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Von der Gastronomie (Feinschmeckerei).

Die Gastronomie ist die wissenschaftliche Kenntniß alles dessen, was zum Menschen, insoweit es dessen Ernährung betrifft, in Beziehung steht.

Ihr Zweck ist: über die Erhaltung des Menschen zu wachen und ihm die möglichst beste Nahrung zu verschaffen.

Sie erreicht diesen Zweck, indem sie nach festgesetzten Grundsätzen diejenigen leitet, welche die Dinge aufsuchen, liefern und zubereiten, die in Nahrungsmittel verwandelt werden können.

In Wahrheit setzt also diese Wissenschaft alle Ackerbauer, Weinbauer, Fischer, Jäger, sowie die zahlreichen Köche in Bewegung, mit welchem Namen sie auch das Amt oder den Stand bezeichnen, durch welchen sie zur Bereitung der Nahrungsmittel in Beziehung stehen.

Die Gastronomie hat daher Beziehungen

  1. zur Naturgeschichte,
  2. zum Handel,
  3. zur Chemie und
  4. zur Staatswirthschaft,

wie selbst zur Küche durch die Kunst, die Speisen zu bereiten und dem Geschmacke angenehm zu machen.

Die Gastronomie beherrscht das ganze Leben, denn die Thränen der Neugebornen verlangen die Brust der Mutter, und der Sterbende schlürft noch hoffnungsvoll den letzten Trank, den er leider nicht mehr verdauen soll. Sie beschäftigt sich auch mit allen Ständen der Gesellschaft, und wie sie die Feste der Könige bei ihren Versammlungen leitet, ebenso hat sie auch die Zahl der Minuten berechnet, welche nöthig sind, ein Ei zu sieden. Die Gastronomie berücksichtigt Menschen und Dinge, um alles Kennenswerthe von einem Lande zum andern zu bringen, so daß ein kunstreich geordnetes Mahl gleichsam ein Abriß der ganzen Welt ist, wo jedes Land in vortheilhaftester Weise repräsentirt wird.

Die gastronomischen Kenntnisse sind allen Menschen nöthig, insofern alle die Summe des Vergnügens, die ihnen bestimmt ist, zu vermehren streben. Die Nützlichkeit dieser Kenntnisse nimmt zu im Verhältniß zum Range, den man in der Gesellschaft behauptet, und sie sind unumgänglich nothwendig für diejenigen Reichen, welche viele Gäste bei sich empfangen, welchen sie nun entweder ihrer Stellung wegen, oder ihrer Neigung folgend, oder der Mode gehorchend unbedingt repräsentiren müssen. Diese haben noch den besonderen Vortheil, daß bei der Haltung ihres Tisches ein persönliches Element hinzukommt, welches bis zu einem gewissen Punkte die Männer des Zutrauens überwacht und bei vielen Gelegenheiten ihnen nützliche Winke gibt.

Die Gastronomie hat auch einen großen Einfluß auf die Geschäfte. Diese Beobachtung ist denen nicht entgangen, welche häufig die größten Interessen zu behandeln haben. Man fand, daß der satte Mensch nicht der gleiche Mensch sei wie der hungrige; daß die Tafel ein gewisses Band um den Wirth und die Bewirtheten webt! daß das Essen die Gäste für gewisse Einflüsse zugänglicher und empfänglicher macht. Daraus entstand die politische Gastronomie. Mahlzeiten sind ein Regierungsmittel geworden; das Loos der Völker wird oft bei einem Festessen geworfen, dafür sprechen in neuester Zeit auch Thatsachen.

Dieß ist, einem flüchtigen Ueberblick zufolge, das Gebiet der Gastronomie, ein Gebiet reich an Erfolgen jeder Art, das nur noch durch die Arbeiten und Entdeckungen der Gelehrten vergrößert werden kann; denn ich glaube sicher, daß die Zeit nicht mehr fern liegt, wo die Gastronomie ohne Zweifel ihre Akademiker, Vorlesungen, Professoren und Preisvertheilungen haben wird.


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