Friedrich Wilhelm Riese
Martha, oder: Der Markt zu Richmond
Friedrich Wilhelm Riese

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Akt III.

Wald.
Links ein kleines Wirtshaus. – Plumkett und Pächter sitzen trinkend am Tische vor dem Haus.

No. 11. Entre-Akt und Porter-Lied.
(Der Vorhang geht im 14. Takt auf.)
Porter-Lied.

Plumkett
Laßt mich euch fragen,
Könnt ihr mir sagen,
Was unserm Land,
Der Briten Strand
Die wahre Kraft schafft, he?
Das ist das kräft’ge Elixier,
Das ist das saft’ge Porterbier,
Das regt John Bull im Nebeldampf
Zu Meer und Land beim Boxerkampf.
Ja! Hurra! dem Hopfen, hurra! dem Malz!
Sie sind des Daseins Würz und Salz,
Hurra, tra, la, la, la, la, la, la, la. Hurra!

Chor.
Hurra!

Plumkett.
Könnt ihr ergründen,
Soll ich euch künden,
Was unsre Brust erfüllt mit Lust
Bis froher Sang klang, he?
Das ist der Braune hier im Krug,
Der hebt die Laune Zug für Zug,
Das ist das herbe, derbe Naß,
Das ist das Bier,
Ja, das gibt den Baß, ha!
Hurra! dem Hopfen, hurra! dem Malz,
Sie sind des Daseins Würz und Salz,
Hurra, tra, la, la, la, la, la, la, la.
Hurra! dem Porterbier, hurra!

Chor.
Hurra, hurra! dem Porterbier, hurra!

No. 12. Chor und Lied.
(Fanfaren in der Ferne.)

Chor.
Horch, die Jagdfanfaren tönen.

Plumkett.
Ja, heut' zieht die Königin,
Selbst als mut’ge Jägerin,
In den Wald mit ihren Schönen.

Chor.
Kommt doch, kommt, die Hörner schallen!

Plumkett.
Na! So lauft, ich will erst zahlen. (Chor geht rechts ab, Plumkett ins Wirtshaus.)

(Ein Teil der Jagdgesellschaft tritt auf.)
Chor.
Auch wir Frau’n,
Wir kennen traun
Das Sassa, hussa!
Tra, la, la, la!
Bilden ohne Müh
Zur Jagd uns früh!
Halali, halali!
Die Herrn Jäger selber sind das Wild,
Dem es gilt, listig gezielt;
Und die Augen blitzen als Geschoß
drauf los, feurig darauf los.
Bald sie scheuchen,
Daß sie weichen,
Bald sie hegen,
Treulos pflegen,
Bald sie hetzen
Zu den Netzen,
Bis in den Schlingen
Sie sich fingen,
Das ist so die Liebesjagd,
Die den Frauen stets behagt;
Trara, trara, trara, ta, ta, ta etc.

Lied.
(Nancy, in kostbarem Jagdkostüm, tritt mit einigen Jägerinnen auf.)
Nancy.
Jägerin, schlau im Sinn,
Zielet mit den Blicken,
Weiß in Eil Pfeil auf Pfeil
Aus dem Aug zu schicken,
Ohne Ruh, immerzu,
Wacht sie unverdrossen,
Lauert schlau, zielt genau,
Bis das Wild geschossen.
Amor, das verschmitzte Kind,
Trug den Pfeil wie der Wind.
Amor trug den Pfeil geschwind,
Wie der Wind. etc.

Chor.
Ja, Amor, das verschmitzte Kind,
Es trug den Pfeil geschwind, geschwind,
Ja, Amor trug den Pfeil geschwind,
wie der Wind. etc.

Nancy.
Süßer der Schmerz, traf das Herz
Mit dem goldnen Pfeile,
Jetzt geschwind Balsam lind,
Daß die Wunde heile,
Seht, ein Blick bringt zurück,
Was ein Blick genommen,
Kraft und Mut, Lebensglut,
Sind aufs neu gekommen.
Amor, das verschmitzte Kind,
Lud nur blind, lud nur blind,
Amor, das verschmitzte Kind etc.

Chor.
Ja, Amor, das verschmitzte Kind,
Es lud nur blind, es lud nur blind etc.

Plumkett (aus dem Hause tretend).
Blitz! die wilde Jagd, fürwahr,
Gerne zähmt ich mir ein Paar!

Nancy (für sich).
Wo nur mag die Herrin weilen?
Ach, sie flieht der Freude Reihn,
Keine Freude will sie teilen,
Seit an jenem Unglückstage
Sie ihn sah.
(zu Plumkett) He! Gutfreund!
Sage er uns doch –
(erkennt ihn und erschrickt) Mein Gott!

Plumkett.
Potz Blitz! Julia mit Jagdgeschütz!

Nancy.
Guter Freund!

Plumkett.
Dein Freund? mit nichten!
Der Herr Richter soll dich richten;
Wart’ ich will dich durchgehen lehren.

Nancy.
Ihr seid toll!

Plumkett.
Hier hilft kein Wehren! fort nach Hause!

Nancy.
Helft! herbei!

Plumkett.
Lose Magd!

Nancy.
Verwegner Mann, verwegner Mann!
Jägerinnen! zielt, legt an!
Er ist Wild! die Jagd ist frei!

Chor.
An dem Frechen laßt uns rächen,
Er ist das Wild, dem es hier gilt,
Ihn zu jagen, ihn zu plagen,
Sei unser Ziel, sei unser Spiel.
Trara, trara, trara, ta, ta, ta etc.

Plumkett.
Alle Tausend, das wird grausend,
Wie die scharfen Waffen blitzen,
Ihre Speere fühl auf Ehre
Ich schon tief im Herzen sitzen,
Das ist eine Teufelsjagd,
Ei, da bleib, wem es behagt, ha, ha! o weh! etc. (er läuft davon, die anderen folgen ihm.)

(Lyonel, schwermütig, den Strauß Marthas in der Hand, betritt den Platz vor der Schenke.)
Lyonel (für sich, in tiefes Sinnen versunken)
"Darum pflück ich, o Rose,
Vom Stamme dich ab,
Sollst ruhn mir am Herzen
Und mit mir, ja mit im Grab."
Wo war ich? ach, bei ihr,
Nur stets ihr Bild allein,
Das mir vor Augen strahlt
Mit lockend hellem Schein,
Das mir die Brust erfüllt,
Mich tötet und belebt,
Zur offnen Gruft mich zieht,
Und hoch zum Himmel hebt.

No. 13. Arie.

Lyonel.
Ach! so fromm, ach! so traut,
Hat mein Auge sie erschaut;
Ach! so mild und so rein,
Drang ihr Bild ins Herz mir ein.
Banger Gram, eh sie kam,
Hat die Zukunft mir umhüllt,
Doch mir ihr blühte mir
Neues Dasein lusterfüllt.
Weh! es schwand, was ich fand,
Ach! mein Glück erschaut’ ich kaum.
Bin erwacht und die Nacht
Raubte mir den süßen Traum, den süßen Traum.
Ach! so fromm, ach! so traut,
Hat mein Auge sie erschaut.
Ach! so mild und so rein
Drang ihr Bild ins Herz mir ein.
Martha! Martha! Du entschwandest,
Und mein Glück nahmst du mit dir;
Gib mir wieder, was du fandest,
Oder teile es mit mir, teile es mit mir, ja mit mir! (Er setzt sich im Hintergrund auf eine Rasenbank nieder.)

No. 14. Szene und Finale.
(Lady und Tristan treten auf.)

Tristan.
Die Herrin rastet dort,
Weshalb entfernt Ihr Euch
Von der Monarchin?

Lady.
Um allein zu sein!

Tristan.
Mit mir?

Lady.
Mit Euch? Je nun,
Es gilt mir gleich.
Seid Ihr, Mylord, mit mir,
Fühl ich mich ganz allein.

Tristan.
Stets traurig.

Lady.
Geht denn
Und fliehet meine Nähe.

Tristan.
Nicht doch, im Wald allein?

Lady.
So will ich’s. fort!

Tristan.
Ich gehe. (Er entfernt sich.)

Lied.

Lady.
(ohne Lyonel zu gewahren).
Hier in stillen Schattengründen,
In dem einsam trauten Hain,
Hier darf frei das Herz sich künden,
Sein Verlangen, seine Pein,
[Sein Verlangen, seine Pein.
Was es fühlet, was es leidet,
Still bekennt und laut verhöhnt,
wenn es suchet, ach! und meidet,
wen es schmäht und doch ersehnt etc.]

Lyonel (emporschreckend).
Diese Stimme – Ha! was seh ich,
Eine Dame.

Lady.
Götter! Er!

Lyonel.
Martha! Martha!

Lady.
Wie entgeh ich dieser Angst!

Lyonel.
Du kamst her? Hab Dank,
Ich seh' dich wieder!
Ja, du bist’s, die mir entschwand!

Lady.
Fassung!

Lyonel.
Blickst so stolz hernieder?
Hat mein Herz dich doch erkannt?

Lady.
Mich erkannt, Ihr irrt!

Lyonel.
Oh nimmer schwand dein Bild
Aus meiner Brust, nein,
Mich täuscht nicht dieser Schimmer,
Du bist’s, du! mir ist’s bewußt!

Lady.
Tor! Ihr träumt!

Lyonel.
Ha wär es Träumen,
Das umstrahlet meinen Blick,
Wohl denn, Martha! ohne Säumen
Fasse ich mein kurzes Glück.

Lady.
Fort, hinweg!

Lyonel.
Nein, nein! ich träume!
Träumend halt ich deine Hand,
(er kniet nieder) küß im süßen Wahn die Säume
Von dem glänzenden Gewand!

Lady (ihn zurückstoßend).
Ha! Vermess’ner, schon zu lange
Hört ich, was dein Irrsinn spricht!

Lyonel.
Nein, ich sprach aus Herzensdrange.

Lady.
Frecher Knecht! ich kenn Euch nicht!

Lyonel (aufspringend).
Knecht! Knecht! Verwegne, dein Gebieter bin ich,
Dein Herr, dem du zugesagt;
War ich mild und schwach als Hüter,
Jetzt erzittre, niedre Magd!

Lady (in höchster Angst).
Tristan! Tristan!

Tristan (herbeieilend).
Was begehrt Ihr?

Lady.
Hülfe! Rettet!

Tristan.
Ha! wer wagt?

Lyonel.
Ich, ihr Herr!
Vergebens wehrt Ihr meinem Recht,
Mein ist die Magd, mein ist die Magd!

Tristan.
Ha! der Frechheit ohnegleichen,
Deinen Frevel lohn ich dir,
Strafe soll dich Tor erreichen,
Her, ihr Leute! her, zu mir!

(Jäger, Jägerinnen, Lamdleute eilen herbei.)
Chor.
Welch ein Lärmen ohnegleichen
In der Fürstin Jagdrevier,
Strafe soll den Tor erreichen,
Störet er die Freude hier. etc.

Lady.
Ha! Der Folter ohnegleichen,
Hart straft sich mein Leichtsinn hier,
Spott und Hohn wird mich erreichen,
Weh mir Armen, wehe mir!

Lyonel.
Ha! Der Frechheit ohnegleichen,
Ich erkenn euch, Gaukler ihr,
Eurem Truge sollt ich weichen?
Keine Macht entreißt sie mir!

Tristan.
Ha! der Frechheit ohnegleichen,
Deinen Frevel lohn ich dir, ja!
Strafe soll den Tor erreichen,
Her ihr Leute, her zu mir!
Strafe soll den Tor erreichen,
Störet er die Freude hier! etc.

Plumkett (Lyonel zu Hilfe eilend).
Sprich, was gibt’s?
Was ist geschehn?

Lyonel.
Hilf mir, Freund!

Nancy (herbeieilend).
Was geht hier vor?

Lyonel (Nancy erblickend).
Ha, auch sie!

Plumkett (ebenso).
Wieder sie!

Nancy (auf die Lady zu eilend).
Was muß ich sehn, Lady?

Lyonel (betroffen).
Lady! O, ich Tor!
Nur ein Spiel was sie getrieben,
Nur ein sündhaft Gaukelspiel,
Ihre Zaubermacht zu üben,
O, zu viel der Schmach, zu viel!

Tristan.
Diesen Wahnbetörten bindet!

Lyonel.
Binden mich?

Plumkett.
Binden ihn?

Lady und Nancy.
O herbe Pein!

Lyonel.
Hört erst was mein Wort verkündet.
Diese kam, –

Lady.
Um Gott, halt ein!

Nancy.
Halt ein!

Lyonel.
Zu betören meinen Sinn,
In mein Haus als Dienerin.

Chor.
Wie?

Lady (gezwungen lachend) und Nancy.
Ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha!

Tristan und Chor.
Ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha!

Lady (sich fassend).
Doch sein Unglück heischt Erbarmen,
Mitleid sei uns heil’ge Pflicht!
Milde Haft vergönnt dem Armen,
Wahnsinn ist’s, der aus ihm spricht.

Chor.
Wahnsinn, Wahnsinn!

Lyonel.
O des Frevels!

Nancy.
Ach! der Arme!

Plumkett.
Hört auch mich!

Tristan.
Zurück mit jenem!

Lyonel.
Mag der Himmel Euch vergeben,
Was Ihr an mir Armen tut,
Euer Spiel zerstört’ mein Leben,
Brach mein Herz in Übermut,
All mein Träumen, all mein Hoffen,
Schwand in trüber Zukunft Nacht.
Todesschmerz hat mich getroffen.
Dank Euch, dank, die es vollbracht etc.

Lady, Nancy und Plumkett.
Kann der Himmel mir/ihr vergeben,
Was ich/sie tat im Übermut.
Ich/sie vernichtete ein Leben
Mir/ihr geweiht in treuer Glut.

Tristan.
Hat sich endlich ihr ergeben,
Wie sich straft der Übermut,
Ihren Ruf so preis zu geben,
Ha, kaum zähm ich meine Wut etc.

Chor.
Was nur hat sich begeben,
Hat sich hier begeben?
Straft des Knechtes, des Knechtes Übermut,
Der mit sinnlos frechem Streben,
Stört das Fest in blinder Wut.

Lady.
Todesschmerz hat ihn getroffen,
Wehe mir, die es vollbracht.

Lyonel.
Mag der Himmel Euch vergeben,
Was Ihr an mir Armen tut.

(Jagdfanfaren hinter der Szene.)

Chor.
Es tönt der Ruf zur Königin!

Lyonel (von einem plötzlichen Gedanken ergriffen, stürzt auf Plumkett zu).
Zur Königin, zur Königin!
Nimm den Ring, sie wird mich wahren,
Wie der Vater einst versprach,
Wird mich schützen vor Gefahren,
Mich erretten aus der Schmach!
(Einige Trabanten reißen ihn von Plumkett fort, Jäger mit Gefolge treten auf.)
(Fanfaren auf der Bühne.)

Chor der Jäger und Jägerinnen.
Keck und munter, flink hinunter,
Fort in das Tal, folget dem Schall.
Hört, ihr Scharen, die Fanfaren,
Fröhlich erschallt Waldruf im Wald.
Folgt den Spuren auf den Fluren,
Hin durch Felder, in die Wälder!
Aus den Büschen, aus den Hecken
Laßt das bange Reh uns schrecken,
Unermüdet, unverzagt,
Feiert unsrer Fürstin Jagd.


Lady, Nancy, Lyonel und Plumkett.
Weh dem/mir Armen, kein Erbarmen,
Schmach und Grauen
Muß er/ ich schauen,
Weh dem Armen!

Chor der Jäger und Jägerinnen.
Trara, trara, trara etc.
(Lyonel wird fortgeschleppt, Lady besteigt eine Sänfte, welche ihr gebracht wird, Plumkett bleibt, den Ring hochhebend. Der Jagdzug entfernt sich langsam.)


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