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VII.

Der Herr aus dem schwedischen Verkehrsministerium erhob sich. »Was Sie uns über die deutschen Pläne gesagt haben, Herr Truckbrott, und das, was wir über das Werk Malmö aus der Denkschrift ersahen, genügt uns. Ich werde dem Herrn Minister in Stockholm in befürwortendem Sinne Bericht erstatten.«

Der Werkdirektor unterbrach. »Um zu rekapitulieren, Herr Regierungsrat, Übernahme der großen Strecken zwischen Malmö, Gotenburg und Stockholm durch die Union nach dem schwedisch-deutschen Beteiligungsschlüssel, Neueinrichtung der Verkehrslinie nach Lappland unter Berührung der Industriezentren um Falun und Kiruna, während die Zubringungslinien rein schwedisch bleiben – vorläufig.«

»Vorläufig«, der Diplomat lachte. »Die Herren von der Union gehen nicht ohne Plan vor, will mir scheinen.« Und dann direkt zu Truckbrott. »Meine Zeit ist abgelaufen, der Schnellzug nach Stockholm.«

Der wechselte einen raschen Blick mit dem Direktor. »Meine Seemaschine liegt startbereit, wenn Sie nicht besondere Gründe haben –«

»Im staubigen Eisenbahnabteil zu sitzen? Nein, Herr Truckbrott, nur scheint mir Stockholm nicht auf der Linie Malmö – Berlin zu liegen.«

Der rechnete. »Ich erreiche deutschen Boden trotzdem noch am Abend.« – Und kaum zehn Minuten später donnerte der Motor, und das Flugboot glitt pfeilschnell über die Wasserfläche, um dann rasch zu steigen.

Günter Truckbrott war mit seiner Mission zufrieden. Die schwedischen Verhandlungen waren auf dem toten Punkt angekommen, das war deutlich aus allen Berichten zutage getreten, die der gestrigen Konferenz vorlagen. Nationale Linien, das unzweifelhafte Recht eines jeden Staates auf die eigene Luftsäule wollte Schweden nicht aufgeben. Aber der deutsche Flugzeug- und Motorenbau brauchte Neuland. Mit den immer stärker werdenden Maschinen schrumpften die Entfernungen zusammen. Aus nationalem Dienst mußte Weltdienst werden. Da traf das Telegramm ein, das den Besuch des schwedischen Diplomaten in Malmö ankündigte. In dem Werk Malmö, an dem Deutschland und Schweden gleich stark interessiert waren.

Geheimrat von Gordon nahm ihn beiseite. »Ich möchte dem Diplomaten einen Verkehrsfachmann entgegensetzen – Sie.«

»Das Kaufmännische ist mir fremd, Herr Geheimrat.«

»Hier handelt es sich nicht um Klauseln, sondern um einen großen Glauben an die Zukunft des Weltverkehrs. Was in Rußland geglückt ist, was wir mit andern Staaten angebahnt haben, die friedliche Aufhebung sperrender alter Landesgrenzen durch den neuen Verkehr, das muß auch hier gelingen. Es ist Pionierarbeit für die Zukunft.«

Und sein Glaube hatte gesiegt. Er sah das Streckennetz der Union im Geist vor sich. Schnurgerade, schwarze Linien durch das bunte Allerlei der europäischen Staatenkarte. Rigorose nächste Verbindungen der Zentren des Weltverkehrs, die einander brauchen, um miteinander und aneinander zu wachsen. Noch in der Nacht war er nach Saßnitz gefahren, wo eine rasche Maschine auf ihn wartete, und war mit Vollmachten ausgerüstet direkt vom Himmel in die Verhandlungen des nächsten Tages hineingefallen.

Das Jahr ging dem Herbst zu, unsicheres Wetter ließ wegen Nebel und widrigen Winden die Verbindungen immer unsicherer werden. Verkehrsmaschinen über die Ostsee starteten immer seltener, nur den Dienst die Küste entlang hielt man noch aufrecht.

Das Flugboot hatte mit starkem Gegenwind und schweren Böen zu kämpfen. Truckbrott selbst am Steuer sitzend, warf ab und zu einen Blick durch das kleine Fensterchen in die Kabine auf seinen Fluggast, der interessiert ihren Weg auf der Erde verfolgte. Über freie See flogen sie auf Karlskrona, kreuzten die Halbinsel, um dem Kalmar-Sund gerade nach Norden zu folgen.

Die Maschine bockte.

»Böse Meldungen aus Stockholm«, schrie der Monteur.

Truckbrott sah nach unten. »Nebel?«

»Von Nyköping an ist schlechte Sicht, außerdem ist vom Bottnischen Meerbusen her Sturm gemeldet.«

Truckbrott, der bisher mit gedrosseltem Motor geflogen war, gab Vollgas und ließ die Maschine steigen, um in ruhigere Luftschichten zu kommen. Der gerade Strich der Küste war nicht zu verfehlen. Es hing soviel von seinem Flug ab, der Mann dort drinnen mußte Vertrauen gewinnen, um die Idee bei seinem Minister auch innerlich vertreten zu können. Der Motor dröhnte.

In neunhundert Meter Höhe ließen die Böen nach, die scharfen Stöße, die Tragfläche und Rumpf durchschüttelten, kamen sanfter, die Luftlöcher, in die die Maschine absacken wollte, wurden seltener. Der Monteur zeigte auf die Karte und griff die Entfernung nach Saßnitz mit dem Zirkel ab.

»Selbst wenn wir sofort wieder starten, wird die Strecke für den Rückflug zu lang«, sagten seine Handbewegungen.

Truckbrott verstand und zeigte auf Königsberg. »Dann werden wir über Gottland fliegen.«

Wie ein Haifischrachen starrte der Schärengürtel, der der Küste vorgelagert war, unter ihm. Schwarze Spitzen und Hügel, um die ungestüm die Brandung tobte. Dazu eine lange Welle auf der freien See. Aber der Motor brummte behaglich sein eisernes Lied, man durfte sich nicht mit Gedanken an Dinge tragen, die doch nicht kamen. Und wenn sie kamen – nun, dann mußte der Verkehrsflieger mit schlafwandlerischer Sicherheit im Augenblick das Richtige treffen.

Das sagte er seinen Schülern jeden Tag, seit er lehrte, draußen in Staaken. Schneid, Waghalsigkeit – nein, der Verkehrsmann kannte nur ruhige Besonnenheit, Verantwortlichkeitsgefühl – Pflicht.

Früher einmal war Günter Truckbrott im Westen und im Osten geflogen. Hoch über die feuerspeienden Linien der Champagne, über die ewigen Weiten Rußlands. Jeden Augenblick bedroht von oben und unten. Jeden Augenblick in doppelter Gefahr.

Das war vorbei.

Eine neue Welt galt es mit neuen Mitteln zu erobern. Wie die Koggen der Hansa die Meere durchfurcht hatten, wie die Wagenkarawanen ihren Weg gefunden hatten bis ins Herz Rußlands hinein, bis an den Orient, so mußten neue Hansen neue Wege finden.

Es flog sich so leicht hier oben, nur dem Kompaß folgend und dem Gefühl, das Hindernisse vorausahnt, das ihnen begegnet, ehe sie da sind. Bis an die mögliche Grenze hatte er die Maschine steigen lassen. Auf vierzehnhundert Metern lag er dicht unter der Wolkendecke, die Zacken und Riffe wurden zu Spielzeug. Und vor ihm lag es wie eine graue, undurchdringliche Wand. Man mußte herunter, immer wieder landen – nach wenigen Stunden.

Die Zahlen und Linien, die er ausgedacht hatte, und die der Vater daheim in Deutschland in unermüdlicher Arbeit berechnete und vervollkommnete, die waren für ihn längst Begriffe geworden.

»T 1000« – so hatten sie das Modell genannt. »T« war der Buchstabe der Truckbrott, der Konstrukteure, und in der Zahl 1000 sollte ein Etwas liegen, das vorläufig noch in nebelhafter Ferne lag, denn 50 war das neueste Modell, das jetzt in Dienst gestellt wurde – 1000, das war Zukunft.

Aber eine Zukunft, die immer realere Formen annahm, die immer näher rückte. Ein mächtiger Flügel, doppelmannshoch, auf hundert Meter gespannt, das ganze Flugzeug eine riesige Tragfläche, in der hundert Passagiere sicher und komfortabel in Kabinen sitzen würden. Zwei verkürzte Rümpfe für Fahrgestelle und als Gesellschaftsraum gedacht. Das war Verkehr. Und im Mittelraum in der Mitte würde die Seele liegen: ein leichter, sicher arbeitender Schwerölmotor, ohne Magneten, ohne schwierige Konstruktionen, eine Maschine, nicht unerreichbar wie der Brummer da vor ihm, der so gleichmäßig und sachlich vor sich hinraste, und der doch nicht zu reparieren war, während die Maschine in der Luft lag. An seiner neuen Dieselmaschine würden Maschinisten stehen, die jeden Befehl sofort ausführten, der von oben kam. Und die ungeheure Kraft würde den zehn Propellern zufliegen, die überall verteilt waren, den Riesen ziehend und schiebend.

Ihn durch die Luft reißend mit vierhundert, mit sechshundert, mit achthundert Stundenkilometern.

Keine Utopien, Dinge von morgen, die kamen.

Und oben, hinter dem breiten, schwergebauten Höhensteuer, das Piloten nach Befehl lenkten – das Hirn. Der Kommandostand – sein Stand.

Denn »T 1000« war sein. Ihm und dem Vater gehörte der Riese, ihnen mußte er gehorchen.

Land wuchs unter ihm, und der Nebel zwang ihn auf die Erde zurück. In zweihundert Meter Höhe überflog das Flugboot das Land südlich Stockholm, um endlich auf dem glatten Spiegel des Mälar aufzusetzen.

Der Regierungsrat lächelte. »Ich danke Ihnen ein Erlebnis, Herr Truckbrott. Mir schien aber, sie flögen um Ihre eigene Idee.«

Der Flieger nickte. »Ich sehe gern Zukünftiges, wenn ich oben allein bin.«

»Phantast.«

»Aus Phantasie, Wollen und Kraft wird das Morgen.« –

Es war fast fünf Uhr nachmittags, als die Maschine wieder startbereit sich an ihren Trossen schaukelte. Der Flugleiter kam aus seinem Büro. »Die Maschine untersteht ja nicht unserer Verkehrskontrolle, wenn Sie aufsteigen wollen?« Er zeigte auf die Wettermeldungen. »Der Wind ist kräftig, aber gleichmäßig, eine Nebelbank, die vor Holland liegt, ist leicht zu umfliegen, alle Ostseehäfen sind nebelfrei.«

Truckbrott zog an seiner Pelzkappe. »Also gute Verrichtung!«

Der Beamte zögerte. »Ich hätte noch eins, eine Bitte. Sie wissen ja, daß ich keine Verkehrsmaschine zur Verfügung habe mit Ausnahme der planmäßigen nach Kopenhagen, die aber schon vor Stunden gestartet ist. Ich habe einen Fluggast.«

»Und den soll ich mitnehmen?«

»Es ist eine Dame. Frau Pia Linth, eine Deutsche, die mit einem Großindustriellen in Haparanda oben an der finnischen Grenze verheiratet war. Sie ist seit einem Jahr Witwe und vor kurzer Zeit zur Besichtigung ihrer Werke nach Schweden gereist. Wir haben ihr damals eine Sondermaschine stellen müssen. Die Dame ist immens reich.«

»Heute ist kein Wetter, für ältere Weiblichkeit«, wehrte Truckbrott ab.

»Frau Linth ist jung, Ende zwanzig, glaube ich, aber das tut ja nichts zur Sache. Vom Standpunkt des Verkehrsleiters wäre gegen einen Passagierflug nichts einzuwenden, Herr Truckbrott, natürlich sind Sie allein Herr Ihrer Entschlüsse.«

Die Tür des Büros öffnete sich, und eine Dame, fest in den eleganten Mantel gewickelt, den Hut tief über den Kopf gezogen, trat heran.

»Soll ich den Herrn Piloten selbst bitten?« sagte sie.

Und Truckbrott: »Mein deutscher Landehafen ist unsicher.«

Aber sie ließ sich nicht beirren. »Man hat mir Hoffnungen gemacht, und nun mag ich nicht kampflos vom Schauplatz abtreten. Es ist weniger das Ziel als das Erlebnis. Ich weiß, mit wem ich fliegen soll und werde nur zurücktreten, wenn ich muß.« Sie trat dicht heran. »Ist es Ihnen so unangenehm, mit einer Frau aufzusteigen, Herr Truckbrott?«

»Er hat's im Verkehr oft genug getan«, warf der Beamte ein.

»Oft genug.« Pia Linth lachte. »Das war ungalant, mein Herr Flugleiter, jede Frau ist ein Einzelwesen, auch wenn es Millionen davon geben sollte. Aber Herr Truckbrott wird mir den Flug über das Meer nicht versagen. Es ist ja weder eine Rekordleistung noch Ostasien.«

Der gab seinen Widerstand auf. »Wenn Sie Platz nehmen wollen?«

Im Augenblick stand Pia Linth auf den Schwimmern und stieg, jede Hilfe ablehnend, in die Kabine, in der sie sich bequem zurechtsetzte. »Mir ist jedes Ziel recht.«

Es war fast halb sechs geworden, als der Motor endlich ansprang. »Bis acht haben Sie Landelicht«, schrie der Flugleiter. Aber der Propeller fegte ihm das Wort von den Lippen.

Ein zorniges Brummen, die Maschine stand über dem Mälar, Stockholm versank, und im Fluge raste das Land unter ihnen dahin.

Die Uhr stand auf hundertachtzig Stundenkilometern.

Das war ein anderer Flug als vorhin, die Böen waren verschwunden, und der Rückenwind, auf endloser Meerstrecke gestärkt, trug den leichten Vogel vor sich her.

Und der Propeller jagte.

Die Frau in der Kabine hatte sich so gesetzt, daß sie den Flieger beobachten konnte. Sein scharfes Profil zeichnete sich gegen die Unendlichkeit des Himmels, die Augen hingen am Kompaß.

»Wir werden besser wieder Saßnitz anfliegen«, brüllte Truckbrott. »Der Wind nimmt uns mit.«

Gleichmäßig folgten sich die Explosionen in den Zylindern, gleichmäßig surrte der Propeller, und ruhig zog das Flugboot seine Bahn. Und des Fliegers Gedanken flogen wieder vor ihm her.

Plötzlich ein eigentümliches Knacken und Reißen, Zündungen, die versagten, der Propeller, der bisher klar in der Luft gestanden hatte, lief stoßweise, der Aluminiumrumpf zitterte. Truckbrott warf dem Monteur einen fragenden Blick zu, während die Rechte scharf abdrosselte.

Achselzucken.

Wieder Gas, die Unregelmäßigkeiten blieben, der Monteur pumpte. »Nein, das war's nicht – irgend etwas am Motor.« Mit raschem Blick überflog der Führer die Instrumente: tausend Meter, hoch genug, um gesichert landen zu können, wenn es sein mußte. Der Tourenzähler kroch, nur der Wind hielt das Reisetempo.

Unten hielten scharfe Schären die böseste See vom Ufer ab, und doch sah es schlecht genug aus. Draußen konnte man schwer aufsetzen, und innen drohten die Spitzen.

Immer weiter ging der Zeiger zurück. Man mußte das Tiefensteuer ziehen, um die Stabilität zu erhalten. Die schweren Metallvögel konnten sich nicht lange auf ihre Schwingen verlassen.

Ruhig stieß Truckbrott das Fenster auf. »Ich muß notlanden, Maschinendefekt.«

Die Passagierin nickte nur.

Tapfere Frau. Gespannt suchten die Augen unten einen geeigneten Platz. Dort vorn, hinter den hohen Felsen war die See ruhiger, unterirdische Zacken kaum zu fürchten, dort wollte er aufsetzen.

Und im steilen Gleitflug schoß das Flugboot seinem zweiten Element zu.

Unfreundlich nahm die See den Flieger auf, als wolle sie ihm alle Nichtachtung beweisen, die sie vor der schwachen Konstruktion hatte. Sie leckte nach den Tragflächen, stieß an die Scheiben der Kabine und überschüttete den Führerstand im Augenblick mit einem Schwall von Wasser. Plötzlich waren auch überall Schären, mehr als man von oben hatte sehen können, und erschwerten die Durchfahrt. Nur mit aller Kraft gelang es Truckbrott, seine kranke Maschine an einen geschützten Fleck zu steuern.

Und nun begann eine schwere, ungewohnte Arbeit. Der Motor versagte bald ganz, der Strand aber war so eng, daß die Maschine nur mit Mühe heranbugsiert werden konnte. Zwischendurch ein Blick auf die Kabine, eine Frage.

»Ich habe keine Angst«, lächelte Pia Linth.

Die Zeit verging, die Sonne war längst hinter den Felsspitzen verschwunden, noch eine halbe Stunde, und die Dämmerung brach herein. Als sie den Apparat endlich am Land hatten, kroch der Monteur in den Motor, kam aber fluchend bald wieder hervor.

»Die Pleuelstange ist gebrochen.«

Die Frau hatte sich auf einen Stein gesetzt. »Ich bin fachlich ungebildet, was bedeutet das?«

»Wir kommen nicht weiter.«

»Und nun?«

»Man wird in diesem Irrgarten ein Haus suchen müssen und nach Stockholm telegraphieren. Vielleicht ist eine Bahnstation in der Nähe – für Sie. Wir bleiben.«

»Sprechen Sie weiter.«

»Wir müssen auf eine Hilfsmaschine mit Ersatzteilen warten und auf Monteure. Vielleicht muß uns auch ein Boot abschleppen. Vor morgen ist an ein Weiterkommen nicht zu denken.«

»Sprechen Sie denn Schwedisch?«

»Kein Wort.«

»Dann brauchen Sie mich«, entschied Pia Linth. »Dann erreichen Sie ohne mich überhaupt nichts, und ich werde nun aus dem simplen Fahrgast zum nützlichen Mitglied der Expedition.«

Sie wartete geduldig, bis die Männer das Flugzeug sicher verankert hatten, und kletterte dann ihnen nach, in die Felsen hinein. Es war nun fast Nacht geworden, das Licht der Taschenlampen tanzte unsicher auf den Steinen. Immer öfter mußte Pia die Hilfe Truckbrotts in Anspruch nehmen.

Endlich blieb sie müde auf einem Felsen sitzen: »Wir werden im Freien bleiben müssen.«

Mit raschem Blick verständigten sich Truckbrott und der Monteur. Der versuchte eine Spitze zu erklimmen, während die beiden warteten. Endlich von oben der Ruf:

»Ein Haus.«

Pia atmete auf.

»Kaum fünfhundert Meter vor uns. Halten Sie sich links, dort gibt es einen Weg.«

Und dann schienen sie plötzlich alle Kräfte zu verlassen, als sie in der einfachen Fischerstube auf die Bank sank.

Das Ergebnis der Unterhaltung war kläglich, das Haus lag einsam, ohne Telephon, das Kirchdorf über drei Stunden entfernt und nachts kaum zu erreichen. Die Eisenbahn fuhr tief drinnen im Lande.

Frau Linth lächelte. »Wir werden wie ein neuer Robinson leben, wenigstens bis morgen.« Sie erreichte es, daß sich die Fischer mit festen Seilen auf den Weg machten, um das Flugzeug endgültig zu bergen und es vor den Wellen in Sicherheit zu bringen. Als dann Truckbrott in tiefster Dunkelheit mit den Männern zurückkehrte, empfing sie ihn lachend. Sie hatte die Schürze der Fischersfrau umgebunden und stand neben der am Herd.

»Ich habe ein schwedisches Diner zusammengestellt: Fischsuppe, gebackener Fisch und danach getrocknetes Obst, das sich vorläufig noch müht, weich zu werden. Auch die Bettfrage ist gelöst. Es gibt eine Kammer und den Raum hier, der nachher mit Heu und Decken behaglich gemacht wird.«

Sie sah den zufriedenen Blick, mit dem Truckbrott sie streifte. »Frauen sind nicht immer unbrauchbar, nicht wahr?«

Während sie dann aßen, sprach sie von den Reisen, die sie mit ihrem Manne unternommen hatte, bis hoch in den Norden hinauf nach Lappland, oft tagelang im Schlitten oder in einfachen Booten im Sommer. »Ich bin Jägerin und schieße mein Wild selbst«, lachte sie.

Jetzt erst sah Truckbrott sie mit offenen Augen. Wirklich, sie war jung, achtundzwanzig schätzte er, ein energischer Zug lag in dem klaren Gesicht, ein Wollen, dem er sich verwandt fühlte. Das Romantische der Lage, mit der sie sich spielend abfand, hob sie.

Einmal sprach sie von ihrem Manne. »Wir waren gute Kameraden«, sagte sie.

Und dann erzählte er. Die Gefahren der asiatischen Wüste wuchsen in der schwarzgeräucherten Fischerhütte herauf, die Buntheit Chinas. Und, ohne daß sie es merkten, einte sie das Erlebnis.

Er dachte an Barbaras kühl spöttische Art, und ihr kluges Gesicht versank vor dem lebensvollen der andern, vor dem Wagemut, der ihn verstand. Pia Linth saß dicht neben ihm, und oft im Eifer des Gespräches legte sie die Hand auf seinen Arm, um sie dann rasch wieder erschrocken zurückzuziehen.

Er hätte sich die Nacht viel, viel länger gewünscht.

Das Herdfeuer war längst niedergebrannt, Pia fröstelte. »Es ist spät«, sagte sie. Der Monteur schlief längst in der Ecke.

Und dann, als er vor ihr stand, suchten ihre Augen die seinen. »Außergewöhnliche Situationen binden, Herr Truckbrott, Sie werden diese Nacht nicht vergessen.« Sie ging zur Tür, blieb aber noch einmal stehen. »Man sagt in Schweden, und in Deutschland wohl auch, Träume unter fremdem Dache seien zukunftkündend und gingen in Erfüllung – träumen Sie.«

Als Günter Truckbrott am andern Morgen erwachte, wußte er doch nicht, was er nun eigentlich geträumt hatte.


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