Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

2. Kapitel

Am 23. Februar frühmorgens versammelte sich die ganze Reisegesellschaft am Bahnhofe jenes südlichen Schienenstranges, der sowohl bis Siut, als auch in die Provinz Fajum eine Verbindung findet. Außer uns allen waren noch die beiden Brüder Saurma erschienen.

Herr Zimmermann hatte abermals die Güte, unseren Zug zu führen und uns bis zu der letzten Station Abuksar zu begleiten. Prinz Taxis war mit einem Dragoman schon tags vorher nach dem See von Birket-el-Karun vorausgeeilt, um das Zeltlager aufzuschlagen und die Jagdtage vorzubereiten.

Anfänglich führte die Bahn durch jenes schmale Band kultivierten Landes, das sich besonders am westlichen Ufer zwischen dem Nil und der Wüste dahinzieht. Der volle Typus des ägyptischen Kulturlandes war auch hier vertreten, intensiver Bodenbau auf engem Raum zusammengedrängt; echte Fellachen-Dörfer wechselten mit Palmenwäldern, größer als jene Unterägyptens; ganze Städte von runden, im wahren arabischen Stile erbauten Taubenschlägen fielen uns auf. Tausenden von Felsentauben wird hier Schutz und Wohnung gewährt, nur um des edlen Guanos willen; hie und da nimmt man auch die Eier und die Daunen hinweg. Diese Vögel gewöhnen sich nie an den vollen Haustier-Charakter, sie bleiben in Farbe und Größe echte Felsentauben und benehmen sich in halbwilden Manieren.

Öfters zieht die Bahn nahe vom Nil, immer am linken Ufer; in östlicher Richtung sieht man die bis an den Strom herantretenden Wüstengebirge, in westlicher hingegen die hier nur wellenförmig bewegte, fast flache libysche Wüste. An allen Pyramiden passiert der Eisenbahnzug, und zwar nahe genug, um dieselben gut betrachten zu können; anfänglich erscheinen die greisen Häupter von Gizéh, die stolzesten ihres Geschlechtes; bald darauf folgen die kleineren Verwandten von Sakkára. Die weit ausgebreiteten Palmenwälder von Bedraschên und Memphis erhöhen den echt afrikanischen Typus der Landschaft. Wir Europäer sind gewohnt, einzeln stehende Palmen in Treibhäusern oder an den südlichen Küsten unseres stiefmütterlich ausgestatteten Erdteiles mit Bewunderung zu betrachten. Erst der rauschende, weit ausgedehnte Palmenwald verleiht diesem Baume seine volle Kraft als Wahrzeichen des sonnendurchglühten Afrika.

Um 10 Uhr vormittags beiläufig bog unser Schienenstrang von der Hauptlinie der nach Siut längs des Nils ziehenden Bahn ab und führte uns in einer gerade westlichen Richtung in die öde, kahle Wüste. Befremdend und merkwürdig erscheint eine Eisenbahnfahrt in jenen Gegenden, in jenen herrlichen, so großartig öden Regionen. Wie mit einem Schlage hat man die Überschwemmungsgrenzen des Nils überschritten, und aus der üppigsten, von Segen spendender Feuchtigkeit strotzenden Vegetation, wie sie nur der schwarze Erdteil schöpfen kann, sind wir plötzlich in die totenstille, leblose Wüste versetzt.

Wer sich die Wüste flach, vollkommen eben, wie manche ungarische Puszta oder norddeutsche Marsch vorstellt, irrt sich sehr. Sie ist immer wellenförmig bewegt, oft tief eingeschnitten, von Tälern durchzogen und von Hügeln gekrönt; doch stets einsam, ohne die geringste Spur von Pflanzenwelt, und bloß an den Rändern bewohnt von ganz eigentümlichen, ihr angepaßten Tierformen. Aber schön und großartig tritt die Wüste dem Fremden entgegen, ein Bild ewiger Ruhe, dabei farbenprächtig, von der sengenden Sonne Afrikas durchglüht, farbig nach den verschiedenen Gesteinen, oft hellgelb, dann wieder dunkel, manchmal sogar scheckig; ganz eigentümliche Farbenzusammenstellungen zaubern die vielartigen Steine hervor.

Nichts Lebendes sahen wir und rasch brauste der Zug durch die Einöde. Einige Beduinen in weißen Burnusen und mit langen Gewehren tauchten hinter einem Hügel hervor; echte Berber hausen in diesen Teilen der Wüste; freie Söhne der Erde, in ihrer Art die glücklichsten Menschen, mutig und räuberisch, ungezwungen und unbotmäßig bis in das äußerste Maß. Die einzelnen Stämme unterscheiden sich sehr in Typus und Kleidung sowie auch in Charaktereigenschaften und Bewaffnung; doch steht Ägypten, was die Schönheit und das malerische Wesen seiner freien Stämme betrifft, einesteils Marokko, andernteils Asien, insoweit dieser Weltteil in seinem Südwesten semitisch-arabisches Land ist, weit zurück. Gegen Mittag erscheint wieder Kulturland, man könnte sagen ein saftig grüner Fleck inmitten der gelblichen Wüste vor unseren Augen. Es ist die große Oase von El-Fajum, ein wahres, gut kultiviertes Land in kreisrunder Form, nach allen Seiten von Wüste umgeben. Die westlichste Grenze und Trennung vom bebauten Boden zur Einöde bildet der große See von Birket-el-Karun. Ein kurzes Stück der wohlgepflegten, üppig, besonders mit Zuckerrohrfeldern bebauten Oase wird durchfahren und wir gelangen zur Station von Abuksar. Das äußerste Ende dieser Bahnlinie hatten wir somit erreicht. Ein innerafrikanischer, ruinenartiger Bahnhof und einige dazugehörige Gebäude bilden nebst der Zuckerfabrik eine kleine Kolonie. Man stelle sich ja kein Etablissement nach europäischem Muster, keine böhmische Rübenzuckerfabrik vor, sondern nur ein recht einfaches und verwahrlostes Gebäude, in welchem man die vielen Zuckerrohrfelder verwertet; einige niedere Schlote wahren den Fabrik-Charakter.

Im mehr als primitiv eingerichteten Wartsalon des Stationsgebäudes nahmen wir rasch ein Frühstück ein und eilten nach demselben unsere Karawane zusammenzustellen. Das ist im Orient keine leichte Aufgabe, denn jeder will auf das Stürmischste seine Dienste, sein Pferd, seinen Esel anbieten, einer stößt den anderen hinweg und alle schreien und gestikulieren, bis der arme Fremdling, vollkommen betäubt, sich dem nächstbesten in die Arme wirft. Mit Hilfe einiger Gendarmen und dank unseren wehrhaften Stöcken gelangt es bald, Ordnung in das wilde Chaos zu bringen. Jeder der Herren erhielt sein Pferd, desgleichen die Diener, auch mußten Leute aufgenommen werden, welche unsere in diesem Lande so notwendigen Dachshunde trugen. Eine ganze Meute war diesmal vereinigt. Baron Saurma hatte zehn und wir vier Dackel, brave, kampfeskühne Tiere mitgebracht. Nach einigen Anstrengungen wurden die massenweise herbeigeeilten, neugierig gaffenden Leute zurückgedrängt und an weiterem Nachlaufen verhindert.

Unsere Jagd-Beduinen, die wir in der Tat benötigten, ritten und gingen voraus, ein kleiner Stamm für sich; alle in weißen oder besser gesagt schmutzig gelben Burnusen, mit langen Gewehren und krummen Messern, den primitiven Tabakbeutel neben einem Sack voll Pulver und gehacktem Blei umgehängt; die mageren langen Beine entblößt, die Füße in roten Pantoffeln. Es waren hier in dieser Gegend, wie eigentlich allenthalben in Nordafrika, arme Teufel; nichts Farbiges, keine schönen Stoffe, nicht einmal Turbane am Kopfe; stets nur die braune, eng anliegende Fellachen-Mütze, die jüngeren sogar ganz entblößten Hauptes.

Interessant war der Typus dieser Leute; echte Berber aus der libyschen Wüste, dunkelbraun, viel intensiver gefärbt als jene Unterägyptens, meistens hohe, schlanke Gestalten, die Gesichtszüge nicht so edel und schön als die nördlicheren Beduinen-Stämme; südliches, selbst viel Neger-Blut macht sich fühlbar; einzelne ganz schwarze Gesellen mit gekraustem Haar, echte Mohren waren auch anwesend; es sind dies aus dem Inneren Afrikas als Kinder geraubte Sklaven, die dann bei den Stämmen frei werden, Sprache, Kleidung, Lebensweise der Beduinen annehmen und ihre ganze frühere Abkunft, selbst das Land, aus dem sie stammen, vergessen; ich fand deren solche bei allen Tribus, die ich Gelegenheit hatte kennen zu lernen, sogar regelmäßig in Asien. Selbst das arbeitende Landvolk bei Abuksar fiel mir durch den von jenem der im unteren Niltal lebenden Fellachen abweichenden Typus auf. Es waren größere und durchwegs dunklere Leute, den Beduinen-Stämmen, die hier in der von Wüsten eingeschlossenen Oase unbehindert ihr Unwesen treiben können, ähnlicher, mehr Mischrasse, auch bemerkenswert viele Mohren unter ihnen.

Kaum war unsere Karawane zusammengestellt, als auch das Jagen schon begann. Im Garten neben der Fabrik fanden wir die auffallenden, echt afrikanischen Blauwangenspinte, ein reizender grüner Vogel mit langem Stoß und blauem Wangenstreif; ein ganzer Zug derselben wurde mit Erfolg beschossen. Diese Tiere gehören dem Inneren Afrikas an, in Oberägypten sind sie sehr häufig, bis Kairo gelangen sie niemals, das erscheint ihnen schon zu nördlich. Auf den Feldern liefen Spornkiebitze, jene reizenden, echt ägyptischen Vögel umher, dann Scharen von Kuhreihern; wie überall in Afrika ist auch hier reiches Tierleben in erstaunlicher Menge in den vegetations- und wasserreichen Strecken zusammengedrängt. Der erste Blick konnte uns gute Jagdtage versprechen. Bald krachten die Schüsse und manches befiederte Wild wurde von unseren Arabern mit großer Pünktlichkeit aus den nassen Feldern apportiert. Nur selten gelangen Jäger in diese Gegend und so genossen wir das Vergnügen, ein noch nicht im Mindesten vorsichtig gewordenes Wild über die Tücke der Europäer zu belehren. Die Karawane schritt mit Pferden, Dienern und Bagage auf ihrem Wege, doch die Herren waren schon alle jagend verteilt; da rief uns Baron Saurma zu sich. Er hatte ein großes Zuckerrohrfeld entdeckt und beschloß, dasselbe mit den Hunden durchzujagen; nur mit Mühe konnten die vielen arbeitenden Landleute hinweggeschickt werden, um einen freien Ausschuß zu erlangen. Die Herren sollten sich um das Feld postieren und Saurma beabsichtigte, mit meinem Jäger und der Meute von vierzehn Dackeln in den mannshohen Rohrwald einzudringen. Wir waren noch nicht alle auf unseren Plätzen, als auch schon das fröhliche Geläute der Hunde und gleich darauf zwei Schüsse erschollen. Einer der Herren hatte sich nämlich, die Situation richtig erkennend, ungemein beeilt und hoffte als Erster die entgegengesetzte Ecke des Feldes zu erreichen. Als er noch am Wege war, brachten die Hunde auf wenige Schritte vor ihm einen starken Wolf auf das freie Feld; leider waren durch großes Missgeschick die schwachen, für Kiebitze und Kuhreiher bestimmten Schrote in den Läufen geblieben, und zweimal vergeblich angeblasen, eilte Meister Isegrim über ganz offene Strecken den nächsten Fulfeldern zu.

Nach kurzer Zeit jagten mit lautem Gekläff die Hunde in allen Teilen des Zuckerrohrfeldes, viele Schüsse fielen; zwei der Herren hatten sogar zweimal auf Wölfe gefeuert, doch alles ohne Erfolg, da die schlauen Tiere nur auf wenige Sprünge das Rohr verließen, um gleich wieder in demselben zu verschwinden; auch wurde manchmal auf die im dichten Pflanzenwuchse dahineilenden Wölfe aufs Geratewohl hineingeschossen. Öfterer Standlaut der Hunde und einige Rotfährten bewiesen, daß mehrere Schüsse getroffen hatten. Einige der Herren, vom Jagdeifer übermannt, verließen ihre Stände und eilten dem Standlaute zu; doch im Rohre, das kaum auf zwei Schritte einen Einblick gestattet, blieben alle diese Versuche vergeblich.

Ich war während dieser ganzen, etwas wilden und unregelmäßigen Jagd nicht zum Schuße gekommen und erst nach einer halben Stunde, als schon die meisten Herren ihre Stände verlassen hatten, um sich durch Vorlaufen den Laut gebenden Hunden zu nähern, entdeckte ich einen Querweg, der durch das ganze Feld führte. Auf demselben eilte ich bis zu einem Punkte, wo ein Bewässerungskanal, der in das Innere des Rohrbestandes lief, eine schmale, nur einen Schritt breite Gasse als Ausschuß bot. Dort postierte ich mich nun, um die heranrückende Jagd zu erwarten. Nur langsam näherte sich dieselbe, denn der schwer kranke Wolf ließ sich öfters durch die Hunde halten. Als endlich der starke Wolf über meine Schußlinie passierte, konnte ich der Hunde wegen, die ihn umgaben, nicht schießen. Auf der anderen Seite begann abermals ein Kampf. Ich hörte das Knurren des Wolfes, vermischt mit dem hellen Geläute der Dackel. Nach wenigen Minuten endete die Jagd und vollkommene Stille herrschte wieder. Nur ungern jagt der Dachshund den Wolf und man kann daher nie auf eine lange Verfolgung eines angeschossenen oder gar das Verbellen eines verendeten rechnen. Der Wolf, der nicht am Flecke liegt, ist meistens verloren.

Einige Minuten später verkündeten uns die Stimmen anderer Dackel an der entgegengesetzten Ecke des Feldes den Beginn einer neuen Jagd. Wieder nahm die Hetze quer durch das Zuckerrohr die Richtung auf mich zu, abermals ging es nur sehr langsam und deutlich konnte man erkennen, daß die Hunde es mit einem kranken Wolf zu tun hatten. Auf höchstens hundert Schritte von mir vernahm ich ein eifriges Standlaut. Während ich aufmerksam diesem Kampfe lauschte, höre ich plötzlich dicht neben mir ein leises Brechen und gleich darauf sehe ich einen noch ganz gesunden Wolf über die enge Schneise schleichen. Rasch werfe ich meinen Schuß ihm nach, dem der erfreuliche Ton des Zusammenbrechens folgte; ich eilte zur Stelle; der Wolf hatte das Kreuz gebrochen und rutschte halb sitzend, halb liegend, die Zähne fletschend, weiter. Durch den Schuß aufmerksam gemacht, kamen einige Hunde herbeigeeilt und nun entspann sich ein wütender Kampf, dem ich in einem günstigen Momente durch einen Fangschuß ein Ende machte.

Ein Wolf war die ganze Beute einer Jagd, die leicht hätte glänzend ausfallen können, denn auf wenigstens vier verschiedene Wölfe war geschossen worden. An eine Fortsetzung war nicht zu denken, denn die Hunde erschienen einer nach dem anderen todmüde am Rande des Feldes; die braven Tiere hatten bei der sengenden Hitze tüchtig gearbeitet. Wir gingen nun alle, in mehr oder weniger gehobener Stimmung, zu unseren Pferden zurück; erstaunt besprachen wir den Reichtum dieses Landes an wilden Tieren und die komische Art, dieselben ebenso wie bei uns die Rebhühner, in gut kultivierten Feldern zu jagen.

Gar bald war die Karawane wieder in Bewegung und schlängelte sich auf einem schlechten, an manchen Stellen sogar sumpfigen Wege durch die üppig grünen Felder. Die Sonne meinte es redlich und brannte in wahrhaft afrikanischer Weise auf uns herab; eine hübsche Fata Morgana bewies die Hitze der Atmosphäre; sogar ein Berber, der neben meinem Pferde schritt, fluchte über die Wärme und transpirierte in auffallender Weise. Es war ein eigentümlicher Geselle; Negerblut rollte in seinen Adern, denn sein schwarzes, mit Narben bedecktes Gesicht und ein spitzer, geringelter Bart sprachen dafür, doch die feinen Züge ließen den arabischen Einfluss erkennen. Ich hatte ihn mein Gewehr tragen lassen und vergnügt die weißen Zähne fletschend, betrachtete er die abendländische Waffe mit Kennerblick.

Eine hübsche Fernsicht genossen wir von unserem Wege aus, über lachende Kulturlandschaft, graugrüne Ufergebüsche hinweg, nach dem weiten Wasserspiegel des Sees Birket-el-Karun; hinter demselben die langen gelben Konturen der Wüste Sahara. Ein Adlerbussard, ein echt afrikanischer Vogel, stand unweit unserer Marschroute auf einem niedrigen Erdhaufen; ich sprang vom Pferde und schlich mich an das Tier heran; mit zu schwachen Schroten fehlte ich; darauf kam der vertrauensselige Raubvogel näher, ich schoß abermals erfolglos, was ihn bewog, noch dichter herbeizuflattern; so ging es weiter, bis ihn der vierte Schuß trotz ungenügender Munition zu Boden streckte.

Nach diesem kurzen Intermezzo erreichten wir bald ein elendes, sehr kümmerlich aussehendes Dorf; niedere, größtenteils verfallene Lehmhütten verdienten nicht die herrliche Staffage einiger hochragender Palmen und breitästiger Sikomoren. Die Bewohner kamen in luftigen Kostümen, die Kinder in vollkommenem Mangel jeder Kleidung herausgeeilt, um uns zu betrachten. Neben dem Orte bog der Weg und führte uns in kurzer Zeit an das Ufer des Sees.

Nachdem alles von den Pferden und Tragtieren abgeladen war, stiegen wir in die Boote. Es waren dies in der Tat elende Fahrzeuge, wie man sich dieselben in den Zeiten der Pfahlbau-Urahnen nicht schlechter denken kann; mit den primitivsten Rudern wurden die viereckigen flachen Kästen von fünf bis sechs robusten Gesellen langsam weiterbefördert. Im Innern lag alles voll alter Fischgräten und eine Atmosphäre nach Schmutz verschiedener Art und besonders faulenden Fischen drang empor, gegen die man sich nur durch beständiges Zigarettenrauchen teilweise schützen konnte. Die Fischer in den Tagen der ältesten ägyptischen Zeit benützten ganz gewiß keine anderen, sicherlich keine schlechteren Boote, als ihre jetzigen Kollegen am Birket-el-Karun. Unter schwermütigem Gesang und plätscherndem Ruderschlag glitten wir über den blauen Wasserspiegel.

Dieser interessante große See ist auf einer Seite vom Kulturland, auf der anderen von der echten Wüste umgeben; längs der Gestade zieht sich allenthalben ein bald schmäleres, bald breiteres Band dichter üppiger Gebüsche, was dem See einen eigentümlichen Charakter verleiht. Nirgends erblickt man menschliche Ansiedlungen; es ist ein großartiges, aber unleugbar schwermütiges Bild, noch erhöht durch das bleierne, tiefblaue Salzwasser. Auffallend erscheint es dem Wanderer, einen Binnensee, so weit vom Meere entfernt zu finden, in dessen Tiefe echte Seefische und Tiere aller Art hausen. Die ganze Wüste ist salzig, die Seen an ihrem Rande demzufolge auch.

Nach einer halben Stunde Fahrt entdeckten wir einige Pelikane, die stolz umherschwammen; wir nahmen den Kurs ihnen nach, kaum konnte man den schnell rudernden Vögeln folgen. Endlich auf weite Distanz wurden einige vergebliche Kugelschüsse aus dem schwankenden Boot versucht. Schweren Fluges erhoben sich nach langen Anstrengungen die großen plumpen Tiere, um auf einem anderen Teile der Wasserfläche Ruhe zu suchen. Sonst wurden nur noch einige Wildenten, Taucher, Möven und auffallend viele Flußadler beobachtet.

Der Abend kam, die Sonne neigte sich, um unter den herrlichsten Lichteffekten in der Wüste zu verschwinden; großartige Ruhe herrschte in der weiten Landschaft. Wir näherten uns der Insel Beziré-Kârun, deren Felsenkegel sich malerisch vom tiefblauen Himmel abhob. An der flachen Ostküste des Eilandes legten wir an; höchstens hundert Schritte vom Ufer stand das ansehnliche Zeltlager; offene Feuer brannten und Araber kauerten zwischen den Strandgebüschen umher. Fürst Taxis begrüßte uns, er war des Morgens mit der großen Karawane eingetroffen. Im eigens dazu eingerichteten Speisezimmerzelt wurde gleich nach unserer Ankunft das vom arabischen Koch vortrefflich zubereitete Diner eingenommen. Aus hübschen Stoffen und äußerst wohnlich waren die Zelte arrangiert; je zwei Herren wohnten immer zusammen und fanden Betten, sogar Tische in den luftigen Behausungen. Am offenen Feuer gute Speisen kochen und ein Zeltlager rasch und bequem aufschlagen, das verstehen einzig und allein die Orientalen, darum reise, wer kann, zu jenen herrlichen Leuten. Nach dem Diner wurde noch geraucht und geplaudert und Pläne für die nächsten Tage entworfen; gegen 10 Uhr herrschte Ruhe im Lager, auch die Araber in ihren geisterhaften weißen Burnusen lagen unter freiem Himmel im Sande.

Die Nacht verlief nicht so glatt, als wir nach dem herrlichen Abend erwartet hatten. Ein heftiger Sturm erhob sich und fegte unsanft über die Zelte hinweg. Hassan, der Dragoman, schlich von Zelt zu Zelt und klopfte die Pfosten fester in die Erde. Bei meinem Onkel und mir, wir schliefen zusammen, riß die Windsbraut eine Seitenwand weg und durch kühlen Luftzug aus dem Schlaf erweckt, konnten wir den Sternhimmel bewundern, der in unsere Behausung hineinlächelte. Zum Glück waren alle Havarien bald wiederhergestellt und gegen Morgen verlor der Sturm an Kraft.

In sehr früher Stunde, noch vor Sonnenaufgang, wurde das Frühstück eingenommen; wir wollten uns an den Ufern der Insel verteilen, um den Zug der Wasservögel zu beobachten und nach günstigen Plätzen für den Anstand suchen. Kaum hatten wir die Zelte verlassen, als wir auch schon viel ziehendes Getier sahen, Kormorane, verschiedene Enten, Reiher und Pelikane. Letztere sind äußerst komische Erscheinungen; der lange Schnabel hängt so drollig herab und der plumpe kolossale Leib wird selbst von diesen immensen Schwingen scheinbar schwer in den Lüften erhalten, doch trotzdem gehören sie zu den guten und ausdauernden Fliegern. Der Großherzog und ich gingen nahe vom Lager an der flachen Küste und versteckten uns, so gut es ging, in Weidengesträuchen. Alles mögliche Wild kam vorbei, einiges wurde erlegt; der Zug war lohnend und man brauchte von einem Schuß zum anderen nur sehr kurze Zeit zu warten; auch Graufischer, jene vergrößerte, aber verschlechterte Auflage unseres Eisvogels, wurden erbeutet, leider kein Pelikan; wo wir saßen, kamen sie außer Schußdistanz. Von allen Seiten ertönten die Schüsse und Hoffnung war auf gute Beute. Den ersten Tag sind die Tiere dem Fremden gegenüber noch sehr vertrauensvoll; nach zwei Tagen hatten wir das Standwild der Insel ausgerottet und die Zugvögel wichen in großem Bogen dem gefährlichen Felsen aus. Nach einer Stunde war der Morgenzug zu Ende und wir gingen zum Zeltlager zurück; dicht daneben schoß ich noch innerhalb weniger Minuten zwei Fischadler herab, die mir über den Kopf strichen. Die Herren kamen einer nach dem anderen nach Hause, jeder mit Beute; am besten war es Pausinger ergangen. Er hatte sich nahe dem Lager hinter einem unbedeutenden Gebüsch versteckt; schon nach kurzem Warten kam ein Pelikan niedrig herbeigestrichen, ein glücklicher Schuß unseres wehrhaften Künstlers brachte ihn auf die Strecke.

Bevor ich die nächsten Jagderlebnisse des Tages schildere, muß eine Beschreibung der Insel vorausgeschickt werden. Ein Teil der östlichen sowie der südöstlichen Küste ist flach, mit Gebüschen bedeckt, alle anderen Teile des Gestades fallen in Form bröckeliger Felswände steil ab, nur am nördlichsten Punkt des Eilandes befindet sich eine kleine Stelle mit flachen Ufern und einem miniaturlagunenartigen Sumpfe. Zwischen der Küste und dem Felsenkegel breitet sich ein ganz flacher Raum aus, der fast an allen Punkten die Distanz von 300 Schritten nicht überschreitet und mit feinem Sand bedeckt ist. An der nördlichen Seite der Insel ist diese kleine Ebene an manchen Stellen voll großer Steine und Blöcke, die vom eigentlichen Felsenkegel losgelöst herabgekollert sind. Die wenigen Ufergebüsche ausgenommen ist alles ganz kahl, selbst das dünnste Gras gedeiht nicht. Der See unterwäscht unablässig die brüchigen Ufer und es dürfte nicht gar lange dauern, so wird das ganze Eiland auf den unerschütterlichen Felsenkegel beschränkt sein.

Nach kurzem Aufenthalt verließen der Großherzog und Prinz Taxis, gleich darauf Baron Saurma und ich das Lager. Unsere Absicht war, von einem Punkte ausgehend in zwei Partien, jede mit einigen Dachshunden, den Gebirgskegel zu durchstöbern und gegeneinander jagend an der Nordseite wieder zusammenzutreffen.

Zwischen den ersten Felsblöcken flogen zwei Triel auf, wovon ich einen herunterschoß. Der treffliche Osman führte die Hunde, die er zwischen den Steinen losließ. Nun begann eine interessante, aber etwas beschwerliche Jagd; über all die Felsplatten und das Gewirr von Steinklötzen mußte man hinwegspringen, um den Hunden zu folgen. Die Gebirgsformation ist sehr merkwürdig: Man findet Steine in den unglaublichsten Formen, viele großen Champignons ähnlich; darunter ist alles hohl und von Galerien durchzogen; durch Ritzen und oft weite Spalten, die übersprungen werden mußten, erlangte man Einblick in die dunklen Gänge, in denen die Dackel jagten, von Zeit zu Zeit wieder hervorkriechend. Vor einer dieser unzähligen Felsritzen gaben die Hunde Laut und verschwanden suchend im Gestein. Wenige Sekunden darauf erschien ein Luchs, sein Versteck in großen Bogensprüngen verlassend. Ich stand auf einem Felsvorsprunge, unter welchem er hindurchwechseln mußte. Auf meinen ersten Schuß brach er im Feuer zusammen, erholte sich aber wieder und blieb erst auf die zweite Ladung Null-Schrot vollends liegen. Es war ein ganz besonders mächtiges Tier von grauer Farbe mit Haarbüscheln an den Lauschern, der echte afrikanische Wüstenluchs, größer und stärker als sein europäischer Verwandter.

Der Großherzog hatte indessen die entgegengesetzte Lehne des Berges mit Hunden abgesucht. Zweimal waren Luchse vor ihm erschienen, doch nur auf so kurze Augenblicke, daß vom Schießen keine Rede war. An dem schon früher besprochenen Punkte trafen wir zusammen und nun wurde gemeinschaftlich mit allen Dachshunden gesucht. Gar bald erscholl das fröhliche Geläute der Dackel; wir eilten zur Stelle, doch leider war mir mein Onkel, an dem nun die Reihe war zu schießen, nicht genug rasch über die Felsen gefolgt und so verließ der Luchs unbelästigt sein Versteck, um gleich wieder zwischen Steinen zu verschwinden. Die Hunde suchten, so rasch es ihnen ihre kurzen Beine auf den abschüssigen Felsen erlaubten, der Fährte zu folgen. Nach einigen Minuten gaben sie vor der Röhre eines Baues, die unter einen großen Felsblock führte, Standlaut; auf der anderen Seite des Felsens eröffnete sich der weite Ausgang des Baues. Auf kurze Aufforderung drangen mehrere der Dackel in das dunkle Gewölbe. Der Luchs schien in eine Sackgasse eingeklemmt gewesen zu sein, da ein heißer Kampf begann. Die klagenden Töne geschlagener Hunde und die frischen Stimmen der mutig kämpfenden vermischten sich mit dem wilden Murren des Luchses. Eine Stunde fast standen wir neben dem Bau und nichts änderte sich in der Situation; es galt nun, die Hunde herauszulocken, um dem Luchse Platz zum Entwischen zu lassen. Endlich erscheinen auch die Dackel, einer nach dem anderen, mit Staub bedeckt, müde von den Anstrengungen des Kampfes, nur zwei besonders eifrige wollten den Bau nicht verlassen. Da entdeckten wir plötzlich eine Felsritze, unter welcher man am deutlichsten die Laute der Hunde hörte; nun vergrößerten wir diese Spalte so gut es ging und ich sondierte mit einer Stange das Innere des Baues, stieß auch gleich auf einen weichen Gegenstand. Als ich das Holz hervorholte, hingen daran graue Luchshaare. Vorsichtig hineinblickend, sahen wir die grünlich funkelnden Lichter des Luchses. Auf dies hin stieß ich, so viel ich konnte, gegen das Tier herab und schon nach wenigen Minuten fühlte ich, wie der weiche Körper entschwand. Die Jagd unter der Erde wurde vernehmbar und das Gepolter des flüchtigen Luchses und der Hunde. Wenige Sekunden darauf erschien auch schon der graue Geselle in langen Sprüngen vor der Röhre, bei welcher der Großherzog stand. Ein wohlgezielter Schuß empfing ihn da; halb kollernd, halb sich schleppend, erreichte das schwer geschossene Tier ein Versteck unter einem großen Steinblocke. Zum Glück hielten die braven Dackel den Luchs an den Hinterpranken und so gelang es Prinz Taxis, unter den Felsen kriechend, ihm den Fang mit dem Waidblatte zu geben. Ein schönes, aber um vieles schwächeres Exemplar, eine Fee, lange nicht so groß und mächtig als der von mir erlegte Ried, lag vor uns da. Nach diesem Erfolge gaben wir die weitere Suche auf und gingen mit den müden und mehr oder weniger verletzten Dackel zum Zeltlager zurück.

Das Wetter hatte sich in den Vormittagsstunden verschlimmert. Eine lichtgraue Wolkendecke umhüllte das ganze Firmament und einige Mal fiel feiner Regen, was in diesen Gegenden zu den größten Seltenheiten gehört. Der Nordsturm nahm abermals zu und an die Stelle der sengenden Hitze des verflossenen Tages trat eine eben durch den raschen Kontrast noch fühlbarere Kühle. Der See schlug hohe Wogen und die Fischer erklärten, es sei unter diesen Umständen ganz unmöglich, die Insel zu verlassen. Robinsonartig waren wir hiermit, von aller Welt abgeschnitten, auf diesem kleinen Eiland festgehalten.

Im Lager richteten unsere Jäger eine recht hübsche und eigentümliche Strecke her. An den Zeltstricken hängten sie nämlich das erbeutete Wild auf. Zwei Luchse, die Decke des gestrigen Wolfes, Pausingers Pelikan, verschiedenes Wassergeflügel und zwei Adler nahmen sich recht gut aus. Unser Präparator hatte vollauf zu tun und arbeite schnell und ausnehmend gut.

Nach einem recht großartigen Gabelfrühstück, das uns der brave Hassan kredenzte, rauchten wir gemütlich vor den Zelten, das herrliche orientalische Lagerleben genießend; plötzlich entdeckte ich, daß die nördliche Spitze der Insel, die Fläche zwischen dem Gestade und dem Felsenkegel ganz bedeckt sei von Geflügel aller Art. Mit dem Fernglas erkannte ich Scharen von Reihern, Pelikanen, Möven und darunter einige Fischadler. So gut es ging kroch ich längs des Ufers vollkommen gedeckt gegen die halb schlafend verdauende Gesellschaft. Ich war schon nicht mehr allzu weit, als ich zu meinem nicht geringen Schreck zwei Pelikane als Vorposten am Wasserspiegel umherschwimmen sah; nach zwei Seiten hin konnte ich mich nicht decken; alles war vorbei, denn schon hatten mich die schlauen Tiere erspäht und erhoben sich; das war das Signal für die Scharen am Lande und unter rauschenden Flügelschlägen zerstob die Gesellschaft in wilder Unordnung nach den verschiedensten Richtungen. Bloß die neugierigen Möven mußten sich die Ursache näher betrachten und umkreisten mich kreischend; zu meiner Freude entdeckte ich unter vielen kleinen eine der großen braunköpfigen Fischermöven, ein stattliches, mir neues Wild. Ein glücklicher Schuß brachte sie in meinen Besitz. Die Stelle, an welcher die Vogelgesellschaft ausgeruht hatte, muß ein täglich besuchter Verdauungsplatz sein, denn der ganze Boden war mit dickem weißen Guano bedeckt; auch lagen Federn und übelriechende Überreste von Fischen in Hülle und Fülle da.

In das Lager zurückgekehrt beschlossen wir, uns abermals für den Nachmittag- und Abendzug an der Küste zu verteilen. Ich wählte mir den Platz, wo des Morgens Freund Pausinger seinen Pelikan erlegt hatte. So gut es ging, kauerte ich mich in ein Gebüsch und versteckte neben mir meinen Apportier-Araber. Jeder von uns hatte einen solchen braunen Gesellen bei sich; sie holen jedes Stück aus den Wogen heraus, nur darf man keine langen Diskussionen mit den geldgierigen Leuten beginnen und niemals große Freude über ein bestimmtes erbeutetes Stück zeigen, sonst beginnen sie dich am Ufer zu lizitieren, stets höhere Preise verlangend; mit kluger Umsicht rechnen sie auf die sich steigernde Jagdlust. Sobald das Stück fällt, zeige man ihnen ein Geldstück und ehe das Handeln beginnt, müssen einige wohlgemeinte Nachhilfen sie in das Wasser drängen.

Eine halbe Stunde mochte ich wohl vergeblich gewartet haben, als ein Pelikan, von weitem schon sichtbar, die gerade Richtung gegen mein Versteck einschlug. Als er nahe genug war, gab ich aus beiden Läufen Feuer; laut prasselten die Schrote am dichten Federpanzer. Schwergeschossen senkte sich der kranke Vogel mit matten Flügelschlägen dem Wasserspiegel zu. Durch einige Minuten schwamm er langsam herum, doch immer mehr senkte sich der Kopf mit dem plumpen Schnabel, endlich schlugen ihn die Wogen um und leblos lag der Pelikan auf dem Rücken.

Weder Gold noch Drohungen vermochten meinen Araber in die Fluten zu treiben, da die Entfernung in der Tat eine bedeutende war. Rasch eilte ich in das Lager zurück, um neue Leute zu requirieren; als ich zurückkam, sah ich zu meiner großen Freude einen braunen Gesellen schon nahe vom Pelikan in den schäumenden Wogen. Der Großherzog war unweit von mir versteckt und hatte, als er den toten Vogel sah, seinen Begleiter, einen kühnen Schwimmer, in die Fluten geschickt. Nach wenigen Minuten kam der brave Araber, den schweren Vogel am Schnabel nach sich ziehend, zu uns geschwommen. Ich war froh über meinen ersten Pelikan, ein ganz enorm großes Exemplar. In den Abendstunden ging ich am Ufer auf und ab, kleineres Strandgeflügel jagend.

Als das Schußlicht zu Ende ging, versammelten sich alle Herren zum Diner; abermals war ziemlich viel Beute heimgebracht worden. Nach einem interessanten Tage herrschte bald Ruhe im Lager.

Tags darauf sollte in früher Stunde nach dem gegenüberliegenden Ufer des Sees gefahren werden, um da auf einer Landzunge den Zug der Vögel zu erwarten. Leider brachte die Nacht noch schlechteres Wetter und vor Sonnenaufgang nahm der Sturm dermaßen zu, daß die Fischer sich weigerten, hinauszurudern. Es blieb uns nichts übrig, als abermals einen Tag diesem Eilande zu widmen. Wir schliefen alle lange und gingen in den Vormittagsstunden mit den Dachshunden nach den Felsen, wo wir vergeblich suchten; kein Luchs war mehr zu finden. Hierauf wurde die übrige Zeit des Tages den Ufern gewidmet. Die Wasservögel strichen schlecht und wichen vorsichtig der Insel aus. Ich unternahm gegen Abend einen Rundgang um die ganze Küste herum, erlegte hierbei einen schönen Berberfalk und einige Strandvögel sowie auch einen Kolkraben.

Der Sturm nahm ab, der Himmel klärte sich und wohltuende Sonnenstrahlen sowie herrliche Beleuchtungen erfreuten uns. Vollends vergnügt und beruhigt für die Freuden des nächsten Tages war ich erst, als an der westlichen Spitze der Insel ein Fischerboot ziemlich ruhig vorbeiglitt. Von der Wüstenseite kommend fuhren sie gegen das Kulturland, passierten dicht unter meinem Versteck. Wild aussehende, braune Gesellen, in elende Lumpen gehüllt, lenkten das Fahrzeug, Lieder singend, die dumpf und unheimlich klangen. Ein merkwürdiges Bild; weit und breit nicht die Spur menschlicher Tätigkeit, über dem See drüben die endlose Wüste und auf den Wellen die echt afrikanische Barke mit ihren schwarzen Insassen. Nicht wenig waren die guten Leute erstaunt, als sie mich, ein europäisches Bleichgesicht, auf der öden, sonst nur von sinnenden Pelikanen bewohnten Insel sahen. Mein Begleiter begann ein langes Gespräch mit den Wanderern, dem ich nur entnehmen konnte, daß es sich um das Wetter und die Überfahrt handle. Verhältnismäßig wenig Beute fiel uns an diesem Tage zum Opfer; die Insel selbst war gründlich ausgeschossen. Nach dem Diner brannten unsere arabischen Diener ein Feuerwerk, ein Hauptvergnügen aller Orientalen, ab und machten dazu einen Höllenlärm; lange ließen wir sie nicht gewähren, denn die ungestörte Nachtruhe und das Nichtverscheuchen des durch die plötzliche Helle aufgeschreckten Wasserwildes waren uns lieber als die schönsten Feuergarben des biederen Dragoman.

Am 26. in sehr früher Stunde, lange noch vor dem ersten Morgengrauen, verließen wir unsere Zelte. Nach kurzem Frühstück wurde aufgebrochen. Der See war vollkommen ruhig und so konnte man die Fahrt an das Wüstenufer unternehmen; abends sollten wir unser Lager am entgegengesetzten Gestade des Kulturlandes wiederfinden. Alle Orientalen sind unpünktlich, und so brauchte es lange, bis unsere Fischer erschienen, um die Boote instand zu setzen. In vollkommen schlaftrunkenem Zustande wackelten sie an dem Ufer auf und ab und es kostete viele Mühe, einige Ordnung in dieses Chaos zu bringen. Nach einiger Zeit wurde die Gesellschaft, bestehend aus den Herren, den Jägern und den Dachshunden, auf drei Booten flott. In üblicher Weise ruderten unsere Araber, mit heiserer Stimme Lieder singend. Im Innern der Fahrzeuge verbreitete sich ein Gestank, den man kaum zu ertragen imstande war. Zum Glück breitete sich der Wasserspiegel glatt und ruhig vor uns aus, denn in diesen Booten mit den schlaftrunkenen Arabern bei stockfinsterer Nacht hätten wir im Falle eines Sturmes einige Unannehmlichkeiten zu erleben gehabt. Nach fast einer Stunde Fahrt gelangten wir an das Ufer zu einem Punkte, wo ein Vorgebirge, bestehend aus einem ziemlich großen Felsenkegel, in den See hineinragt und mit dem Gestade nur durch eine schmale Landzunge verbunden ist. Hier stiegen wir aus und schickten die Araber mit ihren Booten hinter den Felsenkegel. Einige Minuten brauchte es, bis energische, nachdrückliche Belehrungen imstande waren, unsere braunen Begleiter zum Schweigen zu bringen; und doch hatten wir Eile, bald mußte volle Ruhe auf der Landzunge herrschen, denn die ersten Spuren des Tages zeigten sich im Osten. Kurzen Prozeß machend, jagten wir die Araber in ihr Versteck und Osman blieb als Wache zurück.

Wir verteilten uns alle längs der Landzunge und dem Felsenkegel, hinter dichten Ufergebüschen oder Steinblöcken lauernd. Mit Morgengrauen begann der Zug des Wasserwildes; die Reiher waren die Ersten, hierauf folgten die Kormorane, Enten, Pelikane, Möven, das kleinere Strandgeflügel, einige Rohrweihen und Fischadler. Viele Schüsse krachten auf der langen Schützenlinie; vielköpfige Pelikangesellschaften wurden besonders mit wohlgenährtem Feuer empfangen, doch leider waren die Distanzen immer zu groß; nur zwei dieser großen Vögel verirrten sich in tiefere Regionen und fielen auch zweien der Herren zur Beute. Die Sterne waren schon verschwunden, ein herrlicher, echt afrikanischer Sonnenaufgang folgte der Nacht und die Hitze eines ganz wolkenlosen Tages begann sich fühlbar zu machen. Als wir unsere Plätze verließen, war der Zug zu Ende. Jeder hob sich seine Beute auf und kehrte zum schnell improvisierten Landungsplatz unter dem Felsenkegel zurück; dort versammelten sich alle Herren, da lagen unsere Boote, daneben die Araber und Osman überwachte das Ganze. Zwei Pelikane und verschiedenes anderes Geflügel kamen auf die Strecke; auch ein armer Aasgeier, der neugierig über der Schützenlinie gezogen war, mußte sein Leben verlieren. Nach kurzer Rast brachen wir abermals auf, um die Randgebüsche zu durchjagen. Von der Landzunge aus ziehen sich längs des Ufers in nördlicher wie auch in südlicher Richtung dichte Gestrüppe, von Tamarisken, hohem Schilf und Gras gebildet; an manchen Stellen beträgt dieses schmale Band üppiger, für Menschen undurchdringlicher Vegetation kaum mehr als zehn bis zwanzig Schritte in der Breite. Bis zum Pflanzenwuchse reicht die echte große Wüste, mit Hügeln und Tälern, flachen Strecken und sanften Rücken, teils streusandartig fein, teils mit grobem, vielfarbigem Gestein bedeckt.

Wo die Gesträuche neben der Landzunge begannen, blieb Baron Saurma mit den Dackeln zurück, die anderen Schützen sollten seinem Plane zufolge am Wüstenrande in gewissen Entfernungen voneinander angestellt werden; ich nahm mir den weitesten Posten an einer Stelle, wo die Gebüsche eine schmale Gasse offen ließen und ich freien Ausschuß bis an das Ufer erlangte; dadurch war die natürliche Grenze des ersten Triebes gebildet.

Am Weg durch den Wüstensand hatten wir Gelegenheit, sehr viele Fährten zu studieren; wie es scheint, kommen allnächtlich die Raubtiere aus der Wüste nach den Ufern, um zu trinken und wahrscheinlich auch schlafende Wasservögel zu überfallen. Es war Spur an Spur; die Fährten der Hyänen neben jenen der Wölfe, Schakale und Feneks (Wüstenfüchse), auch die Linien, welche die großen Eidechsen ziehen, und das breite Band der unheimlichen Brillenschlange fehlten nicht im feinen Sande.

Kaum war ich an meinem Posten angelangt, als auch schon die Hunde, zwar noch in weiter Ferne, zu jagen begannen. Die Jagd ging schnell, das laute Gekläff näherte sich meinem Stande. Plötzlich erschien knapp am sandigen Ufer ein langes, graubraunes, struppiges Tier mit spitzigem Kopf und unförmlich langer, schmaler Standarte im raschen Trab. Ein glücklicher Schuß streckte es zu Boden. Ein Ichneumon, dieses echt afrikanische, eigentlich häßliche Tier, das in Aussehen und Benehmen mit keinem von unseren europäischen Raubtieren zu vergleichen ist, lag vor mir. Bald erschienen die Hunde auf der Fährte; die schmalen Gestrüppe waren durchgejagt und wir beschlossen, einen ähnlichen, daran grenzenden Trieb zu nehmen; leider blieb dieser zweite Versuch erfolglos.

Einige Kamelfährten im Wüstensande machten uns auf die Nähe eines Beduinenstammes aufmerksam. Und in der Tat bemerkten wir gar bald mehrere in den Gebüschen weidende Kamele, hörten das Gekläff der Hunde und sahen von weitem einige dunkle Gestalten einem Lagerplatze zuschreiten. Wie ich hörte, sollen die wilden Stämme dieser Gegend sehr arm, aber durch die unmittelbare Nähe der Wüste vollkommen frei und unerreichbar, daher auch nicht immer ganz gemütlich sein. Die Jagdgesellschaft teilte sich nun in zwei Partien. Baron Saurma, der Großherzog und ich hatten die Absicht, in einem Boote, das uns gefolgt war, einige unweit vom Gestade schwimmende Pelikane anzufahren, während die anderen Herren sich mit den im Rohr an den Ufern in Unmassen hausenden Blassenten beschäftigen wollten. Alle Versuche mit den schlauen Pelikanen blieben erfolglos, auch die in den Ufergebüschen stehenden großen Silberreiher ließen uns nicht herankommen. Je weiter wir kamen, desto breiter und dichter wurde das Rohr, welches den Wasserspiegel bis auf eine Entfernung von circa hundert Schritten vom Ufer bedeckte. Die schöne weißäugige Ente schien eben am Zuge zu sein, denn Scharen stets nur dieser einen Gattung flogen vor unserem Boote aus dem Schilf auf; auch Fisch-, Purpur-, Silber- und Edelreiher entstiegen dem Rohrwald. Eine ziemliche Zahl Enten wurden nun, als guter Vorrat für die Küche, heruntergeschossen; unsere Fischer saßen alle ausgekleidet im Boote und nach jedem Schuß sprang einer in die Fluten, um die Beute zu holen. Wir schaukelten eben nur wenige Schritte vom Ufer, als sich plötzlich das Rohr teilte und ein großer Beduine, eine schöne kriegerische Erscheinung mit langem Gewehr erschien, uns einige Wasservögel, die er des Morgens erlegt hatte, zum Kauf anbietend. Mit einigen Silberlingen verschwand er so rasch und lautlos, als er gekommen war.

Die Mittagsstunden begannen und wir ließen uns zum Felsencap zurückrudern. Die Sonne brannte fürchterlich und in der Mittagshitze roch unser Fahrzeug noch ärger als während der Nacht; ein alter Mann, auf einem Auge blind, etwas buckelig, mit geringeltem weißen Bart, durch einen Turban geschmückt, schon in seinem ganzen Äußern ungemein ekelhaft, saß dicht unter uns im Boote; er ruderte nicht, war aber aus Neugierde mitgekommen. Wir ärgerten uns viel über diesen unliebsamen Gast, der in der Tat eine gefährliche Nachbarschaft war, denn ununterbrochen hielt er ergiebige Insektenjagden in seinem weiten Gewände ab. Zum Glück langten wir nach einer halben Stunde beim Felsen an, wo uns die anderen Herren erwarteten; sie hatten eine ziemliche Zahl von Blassenten geschossen. Die ganze Beute der ersten Hälfte dieses Tages wurde in ein Boot geladen und unter Aufsicht meines Jägers nach dem entgegengesetzten Ufer, wo einstweilen unser neues Zeltlager aufgeschlagen wurde, gesendet.

Die Jagdgesellschaft beschloß nun durch eine Stunde zu rasten; nahe vom Ufer an dem Berghange des Felsenkaps wurde ein frugales Frühstück, bestehend aus kaltem Fleisch, Brot, allen möglichen, in der Hitze mehr oder weniger ungenießbaren Konserven und fader Limonade, eingenommen. Unsere Leute unterhielten sich mit dem Fang jener merkwürdigen kleinen grauen Eidechsen, mit hohem Kamm am Rücken, den so genannten Geckos; auch Skorpione lagen in großer Menge unter den Steinen. Die Rast war keine Erholung, denn die Sonne brannte ganz entsetzlich an der schiefen, felsigen Berglehne, die Erde glühte und die Luft zitterte in der sengenden Hitze; es war der heißeste Tag, den wir bis jetzt auf der Reise auszustehen hatten, viel intensiver, als der wärmste Hochsommertag in Europa.

Wir brachen auch bald wieder auf und schritten längs der in nördlicher Richtung sich erstreckenden Ufergebüsche. Der Marsch durch den glühenden Wüstensand, welcher die fürchterlichste Temperatur ausstrahlte, war eben nicht sehr angenehm. Abermals umstellten wir die Gesträuche in einer gewissen Entfernung und gar bald ging wieder ein lustiges Jagen los; doch diesmal zeigte sich das gehetzte Wild nicht so bereitwillig und mehrmals ging die Jagd auf und nieder; nach kurzem Standlaut erschien endlich ein Ichneumon, die Dickung verlassend, vor dem Großherzog, der das komische Tier zwar roulierte, doch schleppte sich dasselbe bis in das Gestrüpp zurück, wo sich allsogleich ein heißer Kampf mit den auf der Fährte folgenden Hunden entspann. Ein großer, hochbeiniger Dackel und der Ichneumon waren dermaßen ineinander verbissen, daß man sie beide zugleich aufheben konnte; nur mit vieler Mühe gelang es, die Kämpfenden zu trennen und wurde einer der Herren bei dieser Gelegenheit vom Hunde, der andere vom Ichneumon in die Hand gebissen. Sehr viele Kormorane und Reiher waren auch während des Triebes längs der Küste an mir vorbeigezogen, doch wollte ich der Raubtiere wegen nicht schießen.

Da es Nachmittag war, beschlossen wir, die weite Rückfahrt in gerader Linie über den See nach dem entgegengesetzten Ufer anzutreten. In mehreren Booten ruderten wir hinüber; die Luft begann kühler zu werden und man konnte die herrliche Fernsicht über den See und die Wüstenlandschaften angenehmer als zuvor genießen. Unsere Schiffsleute waren sehr guter Dinge und unter unaufhörlichem Geschrei, unartikuliertem wilden Geheul, zogen sie alle ihre Kleidungsstücke aus und im Adamskostüme ruderten die einzelnen Boote um die Wette; für uns hatte dieser Sport auch eine praktische Seite, denn wir kamen dadurch viel schneller vorwärts.

Nach zweistündiger Fahrt gelangten wir, ein schmales Band von Weidengebüschen passierend, an eine große Sandbank, auf der unser neues Zeltlager schon fix und fertig und bequem eingerichtet stand. Der Platz war wohlweislich ausgesucht worden, denn die vollkommen trockene Sandbank trennt den See von einem ziemlich großen Sumpf. Da das Diner noch nicht bereitet war, gingen einige von uns noch rasch in den Sumpf, welcher unsern Lagerplatz von den ersten Feldern des Kulturlandes schied. In dem mit Rohr, Weidengebüschen, Wasserlacken, braunem, übelriechendem Moor bedeckten Terrain wimmelte es von Moorschnepfen und Wasserläufern, auch einige Enten und zwei Gattungen Kiebitze flogen vor uns auf; Kröten sprangen in Unmassen umher und alles schwärmte von giftigen Insekten. Mehrere Sumpfvögel wurden in aller Eile erlegt, doch dann verließen wir noch vor Beginn der Dämmerung den stark nach Fieberatmosphären riechenden Sumpf. Ein herrlicher Sonnenuntergang, darauf ein recht gutes Diner, bildeten den Abschluß eines bewegten Tages; bald herrschte volle Ruhe im Lager.

Am 27. früh brachen wir auf mit der Absicht, jagend bis zur Station Abuksar zurückzukehren. Anfänglich wurde der Sumpf durchstreift und einige Bekassinen sowie verschiedene Wasserläufer-Gattungen fielen uns zur Beute; über ein Feld, auf dem Kuhreiher und Spornkiebitze wirksam beschossen wurden, gelangten wir in eine Region von niederen, mit magerem Gras und verdorrtem Gebüsch bedeckten Sandhügeln, welche den Sumpf vom kultivierten Lande trennen.

Jagd auf Ichneumon

Dort stöberten die Dackel einige Hasen auf; einer der Herren und ich hatten das Glück, jeder einen dieser komischen Gesellen zu erlegen. Es ist dies der echte Wüstenhase, ein kleines, mageres, rehfarbiges, hochbeiniges Tier mit lächerlich großen, fast durchsichtigen Löffeln. Einige Palmtauben und Röthelfalken fielen uns bei dieser Hasenjagd ebenfalls zur Beute. Wo die Zone der Gebüsche und Sandhügel vollends aufhörte und das wohlbebaute Land begann, rasteten wir durch eine halbe Stunde; das Frühstück, wieder aus kalten Sachen bestehend, hatten uns Araber nachgetragen. Nach eingenommenem frugalen Mahl setzten wir über Felder und Kanäle unseren Weg fort, alle arbeitenden Fellachen, die wir erspähen konnten, als Treiber werbend. Weib, Kind, Kamel, Büffel und Pflug blieben am Felde stehen und für ein versprochenes Bachschîsch folgte uns die bunte Schar. Von weitem schon sahen wir ein nicht allzu großes Zuckerrohrfeld, das, trotzdem die Ernte bereits begonnen hatte, noch stand. Eilig steuerten wir, von den besten Hoffnungen beseelt, darauf los. Längs eines breiten, aber trockenen Kanales wurde auf einem Damme, die nun zu unternehmende Jagd besprechend, marschiert. Als wir den Platz erreicht hatten, wurden vor allem die Schützen postiert. Der Großherzog blieb an einer Ecke neben dem Kanal; an der Flanke, wo das Feld bis an den Fuß des Kanal-Dammes reichte, standen Hoyos und ich; die anderen Herren umstellten alle Seiten des Rohrbestandes; leider waren wir zu wenig Schützen und die Entfernungen zwischen den einzelnen Herren blieben zu bedeutend. Dicht neben unseren Ständen weideten Büffel und Kamele und unleugbar trug das Ganze nicht den Typus einer Wolfsjagd nach europäischen Begriffen.

Kaum waren die schwarzen Treiber mit infernalischem Geschrei in das Zuckerrohr eingedrungen, als auch schon mein Nachbar in das Feld hineinschoß; gleich darauf sprang ein auffallend starker Wolf zwischen ihm und mir heraus und mit langen Sätzen über den Kanal hinweg. Trotzdem die Distanz eine sehr große war, lief ich doch auf den Damm und schoß dem flüchtigen Tiere meine zwei Läufe nach; worauf es quer durch die Felder, die rechte Hinterpranke klagend, hinwegeilte. Bald darauf erschienen die Treiber.

Beutebeladen

Im gelben Rohr nahmen sich die braunen Fellachen und besonders die auffallend vielen Mohren in ihrem bedeutenden Kostümmangel, jeder einen abgebrochenen Zuckerrohrstengel kauend, sehr eigentümlich aus. Wir ließen das Feld nochmals treiben. Diesmal schoß mein Nachbar zur Linken zuerst und erlegte auf einen Schuß einen ziemlich großen Wolf; gleich darauf krachte es bei einem der Herren auf der linken Flanke; er roulierte einen Wolf, der sich wieder aufraffte und nun tüchtig schweißend bei einem anderen Schützen das Zuckerrohr verließ und, nochmals beschossen, das Weite suchte. Wenige Minuten darauf erlegte mein Nachbar zur Rechten einen mittelgroßen Wolf mit einem Schuß; gleich darauf sprang zwischen ihm und mir ein Wolf heraus, über den Kanal hinweg. Jeder von uns mußte ziemlich weit schießen und so schleppte sich der sichtlich stark angeschossene Wolf zwischen all den weidenden Büffeln dichten Saatfeldern zu. Als die Treiber nun erschienen, ließen wir das Zuckerrohr zum dritten Mal durchtreiben. Gar bald vernahm ich nahe vor mir ein heranbrechendes Stück und sah einen ziemlich starken Wolf durch das Rohr huschen; ein glücklicher Schuß streckte ihn zu Boden. Wenige Minuten später schoß mein Nachbar zur Linken einen Wolf schwer an, der sich nur mit Mühe in die nahe liegenden Bohnenfelder schleppte. Zwei Wölfe waren an Stellen, wo die Schützen zu weit voneinander standen, ohne Schuß entwischt. Im letzten Triebe schoß auch einer der Herren einen Ichneumon schwer an, der sich aber im dichten Rohr verschloß. Eine kurze Suche auf die angeschossenen Wölfe in den unabsehbar großen grünen Feldern blieb selbstverständlich erfolglos. Nun gingen wir an das entgegengesetzte Ende des Feldes, wohin unser geschickter Dragoman einige Reitpferde und Esel bestellt hatte. Die Wölfe wurden auf dem Rücken eines Esels vorsichtig zusammengebunden, verladen und die Karawane setzte sich in Bewegung. Die Treiber verloren sich wieder in verschiedenen Richtungen und nur unsere Führer und Eseltreiber gingen mit. Einer derselben schien in freien Stunden auch das bei den Orientalen so beliebte Geschäft des Schlangenbändigens zu betreiben, denn während des Marsches zog er aus einer Ledertasche, die unter seinem faltenreichen Gewand versteckt war, zwei sehr große, in der Tat imposante Brillenschlangen heraus, die er tags zuvor nahe des Sees gefangen hatte; selbstverständlich wurde das gewöhnliche Kunststück des Anblasens der Schlangen, worauf dieselben ganz steif und wie tot liegen bleiben, gezeigt; nach wenigen Minuten erholen sich die viel gequälten und ihrer Giftzähne beraubten, daher ungefährlichen Tiere und wandern dann wieder in den braunen Sack zurück.

Da wir in Schritt ritten, liefen alle Dachshunde neben den Pferden her; als die Karawane sich einem kleinen, recht elenden Dorfe, das nur durch einige auffallend schöne Palmen und Sikomoren geziert ist, näherte, verschwanden die eifrigen Dackel in einem unbedeutenden, viereckigen Bohnenfelde; gleich begann eine fröhliche Jagd. Wir sprangen von den Pferden und umstellten das Feld, welches von einer Seite zur anderen mit Schrot überschossen werden konnte; in diesem engen Raum ging die Jagd durch eine Viertelstunde auf und nieder; zweimal blickte der Ichneumon knapp neben den Schützen nur mit dem Kopfe heraus, doch niemand konnte des Nachbars wegen schießen. Das schlaue Wild erkannte Gefahr und ließ sich von den Hunden kreuz und quer hetzen, verließ aber nicht das sichere Versteck. Da die Zeit drängte, mußten wir unverrichteter Dinge die Hunde abpeitschen und die Reise fortsetzen.

Strecke

Der Weg führte uns an eine Bahnlinie, eine kurze Zweigbahn, die von der Fabrik Abuksar zu den größten Zuckerfeldern des Transports halber führt. Eine vorbeifahrende Lokomotive hielten wir an und stiegen in den angehängten leeren Gepäcks-Lowry. Auf diese Weise gelangten wir sehr rasch nach Abuksar. Unsere Araber ritten in vollem Carrière zwischen den Schienen ganz unglaublich schnell nach. Da uns noch Zeit erübrigte, beschlossen wir, das dem Bahnhofe nahe liegende Zuckerrohrfeld, welches wir am ersten Tage durchgejagt hatten, nochmals versuchsweise treiben zu lassen. In aller Eile requirierten wir möglichst viele Treiber und umstellten das Feld. Kaum hatte der Trieb begonnen, als auch schon ein Wolf bei einem Schützen, der an einer Ecke des Zuckerrohres stand, herausbrach. Wegen der vielen ihn umlagernden Landleute konnte er, solange das Tier nahe war, nicht schießen; als es endlich aus beiden Läufen krachte, war der Wolf schon zu weit. Wenige Sekunden darauf erlegte ein anderer Herr einen auffallend starken Wolf, den größten unter allen bisher erbeuteten, im Momente, als er über den das Feld durchschneidenden Weg wechseln wollte. Bevor die Treiber kamen, streckten noch zwei andere Schützen jeder einen Wolf und eine Waldschnepfe wurde gefehlt. Nun verließen wir das Feld, welches nach drei Tagen uns mehr Beute geliefert hatte, als bei der ersten Jagd. Am Bahnhofe wurde die Strecke von sechs an einem Tage erlegten Wölfen gemacht und hätten wir all die angeschossenen bekommen, wäre der Erfolg ein ganz außergewöhnlicher gewesen. Im Ganzen konnten wir mit dem Resultat unserer kaum viereinhalbtägigen Jagd-Exkursion in der Oase Fajum zufrieden sein: 2 Luchse, 7 Wölfe, 2 Ichneumone, 2 Wüstenhasen, 4 Pelikane, 2 Fischadler, 1 Aasgeier, 1 afrikanischer Adlerbussard und 172 kleinere Stücke, darunter viele interessante Exemplare, bildeten die Strecke. Im so genannten Wartsalon wurde das Diner eingenommen. Der Abend war einstweilen hereingebrochen, unser Eisenbahnzug stand schon bereit, die Sachen wurden alle einwaggoniert und gar bald verließen wir Abuksar, um einer neuen Expedition entgegenzugehen. Zwei Stunden hindurch fuhren noch die beiden Brüder Saurma und Prinz Taxis mit uns; als wir das Niltal und jene Station erreicht hatten, wo die Bahnen nordwärts nach Kairo, südwärts nach Siut sich trennen, verließen uns die drei Herren. Nach herzlichem Abschied dampften wir südwärts unserem nächsten Ziele Siut und der schönen Nilreise zu. So gut es ging richteten wir uns häuslich in den Waggons zurecht und bald schlief alles den wohlverdienten Schlaf nach getaner Arbeit.


 << zurück weiter >>