Wilhelm Heinrich Riehl
Durch tausend Jahre - Erster Band
Wilhelm Heinrich Riehl

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Der stumme Ratsherr

1862

Erstes Kapitel.

Hunde mitzubringen in die Ratssitzung einer Reichsstadt, war im Mittelalter gerade nicht der Brauch. Nun geschah es aber doch einmal, daß ein Hund fast sieben Jahre lang Sitz – wenn auch keine Stimme – in einem reichsstädtischen Rate erhielt.

Das kam also:

Gerhard Richwin, Bürger und Wollenweber in Wetzlar, war ein reicher Mann, weil sein Vater gespart und gearbeitet hatte. Dafür feierte nun der Sohn und vergeudete, und wenn er's noch zehn Jahre so fort trieb, so war er bis dahin vermutlich aus dem reichen der arme Richwin geworden.

In der Lahngasse, enggepackt zwischen anderen hochgiebeligen Häusern, stand Richwins Haus, ein stattlicher Holzbau, erst vor zehn Jahren von Grund aus neu aufgeführt, wie die Jahrzahl – 1358 – über der großen Türe bezeugte. Durch diese Türe trat man in die Verkaufshalle; denn Richwin handelte nicht bloß mit selbstgewebter Ware, sondern mehr noch mit fremden Zeugen und würde zur Kaufmannsgilde gezählt haben, wenn es eine solche in Wetzlar gegeben hätte. So aber gehörte er zur vornehmsten Zunft, zu den Wollenwebern, und innerhalb dieser zu einem kleinen vornehmen Kreise, den sogenannten »flandrischen Zunftgenossen«, vom Verkauf der kostbaren flandrischen Tücher also benannt; unter den vornehmen »Flandrischen« aber war Richwin wiederum der Reichste und Vornehmste, und es dünkte ihm, er sei doch fast um einen Kopf über die Zünfte überhaupt hinausgewachsen und auf ein Haar so groß wie ein Patrizier.

Durch die große Türe trat man, wie gesagt, in die Verkaufshalle; nämlich wenn man auf der Schwelle nicht über zwei böse Buben stolperte, die daselbst gewöhnlich zu spielen und zu raufen pflegten. Es waren Richwins ältere Kinder. Die jüngeren, zwei Mädchen, machten im oberen Geschoß der Mutter das Leben sauer; denn da es dem Vater zu langweilig war, Zucht zu üben bei den wilden Rangen, so lernten die Brüder jede Unart von selber, und die kleinen Schwestern lernten die Unart von den Brüdern; die Mutter allein aber vermochte die unbändige Rotte nicht im Zügel zu halten.

Klagte die arme Frau Eva dem Manne ihr Leid wegen der Kinder, so hörte er mit dem rechten Ohre gar nicht zu und mit dem linken halb und gab keine Antwort oder, wenn er besonders achtsam war, eine verkehrte. So ging's auch in anderen Stücken. Gerhard merkte nicht, wie arg er seine Frau vernachlässigte; hätte er's gemerkt, er würde es besser gemacht haben, denn er hatte ein gutes Herz und liebte seine Frau. Aber Eva merkte um so mehr, daß er oft ganze Tage nichts mit ihr sprach, und wenn ja, so waren es kalte, zerstreute Worte, schlimmer als nichts.

Sie trug ihr Kreuz in Geduld und wußte doch nur zu wohl, daß es bald ein doppeltes Kreuz werden würde; denn sie sah den Verfall von Hab und Gut langsam, aber sicher heranschleichen, ohne ihm irgend steuern zu können.

Viel Unrechtes tat Gerhard Richwin nicht, er tat nur auch nichts Rechtes. Jedem Einfall, jeder Laune des Augenblickes gab er sich hin; diese Einfälle aber fielen, seltsam genug, niemals auf die Arbeit, welche im Augenblick zu vollführen dringend not war. Wenn es galt, in der Weberei nachzusehen, dann hatte er die größte Lust, auszureiten, und wenn er aufsitzen sollte zu einem Ritt nach den benachbarten Grafenschlössern in Weilburg, Dillenburg oder Braunfels, wo oft bedeutende Geschäfte abzuschließen waren, dann deuchte es ihm wunderschön bei den Webstühlen. Standen Käufer im Warenlager, dann schaute Meister Richwin wohl durchs Fenster seinen bösen Buben zu, sann, wie er ihrer Unart doch auch einmal wehren wolle, vergaß aber darüber geraume Zeit die Kunden und redete sie zuletzt mit grimmiger väterlicher Strenge an und fuhr mit der Elle ins Zeug, als wolle er die Käufer statt der Buben prügeln.

Die treuesten Geschäftsfreunde fühlten sich nachgerade doch gar zu säumig und grob behandelt, denn die Diener und Lehrlinge des Hauses schrieben sich des Meisters Beispiel hinters Ohr und wurden noch um einen Grad säumiger und gröber als er selber; kein Wunder also, daß es allmählich etwas stiller ward in Richwins berühmter Warenhalle.

Böse Zungen meinten, wenn das so fortgehe, dann werde Richwin bald der einzige Kunde seines Kaufladens sein, der beste sei er ohnedies schon. Er leuchtete nämlich in jener modesüchtigen Zeit allen anderen Bürgern vor durch reiches Kleid und steten Wechsel der Tracht, und sah man ihn im Prunkrock mit den langen Ärmeln, deren breite Tuchstreifen bis an die Füße reichten, in den buntgestreiften Hosen und spitzigen Schnabelschuhen, auf dem Kopfe die vorn und hinten aufgeschlagene Kugelmütze, das Haar geradlinig auf der Stirne abgeschnitten, indes nur rechts und links über den Ohren zwei Locken stehengeblieben waren, – dann konnte man glauben, er sei kein Zünftler oder Kaufmann, sondern ein Herr.

Hätte aber jemand Meister Richwin wegen seines Putzes einen Gecken genannt, so würde er das übelgenommen haben, denn er war verletzbar wie ein geschältes Ei, und obgleich er des innerlich Unschicklichen wahrlich genug tat, fürchtete er sich doch grausam, gegen das äußerlich Schickliche zu verstoßen. Dieser Zug verkündete nun eben nicht den derben, geraden Bürgersmann. Und in der Tat hatten ihn seine Genossen, die Zünftler, im Verdacht, daß er auf zwei Achseln trage und aus Hoffart heimlich zu den Patriziern stehe.

Solch ein Verdacht aber war bitterböse in jenen Tagen, denn in den Gemütern der reichsstädtischen Zunftgenossen gärte es gewaltig. Die edlen Geschlechter tagten allein im Rat und beherrschten die Stadt; sie hatten neuerdings den gemeinen Säckel mit Schulden überbürdet, die Stadt in verderbliche Bündnisse und Fehden verstrickt, sie waren dem Volke von Grund aus verhaßt, und das Maß ihrer Herrschaft schien voll zum überlaufen. Eine Verschwörung der Zünfte gegen die Geschlechter wucherte auf, verborgen, aber weitverzweigt. Hatte doch so manche andere Reichsstadt in den letzten Jahren ihrem patrizischen Rate den Stuhl vor die Türe gesetzt; warum sollten die Wetzlarer ihre Patrizier nicht auch zum Teufel jagen können?

Und diesem stillen Wühlen, Planschmieden und Vorbereiten seiner Zunftbrüder gegenüber verhielt sich Gerhard Richwin kalt und zweideutig! Er war doch noch immer der vornehmste Mann der vornehmsten Zunft, hatte in den Trinkstuben großes Ansehen, und wenn sich auch die Geschäftsfreunde minderten, so mehrten sich doch die Zechfreunde. Ein empfindlicher Mann, eigensinnig, gescheit, wenn er gescheit sein wollte, ein Mann, mit dessen Vermögen es bergab ging: war ein solcher nicht wie gemacht zum Demagogen? Es lohnte wohl der Mühe, ihn für die neue Sache zu gewinnen. Man winkte und flüsterte ihm zu, schmeichelte, beredete, drängte ihn. Es verfing alles nicht. Er hatte Freunde unter den Geschlechtern, und ihr hoffärtiges, eigenwilliges Wesen deuchte ihm ganz edel und fein. Überdies war Parteizucht dem Manne unbequem, dem jede Zucht mißfiel; er rührte sich nicht, wo er Hände voll Geld gewinnen konnte: wie sollte er sich rühren, wo vielleicht nur der Galgen zu gewinnen stand?

Zweites Kapitel.

In jenen aufgeregten Tagen hatte Richwin einen prächtigen jungen Hund zum Geschenk erhalten, der mindestens doppelt so aufgeregt war wie die Wetzlarer Bürger und dreimal so eigensinnig wie sein Herr, einen großen schwarzen Wolfshund von spanischer Rasse, kaum dreiviertel Jahr alt, noch ganz ungezogen, täppisch und allen Mutwillens voll.

Der Hund hieß »Thasso« und machte seinem Namen Ehre, welcher einen Schläger oder Streiter bedeutet. Denn Streiten und Raufen ohne Ende war seine Lust, und obgleich er, höchst gutartig, fast nur im Spiel kämpfte, so war doch ein Spiel mit Thasso nicht jedermanns Vergnügen. Ging ein ehrsamer Bürger auffallend raschen Schrittes durch die Straße, flugs sprang Thasso hinterdrein und zupfte ihn neckisch am Wams, riß aber auch gleich einen handgroßen Fetzen Tuch mit herunter. Oder er sah ein Kind, sprang spielend zu ihm hin und warf es im ersten Anlauf mit seinen breiten Tatzen in die Gosse. Am ergötzlichsten aber war Thasso, wenn ein Reiter rasch vorbeitrabte. Gleich einem Raubtier setzte dann der Hund in Riesensprüngen dem Pferde nach, umkreiste es, hüpfte ihm zum Kopfe hinauf, dann wieder zum Schweif, schnappte dem Reiter nach der Hand oder schlüpfte dem bäumenden Rosse unter dem Bauche durch, ohne jemals einen Huftritt davonzutragen. Er biß nicht, er spielte bloß; aber die Pferde scheuten, wichen zurück, stiegen hoch auf oder gingen trotz Zügel und Schenkel gestreckten Laufes durch, als säße ihnen der Satan im Nacken.

Rief dann Meister Richwin den Hund zurück, so hielt dieser augenblicklich ein, blickte seinen Herrn an, als wollte er sagen: ich kann's noch viel besser, und verfolgte drauf das Pferd mit verdoppelter Lust. Drohte und schalt Richwin aber gar, so verwandelte sich das Spiel des Hundes in Zorn, er bellte und biß und lief dann aus Furcht vor der Strafe davon, durchschwärmte die halbe Stadt, trieb unterwegs allerlei neuen Unfug und schlich erst spät und ganz heimlich nach Hause zurück. Nun erhielt er freilich seine Hiebe. Diese verstand der Hund jetzt aber falsch; denn da er die erste Ursache der Strafe längst vergessen hatte, so glaubte er, man prügle ihn, weil er nach Hause komme, und blieb das nächste Mal um so länger fort.

Also nahm sich Meister Richwin vor, den Hund auf frischer Tat zu bestrafen. Da lief dann der Hund hinter dem Reiter her und Richwin hinter dem Hund. Endlich stand der Hund und ließ, tief zerknirscht, den Schwanz zwischen den Beinen, seinen Herrn herankommen. Sowie dieser sich aber auf zehn Schritt genähert hatte, nahm Thasso wieder Reißaus. Meister Richwin ging langsam, lockte, schmeichelte und heuchelte ein freundliches Gesicht: der Hund kam herbei – aber nur auf zehn Schritt, dann lief er wieder davon. Der Herr mochte eilen, schleichen, stillestehen – das Tier blieb immer bei ihm, aber auch immer zehn Schritt vom Leibe. Die Gassenbuben jubelten, und die ganze Straße lief an Tür und Fenster, um zu sehen, wer denn endlich gewinne, Meister Richwin oder Meister Thasso. Der stolze Bürger zitterte vor Wut und warf gar mit Steinen nach dem Sünder. Thasso aber wich jedem Wurfe wunderbar gewandt aus, sprang dem Steine nach, apportierte ihn wie zum Spotte mit fliegender Hast und war schon wieder zwanzig Schritt voraus, ehe sein Rächer nur ordentlich zum Hiebe ausgeholt hatte.

Jeder Tag brachte neue Szenen ähnlicher Art. Der Hund entfaltete einen staunenswerten Erfindungsgeist in immer neuen Unarten und in der Kunst, einem rechtzeitigen Hiebe zu entrinnen.

Es war aber, als sei mit dem Hunde erst das leibhaftige Unheil in Richwins Haus gezogen. Die vier unartigen Kinder spielten und balgten mit dem Tiere von früh bis spät, und Thassos Geist kam dabei dergestalt über sie, daß man schwer entscheiden mochte, ob der Hund ärgeren Mutwillen trieb oder die Kinder. Die arme Frau Eva konnte den Hund nicht leiden, das nahm Meister Richwin äußerst übel, und hatte er sie vorher nur durch seine Kälte gekränkt, so schalt und zankte er jetzt obendrein; war Thasso seiner Peitsche entlaufen, so ließ er den Zorn an der Frau aus, und redete diese irgendein unbequemes Wort, so mußte sie gleich ihren Haß gegen den edeln Hund auf dem Butterbrot essen. Seit der Hund im Hause war, gab sie ihren Mann, sich und die Ihrigen völlig dem Verderben geweiht. Hatte sich der Meister vorher schon wenig um Haus und Beruf bekümmert, so tat er es jetzt noch viel weniger. Er wollte vor allen Dingen seinen Hund dressieren, und dieses wichtigste Werk beschäftigte ihn den ganzen Tag. Da er aber durchaus planlos und launisch dabei verfuhr, heute alle Untugenden nachsah und morgen wieder überhart strafte, so verlor Thasso vielmehr das bißchen Zucht noch vollends, welches er mitgebracht hatte.

Fort und fort kamen Klagen über den Störenfried. Der Meister mußte Schaden ersetzen, Schmerzen vergüten, gute Worte geben und böse einstecken. Die Beschädigten drohten, das Tier zu vergiften oder totzuschlagen, und die Freunde drangen in den Meister, er möge die zuchtlose Bestie doch abschaffen oder an die Kette legen. Allein Richwin blieb bei seinem Satz: er selber wolle den Hund erziehen, er wolle ihn lammfromm machen und dann mit dem edeln, gefürchteten Tiere einherstolzieren wie Ritter Kurt mit seinem großen Fanghund.

Nun geschah es, daß die Wetzlarer Bürger am Aschermittwoch einen altherkömmlichen seltsamen Aufzug begingen. Sie zogen nämlich gewaffnet in die geistlichen Höfe, vom Hofe der Deutschherren bis zum Altenberger Nonnenhof, um bei den Deutschherren ein lebendes weißes Huhn, bei den Nonnen einen Schinken, beim Dechanten einen Goldgulden zu empfangen als Zeichen der Stadtgerechtsame in den geistlichen Höfen. Als Hauptstück glänzte dabei aber allezeit das lebende weiße Huhn, weshalb man den Aschermittwoch in Wetzlar noch bei Menschengedenken den »Hinkelchestag« nannte. Tadellos weiß, mit bunten Bändern geschmückt, mußte die Henne von einem Knaben dem Zuge voran durch die Straßen getragen werden.

Meister Richwin ging heuer an der Spitze seiner Zunft im Zuge und hatte zu Hause den strengsten Befehl gegeben, daß man den Hund wohl eingesperrt halte, bis der Lärm vorüber sei. Thasso aber brach dennoch aus, verfolgte die Spur seines Herrn und sprang mitten in die festlichen Reihen, als der Amtmann des Deutschordens eben das Huhn dem Knaben übergab. Den schreienden, flügelnden Vogel mit den flatternden Bändern hatte er im Nu erspäht, flog darauf los, entriß ihn der Hand des Kindes und zerrte ihn, daß die Federn und Bänder in der Luft umherflogen. Der Amtmann, welcher abwehren wollte, wurde kräftigst in die Waden gebissen, und als es Meister Richwin endlich gelang, den Hund zu bändigen, flügelte das Huhn noch einmal und schloß dann seinen Schnabel für immer.

Nun hatte man kein lebendes weißes Huhn mehr! Aber ohne lebendes Huhn keinen Umzug, ohne Umzug keine Gerechtsame in den geistlichen Höfen. Die Sache war sehr ernsthaft. An den pünktlich erfüllten Wahrzeichen des Rechtes hing damals das Recht selber.

Mit tausend Bitten und Beschwörungen erreichte endlich Meister Richwin, daß man den ganzen Vorgang als ungeschehen ansehen wolle, wenn er binnen zwei Stunden ein anderes tadellos weißes, lebendes Huhn zur Stelle schaffe. Die feierliche Übergabe sollte dann von neuem beginnen, doch mit der bestimmten Rechtsverwahrung, daß man nicht etwa in Zukunft den Deutschherren die Last aufbürde, zwei Hühner zu liefern, ein totes und ein lebendes. Auch sollte Gerhard Richwin diesmal dem Amtmann zehn Ellen des feinsten flandrischen Tuches schenken als Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Von Zorn, Ärger und Angst gegeißelt, lief der Meister in alle Hühnerhöfe der Stadt, fand aber kein tadellos weißes Huhn. Endlich, fast in der letzten vorgesteckten Minute kam er schweißtriefend auf den Deutschordenshof mit einer mageren alten Henne, die ursprünglich weiß und etwas grau gesprenkelt gewesen; durch das Ausrupfen etlicher Hände voll Federn aber hatte er sie in ein tadellos weißes Huhn verwandelt. Man ließ das neue Rechtssymbol gelten, und so kamen denn noch alle Beteiligten, wie man zu sagen pflegt, glücklich mit einem blauen Auge davon, die erwürgte erste Henne natürlich ausgenommen.

Die Bestrafung Thassos am Abende war mustergültig.

Meister Richwin aber gelobte sich heilig, von Stund an den Hund nach einer ganz neuen, planvollen und gründlichen Weise zu erziehen. Um aller Welt Güter hätte er das Tier gerade jetzt nicht abgeschafft; er wollte recht behalten und den Wetzlarern zeigen, daß er trotz des letzten Auftrittes dennoch den unbändigen Halbwolf lammfromm machen könne.

Er brütete – zum erstenmal in seinem Leben – die ganze schlaflose Nacht über Erziehungsplänen.

Drittes Kapitel.

Um anderen Morgen stand Meister Richwin mit dem ersten Dämmerlicht auf, wie er's vordem gar nicht gepflegt hatte, denn er war ein Langschläfer. Er wollte aber Thasso stufenweise an einen ruhigen Gang durch die Straßen gewöhnen, noch ehe sie von Menschen und Pferden wimmelten. Den Hund am Stricke, durchzog er die ganze Stadt. Sowie das Tier auf einen Reiter oder Fußgänger spannte, faßte es auch augenblicks seinen richtigen Peitschenhieb. Vorher hatte Thasso bei seinen Missetaten zwar immer sichtbar Reue empfunden, zur Buße dagegen durchaus keine Lust gezeigt. Jetzt kam Reue, Buße und Sühnung alles mit einem Male. Richwin fand diese Frühstunde wie gemacht zu unbelauschter Dressur. Mit den wachsenden Februar- und Märztagen stand er daher immer früher auf und war stets schon vor der Sonne mit Thasso auf den Beinen.

Ging er an einer offenen Kirchentüre vorbei, so zog er den Strick besonders fest und ließ einen mahnenden Streich auf Thassos Rücken fallen. Denn der Hund hatte bis dahin eine besondere Lust, in die offenen Kirchen zu laufen und die Gemeinde anzubellen, und je lauter ihn sein Herr zurückrief, um so toller schlug er Lärm. Das verlernte er jetzt gänzlich. Wenn nun Meister Richwin so vor die offene Türe kam und hörte, wie innen die Frühmesse gelesen wurde, so blieb er wohl auch eine Weile andächtig im Portale stehen – denn wegen des Hundes wagte er sich nicht hinein – und nahm sich ein Stück Morgensegen mit. Bis dahin war er ein seltener Gast im Gotteshause gewesen; bald aber glaubte er nun, der Tag sei gar nicht recht begonnen ohne die Frühmesse unter der Kirchentür, auch gehe der Hund nachher immer viel ruhiger.

Als der Meister zum erstenmal von dem Morgengang nach Hause kam, schien ihm der Tag doch sehr lang, der ihm früher, als er noch lange schlief, so kurz gedeucht hatte. Zum Zeitvertreib ging er darum mit Thasso in die Werkstatt, wo zur Stunde schon fleißig gearbeitet werden mußte. Es sah aber noch gar still aus, denn Gesellen und Lehrlinge verließen sich auf den gesunden Schlaf des Meisters und kamen, so spät es ihnen beliebte. Wie staunte und wetterte der Meister über den Unfug, und wie ärgerten sich die Gesellen, als er Tag für Tag immer früher in die Werkstatt trat! Die Reiter und Spaziergänger schwuren dem unbändigen Thasso nicht mehr den Tod, aber die Gesellen hätten den gebändigten Thasso jetzt gerne vergiftet, denn sie merkten wohl, daß er allein schuld sei an den frühen Besuchen des Meisters.

Aber Richwin hielt den Hund Tag und Nacht bei sich nach dem ganz richtigen Grundsatze, daß man ein Tier nur dann gut erziehen und treu gewöhnen kann, wenn man stets mit ihm zusammenlebt.

Dieses Zusammenleben hatte im Verkaufsgewölbe freilich seinen besonderen Haken. Trat nämlich ein Käufer ein, so fuhr Thasso bellend unter der Bank hervor; wollte aber jemand den gekauften Pack Waren mitnehmen und weggehen, so war der Hund gar nicht zu halten; er achtete Kauf offenbar für Diebstahl und packte den harmlosen Kunden so fest, daß ihn nur der Herr selber mit Not wieder befreien konnte. Meister Richwin als Erzieher betrat hier den Weg der Milde. Denn sollte er dem Hunde seine beste Tugend, die Wachsamkeit, ausprügeln? Nein! Er wollte ihn nur unterscheiden lehren, was Käufer und was Diebe sind. Kam also ein Käufer, so reichte ihm Richwin äußerst freundlich die rechte Hand, indes er mit der linken die knurrende Bestie streichelte, und bot dann auch weiter im Gespräch seine heiterste Laune, seine lichteste Miene auf, damit der Hund sehe, daß es hier einem Geschäftsfreund und keinem Diebe gelte. Und ging der Kunde mit den gekauften Waren hinweg, so duldete es Meister Richwin anfangs gar nicht, daß er seinen Pack selber zur Türe trug – denn Thasso stand schon zähnefletschend auf dem Sprunge –, sondern nahm ihm denselben höflichst ab und trug ihn über die Schwelle, mit manchem verstohlenen Rückblick nach dem Vierfüßler. Die Leute aber staunten das Wunder an und begriffen's nicht, wie der gröbste Kaufmann über Nacht zum höflichsten geworden sei, der stolzeste zum dienstfertigsten.

Da brauste aber einmal just im bedenklichsten Zeitpunkt das wilde Heer der Kinder durch die Halle. Jetzt war alle Mühe vernichtet, Thasso fuhr wie besessen zwischen die Kinder und dann zwischen die Beine der Käufer, als wolle er die verhaltene Lust nun doppelt zügellos genießen. Den Kindern bekam's übel. Mit furchtbarem Schelten wurden sie hinauf zur Mutter geschickt und die beiden Knaben schon anderen Tages dem Schulmeister zur schärferen Zucht übergeben. Auch das Lungern und Balgen auf der Gasse ward ihnen strengstens untersagt. »Sie haben den Hund zu tausend Unarten verführt«, meinte Meister Richwin, »und wie kann man überhaupt, umtobt von so wilden Kindern, einen jungen Hund erziehen?« Er beschloß, von nun an seinen bösen Rangen den Daumen scharf aufs Auge zu drücken, damit der Hund Ruhe habe und unverführt bleibe.

Frau Eva mußte dem Mann ihre Freude über alle die Verwandlungen aussprechen.

»Es ist doch ein rechter Segen«, sagte sie, »daß du morgens wieder zur Messe gehst.«

»Jawohl, Eva! der Hund liegt wie ein Standbild, wenn ich unter dem Portale knie.«

»Die Kunden mehren sich wieder, seit du so freundlich geworden.«

»Jawohl, Eva! der Hund knurrt nur noch ganz leise, er bellt nicht mehr im Kaufladen und denkt nicht von weitem ans Beißen.«

»Die Kinder bessern sich zusehends, seit du sie kürzer hältst.«

»Freilich, Eva! das war dem Hunde grundverderblich, daß er immer das böse Beispiel der Kinder sah.«

»Und wie tut mir's wohl, Gerhard, daß du jetzt wieder so manches freundliche Wort mit mir redest!«

»Ei freilich, liebe Eva! da du jetzt so freundlich von dem Hunde gesprochen«, – sie hatte keine Silbe von ihm gesagt – »wie sollte ich dir's nicht danken?«

Frau Eva dachte für sich: »Meister Richwin erzieht den Hund und ahnet nicht, daß noch viel mehr der Hund den Meister Richwin erzieht«, und warf zum erstenmal einen freundlichen Blick auf Thasso und streichelte ihn. Das besiegelte den neuen Hausfrieden.

Aber trotz der großen Fortschritte, die Thasso machte in seines Herren Zucht und seiner Herrin Gunst, brachen doch manchmal die alten Tücken wieder hervor. Dabei waltete aber ein seltsamer Instinkt des Tieres: es schien die Zünftler von den Patriziern zu unterscheiden, und wenn es ja seinem Mutwillen wieder einmal freien Lauf ließ, so war er gewiß gegen einen Patrizier gerichtet. Wie es Hunde gibt, die keinen Bettelmann und Landstreicher ohne Gebell vorüberlassen, so konnte Thasso keinen geputzten, stolz schreitenden, ritterlich reitenden Patrizier sehen, ohne daß sich der alte Adam in ihm regte.

Nach dem Feierabend pflog Meister Richwin durch die nunmehr von Menschen wimmelnden Straßen zu gehen, damit der Hund, des Strickes frei, bewähre, was er in der einsamen Frühstunde, angefesselt, gelernt hatte. Thasso schleicht ganz sittsam in den Fußstapfen seines Herrn. Da schreitet ein Junker aus den Geschlechtern tänzelnd und geziert über den Marktplatz; flugs springt Thasso zu ihm hinüber, kein Rufen, kein Pfeifen hilft, wie im Rausch hat er alle Lehren des nüchternen Morgens vergessen und kriecht erst, demütigst wedelnd und um Verzeihung bittend, zu dem wütenden Meister zurück, nachdem er den bis zum Fuß niederfallenden langen Ärmel des Patriziers mitten entzweigerissen.

Des anderen Tages schickte Meister Richwin dem Geschädigten seinen eigenen Prunkrock mit den langen Ärmeln zum Ersatz. »Wie konnte ich solch ein Geck sein«, rief er aus, »ein so widersinniges Kleid zu tragen? Müssen die langen, flatternden Tuchstreifen, müssen die hundert Bänder und Flitter nicht jeden Hund herausfordern, daß er daran zupfe?«

Meister Richwin begann einen stillen Grimm auf die Kleiderpracht und andere Hoffart der Geschlechter zu werfen und ging von da an nur noch im schlichtesten bürgerlichen Gewand.

Dazu dünkte ihm, die Patrizier hätten ganz besonders höhnische Blicke, wenn er mit seinem Zöglinge an der Schnur durch die Gassen schritt oder wenn der entfesselte Thasso wieder einmal die Ohren verstopfte und durch Steinwürfe an seine Pflicht gemahnt werden mußte. Wie spöttisch hatte nicht neulich jene vornehme Jungfrau gelächelt, als Meister Richwin sie mit tiefer Verbeugung grüßte, indes der Hund am Strick unwiderstehlich zum nächsten Eckstein hinüberzog, so daß die Verbeugung sich fast zum Fußfall gesteigert hätte? Und waren die edeln Herren nicht allezeit am gröbsten, wenn Thasso ja noch einmal an ihren galoppierenden Pferden hinaufsprang? Wie duldsam nahmen das dagegen die friedlichen Schrittes einherreitenden Zünftler auf!

So vollbrachte Thasso auch hier, was keinem anderen gelungen war: an der Hundeschnur zog er seinen Herrn ganz leise von der Neutralität zur Partei der erbittertsten Zünftler hinüber.

Das wurde fest und fertig, als die Wetzlarer Kaufleute und Handwerker auf Ostern 1368 zur Frankfurter Messe gingen. Sie bildeten einen stattlichen Trupp, der geschlossen zusammenhielt bei der Fahrt durch die Wetterau wegen räuberischer Angriffe. Die Geschlechter waren vordem auch mitgeritten in der Reiseschar ihrer Stadt, und Meister Richwin auf seinem stolzen Rappen hielt sich sonst lieber zu den vornehmen Leuten als zu den Zunftgenossen, die zu Fuß oder auf langsamen Kleppern die Nachhut bildeten. Heuer aber ließ er den Rappen zumeist bei seinen Saumtieren und ging zu Fuß unter den Zünftlern. Denn Thasso lief zur Seite, und vom Roß herab hätte er den Hund doch nur in halber Zucht halten können. Die Zunftgenossen aber freuten sich gar sehr über die neue leutselige Art des Meisters, der den schönsten Rappen beim Troß führen ließ, um mit ihnen zu Fuß zu gehen. Da fiel gar manches Schmeichelwort, und die Reden der Volksmänner, welche früher bei Richwin gar nicht verfangen hatten, fanden jetzt die beste Statt in seiner Seele. Und als der Zug an der Friedberger Warte hielt und herabsah auf die Türme von Frankfurt, da war Meister Richwin eingeweiht und eingeschworen in den Bund der Zünfte wider die Geschlechter. Johannes Kodinger, der Hauptmann des Geheimbundes, schüttelte ihm dankend die Hand und rief: »Ach Meister, wie seid Ihr ein besserer Mann geworden, ja erst jetzt ein ganzer Mann, und das in der kurzen Frist von Aschermittwoch bis Ostern!«

Gerhard fuhr auf wie aus einem Traum und erwiderte: »Ei freilich! Ich wußte wohl, daß der Hund von edler Art sei und daß ihm nur die rechte Zucht fehle. Ja, Meister Kodinger, es geht nichts über eine gleichmäßige, ausdauernde und feste Schule, die bändigt selbst eine Bestie. Aber Thasso kann nun freigesprochen werden von der Lehre, und das soll geschehen, sobald wir nach Wetzlar heimgekehrt sind.«

Viertes Kapitel.

Der Sturm war in Wetzlar losgebrochen, die Geschlechter waren verjagt, die Zünfte hatten das Feld und zugleich das Regiment der Reichsstadt gewonnen. Meister Richwin hatte vorangeleuchtet im Kampfe durch Ausdauer, Strenge gegen sich selbst und andere und durch seinen unversöhnlichen Haß gegen die Patrizier. Die Mitbürger staunten über den verwandelten Mann.

Als der neue Rat nunmehr rein demokratisch aus den Zünften gebildet wurde, fiel die Wahl auch auf Meister Richwin. Noch vor einem Jahre, da er sich doch gar nicht um das Gemeinwohl kümmerte, war es das süßeste Traumbild seines Ehrgeizes, einmal Ratsherr zu werden; heute, wo er heiß gearbeitet und gerungen hatte für die Stadt, lehnte er ab. Niemand erriet die Ursache, und alle bestürmten den Meister, daß er in den Rat eintreten oder doch mindestens den Grund seiner Weigerung offenbaren möge.

Nach langem Zögern und mancherlei Ausflucht sprach er endlich: »Der Grund wird euch kindisch scheinen. Mir aber ist er ernst und schwer. Ich kann nicht täglich auf dem Rathause sitzen in dieser drangvollen Zeit, weil ich meinen Hund nicht mitnehmen darf. Lasse ich aber das Tier allein daheim, so kommt wieder alles Unheil über mein Haus wie vordem. Ich sage wohl, der Hund hat ausgelernt; aber wer lernt jemals aus? Kein Mensch und kein Hund! Übergebe ich Thasso manchmal auf einen Tag dem Lehrjungen, so wird er gleich wieder rückfällig, und es ist mir begegnet, daß ich selber an einem solchen Tage auch wieder rückfällig geworden bin. Wir sind beide noch etwas schwach, wir dürfen uns nicht voneinander trennen. In der Vorhalle der Kirche mag ich die Messe so gut hören wie drinnen im Schiff, und der Hund steht an meiner Seite; als Ratsherr aber kann ich doch nicht allezeit vor der Türe des Ratssaales bleiben. Nehmt meinen Grund für keine Grille. Ich hege den Aberglauben, daß mein Haus erst wieder feststehen werde, wenn Thasso einmal ganz fertig gezogen ist; ich darf mich noch nicht trennen von dem Hunde. Und wie sollte ich das wankende Gemeinwesen festen helfen, wenn mein eigen Haus noch viel ärger wankt?«

Nach dieser Rede des Meisters, die dem einen ernst, dem anderen spaßhaft dünkte, beschlossen die Ratsgenossen, es solle Thasso vor allen Hunden der Stadt das Vorrecht eines Sitzes im Ratssaale unter dem Stuhle seines Herrn erhalten, jedoch mit der Klausel, daß dieses Recht augenblicks erlösche, sowie sich der Hund eine Stimme anmaße.

Nach einigem Sträuben fügte sich Meister Richwin nun doch dem Willen seiner Mitbürger und erschien pünktlich zu jeder Frist mit Thasso auf dem Rathause. Diesen aber nannten die Wetzlarer seitdem den »stummen Ratsherrn«, und stumm blieb er in der Tat; man hörte in Jahr und Tagen nicht, daß er wider die Klausel seines Privilegs gesündigt hätte.

Auch auf der Straße schreckte er niemand mehr durch seine unbändige Spielerei; er war den Flegeljahren entwachsen und schritt, nach großer Hunde Art, so still und stolz hinter seinem Herrn einher, als sei er sich des Vorrechtes vor allen anderen Hunden der Reichsstadt klar bewußt. Nun geschah es, daß Meister Richwin in der Ernte durchs Feld ging, hart an dem Graben, welcher das Stadtgebiet von einem Walde des Grafen von Solms schied. Thasso schlich ruhig neben ihm. Mit einem Male aber war er verschwunden. Richwin spähte ringsum, rief und pfiff. Der Hund kam nicht. Da rauschte und krachte es in dem Dickicht jenseits des Grabens, und von Thasso wie von einem Wolfe gehetzt, brach ein königlicher Hirsch hervor, ein Zwanzigender zum mindesten, stutzte, als er das freie Feld und den Mann sah, kehrte um, warf den Hund mit der ganzen Wucht seines Geweihes zur Seite und machte sich rückwärts wieder freie Bahn in die Büsche unter dem Rauschen und Knicken der Blätter und Zweige. Aber auch Thasso erhob sich von seiner augenblicklichen Niederlage und fuhr wie besessen hinter dem Tiere drein, und man hörte bald nur noch fernher das Rauschen und das Pfeifen, womit der Hund Laut gab. Der arme Richwin pfiff sich die Lippen trocken und rief sich die Lungen atemlos; all seine Dressur war verschlungen von Thassos Jagdfieber. Zweimal trieb er ihm den Hirsch zum Graben entgegen, gleich als wolle er ihn dem Herrn zum Schusse stellen, und zweimal brach der Hirsch wieder zurück.

Beim drittenmal aber trat ein Solmsscher Forstwart aus dem Walde hervor und legte seine Armbrust an, nicht auf das Wild, sondern auf den Hund. »Schämt Euch, der Ihr ein Jäger sein wollt und zielet auf den edelsten Hund, der doch nur von dem gleichen Jagdmut berauscht ist wie Ihr selber!« rief der Meister dem Dienstmann entgegen.

Getroffen von der Wahrheit dieses Wortes und zugleich von der Schönheit des kämpfenden herrlichen Hundes, ließ der Forstmann die Armbrust sinken und schritt trutzig zu dem Bürger. »Der Hund ist mir verfallen«, rief er, »weil er in meines Grafen Bann gejagt hat. Ihr folget mir mit Euerm Hunde zum Grafen, und will er das Tier in seine Meute nehmen, so sei ihm das Leben geschenkt.«

Meister Richwin widersetzte sich natürlich, der Dienstmann aber hielt ihn fest, und als sich der Bürger mit Gewalt frei machen wollte, schlug ihm jener die blanke Klinge über den Arm. Im selben Augenblicke jedoch ward der Dienstmann von hinten durch Thasso zu Boden gerissen; denn sowie das Tier den Herrn in Gefahr sah, wich auch das Jagdfieber einer Treue, die nicht Dressur war. Mehrere Wetzlarer Leute liefen nun auf den Lärm gleichfalls aus dem Felde herbei, befreiten den Forstwart von dem Hunde und führten den Mann gefangen zur Stadt, weil er einen Bürger auf reichsstädtischem Boden verwundet hatte. Denn die Städter waren in dem siegreichen Kampfe mit den Geschlechtern rauflustig genug geworden und fürchteten sich nicht vor einem neuen Strauß.

Der Rat aber kam doch stark in Verlegenheit, was er mit dem gefangenen solmsischen Dienstmann anfangen solle.

Den Arm in der Schlinge, konnte Meister Richwin schon am nächsten Tage der Sitzung beiwohnen, in welcher über den kitzligen Fall verhandelt ward. Alle Ratsleute waren gewaltig aufgeregt, nur Thasso lag in behaglichster Ruhe unter dem Stuhle, als gehe ihn die Sache gar nichts an. Und doch ging es ihm an den Kragen, und er fand wenig Fürsprecher. So sehr man ihm als dem stummen Ratsherrn gewogen war, schien es doch, als ob man ihn diesmal der großen auswärtigen Politik opfern müsse.

Es hauste nämlich zur Zeit (1372) der böse Ritterbund der »Sterner« so arg in den Nachbargauen, daß man in Wetzlar im stillen sich rüstete zum offenen Kampfe. Die Sterner aber zählten gar viele Grafen, Ritter und Herren zu ihren Genossen, die Reichsstadt hingegen hatte wenig Freunde, und es kam ihr sehr überquer, gerade zu dieser Frist einen so kriegstüchtigen Nachbarn wie den Grafen Johann von Solms zu erzürnen, von dem noch unbekannt war, ob er für oder wider die Sterner Partei nehmen werde.

Als daher ein Ratsherr dartat, der Forstwart sei im Rechte gewesen, nickten manche Köpfe bejahend, und als er hinzufügte, auf Begehren des Grafen dürfe man sich nicht weigern, den Jäger freizugeben und den Hund auszuliefern, fiel ihm stracks die Mehrzahl zu, und etliche meinten, Thasso habe vordem schon Unfug genug verübt, man dürfe sich nun doch nicht vollends noch den Solmser durch ihn auf den Hals Hetzen lassen.

Thasso blieb ganz ruhig und schaute nur fragenden Auges um sich, als er seinen Namen nennen hörte. Sein Herr aber erhob sich. Er sprach:

»Ist Graf Johann, der schlaue Fuchs, für uns, so wird er sich um des Hundes willen nicht gegen uns kehren; ist er wider uns, so gewinnen wir ihn auch nicht mit einem geschenkten Hund. Der Mann kennt seinen Vorteil und schaut nach ganz anderen Dingen als nach Hirschen und Hunden. Soll die Verletzung des Wildbannes gesühnt werden, so erbiete ich mich, den dreifachen Wert des Hirsches und Hundes in gutem Gelde zu erlegen. Den Hund aber liefere ich keinem Menschen aus; eher ersteche ich das Tier auf der Stelle. Ihr wißt nicht, was ich dieser unvernünftigen Kreatur Gottes schulde, die zugleich sichtbar Gottes Werkzeug gewesen ist. Wenn Gott nicht will, so bekehren uns seine heiligsten Prediger nicht, und wenn er will, so bekehrt uns ein Hund. Dieser Hund hat Ordnung meinem Geschäfte gebracht, Zucht meinen Kindern, den Hausfrieden meiner Frau; er hat mir den Weg gezeigt zu meinen Freunden und Zunftbrüdern, den Weg zur Kirche und den Weg zum Rathause; indem ich den Hund zu erziehen glaubte, erzog der Hund vielmehr mich. Das hat mir meine Hausfrau oft gesagt, und ich achtete es als einen artigen Spaß; jetzt, da ihr mir meinen Hund nehmen wollt, erkenne ich mit einem Male, daß es bitterer Ernst gewesen ist.«

Diese wenigen Worte nur sprach Meister Richwin, aber er sprach sie mit feuchtem Auge, und Thasso, der seines Herrn Bewegung sah, erhob sich langsam, rührte ihn leise mehrmals mit der breiten Vordertatze an und leckte ihm die Hand, als wolle er den Bekümmerten trösten.

Es war ganz stille geworden im Ratssaal; man konnte die Atemzüge hören.

Da streckte der Ratsdiener den Kopf zur Türe herein und meldete einen Boten des Grafen von Solms. Die Bürger erschraken und ahnten Schlimmes. Um so überraschender klang die Botschaft.

Der Graf hatte mit Bedauern vernommen, daß sein Dienstmann einen Wetzlarer Bürger auf so geringfügigen Anlaß geschlagen, ja verwundet habe. Doch bat er, man möge um guter Nachbarschaft willen den Forstwart wieder freigeben, er – der Graf – mache seinerseits ja auch von dem verletzten Wildbann kein weiteres Aufheben, und damit die Stadt erkenne, wie freundlich er gesinnt, so schicke er dem hohen Rate anbei einen Hirsch, den er selber erlegt habe und der mindestens ebensogut sei als der von dem Hunde gejagte und nicht erlegte, nebst einem Fäßlein Bacharacher, damit auch der Trunk zum Schmaus nicht fehle.

Die Ratsherren waren starr vor freudigem Staunen, da statt des gefürchteten Donnerwetters plötzlich so heller Sonnenschein über sie hereinbrach. Sie sagten dem Boten manch artiges Wort und beglückwünschten den Meister Richwin samt seinem Thasso. Der Meister aber erhob seine starke Stimme, den durcheinanderwirbelnden Redeschwall laut übertönend, und bat, daß man vor erteilter Antwort den Boten noch einmal abtreten lassen und ihm auf wenige Minuten Gehör schenken möge.

»Mißtrauet den süßen Worten des Grafen!« rief er. »Hätte er uns seinen Zorn entboten, ich würde nicht erschrocken sein, aber da er uns seine Huld entbietet, erschrecke ich. Der Graf schenkt uns seinen Hirsch nicht umsonst. Wir bedürfen des Grafen nicht; sein Vetter, der Braunfelser Otto, und Landgraf Hermann von Hessen sind uns bessere Bundesgenossen. Graf Johann aber bedarf unser. Und hat er uns erst am kleinen Finger, so hat er uns auch ganz. Thasso, Thasso! du schaffst uns großes Leid, nicht weil du jenen solmsischen Hirsch ins Wetzlarer Feld, sondern weil du diesen Hirsch in die Wetzlarer Ratsküche jagtest! Ich beschwöre euch, werte Freunde, lehnet das Geschenk freundlich ab, fordert unser Recht und gebt dem Grafen das seine. Schicket den Hirsch zurück und behaltet den Jäger, bis der Graf des Dienstmannes Übermut nach der Ordnung sühnen will – –«

Hier unterbrachen die anderen den Redner und hielten ihm vor, er treibe seinen Groll wegen des leichten Hiebes doch zu weit, daß er nicht einmal durch so viel Güte zufriedenzustellen sei.

Meister Richwin aber erwiderte: »Spräche ich für mich, ich wäre wohl der Zufriedenste mit des Grafen Vorschlag, vorab wegen meines Hundes. Aber ich rede hier als Ratsherr der Reichsstadt und sage: Fordert unser Recht und gebt dem Grafen das seine: dem Grafen ist der Hund verfallen, weil er seinen Wildbann durchbrochen, uns ist der Forstwart verfallen, weil er unseren Burgfrieden verletzt hat. Aus Furcht vor dem Zorne des Grafen wollte ich diesen Hund, meinen treuesten Freund, nicht ausliefern, aber aus Furcht vor des Grafen Freundschaft liefere ich ihn aus. Vorhin, da ich als des Hundes Anwalt sprach, hätte ich weinen mögen über das arme Tier; jetzt spreche ich als der Anwalt unserer Gemeine, und da möchte ich noch viel bitterere Tränen weinen, nicht über den Hund – was kümmert mich der! –, sondern über das heranschleichende Verderben meiner armen Vaterstadt!«

Der Meister hatte in den Wind gesprochen; er blieb allein mit seinem Argwohn. Das Geschenk ward mit Dankesworten angenommen und passend erwidert, der Dienstmann freigegeben, und Graf Johann von Solms war bald, was er gewollt, der erklärte Freund und Beistand des Wetzlarer Rates.

Als der Hirsch bei festlichem Mahle verzehrt und der Bacharacher getrunken wurde, blieb Meister Richwin schmollend zu Hause, und Thasso bekam nicht einen Knochen von dem Wild, welches er doch den Ratsherren in die Küche gejagt.

Fünftes Kapitel.

Dies war geschehen im Jahre 1372. Im folgenden Jahre schlug man vor dem Obertor von Wetzlar die heiße Schlacht, in welcher der Sternerbund besiegt ward und vernichtet. Die Bürger der Reichsstadt fochten unter der Führung des Grafen Johann von Solms, und ihre Weiber verteidigten die Tore, indes die Männer draußen im Felde kämpften. Der Landgraf von Hessen und Otto von Solms-Braunfels teilten sich mit ihnen in die Ehre des Tages. Meister Richwin war auch mit dabei.

Noch am Abend nach der Schlacht ließ Graf Otto die gefangenen Ritter der Sterner, welche in seine Hand gefallen, enthaupten; Graf Johann dagegen begnadigte die übrigen ohne seiner Verbündeten Vorwissen.

»Merket auf!« sprach der Meister Richwin zu seinen Mitbürgern. »Ein neues Warnungszeichen! Graf Johann hat doppeltes Spiel im Sinn und hält sich den Weg offen nach rechts und links.«

Die Wetzlarer aber achteten's nicht und meinten, der Meister bilde sich doch gar zu treu nach seinem Hunde. Weil Thasso nicht mehr spiele, sondern jetzt lieber knurre und beiße, so vermeine Richwin, er müsse nun auch knurrig und bissig werden. Ein launischer Mann sei er nach wie vor und hasse jetzt grundlos den Grafen Johann, welcher doch der Stadt solchen Ruhm gebracht, wie er auch vordem Liebe und Haß nach Grillen und Einfällen gewechselt habe. Die Volksgunst hatte sich gar rasch von dem Meister abgekehrt.

Im Rate saß er nun meist fast ebenso stumm wie der stumme Ratsherr unter seinem Stuhle. Sprach er ja ein Wort, so war es eine Warnung vor der übermäßigen Freundschaft des Grafen Johann; der locke so süß wie der Vogler, bevor er die Vögel fange. Häufig erschien Meister Richwin auch gar nicht im Rate, zumal wenn er wußte, daß Graf Johann auf den Saal komme, um den Bürgern irgendeinen neuen Dienst anzubieten. Denn fast schien es, als ob der Graf neben dem adoptierten stummen Ratsherrn unter dem Stuhle nun auch als Ratsherr adoptiert sei, aber nicht als ein stummer. Das einzige Mal, wo Richwin zugleich mit dem Grafen im Rate saß, hatte Thasso bei jedem Worte des Solmsers dermaßen geknurrt, daß ihn sein Herr hinausführen mußte, damit der Hund nicht seines Privilegs verlustig gehe. Der Meister meinte, das Tier könne eben die solmsischen Farben nicht mehr sehen, seit es den Strauß mit dem Forstwart gehabt, und nahm dies als eine gute Ausrede, um jedesmal wegzubleiben, wann der Solmser kam. Denn ohne den Hund gehe er nun durchaus nicht mehr aufs Rathaus. Die Wetzlarer aber sprachen, Richwin treibe denn doch den Spaß etwas zu weit, und machten Spottverse auf den unbeliebten Mann. Es lief ein gar lustig gezeichneter Bilderbogen mit vielen Reimen um, worauf die gemeinsamen Erlebnisse des Meister Thasso, und des Meister Richwin naturgetreu abkonterfeit waren mit der Überschrift:

»Auf diesen Bildern man ersieht,
Wie ein Hund einen Ratsherrn erzieht.«

Meister Richwin ließ sich das wenig anfechten; er waltete still seines aufblühenden Hauses und ließ geschehen, was er nicht hindern konnte. War es doch nicht das kleinste Verdienst Thassos, daß er mit so vielen tausend Unarten seinen Herrn gelehrt hatte, geduldig zu sein und die überfeine Empfindlichkeit in die Tasche zu stecken.

So vergingen wiederum zwei Jahre. Da ward eines Tages – es war um Sommer-Johanni – Meister Richwin auf das Rathaus entboten. Ungesäumt solle er sich einstellen, keine Ausrede gelte diesmal; Graf Johann von Solms sei erschienen mit einer Botschaft des Kaisers. Der Meister stutzte. Eine Botschaft des Kaisers, das war freilich eine gewichtige Sache! Und dennoch erklärte er, er könne nicht kommen: sein Hund werde knurren und bellen, wenn der Graf die kaiserliche Botschaft vortrage; denn Thasso, so gescheit er auch sei, wisse doch nicht des Kaisers Wort von des Grafen Vortrag zu unterscheiden und könne also sozusagen die kaiserliche Majestät selber anknurren, und ohne den Hund gehe er nun einmal nicht aufs Rathaus. Selbst Frau Eva redete ihrem Mann zu; er aber blieb standhaft. Da kam ein zweiter Bote und mahnte, der Meister müsse kommen, mit oder ohne Hund, der Rat müsse diesmal vollzählig sein; es gelte die Ehre und Würde der Stadt.

Der Meister faßte Argwohn über dieses Drängen. Aber es galt die Ehre und Würde der Stadt. Also rief er dem Lehrjungen, daß er den Hund an die Kette lege, und rüstete sich zum Fortgehen. Es grauste ihm fast, zum erstenmal allein, ohne den Hund, den Ratssaal zu betreten.

Da kam der Lehrjunge von der Straße herein, um Thasso anzuketten. »Meister!« flüsterte er, »es gehen seltsame Dinge vor. Ein Glück für Euch, daß Ihr so lange gezögert habt! Hinter dem Rathause stehen Bewaffnete, wohl über hundert, und hinter den Bewaffneten schauen altbekannte Gesichter hervor, patrizische Gesichter, und man meint, sie sähen etlichen Herren vom alten Rate, den man vor sieben Jahren vertrieben hat, aufs Haar ähnlich. Auch drängen sich solmsische Knechte nach den Stadttoren, als wollten sie den Ausgang wehren«

Der Meister erbleichte; doch war er rasch wieder gefaßt. Er sprach zu seiner Frau: »Nimm die Kinder, den Lehrjungen und die zwei Kästchen mit dem Geld und den Kleinoden. Schleicht euch zur Mühle an der Lahn, dort ist das kleine Pförtchen, das wird noch offenstehen; vor dem Pförtchen liegt ein Kahn, den löset und fahret zum anderen Ufer. Meidet nur um Gottes willen die Brücke und die großen Tore. Seid ihr glücklich hinüber, so gehet eilends den jenseitigen Fußpfad nach Gießen. In Gießen treffe ich euch, so Gott will, wieder.«

Er drängte die fragende Frau vorwärts, bis sie zitternd vollführte, was er befahl. Dann faßte er Thasso an seiner Kette mit der linken Hand, mit der rechten aber nicht wie sonst die Peitsche, sondern das Schwert und eilte auch nicht aufs Rathaus, sondern auf den Markt.

Dort sah er die Bürger bereits gewaffnet, zu Hunderten eng geschart. Aber auch das Rathaus war schon dicht umzingelt von fremden Rittern und Reisigen. Vorsichtig schlich sich Meister Richwin in die hinteren Reihen der Bürger, die gleichfalls Gefahr geahnt hatten und herbeigeeilt waren, um ihren Ratsherren beizustehen. Vor den Bürgern aber stand Graf Johann von Solms in glänzendem Harnisch, umgeben von zwanzig Rittern, das Reichspanier in der Hand, und verkündete, er sei gekommen in des Kaisers Namen, um Frieden zu stiften zwischen den weiland verjagten Geschlechtern und dem neuen zünftlerischen Rate. Keinem werde ein Leids geschehen, am wenigsten seinen guten Freunden, den Ratsherren drinnen im Rathause. Friedliche Sühne sei alles, was er fordere im Namen des Kaisers. Ein neues, reicheres Gedeihen der Stadt, eine Mehrung ihrer Vorrechte werde die Frucht dieses schönen Tages sein. Als treuer Freund und Nachbar ersuche er darum die Bürger, die Waffen abzulegen, welche sie voreilig für ihre Obrigkeit ergriffen hätten; denn dieser drohe zur Stunde nicht die mindeste Gefahr.

»Zur Stunde? Ja!« sprach Richwin zu den Nächststehenden. »Aber ob nicht in der folgenden Stunde? Behaltet die Waffen, bis die Ratsleute wieder frei unter uns stehen!«

Doch schon sah er, daß die Vorderen, gewonnen durch des Grafen süßes Wort, die Schwerter einsteckten und die Spieße nach Hause trugen. Die Männer aber, zu welchen Richwin geredet, schalten ihn, meinten, sein Platz sei doch auch vielmehr auf dem Rathause als hier auf dem Markte und ob er denn immer der gleiche bissige Hund bleiben wolle, der die besten Freunde der Stadt anbelle und die Bürger untereinander hetze.

Da Richwin solchergestalt sah, daß alles verloren sei, machte er sich eiligst davon, gewann noch zur rechten Frist das Hinterpförtchen an der Lahn und schwamm mit dem Hunde durch den Fluß, weil der Nachen, welcher seine Frau gerettet, nun am anderen Ufer stand.

Nach wenigen Stunden erreichte er die Seinigen und fand in Hessen eine sichere Zuflucht; denn Landgraf Hermann war dem Grafen Johann feind geworden nach der Schlacht bei Wetzlar wegen der eigenmächtig begnadigten Gefangenen.

Ins Hessenland aber drang bald eine neue Mär aus der Reichsstadt. Der Graf von Solms hatte, nachdem er den Bürgern die Waffen aus der Hand geschmeichelt, den zünftlerischen Rat in den Turm geworfen, die Güter der Ratsherren eingezogen und drei derselben, Kodinger, Dufel und Vollbrecht, enthaupten lassen; zwei andere Ratsherren, Beyer und Heckerstump, warfen die Solmsischen von der Brücke in die Lahn und ersäuften sie kurzerhand, um dem Scharfrichter die Umstände zu ersparen. Den sechsten Mann zu diesen fünfen hätte man gar gerne dann zur Abwechslung aufgehängt: es war dies Meister Gerhard Richwin, den der Graf am bittersten haßte. Allein in Wetzlar wie in Nürnberg hängt man keinen, bevor man ihn hat. Die alten Geschlechter aber, mit welchen der Graf längst unter einer Decke gesteckt, gewannen wieder die volle Herrschaft wie vordem.

Obgleich Meister Richwin den besten Teil seines Besitztums in Feindeshand hatte lassen müssen, konnte er doch mit dem Geretteten später in Frankfurt als Bürger sich einkaufen und ein neues Geschäft beginnen. Wenn er nun dort in wieder gesichertem Behagen bei seiner Hausfrau saß, den treuen, bereits ergrauenden Thasso zu Füßen, dann sprach er wohl manchmal mit einem wehmütigen Blick auf den »stummen Ratsherrn«: »Gott verzeih mir's, daß ich Kinderzucht und Hundezucht vergleiche! Die Zucht der Kinder lohnt uns Gott, und wir erwarten nicht, daß ein Kind den Sold all unserer Mühen uns gleich bar bei Heller und Pfennig heimzahle. Aber dieser Hund hat zum Dank für meine Zucht mich selber erzogen und zum Entgelt für tausend richtig empfangene gesalzene Prügel mir endlich Anno 1375 gar das Leben gerettet! Niemals ward ein Schulmeister so rasch und vollgültig gelohnt wie ich durch meinen und der Reichsstadt Wetzlar stummen Ratsherrn.«


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