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7. Kapitel

Jerusalem mußte ich nun verlassen; einen Abschiedsblick den grauen Mauern des ehrwürdigen Sion zuwendend, fuhr ich mit Graf Caboga auf der recht guten Straße von Bethlehem weg. Vom Damaskus-Tor, wo unser Lager stand, führt der Weg anfänglich um die westliche Seite der Stadt herum, knapp unter der alten Mauer. Beim Beginn des Kydron-Tales muß eine Niederung passiert werden und zwischen steinigen, wenig bebuschten und nur von spärlichem Graswuchs bedeckten Flächen, einigen halb verfallenen Gartenmauern, verkümmerten Ölpflanzungen und ruinenhaften Häusern schlängelt sich die Straße hindurch. Zur Rechten erblickt man die kasernenartigen Gebäude der deutschen Kolonie, zur linken einen öden, verlassenen Höhenzug; am hübschesten ist der Blick zurück auf die hochragenden Zinnen, Mauern und Türme der heiligen Stadt.

Allmählich steigt der Weg an der entgegengesetzten Lehne der Niederung empor; ein kahler Hügel nahe von uns wird als der Platz bezeichnet, wo das Landhaus des Kaiphas stand; auch kommen wir über die Stelle, wo die Philister lagerten und David sie schlug; später an den Ruinen des Hauses des greisen Simeon und an dem Magierbrunnen, wo die Weisen aus dem Morgenlande den Stern wieder erblickten, vorbei. Der Sattel des Bergrückens ist erreicht und wir befinden uns neben der Gartenmauer des großen, zwischen Ölbäumen stehenden griechischen Klosters Mar-Elyâs. Die Aussicht von hier ist eine reizende; eine weite, von tiefen Einschnitten durchzogene, steinige, graugrüne Niederung zieht sich bis zu den Höhen, auf denen Bethlehem malerisch liegt. Die Racheln und kleinen Täler sowie die Senkungen des Terrains verfolgen alle die Richtung gegen die Randgebirge des Jordan-Tales und durch diese in Form von Schluchten hindurch nach dem Toten Meere.

Im Südwesten erblickt man in weiter Ferne einen ziemlich bedeutenden Ölwald, aus dessen Dunkel die Zinnen der Sommerresidenz des lateinischen Patriarchen emporragen. Nach Norden wird nun der Ausblick durch den eben überschrittenen Höhenzug abgeschlossen, während nach Westen ein Gewirr von steinigen Hügeln, kleinen Tälern und Plateaus der Landschaft einen interessanten Charakter verleiht.

Eine Viertelstunde noch bergab fahrend erreichen wir die Mauern des Gartens der kleinen Malteser-Burg Tantur. An einem Berghange steht das stilvoll gebaute mittelalterliche Schloß, an die Tage der Kreuzfahrer mahnend.

Das weiße Kreuz Maltas weht als Flagge von den Zinnen und die Nebengebäude, als Hospiz eingerichtet, zeugen für die Mildtätigkeit des alten Ritterordens. Durch den Garten bergauf gelangen wir an die zweite Umfassungsmauer und in den gepflasterten Schlosshof, in dessen Mitte ein tiefer Brunnen steht. Graf Caboga gründete dieses Schloß und das kleine Hospiz für kranke Pilger und Landvolk; das ganze Jahr hindurch führt er da ein angenehmes Landleben, ernsten Studien und mildtätigen Werken gewidmet. Sein Diener Ferdinand Nicodemus, ein christlicher Syrier, ein recht gebildeter junger Mann, leistet als gelernter Apotheker im Hospiz gute Dienste, zugleich ist er ein überaus geschickter Bursche, tüchtiger Reiter, findig und geübt im Verkehr mit den Bewohnern des Landes; er begleitete uns auch auf der ganzen Reise durch Palästina, wo wir ihn alle sehr schätzen lernten.

Als wir im Schlosshof angelangt waren, sprangen von allen Seiten große arabische Hunde, schöne Tiere, unseren ungarischen Wolfshunden sehr ähnlich, herbei und begrüßten freudig winselnd ihren Herrn. Graf Caboga ist ein Tierfreund und zähmt die verschiedensten Gattungen. Durch lange Zeit hatte er eine vollkommen zahme Hyäne; jetzt lief ihm ein schönes asiatisches Schaf bis in die Zimmer nach und ein mit den Tauben frei am Schlossturm lebender Kakadu schwang sich leichten Fluges auf die Schultern seines Herrn herab. Nachdem ich das wohnlich eingerichtete Schloß besehen hatte, ging ich begleitet von Ferdinand und meinem Jäger nach dem Platze, wo des Nachts auf Hyänen gejagt werden sollte.

Wir mußten den Weg, den wir gekommen waren, die Straße von Jerusalem, für ein kurzes Stück einschlagen. Mehrere hundert Schritte unterhalb des Klosters Mar-Elyâs stehen einige alte, aus großen Steinen flüchtig erbaute Mauern; an einer derselben dicht neben der Straße war auf sehr geschickte und unkenntliche Weise ein Versteck erbaut worden. Vor demselben lag in höchst übelriechendem Zustande, wie es die Hyäne liebt, ein alter Esel.

Leider war um diese Zeit kein Mondschein und ich mußte wohl erwarten, daß jeder Versuch, die Raubtiere in der stockfinsteren Nacht zu sehen, geschweige denn zu erlegen, vergeblich bleiben dürfte, daher hatte ich viel Gift, das probate Mittel Strychnin, mitgenommen, um doch einer Hyäne habhaft zu werden.

Große Lederhandschuhe wurden angezogen und darauf auf kunstgerechte Weise der Schlägel des Langohres todbringend präpariert; nach alter Jägersitte mußten einige kleine Fleischstücke, ebenfalls vergiftet, um den Hauptköder gelegt werden, da die meisten Raubtiere die Gewohnheit haben, früher einige kleine Brocken zu verkosten, ehe sie sich auf die große Arbeit verlegen. Diese ekelhafte Tätigkeit des Präparierens war eben beendet und wir richteten noch die Schußscharten der Embuscade her, als ein Araber mit langem Gewehr erschien und uns seine Dienste anbot; er wollte um jeden Preis uns des Nachts auf den Anstand begleiten, gab viele gute Lehren, erzählte über alle seine Erfolge bei der Hyänenjagd und nur mit Mühe konnten wir ihn zum Schweigen bringen. Da die Stunde des Lauerns noch lange nicht da war, beschlossen wir in das Schloß zurückzukehren; den Araber, von dem wir fürchteten, er könnte uns, im Falle er fortgejagt würde, aus Rache den ganzen Anstand verderben, nahmen wir vorsichtigerweise mit. Ferdinand kannte ihn als einen unerläßlichen, schlechten Menschen, der von der Jagd auf Steinhühner lebt und vagabundierend die Gegend Bethlehems durchzieht; das verschmitzte, heimtückische Gesicht sprach bestätigend für diese Annahme und so war ich entschlossen, dieses Individuum für diese Nacht unschädlich zu machen. Den jungen Hodek ließ ich beim Versteck, damit er bis zu unserer Rückkehr Acht gebe und wache. Die Sonne ging eben unter, die steinigen Hügel, das Schloß Tantur, die malerisch gelegene Stadt Bethlehem und die Randgebirge des Jordan-Tales zaubervoll vergoldend. Über dem Toten Meer drüben erglänzten die schönen Hochgebirge mit ihren hohen, kahlen Wänden, im echten an unsere Alpen erinnernden Alpenglühen.

Der Himmel war mit einzelnen dünnen Lämmerwolken bedeckt und ein kühler Luftzug wehte über das Hochplateau.

Die Temperatur der Umgebung Jerusalems und des gesamten Küstengebirges zwischen dem Meere bis Bethlehem ist nicht mit der milden, immer gleichen, herrlichen Luft Ägyptens zu vergleichen. Rauhe Winde mahnen an die hohe Lage dieses kahlen Plateaus und Schneefälle im Monat März sind bei der heiligen Stadt eine nicht allzu seltene Erscheinung. Bei Bethlehem, schon eine Stunde östlich dieses Ortes, ändert sich die Flora und das Klima und die fürchterliche dicke, schwere Atmosphäre des Jordan-Tales macht sich da fühlbar. Mit unserem Araber schritten wir nach dem Schloß zurück; dort angelangt, wurde er mit Speise und Trank erfreut, doch zugleich für zwölf Stunden in einem wohlversperrten Gemach seiner Freiheit beraubt. Auch wir nahmen ein sehr gutes Souper ein, das von den landesüblich gekleideten Dienern des Grafen serviert wurde. Hierauf eilte ich zu meinem Hyänen-Anstand zurück.

Die Nacht war einstweilen hereingebrochen und leider verfinsterte noch auftürmendes Gewölk die ohnehin in tiefes Dunkel gehüllte Landschaft. Hodek kauerte in der Hütte und meldete mir das Erscheinen einiger Schakale kurz nach Sonnenuntergang. Mit eiserner Geduld blieben wir bis Mitternacht im Versteck liegen, doch gar bald mußte man die Hoffnungslosigkeit erkennen, denn kaum war die Stelle, wo der tote Esel sich befand, bemerkbar. Wäre blanker Fels oder wie in Ägypten Wüstensand der Untergrund gewesen, so hätte ich bessere Aussichten gehabt, doch wie in der ganzen Umgebung Jerusalems, so auch hier, lagen einzelne Steine und Felsplatten, getrennt durch dunkles Gras, umher, mithin waren alle frohen Hoffnungen zerstört. Dafür aber standen wir in diesem engen, dumpfen Raum wahre Qualen aus; der Wind war für die Jagd gut und blies vom Aas direkt gegen uns, durch die Schußscharten die schrecklichsten Gerüche hereinwehend. Einigemal glaubten wir herumschleichende Tiere zu vernehmen; auch zogen auf der Straße mehrmals Menschen, Lieder vor sich hin brummend, vorbei und die Wachthunde des Klosters sowie jene des Schlosses heulten jämmerlich, nach echt orientalischer Weise. Um Mitternacht, wie gesagt, riß mir die Geduld und wir tappten alle vorsichtig nach dem Schlosse zurück.

Am 1. April noch vor Sonnenaufgang ließ ich mich wecken und ging hinaus, um die Wirkung des Strychnins zu sehen. Nicht gering war unser Erstaunen, als der Esel, das große, schwere Tier, einfach verschwunden war.

Keine Spur des Schleppens am Boden war zu bemerken, das Gras schien nicht gebogen, und so war der Beweis geliefert, daß ein außerordentlich starkes Raubtier den schweren Esel einfach hinweggetragen hatte.

Da einige der kleinen Brocken auch verschwunden waren, suchten wir die nächste Umgebung ab und fanden auf höchstens zwanzig Schritte einen starken Schakal. Hochbeiniger, größer und mit kürzerer und buschigerer Rute als die ägyptischen, und mit einem gelblichen Fell, das nur am Rücken durch eine blaugraue Schabrake unterbrochen war, erschien mir das merkwürdige Tier verschieden von jenen Schakalen, die ich bisher gesehen und erlegt hatte. Gar bald entdeckten wir auch eine Blutspur, die uns vom Platz direkt an die Straße führte, über dieselbe hinweg an eine Mauer; da konnte man deutlich bemerken, wie der Esel über die Steine hinweggezerrt worden war, auch klebten noch Haare und Blut an den scharfen Kanten; auf der entgegengesetzten Seite wurde das Aas wieder getragen; die Blutspur nahm nun die Richtung gegen eines jener tief eingeschnittenen Täler, die gegen die Randgebirge der Jordan-Niederung führen. Vorsichtig schlich ich nach; über eine Kuppe hinüberblickend, gewahrte ich auf beiläufig 50 Gänge einen dunklen Gegenstand und bei demselben ein kleines rötlich gelbes Tier. Einer jener wunderhübschen niedlichen Feneks (Wüstenfüchse) mit ihren langen Fledermausohren verzehrte da gemütlich sein Frühstück; ein glücklicher Kugelschuß streckte den kleinen Gesellen zu Boden.

Fenek

Als ich an den Platz eilte, fand ich meine Beute neben dem Kopf unseres Esels liegen; selbstverständlich wurde nun alles genau untersucht; der schwere, große Schädel eines ausgewachsenen alten Langohres der großen asiatischen Rasse war einfach abgebissen, man sah den Riß der Zähne. Mit dem übrigen Körper war das Raubtier verschwunden; bis hierher hatte es aber den ganzen Esel geschleppt, nicht gezerrt, sondern am Rücken getragen. Die Hyänen sind sehr groß und stark, doch dies zu leisten sind sie nach meiner Ansicht unmöglich imstande; auch haben sie nicht die Gewohnheit, ihre Beute unberührt zu verschleppen, das ist echte Bärenmanier und ich bin überzeugt, daß ein gelber syrischer Isabell-Bär, der, wie Brehm in seinem Tierleben sagt, auch in Palästina vorkommt, uns diese Posse gespielt hat. Wäre Vollmond gewesen, man hätte eine jagdlich herrliche Nacht erleben können. Ärgerlich und schlechter Laune ging ich in das Schloß zurück, um zu frühstücken. Auf der Straße herrschte reges Leben; die Karawanen mit Lebensmitteln auf Eseln und Kamelen zogen vom Lande zum Markt nach Jerusalem; man sah bunte Trachten und interessante Männer- und Frauen-Typen.

Bald kam auch unser Gepäck und die ganze Tragtier-Kolonne mit Herrn Howard an der Spitze vom heiligen Sion, wo das Lager an diesem Morgen abgebrochen worden war, am Schloß vorbei, um unterhalb Bethlehem unseren nächsten Lagerplatz wieder aufzuschlagen. Die Herren wollten noch den Vormittag in der Stadt zubringen und erst gegen 12 Uhr nach Tantur kommen. Ich benützte die erübrigte Zeit, um im Versteck auf große Raubvögel zu warten; der Kopf des Esels war indessen zur Hütte hinaufgeschleppt worden; ich hatte noch für die nächste Nacht Vergiftungspläne mit diesem letzten Überrest unseres stattlichen Langohres. Störche zogen in großen Scharen von Süden nach Norden, bald folgte auch die alltägliche Geier-Karawane, welche von den Hochgebirgen am Toten Meer nach den Städten, insbesondere Jerusalem, kommt, um die Äser aufzulesen. Hunderte von Geiern, einer hinter dem anderen, auch einige Adler wurden in den Vormittagsstunden in den Lüften sichtbar.

Leider stand das Versteck zu nahe an der Straße, auf der reges Leben herrschte, und so umkreisten Unmassen von großen Raubvögeln die Stelle, ohne sich herabzuwagen. Ein einziger Aasgeier hatte den Mut, einige Male ganz neben der Hütte vorbeizuziehen, was er auch mit dem Leben büßte.

Nach diesem Erfolg ging ich abermals zum Schloß zurück und erwartete da mit Graf Caboga die Ankunft meiner Reisegefährten, die auch bald erfolgte. In gestrecktem Schritt sprengten sie in den Schlosshof und allsogleich mußte ich meine Jagdgeschichten, die Erlebnisse der letzten Stunden zum Besten geben. Caboga bewirtete uns noch mit einem guten Gabelfrühstück, worauf alles teils zu Wagen, teils zu Pferd die kurze Reise nach Bethlehem antrat. Der steinige, schlechte Weg schlängelt sich zwischen alten Mauern, einigen Ölgärten, neben halb verfallenen Häusern, stets bergab gegen die steile Berglehne, an der die berühmte Stadt, der Geburtsort des Heilandes, liegt.

Der Name Bêt-lahem ist uralt und bedeutet im Hebräischen »Brotort«; in der altbiblischen Geschichte war diese Stadt durch die Fruchtbarkeit ihrer Umgebung berühmt und zugleich als Heimat der Familie David viel gepriesen; der auch an den Reichtum dieser Landschaft mahnende Name »Ephrata« wurde oft von den Propheten in ihren ahnungsvollen Gesängen genannt: »Und Du Bethlehem, Ephrata, die Du klein bist unter den tausenden in Juda, aus Dir soll der kommen, der in Israel Herr sei, welches Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.«

Die Stadt liegt auf einem Bergrücken, an den steil abfallenden Hängen malerisch aufgebaut, doch zugleich lang gestreckt; zwischen den steinigen Lehnen sind plattformartige Öl- und Weingärten, welche dem ganzen Bild einen freundlichen grünen Charakter verleihen, angepflanzt. Die aus weißem Stein erbauten Häuser mit flachen Dächern, die Kuppeln und Türme der Kirchen, die Plattformen und Klöster, das alles gibt diesem heiligen Ort den Anstrich einer größeren Stadt, die es eigentlich nicht ist.

An den ersten Häusern vorbei dringt man in eine enge Gasse ein; holperiges Pflaster, Winkelwerk, düstere Wände, ununterbrochenes Bergauf- und Bergabfahren sind die ersten Eindrücke, die der Wanderer erhält. Zugleich bietet sich aber Gelegenheit zu interessanten ethnographischen Studien. In noch weit höherem Maße als Jerusalem ist Bethlehem der Typus einer alten hebräischen Stadt. Die Menschen, die man auf den flachen Dächern ihrer Häuser, in den Gassen und an den Fenstern sieht, sind alte biblische Juden, wie die Phantasie dieselben nicht anders ausmalen kann; große Turbane, faltenreiche Gewänder, bunte Oberkleider; die Reichen in der Tracht der Pharisäer, die Armen so wie jenes Volks, das zuerst aus dem Munde des Erlösers auf den Plätzen und Straßen die Segen bringenden Sätze seiner Lehre erhielt.

Der Gesichts-Typus ist auch ein echt hebräischer: lange, gebogene Nasen, blasse Gesichtsfarbe, schwarze und rote Barte, geringelt und in zwei Spitzen verlaufend, wie man es auf den Bildern Christi und seiner Apostel sieht.

Die Frauen sind besonders auffallend: in weite, faltenreiche, farbige Gewänder gehüllt, das weiße, äußerst malerisch drapierte Tuch am Kopfe; blasse Hautfarbe, die schönsten Augen, Gesichtszüge und Haare, die man sich nur denken kann. Ich habe noch niemals so schöne Frauen als in Bethlehem gesehen, geschweige denn so viele in einer Stadt; eine Schönheit folgt der andern; die edelsten Muttergottes-Typen, und wie man sich die herrlichsten Frauengestalten des neuen Testamentes nur ausmalen kann, wandeln da in Fleisch und Blut umher.

Der erstaunte Pilger wähnt sich wie im Traume in die Tage des Heilandes versetzt, als Maria in ärmlicher Hütte den Gottmensch gebar und die Weisen aus dem Morgenlande, dem Stern folgend, aus den Niederungen des Jordan-Tales kamen, wo ihre freien Nomadenreiche bestanden, so wie sie heutzutage noch bestehen.

Frauen von Bethlehem

Noch weit mehr als Jerusalem entrückt Bethlehem den Wanderer aus der Gegenwart im Geiste in jene Tage, die uns die Überlieferung lehrt; und wenn möglich noch drastischer erkennt man alles, als hätte man es schon einmal in den Kinderjahren gesehen. Bethlehem von außen und besonders seine heiligen Stätten, die ich gleich schildern werde, sind der Typus des Krippenspieles, so wie wir es auf den Bildern der gläubigen Maler aus dem Mittelalter sehen und wie es alljährlich zu Weihnachten, in bunten Farben bemalt, als fromme Spielerei den Kindern geschenkt wird. Die Stadt ist von Christen bewohnt; die Urbevölkerung ward hier christlich und von fünftausend Seelen sind nur dreihundert Muslime.

Die Gasse verlassend, kommen wir auf einen von echt orientalischen Häusern umgebenen Platz, an dessen einer Seite sich die große Marien-Kirche mit allen dazugehörigen Gebäuden erhebt. Die wichtigsten heiligen Stätten sind auch hier unter einem Dach vereinigt und gehören den Lateinern, Griechen und Armeniern gemeinschaftlich; alle drei Religionen haben auch ihre mit der Kirche in unmittelbarer Verbindung stehenden Klöster.

An der Hauptpforte erwartete uns der Custode di Terra Santa mit einigen seiner Franziskaner und am Platze war alles dicht gedrängt mit Menschen; unglaubliche Massen von Bittgesuchen wurden uns in wenigen Minuten aufgedrängt.

Die Kirche ist uralt und schön, von byzantinischem Ursprung, ziemlich unversehrt, aus den Tagen Kaiser Constantins stammend, der sie selbst erbauen ließ. Im Innern überrascht uns ein im Laufe der Zeiten entstandenes Winkelwerk und viele so enge und niedere Pforten, durch welche man sich nur mit aller Mühe durchzwängen kann; sie haben den Zweck, die heiligen Stätten vor Invasionen der nicht allzu weit hausenden, vollkommen unbotmäßigen Araberstämme zu schützen.

Die Kirche mit ihren Kapellen und Hallen trägt den vollen Charakter der ältesten christlichen, daher byzantinischen Zeit, leider sind viele der uralten Mosaiken und Malereien verwischt und abgefallen sowie auch Statuen gebrochen; im Ganzen ist die Kirche nicht sehr gut erhalten; in ihrem Innern sieht man auf Schritt und Tritt den zwischen den drei Riten geschlossenen Kompromiss, und Altäre, Taufbecken und Stellen der verschiedenen Verehrungsarten befinden sich nebeneinander. Franziskaner und Popen wandeln in großer Menge in den Hallen umher; wenig Pilger, nur einige russische Bauern waren an diesem Tage anwesend; desto mehr Volk, da die Stadt christlich ist, darunter die schönsten, malerischsten Weiber, die sich nur die Phantasie ausmalen kann, folgten uns im heiligen Raume.

Das Interessanteste und Wichtigste sind die unterirdischen Grotten. Über eine Stiege und durch Türen gelangt man aus der Kirche in die durch viele Lampen hell erleuchtete Geburtskapelle; in einer Nische gegen Osten steht ein Altar, unter demselben ist ein silberner Stern in den Boden eingelegt, umgeben von den Worten: »Hic de virgine Maria Jesus Christus natus est.« Dieser enge düstere Raum hat eine ganz eigentümliche Wirkung auf jeden Pilger und der volle Mystizismus des alten Glaubens, die Macht der Überlieferung und die Überzeugung, hier sei das Christentum geboren worden, von da sei die größte Veränderung in der Weltgeschichte hervorgegangen, ruft ernste erhabene Gedanken wach und wie von selbst fällt man auf die Knie, den Stein küssend, an dem Tausende von Lippen im langen Lauf der Zeiten in heißer Inbrunst durch einen vielsagenden Kuß ihr Credo dargebracht haben. Über drei Stufen noch tiefer hinabsteigend, gelangt man in die Kapelle der Krippe, wo, wie die Überlieferung lehrt, die Krippe mit dem Jesukindlein stand, und gegenüber wird die Stelle gezeigt, auf der die drei Weisen aus dem Morgenlande niedersanken, dem Gotteskind ihre Anbetung zollend.

Durch einen unterirdischen Gang kommen wir an einem Loch im blanken Fels vorbei, aus dem einst eine Quelle für die heilige Familie hervorsprudelte; eine Tür eröffnet hier den Eintritt in einen neuen Gang, wo die Stelle gezeigt wird, an der Josef den Befehl zur Flucht nach Ägypten erhielt; noch etwas tiefer ist die ganz höhlenartige Kapelle der unschuldigen Kinder, wo Herodes einige daselbst durch ihre Mütter verborgene Kinder morden ließ.

Unser Weg führt uns nun weiter zum Altar und Grab des heiligen Eusebius von Cremona, eines Schülers des heiligen Hieronymus; nahe davon gelangen wir zum Grab dieses großen Kirchenvaters; etwas weiter wird die in den Fels gehauene Kapelle des Heiligen gezeigt, in der er lebte und seine Werke schrieb. Der Weg durch die unterirdischen Räume war somit beendet und über eine Stiege gelangten wir durch die Katharinen-Kirche in das lateinische Kloster. Es ist dies ein einfach aber reinlich erhaltenes Gebäude; im Refektoriumssaal bewirteten uns die Franziskaner mit allerlei süßlichen Getränken.

Nach kurzem Besuch forderte uns der griechische Bischof, ein Mann in den besten Jahren mit langem schwarzen Bart und schönen Gesichtszügen, ein echter Grieche, höflich und geschmeidig, in den schönsten Phrasen auf, sein Kloster zu besuchen. Es ist dies ein einfacher Bau, bewohnt von Mönchen der Regel des heiligen Basilius; vollkommen orthodox eingerichtet, vom lateinischen Typus ziemlich verschieden. In einem kahlen, recht unwohnlichen Zimmer, von dem aus man aber eine schöne Fernsicht über die Stadt und die ganze Gegend genoß, mußten wir uns alle niedersetzen, mein Onkel, der Bischof und ich auf den einzigen Divan. Kaum waren wir da, als auch schon Popen mit den schrecklichen Getränken erschienen. Sobald als nur möglich trachteten wir, uns von da zu flüchten und gingen nun zu der nahe liegenden Milchgrotte. Durch einen weiten Eingang und über einige Stufen gelangt man in die eigentliche Grotte. Die Überlieferung lehrt, die heilige Familie habe sich daselbst verborgen und einige Tropfen der Muttermilch Marias seien auf den Kalkstein gespritzt; daher pilgern sehr viele Frauen an diese Stelle, denn ein Aufguß auf den Stein vermehrt die Milch jenen, die sie benötigen. Christen und auch Muslime halten diese Grotte in hoher Verehrung; der Altar im Innern derselben gehört den Lateinern.

Nachdem wir uns von den griechischen und lateinischen Geistlichen verabschiedet hatten, eilten wir an den letzten Häusern der Stadt vorbei zwischen Ölgärten und Steinmauern längs des Berghanges nach unserem Lager, das auf einem freien Platze neben dem ungemein schmutzigen, aber malerisch gelegenen Dorf Betsahur aufgeschlagen war.

Die Bevölkerung drängte sich neugierig heran und nur mit Mühe konnten die türkischen Gendarmen das Lager freihalten. Alles war schon ausgepackt und hergerichtet und gar bald hatten wir uns auch hier häuslich eingerichtet.

Zwei Jäger erschienen, ihre Dienste anbietend; es war ein edles Brüderpaar, bethlehemitische Bürger, vollkommene Juden im alten Kostüme; doch hatten sie auch viel Vagabundenartiges an sich und schienen von der Steinhuhn-Jagd zu leben. Der eine sprach gut Französisch und schien mit vielen Beduinenstämmen in Jagdangelegenheiten in Verbindung zu sein, versprach uns auch eine Steinbock-Jagd zu arrangieren und junge, lebende Steinböcke zu verschaffen. Er war Christ wie alle Bethlehemitaner und hatte in Frankreich als Soldat gegen Deutschland wacker gefochten. Herr von Lesseps lernte ihn auf seiner Reise in Palästina kennen und nahm ihn als Diener mit; in Frankreich übergab er ihn den Reihen der Armee, die eben gegen den Rhein marschierte; auf diese Weise nahm er am Feldzug 1870 teil und kehrte bald nach dem Friedensschluß in seine Heimat zurück, um da so wie einst auf Steinhühner zu jagen.

Mit diesen Leuten gingen nun Hoyos und ich hinaus, um in den Nachmittagsstunden noch etwas die nächste Umgebung zu durchstöbern. Im Tale in östlicher Richtung schreitend, kamen wir an einigen Herden vorbei. Die malerisch gekleideten Hirten gefielen mir sehr gut. Jene, die bei der Krippe als die Ersten dem Sohn Gottes huldigten, sahen gewiß auch nicht anders aus wie diese, die mit ihren Ziegen, eintönige Lieder singend, auf den Berghängen umherzogen.

Die Hügel nahmen hier einen höheren und steileren Charakter an; auch lagen die Steine spärlicher umher und gelbgrünes Gras bedeckte alles; ich bemerkte schon einen Unterschied in der Pflanzen-Fauna.

Betsahur ist in dieser Richtung das letzte Dorf und mit dem Beginne der graugrünen Berge und der Jordan-Flora gelangt man in das Gebiet der Beduinen-Stämme, wo eine gewisse Vorsicht nicht ganz außer Acht gelassen werden darf.

In den Hängen kletterten wir mit Eifer umher; einige Steinhühner wurden gesehen und gehört, doch die wenigen, die man in der Nähe Bethlehems findet, sind schon so scheu, daß von einer Annäherung keine Rede ist. Wir streiften mit unseren landesüblichen Jägern über einige Hügel gegen das Dorf zurück; sobald man sich demselben nähert, beginnt wieder die Zone der Ölbäume und verwahrloster Gärten. Südlich von dem Höhenrücken, auf dem Bethlehem und auch Betsahur stehen, befindet sich ein tief eingeschnittenes Tal, dessen beiderseitige Lehnen staffelförmig angelegte Öl- und Weinpflanzungen aufweisen, zwischen denen Felswände mit karstartigem Gestein, Nischen, Mulden und Höhlen bildend und mit immergrünen Gebüschen bedeckt, dem Ganzen einen recht malerischen Charakter verleihen. Die schmale Talsohle ist mit Felsblöcken, alten Mauern und Zisternen ausgefüllt; ein steiniger, für die Herden bestimmter Pfad schlängelt sich an der dem Orte entgegengesetzten Lehne empor. Hoyos und ich kletterten zwischen den Ölgärten und Felswänden, einige rufende Hühner suchend, herum, als plötzlich der Großherzog mit einigen anderen Herren neben dem Dorfe drüben erschien und uns mit Zeichen verständlich zu machen suchte, daß unter uns etwas Jagdbares umherlaufe. Leider gestattete das staffelförmig abfallende Terrain keinen Überblick und so eilten wir zu den Herren an die andere Lehne hinüber, wo uns mitgeteilt wurde, ein starker Schakal sei um eine Stufe tiefer langsam vorbeigewechselt. Auf das hin verteilten wir uns an verschiedenen Plätzen im Tale, um bei Sonnenuntergang auf die ausziehenden Raubtiere zu lauern.

Mein orientalischer Begleiter meinte, auch die Wauis hätten diesen Ort sehr gerne. »Waui« nennen die Araber Palästinas den Schakal, nicht »Thaleb« wie die Ägypter, überhaupt weicht das hiesige Arabisch von dem der Ägypter unverständlich stark ab.

Der Abend war sehr schön, die Sonne ging unter, Herden kamen vorbei, von malerischen Hirten geleitet, der Ton der Glocken vermengte sich mit schwermütigen Gesängen und von Bethlehem klang das Ave-Maria-Geläute herüber. Die Schatten wurden immer länger, das letzte Rot verschwand von den Bergen am Toten Meer, die Adler strichen ihren Schlafplätzen zu und ein Schakal schlich gespenstig durch das Tal; er nahm die Richtung gegen mein Versteck, doch leider war der Wind nicht am besten und so verschwand das schlaue Tier hinter einigen Felsen.

Eine eigentümliche, unheimliche Melancholie ruht in den öden Schluchten Palästinas, besonders des Abends, und man kann sich vorstellen, wie geeignet diese düsteren Plätze den Raubtieren erscheinen, wo Hyänen, Wölfe und Schakale zusammen bei den alten Gräbern heulen. Vor Eintritt der vollen Dunkelheit verließ ich den feuchten, kühlen Platz und eilte neben dem Dorfe vorbei nach dem Lager. Ein Schatten schwebte über mir hinweg, ich warf einen Schuß hin und ein armer Storch sank tödlich getroffen herab. Im Lager angelangt wurde gespeist und dann bald zur Ruhe gegangen.

Des anderen Morgens brachen wir ziemlich früh auf und ritten nach Bethlehem; abermals waren große Menschenmengen am Platze und nur mit Mühe drängten wir unsere wiehernden und umherspringenden arabischen Hengste bis zur Kirchentür durch das Gewühl. Die Franziskaner geleiteten die ganze Reisegesellschaft in die Geburtskapelle, wo der Burgpfarrer die Messe las. Publikum war uns selbst bis in die unterirdischen heiligen Stätten gefolgt und auf dem blanken Fels knieten, durch den matten Schein der Lampen interessant beleuchtet, einige wunderschöne Bethlehemitanerinnen, wahre Madonnen-Gestalten.

Nach dem Gottesdienst eilten wir auf den Platz hinaus, wo unsere Pferde standen.

Eine große Überraschung erwartete mich da. Auf der Terrasse eines Hauses lagen eine kolossale Hyäne mit wundervollem Fell und langen Mähnen und neben ihr zwei Schakale, kleiner und verschieden in der Färbung von dem des vorhergegangenen Tages, doch stärker und noch variierender im ganzen Aussehen vom ägyptischen Canis aureus. Das Gift hatte diesmal gewirkt. Tags zuvor wurde der noch übrig gebliebene Schädel des Esels mit starker Dosis Strychnin präpariert und als einzige Speise an den Platz gelegt; selbstverständlich fielen die in jenen öden Gegenden arg ausgehungerten Tiere mit aller Gier über den leckeren Bissen her und fanden auf diese Weise einen raschen Tod. Die Beute sandte ich, auf den Rücken eines Esels verladen, nach dem Lager zurück, wo sie in das Zelt unseres Präparators wanderte.

Wir ritten hierauf denselben Weg wie tags zuvor nach Tantur in das hübsche Malteser-Schloß. Dort angelangt, wurde beschlossen, einen der nahe liegenden kahlen, steinigen Hügel regelrecht zu treiben. Wir requirierten so viele Treiber als nur möglich. Diener des Grafen Caboga, unsere Pferdeknechte aus dem Lager, Hirten und spazieren gehende Landleute, alles wurde mitgenommen. Ein Teil der Herren stellte sich als Schützenlinie im Tale am Südabhang des Bergrückens an, während Hoyos, die Jäger und ich die Treiberlinie postierten und auf ein gegebenes Zeichen den Trieb ausführten; mehrere türkische Gendarmen halfen auch mit und bekundeten viel Talent für dergleichen Unterhaltungen. Einige Steinhühner, eine arme Wachtel und ein Schakal flogen und sprangen vor uns auf, nahmen aber leider nicht die Richtung gegen die Schützenlinie. Erst zum Schluß des Triebes zogen mehrere Hühner über die Herren hinweg, wovon eines erlegt wurde; desgleichen kam ein Hase zum Schuße und wurde von Chorinsky erschossen: Es war der echte graue, syrische Hase, etwas magerer und kleiner und um vieles dunkler gefärbt als unser Feldhase, doch diesem in allem ähnlicher als dem afrikanischen Wüstenhasen. Nach dem eben nicht allzu glänzend ausgefallenen Triebe gingen wir, Tantur rechts liegen lassend, an der Hyänen-Embuscade vorbei nach dem Kloster Mar-Elyâs, von wo aus sich eine herrliche Fernsicht über Jerusalem darbot. Es war der letzte Blick auf die heilige Stadt und deren Umgebung; von nun an ging es stets dem Osten und dann dem Norden wieder zu. Vom Kloster aus beschlossen wir einen langen Streif nach dem Prinzip der böhmischen Rebhühner-Jagden, in einem Zug bis zu unserem Lagerplatz zu unternehmen.

Ein weiter Weg und recht stark kupiertes Terrain standen uns bevor; ein Hügel erhob sich hinter dem andern und alle waren durch tiefe, steile Täler getrennt. Die Treiber ließen wir auslaufen, zwischen ihnen teilte ich die Herren und Jäger ein und auf diese Weise war ein breiter Streifen Landes jagend gedeckt. Die Sonne brannte ehrlich, kein Luftzug regte sich, und wolkenlos, in Dünste der Mittagshitze gehüllt, breitete sich das blaue Firmament aus. Schon der erste Hügel kostete viel Schweiß; die steilen Lehnen, mit kurzem Gras bewachsen, waren überaus glatt und kein Stein leistete dem Fuß Widerstand und Stütze. Einige Steinhühner flogen in weiter Ferne auf; ein recht starker Schakal wurde von Chorinsky gefehlt und der Großherzog erlegte eine ganz auffallend große Schlange, die einen guten Schuß brauchte, um ihrer habhaft zu werden.

Zwei graugrüne grasige Hügel waren glücklich überklettert; die Treiber folgten faul; Unterbrechungen entstanden und das Bild einer richtigen Streifjagd nach europäischem Muster ging immer mehr und mehr verloren.

Die Gegend begann einen anderen Charakter anzunehmen, Steinplatten, Felswände, Höhlen und Grotten, alte Mauern, staffelförmig dazwischen angebaute Öl- und Weingärten, felsige Täler, in derselben Art wie jenes hinter dem Dorfe Betsahur, traten an die Stelle der kahlen Hügel. Kaum hatten wir dieses Terrain betreten, als auch schon ein Schakal dicht unter mir neben einem Felsblock hervorsprang; ein nachgesandter Schuß warf ihn zu Boden, doch allsogleich verschwand das flinke Tier, tödlich getroffen, in einem tiefen Bau.

Araber bringen junge lebende Steinböcke ins Lager

Da ich meiner Beute habhaft werden wollte, schickte ich meinen Jäger mit dem Auftrage, die Dackel herbeizuholen, nach dem Lager zurück und wartete nun an dem Platze, wo mich der treue Achmed, stets dienstbereit, mit Limonade labte.

Die anderen Herren setzten den Streif bis nach Hause fort; Graf Waldburg schoß auch noch ein Steinhuhn, das vor ihm aufflog.

Bald erschien mein Jäger mit den drei Dackeln; »Scheck«, der größte und stärkste, ein Slavonier von Geburt, fuhr als Erster mit wildem Eifer in den Bau; »Croat« und »Opeka«, seine kroatischen Genossen, folgten ihm nach.

Einige Sekunden waren kaum verflogen, als man schon Gepolter unter den Steinen vernahm; ich dachte anfänglich an einen Kampf mit dem kranken Raubtier, doch bald wurde ich eines Besseren belehrt und ein Blick in die Röhre überzeugte mich von der Tüchtigkeit der braven Hunde. Mit aller Anstrengung zerrten sie den toten Schakal an das Tageslicht.

Nun wurde der Heimweg über einen recht arg zerklüfteten Bergrücken angetreten; einige Höhlen, vor deren Eingang frische Fuchs-, Schakal- und bei einer sogar Hyänenspuren zu bemerken waren, ließ ich von den Hunden absuchen.

Leider blieben diese Versuche erfolglos; auch brannte die Sonne fürchterlich und die Dackel ermüdeten rasch auf den heißen Steinplatten.

Bald hatten wir das Lager erreicht; einige Stunden der Ruhe taten wohl. Vor Sonnenuntergang kletterten Waldburg und ich noch an den Hängen desselben Tales herum, in dem wir den Abend zuvor einen Schakal-Anstand bezogen hatten. Sowohl die Suche mit den Hunden, als auch eifrige Bemühungen, einen alten Steinhahn, der auf einer Platte balzte, anzuschleichen, blieben erfolglos und so begnügten wir uns damit, die entgegengesetzte Lehne und den Höhenkamm zu erklettern, um die schöne Aussicht nach den Gebirgen am Toten Meer zu genießen. Mit Einbruch der Dunkelheit kehrten wir in das Lager zurück, in dem bald Ruhe herrschte, als wohltätige Vorbereitung für die kommenden Reisetage im Jordan-Tale.

Am 3. morgens verbreitete sich schon in früher Stunde reges Leben im Lager. Die Zelte wurden abgebrochen und alles Gepäck auf die Tragtiere verladen; auch waren zwei Hyänen aus Tantur angelangt, schöne, starke Exemplare, welche sich des Nachts bei demselben Eselskopf vergiftet hatten. Einige Beduinen von den Randgebirgen des südwestlichen Toten-Meer-Ufers kamen in das Lager; schöne männliche Gestalten mit edlen Gesichtszügen, muskulös und nervig, von ziemlich brauner Hautfarbe. Es waren die Mitglieder armer, aber sehr wilder, vollkommen unbotmäßiger Stämme; Kleidung und Bewaffnung sprachen für die kümmerliche Existenz dieser Leute. Der eine, wahrscheinlich der Schêch, trug einen bunten Turban, ein weißes, faltenreiches Gewand, gelbe Schuhe und um den Leib einen großen, krummen Türkensäbel; sein Gesichtsausdruck, die mageren Züge, ein scharf gezeichneter Mund, um den ein höhnisches Lächeln spielte, und stechende schwarze Augen hatten nichts Vertrauenerweckendes an sich.

Diese Beduinen, in ihrem Wesen und Äußeren echte Araber, von den mehr hebräischen Bethlehemitanern grundverschieden, waren gekommen, um mir drei junge Steinbockkitze zu verkaufen, die ich auch in der Tat akquirierte; ferner wollten sie uns zu einem Jagdzug in ihre kahlen Berge auffordern, wo der arabische Steinbock, jenes schöne Wild mit hohen, knorpeligen Hörnern, in großer Menge haust. Leider war diese Expedition für diesmal ganz untunlich, denn sie hätte uns von der Reisetour im Jordan-Tal mehrere Tage hindurch längs der Ufer des Toten Meeres bis an dessen Südwestspitze abgelenkt und die Zeit war eng bemessen.

Mit schwerem Herzen mußte ich daher die braunen Söhne der Steppe wieder in ihre Heimat zurücksenden, sie durch ein Bachschîsch vertröstend. Das Lager war, wie gewöhnlich, mit unglaublicher Schnelligkeit abgebrochen worden und unter Herrn Howards Leitung setzte sich die große Karawane gegen Mar-Saba in Bewegung. Wir ritten noch einmal nach Bethlehem hinauf, wo der Burgpfarrer die Messe las; am Platz vor der Kirche wurde hierauf vom Custoden di Terra Santa und seinen Franziskanern Abschied genommen; dichte Menschenmengen hatten sich angesammelt; neugierig betrachteten uns die schönen Bethlehemitanerinnen und nochmals von einem Regen von Bettelbriefen überhäuft verließen wir die heilige Geburtsstadt Christi. Die letzte Stadt, die letzten biederen Bewohner eines kultivierten Landes lagen hinter uns; für einige Zeit sollten wir nun dem Gebiete der freien Nomaden, den echten Beduinen angehören.

Von Bethlehem aus mußten wir denselben Weg an unserem früheren Lagerplatz vorbei einschlagen. Während wir in ein enges, von graugrünen Hügeln eingeschlossenes Tal ritten, entschwanden bald Bethlehem, Tantur, Mar-Elyâs, die steinigen Gebirge, die Plateaus und kultivierten Hänge unseren Blicken. Der Mittelmeer-Typus und der Charakter der asiatischen Steppe, die monotonen, mit kurzem Gras bedeckten Berge, die gewundenen, jede Fernsicht versperrenden Täler nahmen uns auf.

Anfänglich war der Weg recht gut, manchmal konnte man sogar auf kleinen Wiesen in schärferem Tempo reiten, doch je weiter wir kamen, desto höher wurden die Berge und enger der Fußsteig, welcher von nun an immer an den steilen Hängen führte, da die Talsohle nur aus einer felsigen Schlucht bestand. Ein echter Beduine auf einem nicht sehr gut gewarteten, aber recht hübschen Braunen ritt uns als Wegweiser voran; es war der Schêch eines Stammes aus diesen Bergen; seine Kleidung, ein weiter dunkler Mantel über lichte Unterkleider gehängt, und ein einfacher Säbel sowie gelbe Pantoffel zeigten die Spuren einer gewissen Ärmlichkeit.

Der Ritt durch die schmalen Täler bot nicht viel Abwechslung; hie und da erregten enge, recht schlechte Passagen vorsichtige Aufmerksamkeit und in der Tat hatten wir häufig Gelegenheit, die Geschicklichkeit der arabischen Pferde zu bewundern, mit welcher sie über glattes Gras und schiefe Steinplatten schritten, an Stellen, wo jeder Fehltritt einen Fall weit in die Tiefe nach sich gezogen hätte. Auch die Tierwelt war in jenen öden Gebirgen nicht stark vertreten; Geier, Adler und hie und da einzelne Störche zogen uns über die Köpfe, sonst blieb alles ruhig.

In weiter Ferne sahen wir auf der Spitze des Hügels ein Beduinen-Lager. Man irrt sehr, wenn man sich die Zelte als hohe, spitzige, aus blendend weißen Tüchern errichtete luftige Gebäude vorstellt; im Gegenteil, es sind dunkle, aus Tierhäuten verfertigte niedrige Hütten; eine bläuliche Rauchsäule stieg aus dem Lager auf und Menschen und Herden trieben sich um die flüchtige Niederlassung herum. Nur arme Stämme leben zwischen den kultivierten Teilen Palästinas in dieser Gegend, z.B. Bethlehem und dem Jordan-Tale; sie ziehen in den Randgebirgen umher, lassen ihre Herden, die Pferde und Ziegen an den grasigen Hängen weiden, wechseln je nach dem Bedarf die Lagerplätze, kommen manchmal bis in die Nähe der Städte, wo sie mit Vieh Handel treiben, sich aber nicht lange aufhalten dürfen; erkennen, insoweit sie dies nicht beschäftigt, die Oberhoheit des Sultans an und zahlen Steuern, soviel es ihnen eben beliebt, meistens gar nichts. Untereinander bekämpfen sich diese kleinen Stämme oft, zumeist wegen gegenseitiger Räubereien an Vieh oder gar einer Stute.

Das wahre Beduinenleben der großen, mächtigen und reichen Stämme beginnt erst am Jordan-Ufer. Drüben an den östlichen Gestaden dieses Flusses leben jene wilden Scharen, die vollkommen unbotmäßig, den Sultan und sein Kalifentum nicht anerkennen und so oft als es nur der Mangel an türkischer Militärmacht erlaubt, über den heiligen Fluß herüberschwimmen und das gelobte Land beunruhigen.

Ein schwerer Abstieg

Nach langem Ritt endet das enge Tal und der Fußsteig führt auf den Kamm eines hohen Bergrückens, von wo aus eine herrliche Fernsicht sich erschließt. Dicht unter uns ein steiler Hang, an dessen Fuß ein runder Talkessel, umgeben von hohen Bergen, rechts und links unzählige Kuppen, Rücken und lang gestreckte Hügel, alle einförmig, graugrün, echte Steppenlandschaft; aus dem Talkessel führt nur ein schluchtartiges Tal in südöstlicher Richtung hinaus; durch dasselbe gewinnt man einen eng begrenzten Blick auf den tiefblauen Wasserspiegel des Toten Meeres und die kahlen, weißen Felswände der schön geformten Hochgebirge des entgegengesetzten Ufers.

Am jäh abfallenden Hang unter unserem Standplatze zieht sich der Fußsteig in Serpentinen hinab. Der größte Teil der Tragtiere der großen Karawane machte eben unter unaufhörlichem Glockengeläute diesen schweren Abstieg, während die schnellsten schon im Talkessel angelangt waren, wo die unermüdlichen Diener auf einer steinigen Wiese die ersten Zelte aufschlugen. Die Herren setzten ebenfalls den Weg fort und nur der Großherzog und ich wollten am Bergrücken warten, bis das ganze Lager aufgeschlagen sei und indessen ein Zicklein schlachten und dasselbe hinter einer Kuppe, die gedeckte Annäherung erlaubte, als Köder auslegen.

Hunderte von Geiern und Adlern kamen von den Hochgebirgen am Toten Meer dahergezogen und strichen, einer hinter dem anderen, alle in derselben Richtung. Mit pünktlicher Genauigkeit verfolgten sie ihre tägliche Marschroute gegen Jerusalem. Unser Zicklein würdigten sie keines Blickes und nur zwei Kolkraben und ein Aasgeier umkreisten den Platz, ohne sich aber niederzulassen. Die Sonne brannte fürchterlich, kein Lüftchen regte sich und nicht die geringste Wolke trübte das dunkelblaue Firmament.

Nach einer Stunde verließen wir die ungünstige Stelle und gingen, das Zicklein, welches wir tags darauf noch auslegen wollten, mitschleppend, zu Fuß nach dem Talkessel hinab. Je tiefer wir kamen, desto schwerer und drückender wurde die Luft und durch das Seitental drang als erster Gruß vom Toten Meer und dem Jordan-Tal eine bleierne Atmosphäre herauf, die wir in den nächsten Tagen fürchten lernen sollten.

Bald hatten wir den Talkessel erreicht, wo unser Lager indessen vollends aufgeschlagen war; eine kleine Stadt stand da und reges Leben herrschte in der sonst ganz öden Gegend. Die zwei Jagdaraber, welche seit Latrun der Karawane jagend folgten, erschienen mit reicher Beute für die Küche. Außer vielen Steinhühnern brachten sie auch einige der kleinen, hübschen Klippenhühner; es war das erste Mal, daß wir den Verbreitungskreis dieses schönen Vogels erreicht hatten. Die Araber, welche mit ihren unvollkommenen Waffen nur auf sitzendes Wild schießen können, schleichen die Hühner, gedeckt durch einen braun und gelb bemalten Vorhang an, der mittelst Zuckerrohrstäben gespannt wird und nur durch zwei Öffnungen für die Augen und eine für das Gewehr Ausblick und Ausschuß gewährt. Die dummen Vögel sehen keinen Menschen und gaffen so lange stier den beweglichen Vorhang an, bis aus demselben der todbringende Schuß fällt.

Gleich nach unserer Ankunft wurde ein Frühstück verzehrt, während die orientalischen Diener mit viel Geschick den Lagerplatz für die Nacht ermöglichten.

Jeder Stein mußte aufgehoben und auch das ganze Gras gut abgesucht werden; allenthalben saßen große, dicke Skorpione, deren bösartige Eigenschaften wir leider in den letzten Tagen der Reise noch gründlich kennen lernen sollten. Nach dem Frühstück wurde beschlossen, dem berühmten Felsenkloster Mar-Saba einen Besuch abzustatten.

Der Weg führt vom Lagerplatz in das vorerwähnte enge Tal; rechts und links fallen steile, mit Gras bewachsene Lehnen ab, die plötzlich ihre Form verändern und als senkrechte Felswände in einer tiefen, steinigen Schlucht endigen.

Der Pfad schlängelt sich stets oberhalb der Wand am letzten Rand der grünen Lehne; das Gestein unter uns in der dunklen grausigen Schlucht ist unterwaschen, voll Höhlen und Nischen, in denen viele Felsentauben und Röthelfalken friedlich nebeneinander brüten. Auf Schritt und Tritt jagt man diese gefiederten Bewohner auf, die dann ängstlich von einer Seite der engen Schlucht zur andern flattern. Nach einer halben Stunde gelangten wir zu einem alten Wachtturm, der am Rande der Felswand steht; von oben kommend, gewahrt man sonst keine Spur der großen geistlichen Ansiedelung, die wohlversteckt an die Felsen der Schlucht angebaut ist.

Beim Turme muß der Wanderer mit aller Vehemenz an die wohlverriegelte Tür klopfen, ehe es sich unten hinter den festen Mauern rührt und die Pforte allmählich aufgeht. Die armen Mönche mußten viele Vorsichtsmaßregeln zu ihrem Schutze ergreifen, denn schon häufig spielten ihnen die Muslime bös mit.

Im Jahre 614 wurde das Kloster zum ersten Mal von den persischen Scharen unter Chosroës geplündert; 796 und 842 folgten andere asiatische Völker demselben Beispiele und nach wiederholten kleineren Überfällen erfolgten in den Jahren 1832 und 1834 große Massaker, bei denen die wilden Stämme des linken Jordan-Ufers alle Mönche niedermetzelten. Jetzt muß jeder Pilger, der Einlaß begehrt, an dem Turme einen Brief durch ein Fenster dem Wache haltenden Popen übergeben, der ihn dann mittels einer eigenen Vorrichtung nach dem Hauptgebäude des Klosters hinunterläßt; auf dem nämlichen Wege kommt die Antwort mit der Erlaubnis empor und erst dann darf das Tor geöffnet werden. Nach Sonnenuntergang wird niemand mehr trotz Briefes eingelassen, sowie auch Frauen wegen der strengen Regel der griechischen Mönchsorden niemals das Innere dieser frommen Kolonie betreten dürfen.

Durch das Tor unter dem Turm gelangten wir über die steile Treppe zu einer zweiten Tür, von da abermals über viele Stufen auf eine schmale, gepflasterte Plattform. Hier teilen sich die Wege und man gewinnt den ersten Eindruck in das Innere dieser höchst merkwürdigen Gebäude. Ein Konglomerat von Stiegen, Plattformen, Terrassen, an den Fels angebauten Wohnräumen, alten Holzhütten und durch Balken getragenen Gängen, Kapellen, Höhlen und Grotten erstreckt sich längs der Felswand vom obersten Turm bis nahe zur Sohle der Schlucht; das letzte Stück ist nur durch eine Stiege vom Kloster herab in Verbindung; natürlich sind auch gegen den unteren Eingang zu feste Türen und ein Labyrinth von Gängen, die vor Eindringlingen aus, dem Tale herauf schützen. Alle Räume dieses merkwürdigen Gebäudes zu schildern, wäre eine langwierige Arbeit. Ein Gewirr enger Stiegen, viel Schmutz, wenig Licht und allenthalben hervorblickender blanker Fels sind die Charaktereigenschaften dieses Klosters.

Auf der ersten Plattform empfing uns der griechische Bischof von Bethlehem, umgeben von sehr vielen, recht ärmlich aussehenden Mönchen. Inmitten dieses Platzes steht ein kleines Gebäude, von einer Kuppel überdeckt; darin befindet sich das reich verzierte Grab des heiligen Sabas, nahe davon steht die enge Nicolaus-Kirche, mehr oder weniger eine einfache Felshöhle, in der die Schädel der unter Chosroës gemordeten Märtyrer liegen. Die Haupt-Klosterkirche, eine echt altgriechische Basilika, enthält viele auf Goldgrund gemalte schwarze Heiligenbilder und all die reich vergoldeten und versilberten Gegenstände, wie man sie in den orthodoxen Gotteshäusern findet.

Der Bischof sprach vor uns am Altar ein griechisches Dankgebet, dem ein Chorgesang der Mönche folgte, welcher in den alten Gemäuern recht effektvoll klang. Das Grab des heiligen Damascenus-Chrysorrhoas, eines der größten altgriechischen Kirchenväter, wurde uns auch gezeigt. Natürlich mußte man viele geweihte Steine und Plätze küssen und argen Rosenöl- und Weihrauchgeruch einatmen.

Von hier aus begann nun die eigentliche Besichtigung des Klosters. Die fünfundsechzig Mönche leben in den Zellen des Hauptgebäudes in mehr oder weniger wohnlich eingerichteten Höhlen und auch in Holzhütten, die sie sich an die Felswand gebaut haben. Auf den Plattformen und Terrassen, und wo immer ein Plätzchen sich nur fand, legten die frommen Leute in mühsam herbeigeschaffter Erde kleine Gärtchen an; aus einem derselben ragt ein alter Palmbaum hervor, den der heilige Sabas selbst pflanzte und der bis heute noch kernlose Datteln trägt.

Das Durchstöbern aller Räume ist eine mühsame Arbeit und fort geht es Stiegen auf, Stiegen ab und oft durch so niedere Gänge, die nur eine vollkommen gebückte Haltung gestatten; nebstbei durchdringt ein schrecklicher Gestank alle Teile dieser Ansiedelung. In einem eigenen kleinen Gebäude befindet sich ein armselig eingerichtetes Fremdenzimmer, in dem uns die freundlichen Mönche mit fürchterlichen, rosenfarbigen, faden Getränken bewirteten. Von da aus gelangt man über eine offene Stiege zum Eingang in die Höhle des heiligen Sabas; mehrere in den Felsen gehauene, feuchte Räume müssen passiert werden; in zwei Grotten lebten der Legende nach der Heilige und sein Löwe, den er durch Gebete gezähmt hatte, friedlich nebeneinander. Frisches Stroh zeigt an, daß besonders fanatische Mönche noch jetzt von Zeit zu Zeit in diesem düsteren Orte hausen, um dem Heiligen zu gleichen.

Nahe an dieser Stelle erblickt man eine andere Höhle in der Felswand; ein alter Mönch, mit blassen, von religiöser Leidenschaft durchfurchten Zügen, in elende Lumpen gehüllt, wählte sich diese Behausung. Über eine senkrechte Stiege und ein schmales, an der Wand angebrachtes Brett gelangt er in seine Wohnung; alltäglich muß er diesen gefährlichen Weg zurücklegen. Wir sahen ihn aus der Kirche über den verhängnisvollen Steg nach Hause gehen.

Von einer der größten Plattformen aus genießt man einen guten Überblick in die Schlucht. Die gegenüberliegende Felswand befindet sich höchstens in einer Entfernung von hundertfünfzig Schritten; auch drüben sind Grotten und Höhlen, jetzt hausen darin Schakale, Falken und Tauben; einstens waren sie von Eremiten bewohnt.

Auf den Felsen, in unmittelbarer Nähe des Klosters, lebt ein Vogel in großer Menge, den ich sonst nirgends in Palästina antraf; es ist dies Amydrus Tristrami, der Berg-Glanzvogel. Alle Zinnen, Plattformen, Dächer und Felsen sind von diesen glänzend blauschwarzen Vögeln mit rotbraunen Schwingen förmlich bedeckt und von allen Seiten erschallt ihr hübscher Gesang. Ein Mönch hat sie gezähmt; wenn er tagtäglich um dieselbe Stunde pfeift und ruft, dann kommen sie herbeigeflattert, setzen sich ihm vor die Füße und selbst auf Kopf und Schultern und nehmen Brotkrumen aus seinen Händen. Auch die Raubtiere werden herbeigelockt; denn allabendlich um die Stunde des Gebelläutens erscheinen die Schakale in der Schlucht und warten, bis ihnen Brotstücke herabgeworfen werden.

Wie man aus alledem ersieht, ist hier das orientalische Christentum auf der ältesten Stufe der Asketiker der ersten Jahrhunderte stehen geblieben. Unwillkürlich wähnt sich der Wanderer in die Tage der Anfänge des Christentums der alten Eremitenansiedelungen der Berge Athos und anderer heiliger Plätze zurückversetzt, wo die frommen Männer, die seither alle heilig gesprochen wurden, im fernen Orient, in ununterbrochenem Gebet wie Füchse in Höhlen hausten. Das ist die alte erste christliche Kirche, sie war ja orientalisch, und das heutige Mar-Saba erhielt sich rein und unverfälscht am Standpunkt jener frommen Einsiedler des dritten und vierten Jahrhunderts. Es ist kein Kloster nach europäischen Begriffen, sondern eine Ansiedelung von Eremiten, eine Schar selbstständig lebender Einsiedler, die durch Gefahren auf einen engen Raum zusammengedrängt wurden. Weder die Wissenschaften noch üppiges Leben blühen auf diesem Berge, nichts als Gebet, tagtäglich dieselbe stete Anbetung Gottes, vollkommene Askese und Abtötung. Ein Kind des neunzehnten Jahrhunderts, ein echter West-Europäer kann sich nicht mehr in dieses Leben hineindenken, nur der Orient konnte solchen Fanatismus erzeugen und bis auf den heutigen Tag erhalten. Die Rabbiner, welche an der alten Tempelmauer klagen, die ihr ganzes Leben hindurch hockenden, die drehenden und die sich selbst verstümmelnden Derwische, sind sie etwas anderes? Nein, das Wesen ist dasselbe, nur die Form ist eine verschiedene.

Die Asketiker von Mar-Saba genießen niemals Fleischnahrung, nur Gemüse und Brot; alltäglich ruft der helle Klang der Glocken alle Einsiedler in die Kirche zusammen zu gemeinsamem Gebet; allnächtlich um die zwölfte Stunde feiern sie ein Hochamt und die alten griechischen Gesänge verstummen erst, wenn der Morgen dämmert. Unter den frommen Brüdern fand ich einige Russen, Siebenbürger Walachen, Slavonier, Serben, Bulgaren, doch weitaus die meisten waren Griechen aus Europa und auch Kleinasien.

Die Erzählung von den allabendlich erscheinenden Schakalen reizte mich sehr und mir die Erlaubnis der Eremiten verschaffend, kroch ich über alle Stiegen und Gänge in die Schlucht hinab. Neben einer alten Zisterne bei zwei großen Steinen kauerte ich mich hin.

Der Punkt war unheimlich ernst; vor mir die kahle Felswand, hinter mir die Felsenansiedelungen der Mönche, über meinem Kopfe nur ein schmaler Ausblick nach dem blauen Firmament. Als der Abend heranrückte, flatterten die Glanzstare, Falken und Tauben in ihre Höhlen, nur hie und da erscholl noch ein kurzer Vogelsang; man konnte sich in den Tagen des heiligen Sabas wähnen.

Es begann zu dämmern; die hellen griechischen Glocken riefen zum Gebet; kaum waren die letzten Töne verklungen, als ein Stück Brot dicht neben mir herabsauste; gleich daraufstand auch schon ein Schakal auf höchstens zwanzig Schritte vor mir. Ein glücklicher Schuß streckte ihn zu Boden; ich war froh, mit meiner Beute der schrecklichen Schlucht, die im Niveau des Mittelmeer-Spiegels liegt, zu enteilen. Eine bleierne Luft, wie ich sie in meinem Leben früher noch nie gefühlt, wirkte hemmend beim Atmen und drückte erschlaffend auf den ganzen Körper; in den nächsten Tagen sollten wir noch tiefer gelangen und es demzufolge noch ausgiebiger bekommen.

Durch das ganze Klostergebiet kletterte ich nun, von den frommen Männern Abschied nehmend, bis zum Turm, und hinauseilend gelangten wir bald bei vollkommener Dunkelheit in das Lager. Das Diner wurde noch eingenommen und die weiteren Pläne für die nächsten Tage entworfen; gegen 10 Uhr kehrte volle Stille in das öde Tal ein.

Mit Sonnenaufgang versammelte sich die Reisegesellschaft zum Frühstück. Wir saßen eben beim Tische, als ein Aasgeier die Keckheit hatte, in das Lager hereinzustreichen und sich zwischen die Zelte, einige Küchenabfälle verzehrend, zu setzen. Der Großherzog holte rasch seine Flinte und schoß den dreisten Vogel nieder. Für die ersten Morgenstunden beschlossen wir, uns nach verschiedenen Richtungen zu verteilen. Der Großherzog und ich bestiegen einen der höchsten den Talkessel einschließenden Berge, um da auf der Kuppe das Zicklein abermals auszulegen; die anderen Herren gingen auf Felsentauben jagend in der Schlucht nach Mar-Saba.

Wir hatten einen langen und recht mühsamen Aufstieg; die Lehnen waren glatt und steil, einige Felsenplatten und rötliche Feuersteinwände mußten erklettert werden und die Hitze war schon sehr fühlbar. Auf der Bergspitze angelangt, fanden wir ein recht gutes Versteck, das den Nachmittag zuvor von meinen Jägern hergerichtet worden war. Wir saßen durch zwei Stunden lauernd, vom Ungeziefer unerbittlich verfolgt; außer einigen Aasgeiern, auf die wir nicht schießen wollten, kam gar nichts. Der Zug der großen Raubvögel begann abermals vormittags, wie immer die genaue Marschroute nach Jerusalem einhaltend; keine Verlockung ist imstande, sie von ihrem Weg abzuhalten.

Unverrichteter Dinge kletterten wir wieder die kürzeste Linie verfolgend zum Lagerplatz hinab, wo einstweilen die Zelte abgebrochen und der größte Teil der Karawane schon in Bewegung gesetzt worden war. Bloß ein Teil der Küche und ein kurzes Frühstück blieben noch da, um uns vor der Weiterreise zu stärken. Die Herren hatten in der Schlucht eine bedeutende Zahl Tauben, Falken und verschiedenes kleines Zeug erlegt. Nach frugaler Mahlzeit nahmen wir nun Abschied vom Grafen Caboga, dessen Gefälligkeit wir viel verdanken; er wollte denselben Tag noch nach Tantur zurückkehren, ließ mir aber für die ganze weitere Reise seinen Diener Ferdinand und das gute Pferd, einen wunderschönen arabischen Hengst, den er von einem Beduinen-Stamme gekauft hatte und welchen ich seit dem Einzug in Jerusalem täglich ritt. Ich war für diese Aufmerksamkeit des Grafen sehr dankbar, denn das hübsche Tier ging in den Gebirgen sehr sicher und in den Ebenen ungemein schnell, vertrug auch gut die schweren Strapazen der täglichen Arbeit und die Nächte im Freien. Als alles zu Pferde saß, begann die Weiterreise der Kolonne, den Beduinen an der Spitze.

Abgestürztes Tragtier

Anfänglich hatte die Gegend denselben Charakter wie jene in der Nähe unseres Lagerplatzes, doch gar bald wurden die Täler noch enger, die Berge höher, an die Stelle bloßen Grases trat kahles, gelbes Erdreich und spiegelglatte lange Steinplatten mußten überritten werden. Auf einer kleinen, von Felsen umgebenen Wiese inmitten dieser Einöde standen zwei Störche, sie waren wahrscheinlich am Zuge und ruhten sich da aus; den einen schoß ich, als er aufflog, herunter.

Für die Pferde war der Fußsteig überaus beschwerlich und sie mußten mit aller Vorsicht gehen, denn allenthalben war der Platz darnach, daß ein Abfallen in die Tiefe leicht möglich gewesen wäre. Wir kamen an unzähligen vielen Bergspitzen, Kuppen, über Bergrücken, durch Täler und Schluchten hindurch, unaufhörlich bergauf und bergab reitend; das Terrain ist dort so kupiert, wie man es sich nicht ärger vorstellen kann, dabei vollkommen baumlos und ohne die geringste Spur menschlicher Tätigkeit.

Nach langem Ritt änderte sich die Bodengestaltung, die Hänge wurden sanfter, die Steine verschwanden ganz, hohes grünes Gras und blühende Blumen kennzeichneten die echte Steppe im Frühlingsschmuck. Die graugelben Gebirge, die wir früher durchklettern mußten, ziehen sich vom Süden nach Norden gerade fort, in westlicher Richtung jeden Ausblick verwehrend. Ein duftendes Plateau voll Blumenpracht nimmt uns auf und wird im Galopp passiert, der Boden ist gut und die Pferde springen lustig umher, froh, den Felsplatten und abschüssigen Pfaden entronnen zu sein. Die Steppe ist großartig, doch unleugbar eintönig, aber dabei nicht traurig, wie die viel imposantere Wüste; der Blumenschmuck verleiht im Frühling der Ersteren den Vorzug, Letztere kann nur bunte Steine aufweisen und die Vegetationslosigkeit ist ihr Merkmal. Abermals taucht ein Berg vor uns auf; noch zum Gebirgszug der so genannten Berge »Juda« gehörend, ist er von der Richtung der anderen abgewichen und tritt in steilen Konturen, ganz eigentümlich geformt und gefärbt, in das Plateau hinaus. Der ganze spitzige Kegel ist ein Konglomerat von gelbem Lehm, roten Felswänden und braunen und grauen Steinen, dabei vollkommen pflanzenlos. Zwischen ihm und den anderen Randgebirgen müssen wir durch eine tiefe Schlucht passieren. Es ist ein böser Übergang, nichts als glatte Platten neben abfallenden Wänden; unser Beduine selbst steigt ab; an einer Stelle können die Pferde sogar nicht geführt werden, die klugen Tiere folgen frei ihren Herren; in solchen Momenten lernt man das arabische Pferd und seine hohen Geistesgaben ungemein schätzen. Eines unserer Tragtiere fiel an jener bösen Stelle unglaublich weit in die Tiefe, kam aber zum Glück auf das Gepäck mit dem Rücken zu liegen und trug wunderbarerweise nur einige Kontusionen davon.

Der Aufstieg aus der Schlucht war besser als der Abstieg und über eine grasige Fläche gelangten wir längs des Nordfußes des Berges nach Nebi-Musa. Es ist dies ein bedeutender Wallfahrtsort der Mohammedaner, welche da das Grab des Propheten Moses zeigen; eine kleine, halb verfallene Moschee und ein erbärmliches Pilgerhaus kennzeichnen den Platz, den alljährlich tausende von Pilgern besuchen. In diesen, dem Propheten geweihten Tagen, darf kein Christ es wagen, jene Gegend zu betreten, er wäre dann seines Lebens nicht sicher. Als wir dahin gelangten war niemand da, ausgenommen eine türkische Familie, welcher die Aufsicht der heiligen Stätte anvertraut ist.

Unser Lager stand nahe von der Moschee aufgeschlagen.

Der Platz liegt äußerst malerisch; es ist ein kleines, mit Gras und Gebüschen bedecktes Hochplateau in südlicher Richtung von dem rötlichen Berge, in westlicher von den das Jordan-Tal begleitenden graugrünen Gebirgen eingeschlossen; nach Norden zu fällt das Plateau sanft, nach Osten hin steil, in Form schiefergrauer Lehmwände in die Jordan-Niederung ab. Ein herrlicher Überblick über die breite, saftig grüne Ebene, das üppige Jordan-Tal, bot sich uns dar; glücklich waren wir, die Nähe wenigstens des heiligen Flusses, der Segen und uns Jagd spendenden Lebensader dieses Landes, erreicht zu haben. Allenthalben schrien Steinhühner und wir verteilten uns noch, um dieses schöne Wild zu suchen, doch leider war die Sonne schon untergegangen und die Dämmerung begann. Einige Wachteln stieß ich im hohen Grase auf und große Züge kleiner Vögel schwirrten von einem Busch zum andern; von erfolgreicher Jagd war keine Rede mehr und so kehrten wir alle in das Lager zurück, um in unmittelbarer Nähe des Grabes des großen Weisen und Propheten Moses ruhig zu speisen und zu schlafen.

Am folgenden Morgen vor Sonnenaufgang brach die ganze Reisegesellschaft wieder auf. Die große Karawane wurde in kürzester Linie über Jericho nach Aîn-es-Sultan dirigiert, während wir von unseren Beduinen geführt und mit mehreren Gendarmen als Begleitung den interessanten Ausflug zum Toten Meer unternehmen wollten.

Von Nebi-Musa aus ritten wir in gerader östlicher Richtung über steile Berghänge, sehr schmale Pfade, durch ausgewaschene Erdrisse, über ein schiefergraues, poröses, vollkommen vegetationsloses Terrain. Einige Adler und Geier saßen auf den schmalen Rippen und Kanten, welche an dieser Stelle, vom Berge parallel eine von der andern durch kleine Schluchten getrennt, herablaufen. Nach einer Stunde beiläufig hatten wir den Fuß des Gebirges erreicht und wie mit einem Schlage befand man sich inmitten dichter Gebüsche, auf sandigem, vortrefflichem Reitboden. Üppige Gebüsch-Komplexe wechselten mit grasigen Flächen und im raschen Galopp wurde diese Strecke passiert; durch einen alten, jetzt ausgetrockneten Gießbach reitend, gelangten wir zwischen hohem Rohr, langem Gras und emporragenden Gesträuchen an das sandige, flache Ufer des Toten Meeres.

Jeder Tritt des Pferdes ist vernehmlich wie auf der zerbrechenden Decke gefrorenen Schnees; der ganze Sand ist hier von einer Salpeter-Kruste überzogen, desgleichen herumliegende ausgeschwemmte Holzstücke. Der Bahr-Lût (Lot-See), wie die Araber das Tote Meer nennen, da Mohamed die Erzählung des Lot in den Koran aufgenommen hat, ist ein wundervoller Hochgebirgssee; tiefblau, groß, schön geformt, östlich von den zackigen graugrünen Gebirgen, die wir in den letzten Tagen kennen ernten, westlich durch wahre Hochgebirge mit weißlich grauen Wänden eingeschlossen. Das Wasser selbst, ein dicker, schwerer Brei, mit mineralischen Bestandteilen stark durchsetzt, macht jedem lebenden Wesen die Existenz unmöglich und der See ist in der Tat ganz tot und ausgestorben. Einige der Herren versuchten zu baden; Ertrinken ist dabei ausgeschlossen, denn kein menschlicher Körper kann untergehen, das Wasser trägt von selbst, hingegen aber legen sich dichte Salzkrusten an die Haut an, welche das Vergnügen eben nicht erhöhen. Die Luft am Toten Meer ist bleiern schwer, ähnlich jener in tiefen Bergwerken, und erschlaffend wirkt sie auf jeden Menschen; diese Erscheinung ist eine Folge der tiefen Lage, denn der Spiegel des Toten Meeres liegt 394 Meter unter jenem des Mittelländischen.

Eine kurze Strecke hindurch ritten wir knapp am Ufer, bogen dann in nördlicher Richtung ein, über lehmige und sandige Flächen.

Zu unserer Rechten bemerkten wir eine Ebene, die sich bis zu den dichten Jordan-Auen erstreckte; zu unserer Linken unter einem brüchtigen Erdabfall eine sumpfige Niederung, mit fast undurchdringlichen Komplexen von Rohr- und Gestrüppbeständen ausgefüllt.

Nahe vor den Reitern wechselte ein starkes Wildschwein in eine jener dicht bebuschten Parzellen. Als ich des mächtigen Tieres ansichtig wurde, sprang ich vom Pferde und folgte auf der Spur nach; das nur wenige hundert Gänge große Gebüsch umgehend, fand ich die Bestätigung, daß das Wild noch nicht durchgewechselt sei; nun stellte ich rasch die Herren an und ließ durch die Gendarmen treiben; gar bald ward es uns klar, wie schwer es fiel, aus diesen in der Tat undurchdringlichen Gesträuchen, Rohr- und Grasmassen, wenn selbst der Komplex noch so klein ist, ein Stück herauszujagen. Alle Versuche blieben fruchtlos, selbst das Anzünden; denn nur die grasreichen Teile brannten in hohen Flammen, riesige Rauchsäulen in die Lüfte sendend; die innersten Dickichte, im vollen Saft des Frühlings strotzend, begannen nicht einmal zu glimmen, boten daher dem Wild sichere Schlupfwinkel. Schade, daß diese Jagd mißglückte, denn aus Steppen, öden Gebirgen und Felsenregionen ist die Tierwelt in jene herrlichen, üppigen und von Menschen vollkommen ungestörten Dickichte der Jordan-Ebene zusammengedrängt und an dieselben angewiesen. Die Fährten, die ich im weichen Lehm fand, sprachen für den Wildreichtum dieses Platzes; auf engem Raum sah ich die Spuren mehrerer Wildschweine, Hyänen, Wölfe, Schakale, des asiatischen Panters, Luchses und kleinerer Raubtiere, die ich nicht unterscheiden konnte. Von einer Wasserlache flogen zwei Wildgänse und mehrere Strandläufer auf, und in den Rauchwolken über dem Feuer kreiste eine Schar Pelikane und ein neugieriger Flußadler.

Die Pelikane kamen plötzlich längs des Toten Meeres dahergezogen, umschwärmten von vergeblichen Büchsenschüssen begrüßt, durch einige Minuten das Feuer und zogen hierauf schweren Fluges im Tale nordwärts fort.

Da die Zeit drängte, verließ ich diesen Platz und ritt unausgesetzt am herrlichen Boden galoppierend über sandige Stellen, grasreiche Haiden, zwischen dichten Gebüschen, kleinen, ganz niederen Baumkomplexen, man könnte sie fast als Miniatur-Wälder bezeichnen, über einige dem Jordan zueilende Gebirgsbäche mit brüchigen Ufern, großen Steinen und üppigen Pflanzenwuchs, bis zum Dorfe Jericho.

Das jetzige Jericho besteht nur aus einigen erbärmlichen Hütten, von elenden, durch das schlechte Klima verkommenen Leuten bewohnt, die ihres stark ausgeprägten Diebssinnes halber berüchtigt sind. Dichte, mit langen Dornen bewehrte Zäune umgeben das Dorf; ein Turm, als letzter Überrest aus den Tagen des fränkischen Königreiches ragt empor und daneben soll die Stelle sein, an der das Haus des Zachäus stand. Eine alte Sikomore wird als der Baum bezeichnet, von dem aus der fromme Mann den Erlöser betrachtete. Elend und herabgekommen ist der Ort, an dem eine blühende Stadt in den Tagen des Altertums sowohl, wie bis zu den Zeiten der Kreuzfahrer stand. An den letzten Hütten ritten wir vorbei und gelangten durch die in der Tat gartenähnliche Vegetation über wilde Haferfelder und zwischen blumenreichen Gesträuchen an den Fuß des westlichen Randgebirges. Das nächste Ziel, die herrliche berühmte Sultansquelle Aîn-es-Sultan, lag vor uns. Von hier sollte die eigentliche Expedition im Jordan-Tale beginnen.


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