Friedrich Wilhelm Riese
Martha, oder: Der Markt zu Richmond
Friedrich Wilhelm Riese

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Akt IV.

Pächterwohnung wie im zweiten Akt.
Lady und Nancy kommen, gefolgt von einem Diener, der sich sogleich wieder entfernt, durch die Mitteltür.

No. 15. Entre-Akt und Arie.
(Der Vorhang geht im 22. Takt auf.)

Lady.
Zum treuen Freunde geh,
Den Plan ihm zu entdecken,
Den mein bereuend Herz
Voll Zuversicht erdacht,
Aus dumpfer Schwermut Traum
Den Teuren zu erwecken
Mit neuem Hoffnungsstrahl
Nach trüber Kerkernacht.
Noch vernahm er nicht die Kunde,
Wie die Zukunft schön ihm tagt – ja!
Ich heile selbst die Wunde,
Die ich schlug! Es sei gewagt! (Nancy entfernt sich.)

Arie.
Lady .
Den Teuren zu versöhnen
Durch wahre Reu, durch wahre Reu,
Sein Dasein zu verschönen
Mit Lieb und Treu, mit Lieb und Treu,
Mein Los mit ihm zu teilen,
Durch’s Leben hinzueilen,
Ach, welch Glück!
Ach, den Teuren zu versöhnen etc.
Ja, nun darf ich frei ihm sagen,
Wie mein Herz, seit ich ihn sah,
Nur für ihn, für ihn geschlagen, ja!
Wie sein Bild mir immer nah.
Ah! O seliger Gedanke,
O Hoffnungsschein!
Es sank die Trennungsschranke,
Mein wird er, mein, ja, mein.

No. 16.
(Lady und Plumkett kommen von links.)

Nancy.
Lady!

Plumkett.
Mylady!

Lady.
Treuer Freund!
Hat Nancy Euch vertraut,
Was ich ersann?

Plumkett.
Ja! Sie sprach dies und das –
Und ich, – ich hört ihr zu
Und hab sie angeschaut –
Verstanden hab ich’s nicht –
Weiß nicht, war’s Ernst, war’s Spaß.

Lady.
Doch er?

Nancy.
Er starrt betrübt und still zu Boden nieder
Und spricht und hört kein Wort, –
Dem kehrt das Glück nicht wieder!

Lady.
O geht! Laßt mich allein!
Ich ruf ihn leise, leise,
Mit wohlbekanntem Lied –
Mit lockend trauter Weise.
(Nancy und Plumkett entfernen sich.)

Duett.
Lady.
Der Lenz ist gekommen, die Rosen erblühn,
Es strahlet die Zukunft im freundlichen Grün,
[Es flattern die Blätter in heiterer, heiterer Luft,
Den Matten erlabet balsamischer Duft.]
(Lyonel ist während der letzten Worte langsam von links herangekommen.)

Lyonel.
Ha! Sie – sie ist’s!

Lady.
Lyonel!

Lyonel.
Willst du mich täuschen, gaukelndes Bild,
Falsche Sirene, mit lockendem Kosen?
Sieh, wie dein gleißendes Lied sich erfüllt; (Den Strauß Marthas von der Brust nehmend und entblätternd.)
Sieh, wie sie flattern die duftenden Rosen!

Lady.
Lyonel! – hör mich –

Lyonel.
Ich kenn dein Wort,
Weiß wie es fesselt mit eisernen Banden,
Weiß wie es zieht zum Verderben fort,
Bis dem Verlockten die Sinne schwanden!

Lady.
Habe Erbarmen!

Lyonel.
Erbarmen gleich dir,
Die mich geopfert dem Hohn, der Schande?

Lady.
Sieh mich bereuend, bereuend, zur Sühne hier,
Wie ich gelöst deine schmachvollen Bande.
Ich! Ich selber brachte das Pfand,
Das dein Vater dir sterbend verliehn,
Brachte den Ring, den des Freundes Hand
Du vertrautest, zur Herrscherin.
Lyonel! Hör mich! Dein edler Vater
War Graf Derby, der schuldlos Verbannte.

Lyonel.
O mein Vater!

Lady.
Der Königin Gnade lohnt es dem Sohne
Jetzt huldreich und mild. (Ihm ein Pergament reichend.)
Graf von Derby! – Auf ruhmvollem Pfade
Tragt Eurer Ahnen glorreiches Schild!

Lyonel.
Ich, Graf Derby! Ich, Graf Derby!

Lady.
Und diese Hand,
Die dir reichet der Zukunft Segen,
Beut sich der deinen als Unterpfand
Meiner Reue, meiner Liebe,
Meiner Reue und Liebe entgegen.

Lyonel.
Diese Hand?

Lady.
In Lieb und Reue, in Lieb und Reue, in Lieb und Reue.

Lyonel.
Diese Hand, die sich gewendet,
Um mich schmachvoll fortzuweisen,
Diese Hand, die mir gesendet
Harter Bande kaltes Eisen,
Die bald winket, bald verscheuchet
Und mit schnödem Netz umflicht,
Diese Hand, die mir sich reichet,
Diese Hand, ich will sie nicht! (Er wirft ihr das Pergament vor die Füße.)

Lady.
Großer Gott!

Lyonel.
O, wehe mir! [Sie war mein Stern,
Mein höchstes Gut!
Ihr weiht ich gern
Mein teures Blut,
Sie war mein Glück!
Zu Himmelslust
Durchdrang ihr Blick
Die hochbeseelte Brust!]

Lady.
Sieh meinen Schmerz,
Sieh meine Reu,
Es schlägt mein Herz
Dir wahr und treu.
Gewiß, es kehrt das Heil zurück,
Und neu verklärt sich unser Glück,
Ja, es kehrt das Heil zurück! etc.
Lyonel, erbarme dich,
Lyonel, du tötest, du tötest mich!

Lyonel.
Nein, nimmer kehrt mein Heil zurück,
Dahin, zerstört ist all mein Glück. etc.
Fort! Hinweg, ich hasse dich,
Falsches Weib, ich hasse dich! (Lyonel stürzt hinaus, Lady sinkt in einen Sessel.)

No. 17.
(Nancy und Plumkett treten wieder ein.)

Nancy.
Faßt Euch, Lady!

Plumkett.
Hu! Er eilet fort, als brenn’ der Kopf ihm schier.
Na, den habt Ihr schön geheilet;
Der ist stolzer jetzt, als Ihr!

Lady.
Wohl, so gilt’s das Letzte wagen!
Treue Freunde, seid zur Hand,
Daß zu heiter schönen Tagen
Eine sich der Liebe Band. (Sie geht durch die Mitteltür ab.)

Duett.

Plumkett.
Ja, was nun?

Nancy.
Ja, was nun? was nun tun?

Plumkett.
Ja, was nun tun?

Nancy.
Schnell der Lady Wunsch erfüllen,
Treu vollführen ihren Willen,
Bis der stolze Herr geneigt
Sich herabzulassen zeigt.

Plumkett.
Aber dann?

Nancy.
Ja, was dann?

Plumkett.
Wann’s getan, was dann?

Nancy.
Was dann?

Plumkett.
Ach, dann sitz ich ganz alleine
Ganz alleine, ganz alleine,
Abends bei des Lämpchens Scheine,
Einsam hier im öden Haus;
Ei, das halt’ ein andrer aus. etc.

Nancy.
Ja, dann sitzt Ihr ganz alleine,
Ja, dann sitzt Ihr ganz alleine
Abends bei dem Lämpchen
Einsam hier im trüben Haus –
Nein, das haltet Ihr nicht aus.
Trüb ist das!

Plumkett.
Ja, Kein Spaß!

Nancy.
Wißt Ihr was?

Plumkett.
Nun was? Ja, was?

Nancy.
Gelt! Ihr müßt ein Weibchen wählen,
Seid ja alt genug und reich!

Plumkett.
Na, das sollte mich nicht quälen,
Nachbars Polly nimmt mich gleich! etc.

Nancy.
So? sas scheint ihn nicht zu quälen,
Nachbars Polly nimmt ihn gleich. etc.
Wohl! nur zu!

Plumkett.
Laßt mich in Ruh!

Nancy.
Doch warum?

Plumkett.
Sie ist so dumm!

Nancy.
Müßt denn eine andre wählen,
Ob’s an Mädchen wohl gebricht?

Plumkett.
Richters Ann’ würd sich bequemen,
Aber nein, die mag ich nicht! etc.

Nancy.
Richters Ann’ würd sich bequemen,
Aber nein, die mag er nicht! etc.
Suchet denn –

Plumkett.
Ja wo? Ja wo?

Nancy.
Weiß denn ich’s?

Plumkett.
Ja so! Ja so! Ah so!
O! Ich wüßte wohl schon eine,
Ist sie gleich sehr hoch hinaus,
Paßt sie gleich, die, die ich meine,
Gar nicht für mein einfach Haus;
Kann sie gleich nicht einmal spinnen,
Ist sie gleich sehr ungeschickt –
Wußt sie doch mich zu gewinnen,
Seit ich ihr ins Aug geblickt!

Nancy.
Ei! Ihr malet, wie ich meine,
Sie höchst schmeichelhaft mir aus;
Zwar sie passet nicht, die eine,
Die Ihr meint, für Euer Haus;
Doch sie lernt wohl bald zu spinnen,
Bleibt nicht immer ungeschickt,
Wenn es gilt, Euch zu gewinnen,
Wenn sie solchen Mann erblickt.

Plumkett (freudig).
Wahr?

Nancy.
Ei, freilich.

Plumkett.
O, dann sagt mir –

Nancy.
Was?

Plumkett.
Nein, sagt’s noch nicht!
Lyonel geht vor – denn heilig
Ist mir treuer Freundschaft Pflicht!

Nancy.
Ach!

Plumkett.
Ja, ach!

Nancy.
So sprecht!

Plumkett.
Gemach!

Nancy.
Ach, so sprecht!

Plumkett.
Nur gemach!

Nancy.
Ach, so sprecht!

Plumkett.
Nur gemach!

Nancy.
Erst der Freundschaft Stimme hört er,
Seinen starren Sinn beschwört er,
Und dann wagt er, und dann sagt er,
Und dann fraget er ein Wort. etc.

Plumkett.
Erst der Freundschaft Stimme hör' ich,
Seinen starren Sinn beschwör ich,
Und dann wag' ich, und dann sag ich,
Und dann frag ich Euch ein Wort. etc.
(Beide entfernen sich durch die Mitte.)

Verwandlung.

Platz vor dem Pächterhause.
Landleute und Diener sind beschäftigt, Zelte, Bänke u.s.w. zu ordnen, wie auf dem Markte zu Richmond. – Einige kleiden einen Pächter als Richter an.

No. 18. Finale.

Chor.
Hier die Buden, dort die Schenke,
Hier die Zelte, vorn die Bänke,
Hier der Tisch für den Notar,
Gerade wie es dorten war.
Hier die Mägde, dort die Mieter
Und der Richter als Gebieter,
Mit dem Stabe und Talar,
gerade wie es damals war. etc.

Lady (in der Kleidung, die sie als Martha trug).
Nun, ihr Freunde! ist’s geschehen?

Chor.
Nach Befehl!
Mögt selber sehen.
Hier die Buden, dort die Schenke,
Hier die Zelte, vorn die Bänke,
Hier der Tisch für den Notar,
Gerade wie es damals war.
Und der Richter als Gebieter etc.

Nancy (gekleidet wie im ersten Aufzug als Julia).
Seht! dort naht er, – trüb gelehnet
Auf den Freund, der ihn begleitet.

Lady.
Ach! Mir banget.

Chor.
Seht! dort naht er, trüb gelehnet
Auf den Freund, der ihn begleitet.

Nancy.
Der Stolze wähnet nicht,
Wohin die List ihn leitet!
Jetzt, ihr Freunde, Jung und Alt!
Der Markt beginnt, die Glocke schallt!

Chor Mägde. (ordnet sich wie im ersten Aufzug, Marktszene).
Ich kann nähen,
Ich kann mähen,
Ich kann säen,
Fäden drehen,
Ich kann bügeln,
Ich kann striegeln
Und versehen
Hof und Haus. etc.

Chor Pächter und Pächterinnen.
Wollen sehen,
Wie sie mähen,
Wie sie säen,
Fäden drehen,
Wie sie bügeln,
Wie sie striegeln
Und versehen
Hof und Haus. etc.

Plumkett (Lyonel hereinziehend).
Ha! Nur zu – und nicht so spröde,
Mach’s wie ich und sei nicht blöde!

Lyonel.
Ha! Was seh ich!

Plumkett.
Hübsche Kinder!
Die und die – und die nicht minder – (Die Lady, welche sich verborgen gehalten, hervorziehend.)
Sprich! Was kannst du? – sag es frei!

Lyonel.
Martha! Martha!

Plumkett.
Großer Gott!

Lady.
Ich kann entsagen
Dem Glanz, dem Schimmmer,
Kann ohne Zagen
Sie fliehn auf immer!
Ich kann dem Treuen
Mein Dasein weihen,
Ich kann ihm sagen:
Nur dir allein
Will ich mich weihn.

Lyonel.
O Himmelsglück, o Himmelglück!

Plumkett (Nancy vorführend).
Na! Du Mädel! was kannst du?

Nancy.
Feines Linnen
Kann ich spinnen.

Plumkett.
Du kannst lügen
Und betrügen –

Nancy.
Und dich schmiegen
Und dich biegen,
Zu erliegen meinem Joch!

Plumkett.
Topp! Mädel ’s gilt der Kauf! (Er hält den Mund hin.)

Nancy.
Topp! Nimm das Handgeld d’rauf! (Sie gibt ihm einen Schlag.)

Plumkett.
Solch ein Handgeld soll mir frommen,
Wart, das soll dir schön bekommen!

Landleute.
Ha, ha, ha, ha, er hat’s genommen,
Mag das Handgeld ihm bekommen!
Ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha!

Lady (Lyonel ihren Strauß reichend).
Der Lenz ist gekommen,
Die Rosen erblühn.

Lyonel.
Es strahlet die Zukunft im
Freundlichem Grün,

Lady und Lyonel.
Es flattern die Blätter
In heiterer, heiterer Luft,

Alle.
Zum Heile, zum Glücke
Das Dasein uns ruft!

(Der Vorhang fällt.)


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