' entzückte,
Und keine Blume, wenn nicht mich
Der Liebsten Finger pflückte.

Die Geister alle der Natur
Mit sehnsuchtsvollen Mienen,
Sie drängen sich heran, um nur
Zum Gleichniß dir zu dienen.

Ich greif' in's glänzende Gewühl
Und such' in tausend Bildern
Ein unaussprechliches Gefühl,
Mein Lieben, dir zu schildern.

 

XLIII.

Ich dachte, daß ich wäre
Ein Ganzes wohl,
Gerundet eine Sphäre
Von Pol zu Pol:

Wie halb ich war, empfunden
Hab' ich durch dich:
Nun haben erst gefunden
Zwei Hälften sich.

 

XLIV.

Geliebte! Groß ist die Natur,
Doch ist das Höchste nicht in ihr.
Sie ist ein Kleid der Gottheit nur,
Der Gottheit Glieder sind nur wir.

Du siehst in ihr der Liebe Spur,
Die Liebe selbst ist nur in dir,
In dir der Treue Himmelschwur,
In ihr der Trieb und die Begier.

Sie ist ein trüber Spiegel nur
Für Gottes ew'ge Liebeszier;
Der rechte Spiegel rein und pur
Ist nur in deinen Augen hier.

Die Sterne dreh'n sich im Azur,
Und auf der Erde Pflanz' und Thier,
Sie dreh'n sich um die Liebe nur
Und kommen selber nicht zu ihr.

Darum, als Gott herniederfuhr,
Ward er nicht Pflanze, Stern noch Thier,
Er ward ein Mensch auf ird'scher Flur,
Und sein durch Liebe wurden wir.

 

XLV.

Ich wohn' in meiner Liebsten Brust,
In ihren stillen Träumen.
Was ist die Welt und ihre Lust?
Ich will sie gern versäumen.

Was ist des Paradieses Lust
Mit grünen Lebensbäumen?
Ich wohn' in meiner Liebsten Brust,
In ihren stillen Träumen.

Ich wohn' in meiner Liebsten Brust,
In ihren stillen Träumen.
Ich neide keines Sternes Lust
In kalten Himmelsräumen.

Was ist die Welt und ihre Lust?
Ich will sie gern versäumen.
Ich wohn' in meiner Liebsten Brust,
In ihren stillen Träumen.

 

XLVI.

Sagt mir nichts vom Paradiese,
Es ist mir zu weit;
Vorgezogen hab' ich diese
Eng're Seligkeit.

Sagt mir nichts vom Paradiese,
Es liegt mir zu weit;
Vorgezogen hab' ich diese
Näh're Seligkeit.

Meiner Liebsten Kammer, diese
Nahe Seligkeit,
Liegt mit ihrem Paradiese
Niemals mir zu weit.

Meiner Liebsten Kammer, diese
Enge Seligkeit,
Schließt für mich neun Paradiese
In sich, himmlisch-weit.

 

XLVII.

Ich war am indischen Ocean
Einst eine Palm' entsprungen,
Du warst die blühende Lian',
Um meinen Schaft geschlungen.

Ich war einmal ein Blüthenast
In Edens schönster Laube,
Da hattest du auf mir die Rast
Gewählt als girrende Taube.

Du warest einst ein Morgenduft
Um Schiras Gartenbeete,
Da war ich eine Morgenluft,
Die spielend dich verwehte.

Du warst auf Sinas Moschusflur
Die einsame Gazelle,
Ich fand im Thaue deine Spur
Und ward dein Spielgeselle.

Ich war ein lichter Tropfen Thau,
Und als ich niedersprühte,
Warst du ein Blumenkelch der Au
Und nahmst mich in's Gemüthe.

Ich war ein klarer Frühlingsquell,
Ich hab' es nicht vergessen,
Du stand'st und trankest meine Well'
Als schlankste der Cypressen.

Ich war ein Funken Gold im Schacht,
Da hab' ich ganz alleine
Zum Ringe mich, und dich gemacht
Zu meinem Edelsteine.

Ich war einmal ein Mondenstrahl,
Du Abendsternes Blinken,
Da sähest du viel tausendmal
Mich dir von ferne winken.

Du warest vor mir auf der Flucht,
Vor meinem Blick geschwunden.
Ich habe damals dich gesucht,
Nun hab' ich dich gefunden.

 

XLVIII.

Seit das Paradies verloren,
Ist die Arbeit Menschenloos,
Und die Ruhe wird geboren
Nur aus der Beschäft'gung Schooß.

Mag's den fleiß'gen Meister freuen,
Eh' ein Werk zu Ende läuft,
Heute schon zu seh'n den neuen
Stoff auf morgen angehäuft.

So mich freut es, ohne Schranken
Meine Arbeit wachsen seh'n
In der Werkstatt der Gedanken,
Wo des Liedes Formen steh'n.

Von des Tages erster Hellung
Bis zum letzten Abendstrahl,
Niemals endet die Bestellung,
Nie des Schaffens süße Qual.

Und so schaff' ich meine Wochen,
Und ein Feiertages Licht
Ist mir hoffend angebrochen
Auf der Liebsten Angesicht.

Wie sie mild dem Goldarbeiter
Ihres Schmucks ein Lächeln schenkt,
Stärkt den Geist es, daß er heiter
Fort auf neue Arbeit denkt.

Doch die rechten Feierstunden
Des Gemüthes träum' ich dann,
Wann, von ihrem Arm umwunden,
Mir des Schaffens Drang zerrann.

 

XLIX.

Wie die Engel möcht' ich sein
Ohne Körperschranke,
Deren Unterredung ein
Tönender Gedanke.

Oder wie die Blum' im Thal,
Wie der Stern in Lüften,
Dessen Liebesruf ein Strahl,
Deren Sprach' ein Düften.

Oder wie der Morgenwind,
Der um seine Rose
Aufgelöset ganz zerrinnt
In ein Liebgekose.

Aermer ist die Nachtigall,
Die nicht kann zerfließen,
Sondern nur der Sehnsucht Hall
Lässet sich ergießen.

Eine Nachtigall bin ich,
Aber stumm geboren!
Meine Feder spricht für mich,
Doch nicht zu den Ohren.

Leuchtendes Gedankenbild
Ist des Griffels Schreiben;
Doch wo du nicht lächelst mild,
Muß es tonlos bleiben.

Wie dein Blick das Blatt berührt,
Fängt es an zu singen,
Und den Preis, der ihr gebührt,
Hört die Lieb' erklingen.

Jeder Buchstab' ist zumal
Memnonsäule worden,
Die, geküßt vom Morgenstrahl,
Aufwacht in Akkorden.

 

L.

Wie der Vollmond
Aus den Wolken der Nacht,
Ist das Antlitz der Liebsten
Aus den Schleiern
Mir entgegen getreten,
Sanft mit Glanzblick
Die Verwirrungen lösend
Am dunklen Himmel der Seele.

Durch Wogenaufruhr,
Stürmische See,
Vom Heimathland
Hinausgewiesen,
Von Leitsternen verlassen,
Trug mich einsamen
Schiffer der Liebe
Mein verlorner Nachen.

Aber von leisen
Liebesstrahlen
Meines Mondes berühret,
Hat die Wellenempörung,
Der gähnende Abgrund
Unter mir,
Sich zum freundlichen
Spiegel des Himmels geglättet.

Ein Schmetterling
Mit entfalteten Schwingen,
Schwebt der bewimpelte Nachen,
Mit Mondenlichtern
Und Lüften spielend,
Durch gekräuselte
Blumen des Schaumes
Ueber der grünen Meerflur.

Woher? wohin?
Dort hinten, woher
Die Fahrt mich trug,
Dort hallet im Zug des Nachtwinds
Gedämpftes Tosen
Der Brandung nach,
Die gegen den Strand
Des Lebens sich bricht.

Heil dir, mein Nachen,
Daß du entronnen
Den Wirbeln bist!
Und dort, wohin du strebest,
Dort liegt das Land der Hoffnungen,
Das Paradies der Wünsche,
Der Hesperidengarten,
Der Inselhain der Seligen.

Gewürzte Lüfte
Tragen die Liebes-
Grüß' herüber
Von nachtduftenden
Wunderblumen,
Und Nachtigallen flöten
Schlummerlieder
Dem müden Schiffer entgegen.

Komm', o müder
Schiffer der Liebe,
Sucher des Schönen,
Sehnendes Herz!
Aus dem schwankenden Nachen
Komm' an's Eiland der Ruh',
Unter die wehenden
Palmen des Friedens komm'!

Ruhe dich aus, entschlumm're!
Und jener Mond,
Deß Liebesantlitz
Du sahst im Spiegel der Wasser,
Als Glanzgestalt
Der Liebsten tret' er
Im sterngestickten
Gewand der Nacht dir entgegen.

 

LI.

Wann die Rosen aufgeblüht,
Geht der Lenz zu Ende;
Wann die Sonn' am höchsten glüht,
Naht die Sonnenwende.

Alles Leben muß hinab,
Das nicht mehr kann steigen:
Und so will ich in mein Grab
Mich, o Liebchen, neigen.

Da die Lieb' ich fand, um was
Könnt' ich hier noch werben?
Thu' den Arm mit auf und laß
Mich im Kusse sterben!

 

LII.

Ich schaudr', in meiner jungen Brust
Nach weggenomm'ner Hülle
Zu finden ungeahnter Lust
Solch' eine tiefe Fülle.

Ein solches Meer, solch' einen Schacht
Von Regungen und Trieben,
Solch' eine Himmelsübermacht,
Zu fühlen und zu lieben.

Wo kam das her, was hier nun quillt,
Das wunderbare Leben,
Das auf den Liebsten überschwillt
Und auf die Welt daneben?

Mein Liebster sagt: der Ueberfluß
Hab' in mir, still bedecket,
Geschlafen lang', und nur sein Kuß
Hab' ihn hier aufgewecket.

 

LIII.

Ich weiß auf Erden einen Spiegel klein,
Der größer mir als Meer und Himmel gilt
Denn weder Meer noch Himmel ist so rein
Wie jenes Licht, das seiner Tief entquillt.
In diesen Spiegel schau' ich mich hinein,
Die Lust, mich d'rin zu seh'n, ist nie gestillt.
So ungetrübt sein Glanz mög' ewig sein,
Wie er nie lieb'res spiegelt als mein Bild!

 

LIV.

In deinem Auge seh' ich einen Jüngling steh'n,
Er thut als wie ein Bräutigam entzücket.
O wolle doch einmal auch mir in's Auge seh'n,
Ob drin ein Mädchen steht als Braut geschmücket!

 

LV.

Glücklich, wer von Jugendlenz umroset,
Mit dem Becher, mit dem Liebchen koset;
Wer in des Gemüthes heil'ger Stille
Nicht vernimmt, wie Welt und Leben toset;
Wer sich über's Trübe nicht betrübet
Und sich über's Böse nicht erboset;
Keine Klage kennet als die süße,
Daß sich schnell der Liebe Lenz entroset!
Trinke! tränke mich, eh' sich mit Schweigen
lieber unsern Durst die Gruft bemooset.
Geht! wo man im Lottospiel des Lebens
Den Gewinn und den Verlust verlooset.
Freimund, ohne mitgespielt zu haben,
Hat das große Loos für dich erlooset.

 

LVI.

Süßer ist als Thun, viel süßer, Leiden;
Darum, Liebste, muß ich dich beneiden:
Weil das Lamm du bist, und ich der Hirte,
Du darfst folgen, und ich dich muß weiden;
Weil du bist die Au', und ich dein Frühling,
Ich dich schmück', und du dich lassest kleiden;
Rose du, und ich der Dorn, dein Hüter,
Der dir abwehrt, was dir frommt zu meiden;
Rebe du, die Freudenthränen weinet,
Wenn ihr Winzer, ich, sie muß beschneiden.
Wenn du Trauben mir versprichst zu tragen,
Soll mir nichts die Winzermüh' verleiden.
O du Bild, das meine Liebe malet,
Sollte je von dir mein Fleiß sich scheiden!
Du bist Marmor, und ich bin der Meißel,
Dich zu bilden, muß ich mich bescheiden.
Du mein edler Stein, ich bin dein Künstler,
Der in's Herz dir sein Gepräg' will schneiden.
Prägen will ich dich nach meinem Herzen,
Bis du nicht von mir zu unterscheiden.
Alle deine Eigenschaften will ich
Bilden aus zu köstlichen Geschmeiden.
Alle deiner Seele Fäden will ich
Weben aus in ein Geweb' von Seiden.
Wie du in Geschmeid' und Seide prangest,
Will ich dann den Blick an dir auch weiden.
Sieh'! mein Glück ist, deines zu gestalten;
Solltest du nicht gern dein Glück erleiden?

 

LVII.

Als ich singen wollte zu der Liebe Preise,
Statt in eig'ner, auch einmal in fremder Weise,
War die Weise fremd im Anfang, aber wurde
Eigen endlich auch im Liebeszauberkreise. –

Geh' in der Nacht im Garten an die Fluth,
Wo schon der Lotos unter'm Wasser ruht,
Entschlei're dich! er taucht empor und hält
Für Sonnenaufgang deiner Wange Gluth. –

Als wie das Käferchen im Schooß der Rose,
Als wie das Mückchen in der Zuckerdose
Hält mich die Lieb' in Lust gefangen; soll ich
Beklagen oder segnen meine Loose? –

Ich trage deinen Traum in meinem Busen,
Für And'res ist kein Raum in meinem Busen.
Mein Blut ist hin, ich trage wie der Becher
Nur süßen Liebesschaum in meinem Busen. –

Wenn ich dein Süßes dürft' erwerben nicht,
O kargtest du mit deinem Herben nicht!
Wenn mir, durch dich zu leben, wehrt das Glück,
Mißgönnte mir's, von dir zu sterben, nicht! –

Gestern war ich Atlas, der den Himmel trug,
Als der Liebsten Herz auf meinem Busen schlug!
Ihrer Augen Sonnen kreis'ten über mir,
Und wie Aether spielt' um mich ihr Athemzug. –

O zieh' den Liebesknoten fester zu noch!
So lang' ich athme, fand ich keine Ruh' noch.
Laß mich in dir ausathmen! Mir fehlt etwas,
So lang' ich etwas And'res bin als du noch. –

Mir ist dein Kuß je länger je lieber.
Dein Arm ist mir je enger je lieber.
Zwar macht dein Kuß, der lange, mir bange,
Mir aber ist je bänger je lieber. –

Meine Thränen fließen ohne Minderung,
Meine Wunden bluten ohne Linderung.
Mich am Sterben hindern könnte nur dein Blick,
Doch er läßt mich sterben ohne Hinderung. –

Die Wund' ist mein, wozu den Pfeil du hast;
Das Weh' ist mein, wozu das Heil du hast.
Ich suche dich, o sieh! die Hälfte Herz
Ist mein, wozu das and're Theil du hast. –

Der Hauch auf meinen Lippen ist nicht meiner,
Ich hab' ihn dir entathmet, er ist deiner.
Dein Liebesodem und mein Sehnsuchtsathem,
Zwei Hauche waren es und sind nun einer. –

Die Liebe sprach: Gieb mir dein Herz, es soll genesen.
Entfaltet wie ein Blatt hat sie mein ganzes Wesen.
Mit einem Gruß an dich hat sie das Blatt beschrieben;
O möchtest du einmal wie einen Brief mich lesen! –

Du bist mein Tag, was könnte trüb' mich machen?
So oft du lächelst, muß die Welt mir lachen.
Du bist mein Tag, o lächle, daß ich sterbe,
Und lächle dann, ich will vom Tod erwachen.

Mein Tag! du mußt dich auch geberden heiter,
Wenn es mir soll im Herzen werden heiter.
Wenn um die klare Stirn' du Wolken ziehest,
Mein Tag! alsdann ist's nicht auf Erden heiter.

Wenn du deine Augen schließest, welche meine Sonnen sind,
Weiß ich nicht, ob du mir vorkommst blind, ob ich mir selber blind?
Wie ein Kind dann möcht' ich weinen, wie du mit geschlossenen
Augen seltsam hold mir vorkommst, hülfsbedürftig wie ein Kind. –

Liebster! daß vor mir du sterbest, siehst du wohl, es geht nicht an,
Da ich weinen muß, sobald du deine Augen zugethan.
Da ich jetzo trock'nen Auges sie nicht kann sich schließen seh'n,
Meinst du, daß ich ungebroch'nen Herzens brechen seh'n sie kann? –

 

LVIII.

Schwing' dich, Adler! ich erlaube deine Lust;
Schwing' mit Kreischen dich und raube deine Lust!
Turteltaub'! im Nest nicht girre, wo er kreischt;
Birg mit Schweigen unter'm Laube deine Lust!
Heut' erwähl' ich mir des Adlers Sonnenschwung,
Morgen mir, o Turteltaube, deine Lust.
Freuden pflücke, wann der Frühling Rosen bringt;
Koste, bringt der Herbst die Traube, deine Lust!
Lilie! des Silberhelmes freue dich!
Ros'! es sei die Scharlachhaube deine Lust!
Ostwind! hauch' in Blüthenflocken säuselnd hin!
Komm' auch, Nordwind, und verschnaube deine Lust;
Laß sich deine Sprossen drängen, Sommerhain,
Eh' der Winter dir entlaube deine Lust!
Blicke, wenn die Erde leer ist, himmelan,
Schmerz! dir zeiget dort der Glaube deine Lust.
Ist ein Wissen dir gegeben, liebes Herz,
Sorge, daß es nicht verstaube deine Lust!
Wie das Huhn, das Körner picket, Freimund, komm'
Und der Spreu der Welt entklaube deine Lust!

 

LIX.

O des stillen Flusses Najade,
Der die Wohnung der Liebsten bespült
Und hinunter auf leisem Pfade
An den Wurzeln des Gartens wühlt;
Gieb die Wogen zum lauen Bade,
Das ihr die zarten Glieder kühlt!

O des stillen Flusses Najade,
Der die Wohnung der Liebsten bespült,
So du wünschest, daß nie dir schade
Gluth des Sommers, der drückend schwült:
Gieb die Wogen zum lauen Bade,
Das ihr die zarten Glieder kühlt!

O des stillen Flusses Najade,
Der die Wohnung der Liebsten bespült,
Du erflehtest dir selb es zur Gnade,
Hast durch das Amt geehrt dich gefühlt:
Gieb die Wogen zum lauen Bade,
Das ihr die zarten Glieder kühlt!

 

LX.

Freund! o wie mir's dringt zu Herzen,
Was dein Lied von Liebe spricht:
Nur so oft's von süßen Schmerzen
Redet, so begreif' ich's nicht.

Ist es um des Klagens willen,
Nur weil Schmerz auf Herz sich reimt?
Denn ich fühle, wie im stillen
Busen gar kein Schmerz mir keimt.

Hier sind lauter Himmelswonnen,
Ist es so nicht auch in dir? –
Freundin! ja so hat's begonnen,
Doch so lang' war's anders hier.

Nur im reinsten Engelherzen
Kann der Liebe Himmelslicht
Zünden reine Freudenkerzen,
Und die Flammen fühlst du nicht.

Und ich fühle, wie herüber
Schon von dir die Kraft mir bringt,
Tretend in den Kamps mit trüber
Nacht, und sie zu Boden ringt.

Nur das Schmerzenwort zu brauchen,
Klebt dem Lied noch an ein Hang.
Komm', in Wonnen untertauchen,
Freundin, soll der leere Klang!

 

LXI.

Scheinen will es zwar ein Traum;
Was ich fühle, glaub' ich kaum.
Doch du stehest mir zur Seiten,
Lieblichste der Wirklichkeiten!

Tages trägt mich das Gefühl,
Aber Nachts auf meinem Pfühl
Hab' ich oft im Traum verloren
Dich und was du mir geschworen.

Soll mir das ein Zeichen sein,
Eine Vorbedeutung? Nein!
Abgesagt sei allen Zeichen,
Allem Schauer-ahnungsreichen.

Wie das Leben hell bewußt
Fühl' ich dich in meiner Brust,
Und die Nacht mit ihrem Flüstern
Soll mir nicht das Licht verdüstern.

Ja, die finstere Gewalt,
Die am Tag hat keinen Halt,
Kann sich tückisch nur befleißen,
Dich im Traum mir zu entreißen.

Komm', o Liebste, Morgenlicht,
Mach' die Finsterniß zu nicht!
Deine Lieb' ist helles Wachen,
Sollte bang' ein Traum mir machen?

 

LXII.

Dieser Liebe Freudenschauer,
Der dich, Liebster, mir gewann,
O wie sorg' ich, auf die Dauer
Ob er mir nicht halten kann.

Mit dem Raub des Himmels schmücken
Und der Erde möcht' ich mich,
Immer neu dich zu beglücken,
Zu entzücken, Liebster, dich.

Ja, ich wollte selbst nicht schaudern,
Auch für dich gelehrt zu sein.
Führe mich nur ohne Zaudern
In das Reich des Wissens ein.

All' dein Dichten, all' dein Denken,
Durch der Liebe Zauberhauch
Könntest du in mich es senken,
Dich in mir zu finden auch!

Daß dich's freute, die Entfaltung
Deiner Träum' in mir zu schau'n,
Und mit schöpf'rischer Gestaltung
Deine Welt in mir zu bau'n.

Daß du jeder deiner Fragen
Hier die Antwort fändest all',
Jede Saite angeschlagen
Dir gab' einen Wiederhall.

Daß ich wie ein reiner Spiegel
Gegenüber dir gestellt,
Löste unter'm Liebessiegel
Die Geheimnisse der Welt.

 

LXIII.

Liebster! o wie träumt' ich einst,
Dir so viel zu sein.
Wie du größer mir erscheinst,
Werd' ich mir so klein.

Ja, ich fürchte, daß ich dir
Immer minder gar
Werden müsse, wie du mir
Mehr wirst immerdar.
Hast du mich so nöthig auch,
Als ich habe dich?
Laß in einen Seufzerhauch,
Liebster, schwinden mich.

Nanntest Engel mich und Stern;
Bin ich Beides noch?
Stehe dir dazu nicht fern,
Steh' dazu nicht hoch.

Wie du völlig mich gewannst,
Seh' ich gar nicht ein,
Was du an mir haben kannst
Als ein Weib allein.

 

LXIV.

Wenn ihr fragt, wer hier nun spricht,
Ich, der Dichter, oder Sie?
Sag' ich euch: ich weiß es nicht,
Sondert ihr's! ich sondr' es nie.

Hier find zwei in Liebeslust
Eins und thun's einander kund;
Ich empfind' aus ihrer Brust,
Und sie spricht durch meinen Mund.

 

LXV.

Von Cyanen laß den linden
Kranz dir winden,
Von Cyanen laß den rechten
Kranz dir flechten.

Schön mit deinen dunklen Haaren
Wird das dunkle Blau sich paaren.
Ceres selbst im Götterschimmer
Kränzt mit anderm Schmuck sich nimmer.

Du bist meines Lebens Ceres;
Ohne dich, mein Sein, was wär' es?
Dorn und Distel würden stehen,
Wo jetzt gold'ne Saaten wehen.

Du bist meine Segens-Ernte,
Meine blumenmilddurchsternte.
Deine Lieb' ist meine Garbe,
Daß mein Herz nicht Nahrung darbe.

Ewig sich von deinen Aehren
Müssen meine Wünsche nähren,
Und mit deiner stillen Blüthe
Muß sich schmücken mein Gemüthe.

Blaue Blüthe, Bild der Treue,
Blauer als des Himmels Bläue,
Dich, mir ewig treu geblieben,
Müss' ich ewig, ewig lieben.

 

LXVI.

Ich frage meine Herzgeliebte,
Wie Mancher wohl vor mir sie liebte,
Wie Manchen sie vor mir geliebt;
Worauf sie mir zur Antwort giebt:
Wenn das, wie du mich liebst, ist Liebe,
Wenn Lieb' ist das, wie ich dich liebe,
So hab' ich Keinen noch geliebt,
So hat mich Keiner noch geliebt.

 

LXVII.

Meine Liebste hat ein einziges Geschmeide,
Das sie ewig tragen will der Welt zum Neide,
Sich zum Stolz und mir zur Herzenaugenweide.

Meine Liebste hat ein einziges Geschmeide:
Meine Lieb' und meine Dichtkunst halfen beide,
Es zu weben aus Juwelen, Gold und Seide.

Meine Liebste hat ein einziges Geschmeide,
Das sie immer, ohne daß von ihm sie scheide,
Tragen will in Lust und, wenn es kommt, im Leide.

Meine Liebste hat ein einziges Geschmeide,
Und sie hat verordnet, daß zum Sterbekleide
Einst ihr diene, was jetzt dient zum Brautgeschmeide.


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