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Oltenitza.

I. Des Donners Grollen.

Ein glänzender Ball beim preußischen General-Konsul in den Donau-Fürstentümern hatte eine Anzahl Offiziere des russischen Heeres und die Elite der vornehmen Welt von Bukarest versammelt.

Herr von Meusebach, einer der Glücklichen, die sich für mutiges und konservatives Auftreten in den Sturmjahren von Achtundvierzig und Neunundvierzig eines offiziellen Dankes zu erfreuen hatten, wenn auch hors de Berlin durch eine Mission ins Land der Wilden oder Halbwilden, hatte seine gemütliche und furchtlose Ruhe, mit der er einst der erbitterten Linken das Mene Tekel: »Die Versammlung riecht nach Leichen!« von der Tribüne entgegen warf, auch unter den Bojaren bewahrt und vertrat dort die Flagge seines Königs, wie schon mehrere Gelegenheiten bekundet hatten, würdig und nicht ohne Glanz. Junggesell mit Vermögen und von lebenslustigem Charakter, hatte er sich vielfach den orientalischen Sitten anbequemt und bildete einen Zentralpunkt für den geselligen Verkehr der Fremden und Einheimischen in Bukarest.

Es ist bekannt, daß bald nach der Besetzung der Donau-Fürstentümer das russische Ober-Kommando seine Macht auch auf die administrative Verwaltung ausdehnte und am 23. Juli den Hospodaren befahl, die Verbindung mit Konstantinopel abzubrechen und den Tribut nicht mehr nach Konstantinopel zu senden, sondern in der Staatskasse zu belassen. Bereits unterm 25. Juli forderte demnach Reschid-Pascha die Hospodare, die Fürsten Stirbey in Bukarest und Ghika in Jassy auf, die Fürstentümer zu verlassen und nach Konstantinopel zu kommen. Die eigentliche Zwitterstellung, welche die Regierung der Moldau und Walachei seit langer Zeit zwischen der Oberhoheit des Sultans und dem fremden, namentlich russischen und österreichischen, Einfluß eingenommen, veranlaßte die Fürsten, dem Befehl durch Zögerung auszuweichen, obschon derselbe am 30. August wiederholt wurde. Die Stellung der machtlosen Fürsten zwischen den beiden Gewalten ließ sich unmöglich länger halten, und sie erklärten, die Regierung niederlegen zu wollen. Fürst Stirbey verließ mit Bewilligung des russischen Oberbefehlshabers am 29. Oktober Bukarest und ging über Hermannstadt nach Wien. Die Regierung blieb einem außerordentlichen Verwaltungsrat übertragen, während bald darauf General von Budberg zum russischen Kommissar und außerordentlichen Zivil-Bevollmächtigten in den Fürstentümern ernannt wurde und an die Spitze der oberen Leitung trat. Ebenso verließ der Fürst Ghika Jassy, um gleichfalls nach Wien zu gehen, und der Fürst Usuroff trat dort an die Spitze des Administrationsrates. Viele Bojarenfamilien folgten den beiden Hospodaren und zogen sich nach Oesterreich zurück, andere – die zum Teil von den Verhältnissen Nutzen zu ziehen hofften – blieben jedoch im Lande.

Die neue Administration brach allen Verkehr mit der Türkei ab und benachrichtigte davon die fremden Konsuln. Ein Erlaß versprach den Walachen, die in die russische Armee treten wollten, verschiedene Vorteile, und die Einverleibung der moldau-walachischen Kontingente wurde vorbereitet.

England und Frankreich hatten bereits im Juli gegen die Besetzung der Fürstentümer protestiert und erklärt, daß sie sie auf die Dauer nicht dulden würden.

Am 31. Oktober, an demselben Tage, an welchem Kaiser Nicolaus das Manifest an sein Volk mit der Ankündigung des Krieges richtete – erhielten die englischen und französischen Generalkonsuln und Konsuln in den Donaufürstentümern den Befehl ihrer Regierungen, das Land zu verlassen.

Dies war im Augenblick – jenes Fest, das wir zu Anfang dieses Kapitels erwähnt, fand am 3. November statt – die administrative Lage in den okkupierten Ländern auf dem linken Donauufer.

Offenbar hatte sich das russische Kabinett über den Erfolg sehr getäuscht, den ein gewaltsames Vorgehen von seiner Seite zur Lösung der schwebenden Fragen haben würde. Die Türkei hatte in militärischer Beziehung die Zusage und den Schutz Englands und Frankreichs hinter sich, woran Kaiser Nikolaus noch immer nicht glauben wollte, und das andere Europa war – wie selbst von denen nicht geleugnet wird, die in dem großen Kampfe auf russischer Seite standen – des anmaßenden russischen Einflusses müde.

Der Glaube an die Macht dieses Einflusses hatte Rußland zu seinem Vorgehen verführt, ohne daß genügende militärische Vorbereitungen getroffen waren. Andererseits ist diese Unterlassung wieder Bürge dafür, daß man die Zwecke ohne Eroberung zu erreichen glaubte.

Im ganzen hatten nur ungefähr 77,000 Mann den Pruth überschritten, und das war natürlich eine zu geringe Macht, um damit einen Krieg gegen die Türken zu führen. Eine Division des fünften Armeekorps rückte später von Odessa nach, und erst als die Ereignisse zeigten, daß die Türken den Kampf aufnehmen würden, erhielt das dritte russische Armeekorps, geführt vom General von Osten-Sacken, Befehl, die Armee zu verstärken und rückte in Eilmärschen nach der Moldau, die sein Vortrab am 14. November betrat.

Der größte Teil der russischen Operationsarmee – wie gesagt zirka 80,000 Mann – hatte seine Stellung in der Walachei genommen und dehnte sich an der Donau aus. Fürst Gortschakoff hatte sein Hauptquartier teils in Bukarest, teils in Budetschi, einem kleinen Flecken zwischen Bukarest, Giurgewo und Oltenitza, etwa fünf Meilen von dem ersteren Orte entfernt, genommen. Der linke Flügel dieser Aufstellung in der Walachei stand unter dem Kommando des Generals Anrep, auf Kalarasch gestützt, den Türken bei Silistria gegenüber, während General Lüders die Moldaugrenze bei Galacz besetzt hatte. General Dannenberg hielt die Mittellinie an der Donau und Giurgewo, Rustschuk gegenüber, und General von Fischbach den rechten Flügel an der Aluta bis Krajowa gegen Kalafat, nachdem man törichter Weise den Türken gestattet hatte, sich hier festzusetzen. Fürst Gortschakoff behielt, wie erwähnt, die Reserve des Mitteltreffens bei sich, und die russischen Truppen waren durch das strategische Talent des Generalstabs-Chefs Generals von Kotzebue so geschickt angestellt, daß es von dem durch die Natur so überwiegend begünstigten bulgarischen Ufer doch nicht möglich war, ihre Verteilung und Bewegungen zu erspähen, während andererseits vierundzwanzig Stunden genügten, um 30,000 Mann russischer Truppen auf einem der Hauptpunkte zu konzentrieren.

Auf türkischer Seite befand sich das Hauptquartier und der Zentralpunkt der Operationen gegen die Donau in Schumla, doch war in diesem Augenblick Omer-Pascha bereits an der Donau im Zentrum der Stellung eingetroffen. Den rechten Flügel stützte er auf Hirsowa und Silistria, von Izzet-Pascha kommandiert, den linken, bereits über die Donau vorgeschoben, auf Widdin und Kalafat.

Hier kommandierte Sami-Pascha. Der Sirdar befehligte auf dieser ausgedehnten Stellung ungefähr 100-120,000 Mann, teils Nischam, (Linie), teils Redifs (Landwehr) und Baschi-Bozuks (Irreguläre). Eine Masse europäischer Flüchtlinge aller Länder befand sich nicht bloß in seiner nächsten Umgebung, sondern auch als Offiziere und selbst als Gemeine in dem ganzen Heer, zum großen Teil Renegaten, da durch die Bemühungen des Muschirs bei dem Übertritt der ungarischen Armee im Jahre 1849 Offiziere und Soldaten in Masse dem Religionswechsel des greisen Generals Bem gefolgt waren.

Wie bereits erwähnt, hatten die Feindseligkeiten, und zwar von türkischer Seite, bei Isaktscha, einer kleinen türkischen Festung in der Dobrudscha, begonnen. Fürst Gortschakoff hatte den Befehl erteilt, daß ein Teil der in den Mündungen ankernden russischen Donau-Flottille den Fluß hinauf bis Galacz fahren sollte, um für etwaige Operationen bei der Hand zu sein. Der Befehl lautete, bei Nacht an den Festungswerken von Isaktscha und den von den Türken dort angelegten Schanzen vorüber zu fahren; der Kommandant, Kapitän Werpakhowsky, und alle Offiziere der Flotille erbaten jedoch die Erlaubnis, die Festung bei Tage zu passieren, als eine Gnade. Das Geschwader, aus den Kriegsdampfern »Pruth« und »Ordinarez«, jeder vier Kanonenboote im Schlepptau, bestehend, näherte sich um 8½ Uhr morgens am 23. Oktober Isaktscha und sofort eröffneten die Türken ihr Feuer aus 27 Geschützen, worauf sich eine lebhafte Kanonade von beiden Seiten entspann, die fast anderthalb Stunden währte. Zwei der Kanonenboote wurden durch das türkische Feuer so beschädigt, daß sie nur bis Reni gebracht werden konnten, die anderen Schiffe jedoch trafen am Abend in Galacz an. Ein großer Teil der Stadt Isaktscha war durch die russischen Bomben in Flammen gesteckt; unter den dreizehn Toten des kleinen Geschwaders befand sich auch sein tapferer Kommandant Werpakhowsky. Sechsundvierzig Mann wurden verwundet.

Am 25. Oktober hatten die Türken unter Sami-Pascha, dem Gouverneur von Widdin, den ersten Übergang über die Donau unternommen. Die zwischen Widdin und Kalafat belegene Insel wurde von einem Korps von 2000 Mann besetzt und befestigt, ohne daß die Russen, deren schwache Vorposten in Kalafat standen, dies im geringsten zu hindern suchten.

Selbst als am Nachmittag des 27. von der Insel aus die Türken unter dem Befehl von Ismaël-Pascha das linke Ufer unterhalb Kalafat betraten, sahen die russischen Offiziere von dem auf der Höhe belegenen Kaffeehause dem feindlichen Übergang gemütlich zu, bis es zu spät war, die verlorenen Vorteile wieder zu gewinnen. Die russische Garnison räumte Kalafat, und nach Mitternacht rückte die Avantgarde der Türken dort ein. Die Stärke derselben betrug damals höchstens 7-8000 Mann. Sofort begannen sie die von Natur äußerst feste Position durch Schanzwerke zu verstärken und es bildete sich jenes über eine halbe deutsche Meile lange Bollwerk, das dem Lorbeer des Fürsten von Warschau noch diesseits des Grabes seine ersten Blätter rauben sollte.

Die ziemlich abgesonderte, und strategisch außerdem ganz unnütze Position war von dem Muschir kluger Weise eingenommen worden, um jenem großen Plan der Russen auf die Verbindung mit Serbien und die Erhebung des serbischen Volkes gegen die Türkei zuvorzukommen.

Am 1. November waren von den Türken gleichfalls mehrere Versuche gegen das linke Donauufer unternommen worden. Von Rustschuk aus, etwas stromabwärts bei Tersentschik war ein Korps von 2000 Mann über die Donau gegangen und plänkelte jetzt gegen Giurgewo, das Rustschuk gegenüber liegt. Hier kommandierte General Ssoimonoff. Es erfolgte ein Gefecht längs des Dammes der Stadt ohne große gegenseitige Resultate. Am Morgen des 2. hatten die Türken den starken Nebel benutzt, der die ganze Donaugegend bedeckte, und einen Dampfer mit mehreren Kanonenbooten von Rustschuk gegen Giurgewo geschickt. Die Schiffe waren schon in den Kanal eingedrungen, der gegen die Quarantäne führt, als sie von den Russen bemerkt wurden. Es entspann sich alsbald eine lebhafte Kanonade, die nach mehreren Stunden mit einem Rückzug der türkischen Schiffe endete. Am nächsten Tage wiederholte sich dies Spiel.

Von Tuturkai aus wurde der dritte Versuch zur selben Zeit gemacht und hier beabsichtigten, wie die späteren Ereignisse ergaben, die Türken den Hauptstoß. Tuturkai selbst war in der letzten Zeit stark befestigt worden; und unter dem Schutz des buschigen und bergigen Ufers war es gelungen, ein Korps von 14 000 Mann zwischen hier und Tschischatscha zu konzentrieren. Am 1. November setzten die Türken auf die zwischen Tuturkai und Oltenitza, näher am letzteren Orte liegende Insel über und begannen diese zu befestigen. Von hier aus faßten sie am 2. Position auf dem linken Ufer unter Oltenitza. Am Morgen des 3. standen bereits etwa 5000 Mann auf der Insel. Das Buschwerk derselben verhinderte jedoch auch hier die Russen, die Zahl und die Vorbereitungen der Gegner zu erkennen.

Der Kommandeur der II. Infanterie-Division des IV. Armee-Korps, Generalleutnant Pawloff, befehligte in Oltenitza, hatte aber nur eine geringe Truppenzahl bei sich.

Dies war die gegenseitige Stellung am Abend des 3. November.

Fürst Gortschakoff mit seinem Adjutanten hatte selbst den Ball des Generalkonsuls mit seinem Besuch beehrt, und eine große Anzahl der Offiziere des Dannenberg'schen (IV.) Korps befand sich aus den umliegenden Stationen auf Urlaub anwesend, da die Gefahr an keinem Punkt sehr dringend erschien und man die Vorposten-Positionen an der Donau für genügend hielt, jeden Versuch zu vereiteln, oder die übergangenen Streifkorps zurückzuwerfen.

Unter den Gruppen des Balles war jene die interessanteste, die sich um die Schönheit des Tages gebildet hatte. Es war die Gattin eines erst seit wenigen Wochen aus Paris zurückgekehrten Bojaren aus der reichen und angesehenen Familie der Bibesco, und obschon es sehr gewöhnlich ist, daß die galanten Damen von Paris, wenn sie dort ihre Rolle ausgespielt haben, sich von ihren slavischen Anbetern, von denen Paris in Friedenszeiten wimmelt, zu der wilden Heimat entführen lassen, oder auch selbst auf eigene Hand nach Bukarest, Galacz und Jassy kommen, um dort einen goldenen Fisch zu angeln und mit ihrer Hand zu beglücken, – so war Madame Bibesco doch wohl geeignet, unter allen ihren Nebenbuhlerinnen den Sieg davon zu tragen.

Eine hohe, schlanke Gestalt, das Haar cendre, der Teint fein und leicht gerötet, ein Bild, das dem Leser flüchtig am Abend des 5. Juli in der Straße St. Josef in Paris vorgeführt worden ist. Das schmachtende Auge blickte kokett und achtlos durch die brillantenbesetzte Lorgnette über den Kreis hinaus, der sich um sie gebildet hatte.

Plötzlich erbleichte das schöne Gesicht und dann schoß eine dunkle Röte auf Hals und Antlitz. Frau von Bibesco wandte sich rasch zu einem der Offiziere und begann ein gleichgiltiges Gespräch, während dessen sie ihre Aufregung zu unterdrücken suchte. Alsdann wieder das Lorgnon vornehmend, ließ sie ihre Blicke nochmals wie zufällig durch den Saal schweifen und endlich an einer entfernten Gruppe älterer Offiziere haften.

»Können Sie mir sagen, Herr von Szamarin,« wandte sich die Dame an einen ihrer Verehrer, einen Ulanen-Major vom Regiment Olwiopol, »wer der junge Offizier ist, so viel ich von Ihren Uniformen verstehe, von der Garde, der eben mit dem Oberbefehlshaber spricht? Mich dünkt, ich müßte dies interessante Gesicht bereits gesehen haben.«

»Ich kann Ihnen dienen, gnädige Frau,« erwiderte der Offizier galant. »Mit Ihren scharfen Augen haben Sie einen Adonis der russischen Armee herausgefunden, Fürst Iwan Oczakoff, und es ist möglich, daß Sie ihn bereits gesehen, da er einige Zeit der Gesandtschaft in Paris beigegeben war. Ich habe die Ehre, den Fürsten und seine schöne Schwester, die, wie ich höre, leider krank von Paris zurückgekehrt ist, von Petersburg her zu kennen. Er steht augenblicklich beim Stabe des Fürsten Menschikoff und ist gestern als Kurier mit Depeschen von Odessa hier eingetroffen. Befehlen Sie, daß ich Ihnen den Fürsten vorstelle?«

»Sie werden mich verbinden, Herr Major.«

»Aber nur unter der Bedingung, schöne Frau, daß wir dabei nicht zu kurz kommen, und Fürst Oczakoff, der doch nach dem deutschen Reiterliede nur ›im Sturm um den Minnesold werben kann,‹ Sie uns nicht entführt.«

Der Major verließ die Gruppe und näherte sich dem Fürsten, der jetzt, von dem General en chef entlassen, mit mehreren jungen Offizieren plauderte.

Die Blicke der Dame folgten ihm nicht ohne Unruhe, – nur zerstreut setzte sie die Unterhaltung mit ihrer Umgebung fort.

»Sie haben eine Eroberung gemacht, Fürst,« sagte scherzend Herr von Szamarin zu diesem, »ohne daß Sie es wissen. Madame Bibesco, die Königin des Balles, wünscht daß ich Sie ihr vorstelle.«

»Ich habe nicht die Ehre, die Dame zu kennen.«

»Eben deshalb will ich Sie vorstellen. Kommen Sie, Fürst. Die schöne Celeste Bibesco ist eine Pariserin und wird Sie dort wahrscheinlich gesehen haben, wenigstens glaubt sie es!«

Halb gezwungen folgte Fürst Iwan dem Kameraden, der ihn zu der schönen Bojarenfrau führte.

»Hier, Madame, erlaube ich mir, Ihnen unsern gefährlichen Nebenbuhler um Ihre Gunst vorzustellen. Fürst Iwan Oczakoff. Er stammt aus dem Lande, wo Achill einst vor dem trojanischen Kriege verborgen wurde, und ich hoffe, er hat für die Pfeile aus Ihren schönen Augen nicht einmal die verwundbare Stelle, die sein berühmter Landsmann besaß.«

»Man muß nach Rußland kommen,« sagte die Dame lächelnd, »um die pariser Komplimente noch übertroffen zu sehen. Ich höre, Sie waren noch in diesem Sommer in Paris, mein Prinz?« – Ihr Auge lag scharf und bedeutungsvoll auf ihm.

»So ist es, Madame.«

»Und wann verließen Sie es?«

»Am Abend des 5. Juli.«

»So bald schon? Ich glaubte, Sie noch später dort gesehen zu haben. Es scheint, daß der 5. Juli ein wichtiger Tag für viele Personen gewesen ist, auch mir war er ein solcher.«

Der Fürst wurde aufmerksamer.

»Meine Abreise kam plötzlich, deshalb habe ich das Datum genau behalten, Madame.«

»Ich zweifle nicht daran, mein Prinz. Ungewöhnliche Ereignisse haften fest in der Erinnerung, wie es scheint, selbst fester als Gefühle.« Ihr Blick flog rasch umher – die umgebenden Herren hatten sich rücksichtsvoll einige Schritte zurückgezogen und plauderten, – sie sah sich unbeachtet und benutzte den Augenblick. »Ich hätte kaum geglaubt, Sie glücklich und so bald nach jenem furchtbaren Abend wiederzusehen.«

»Madame – –«

»Jetzt wird es mir freilich klar, auf welche Weise es Ihnen gelang, sich zu befreien. Die arme Nini!«

Der Fürst war sehr bleich, in seinem Innern kämpfte sichtlich eine große Aufregung.

»Madame – ich verstehe kaum – –«

»Ei, mein Gott, warum sich der kleinen Aventüre schämen, mein Prinz! Ich bin, wenn Sie es wünschen, die Diskretion selbst, nehme aber natürlich auch die Ihre in Anspruch. Wenn Sie Lust haben, weiter mit mir zu plaudern, so sage ich Ihnen den zweiten Contretanz zu. Im Augenblick bin ich engagiert und ich sehe eben meinen Tänzer nahen. Au revoir, mon prince!«

Am Arm des Tänzers rauschte sie in die Reihen, während das Orchester den wilden Masurka begann.

Der Fürst starrte ihr nach – seine Augen blieben im ernsten Nachdenken auf die unerwartete Erscheinung gerichtet. Dann legte er die Hand sinnend an die schöne Stirn und suchte eines der Nebenzimmer auf, wo er ungestört seinen Gedanken nachhing.

Erst die Takte, die zum Antreten der Quadrille riefen, weckten ihn. Er schien seinen Entschluß gefaßt zu haben und eilte in den Saal zu seiner Tänzerin, die ihn bereits mit Ungeduld erwartete.

Während die Touren wechselten, spann sich das Gespräch lebhaft weiter.

»Darf ich fragen, ob Sie Nini wieder gesehen haben?«

»Nein, Madame.«

»Ich dachte es mir,« sagte die schöne Frau mit sichtlicher Erleichterung. »Sie haben demnach Paris gleich nach dem entsetzlichen Auftritt verlassen?«

»So ist es.«

»Es konnte Ihnen natürlich nicht schwer werden, Ihre Identität zu beweisen. Doch war es edel und schön von Ihnen, mein Prinz, sich für Ihren Gegner zu opfern.«

Der Tanz unterbrach die Unterhaltung.

»Und Nini?« fragte der Fürst, von der Tour zurückkehrend.

»Mon Dieu! die Kleine begleitete ihren Bruder und war am anderen Morgen spurlos verschwunden. Wir hatten uns alsbald getrennt, um jede Spur zu verwischen, und ich wagte es erst einige Zeit nachher, unter der Hand mich zu erkundigen. Aber seltsam, auch die Polizei hatte keine Nachfrage angestellt, obschon der Mensch kompromittiert sein mußte.«

Sie schien die Sache mit einiger Verlegenheit zu umgehen. »Sie sind mir die Erzählung Ihres weiteren Abenteuers schuldig, mein Prinz.«

Der Tanz hatte geendet, der Fürst führte die Dame nach ihrem Platz. »Ich fühle ganz die Pflicht, die ich habe, und sie zu lösen, ist für mich wichtiger, als es für Sie von Interesse sein kann, nur scheint hier kaum der Ort dazu. Würde Frau von Bibesco mir wohl erlauben, ihr morgen meine Aufwartung zu machen?«

»Fürst Oczakoff wird mir stets willkommen sein und ich bin von zwölf Uhr an für ihn allein zu Hause. – Doch sehen Sie, Fürst, es muß sich etwas ungewöhnliches ereignet haben. Ihre Herren Kameraden treten zusammen und ich sah eben Fürst Gortschakoff mit mehreren Generalen durch jene Tür sich entfernen. Bitte, gehen Sie und erkundigen Sie sich, wir Frauen sind neugierig.«

Auch der Fürst bemerkte, daß eine besondere Aufregung im Saale herrschte und die Offiziere in Gruppen zusammentraten. Er beurlaubte sich mit einer Verbeugung und eilte zu der Menge, die sich namentlich um die Tür zu einem der Nebengemächer versammelt hatte, aus dem jetzt Baron von Meusebach seinen Gästen entgegentrat.

»Seine Durchlaucht,« sagte der General-Konsul mit lauter Stimme, »bitten die werte Gesellschaft mit mir, sich durchaus nicht zu beunruhigen oder stören zu lassen. Es sind einige Depeschen eingegangen, die den Fürsten für kurze Zeit in Anspruch nehmen, aber keineswegs irgend eine Besorgnis rechtfertigen. Meine Herren, ich bitte Sie, in dem Tanz fortzufahren.«

Das Orchester begann auf seinen Wink aufs neue, doch nur wenige Paare bildeten die Kolonne. Man flüsterte in Gruppen oder verkehrte mit den Adjutanten, die hastig aus den Gemächern, wohin sich der Fürst zurückgezogen hatte, ab und zu gingen und hier und da einem der Offiziere einen Befehl zu bringen schienen. Man bemerkte, wie alsbald die Angeredeten aus dem Saale verschwanden, und von der Pforte des Hauses her klang der Galopp der Davonsprengenden herauf.

Fürst Iwan wandte sich an einen ihm bekannten Artillerie-Offizier und fragte ihn nach dem Vorgefallenen.

»Der Teufel ist los!« sagte der Kapitän. »Pawloff hat uns bei Oltenitza die Türken über den Hals kommen lassen und ist bereits heute mittag von ihnen zurückgedrängt worden. Kommen Sie, Fürst, wir hören die sichersten Nachrichten von dem Boten selbst.«

Er nahm ihn unter den Arm und führte ihn durch die Menge zum zweiten Salon, wo am Büffet eine Anzahl Militärs um einen staub- und schmutzbedeckten Kosaken-Offizier versammelt war, der, am Tisch sitzend, große Gläser starken Arrakpunsches hinunterstürzte. Die Unterhaltung wurde hier russisch geführt und das andere Publikum hatte sich daher zurückgezogen.

»Nun, Herr Kamerad,« sagte Kapitän Besutoff zu dem Kosaken, »kann man von Ihnen erfahren, welche Nachricht Sie gebracht haben, oder ist die Sache Geheimnis?!«

»Warum halten hinter dem Berg mit der Sach', die doch sein püblik morgen früh!« radebrechte der Kosak. »Wir haben bekommen Schläg', starke Schläg'; die Herren Muselman waren gekommen zu viel und haben gedrängt uns zurück. Wir werden haben morgen starke Affär'.« Er hob das neugefüllte Glas und betrachtete den Inhalt schmunzelnd durch das Licht. »Dieser Punsch sein ser kut. Auf kuten Erfolg, meine Herren Kamerad'!«

Der Bursche leerte das große Glas auf einen Zug. Indes die Offiziere sich bemühten, die Details aus ihm herauszuholen, trat einer der Adjutanten des Oberbefehlshabers zu der Gruppe.

»Seine Durchlaucht hat den Ball verlassen, und sich in sein Quartier begeben. Sie werden wohltun, sich fertig zu machen und möglichst schnell im Hotel einzufinden, um einige Befehle in Empfang zu nehmen. Wir brechen noch diese Nacht auf nach Budetschi. Sie, Herr Leutnant,« wandte er sich zu Iwan, »wünscht der Fürst gleichfalls zu sprechen.«

Ein allgemeiner Aufbruch der Gesellschaft erfolgte. Als Fürst Oczakoff in den Ballsaal zurückeilte, um die schöne Bojarin noch zu sprechen, fand er, daß sie bereits mit ihrem Gatten das Fest verlassen hatte, das jetzt rasch ein Ende nahm.

Die Offiziere eilten teils nach ihren Quartieren oder direkt nach dem Hotel des Oberbefehlshabers. Fürst Iwan traf hier bereits die Vorgemächer voll von Ordonnanzen und Offizieren aller Waffengattungen. In dem Saal des Hauses, wohin er mit mehreren anderen beschieden wurde, fand er den Fürsten mit der Generalität und den Mitgliedern des Generalstabes um die Karten versammelt.

Der Oberbefehlshaber diktierte eben die General-Ordre an den Chef des 4. Korps, General von Dannenberg, für die Aktion des kommenden Tages.

Zugleich wurden Spezial-Ordres an alle die einzelnen zwischen Saltscha und dem Mostische kantonierenden Truppen zum sofortigen Ausmarsch gefertigt und die Adjutanten und Ordonnanzen flogen damit nach allen Seiten davon.

Der Regen goß in Strömen vom Himmel, die wenigen Straßen und Wege waren bereits grundlos.

In einer Pause der Geschäfte wandte sich der Ober-Kommandierende an den jungen Mann. »Ich habe Sie rufen lassen, Herr Leutnant, um Ihnen mitzuteilen, daß Sie mich nach Budetschi begleiten und der Affäre beiwohnen werden. Sie haben damit Gelegenheit, sich die Sporen und« – fügte er lächelnd hinzu – »den noch mangelnden Bart zu verdienen. Ich hoffe, Sie mit guter Botschaft von Ort und Stelle an den Herrn Marineminister zurücksenden zu können. In zwei Stunden brechen wir auf. Sie werden Pferde aus meinem Marstall nehmen.«

Er winkte zur Entlassung und wandte sich zu einem anderen Offizier.

Der Fürst trat ab, ziemlich betroffen und mißlaunig, denn er schien große Wichtigkeit auf die Unterredung mit Frau von Bibesco gelegt zu haben und sah diese jetzt vollständig vereitelt. Major Szamarin begegnete ihm.

»Ich höre, Sie werden dem Scharmützel im Generalstab beiwohnen. Doch wollen wir uns sputen, daß wir mit den lieben Moslems fertig sind, ehe Sie kommen. Gute Nacht oder guten Morgen, Kamerad, ich muß zu meiner Eskadron, die Kerls werden sich freuen, daß endlich der Tanz losgeht.«

Beide reichten sich die Hand und trennten sich, der Major, um mit seiner Eskadron aufzubrechen, der Fürst, um rasch noch seine kurzen Vorbereitungen zu treffen.

Zwei Stunden darauf wirbelten die Trommeln durch die Straßen und eine Infanterie-Kolonne setzte sich bei Sturm und Regen in Bewegung.

Beim ersten Dämmern des Tages folgte ihm der Oberbefehlshaber mit seinem Stabe nach Budetschi. –

Oltenitza, wo der erste größere Kampf dieses Krieges ausgefochten werden sollte, ist ein kleiner Ort an dem Flüßchen Argisch, kurz vor dessen Einfluß in die Donau, in deren Mitte, Oltenitza gegenüber, eine ziemlich große, stark bewaldete Insel liegt. Links von dem etwas landeinwärts gelegenen Städtchen befindet sich, näher am Ufer der Donau, das große steinerne Quarantänegebäude, in dessen Nähe mehrere alte, nach der Landseite offene Schanzen und Erdwerke vorhanden waren, von den Russen in früheren Kriegen gegen die Türken aufgeworfen. Der Argisch bildet an seinem Ausfluß sich bis ans Donauufer erstreckende Sümpfe, welche die Position beengen und schützen.

Hier hatte wegen der geringern Breite der Donau auch bei dem Feldzuge von 1828 die russische Armee mit 40 000 Mann ihren Übergang nach dem bulgarischen Ufer bewerkstelligt.

Wir haben bereits angeführt, daß die Türken am 2. im Schutz des Nebels ein kleines Korps von der Insel aus auf das linke Ufer geworfen und sich dort in den russischen Schanzen festgesetzt hatten. Mustapha-Pascha und der spanische Abenteurer General Prim von Reuß, ein ehemaliger preußischer Leutnant, der durch die Weiberwirtschaft in Spanien sich zu solchem Range emporgeschwungen hatte, und mit der Spekulation nach der Türkei gekommen war, mindestens ein Oberkommando zu erhalten, – leiteten die Unternehmung. Im Laufe des 3. – es war ein Donnerstag – hatte sich die Zahl der übergesetzten Truppen bedeutend vermehrt und drängte die russische Vorpostenlinie auf Oltenitza und die in Kanonenschußweite hinter dem Orte belegene befestigte Reservestellung zurück. Am Nachmittag entspann sich ein Gefecht, bei dem die Russen sehr im Nachteil waren und Oltenitza räumen mußten, während die Türken ihre Stellung überaus befestigten, auf der Donauinsel zwei Batterieen errichteten und das Quarantänehaus zu einer solchen umgestalteten. Fortwährend kamen zugleich Verstärkungen vom rechten Donauufer an.

Die mißlichen Umstände waren es, die General Pawloff dem Höchstkommandierenden am Nachmittag des Dritten nach dem etwa acht Stunden von Oltenitza entfernten Hauptquartier gemeldet hatte.

Am Freitag Morgen – der Freitag ist der Sonntag der Moslems – standen bereits 14-15 000 Türken verschanzt auf dem linken Donauufer in überaus vorteilhafter Position. Die Front, in deren Mitte das steinerne mit 6 Kanonen besetzte Quarantänehaus stand, war durch Schanzkörbe und Pallisaden geschützt, die sie vom rechten Donauufer herübergebracht hatten.

Während des ganzen Morgens und Vormittags feuerte die Artillerie gegen einander, doch in solcher Entfernung, daß sich wenig Erfolg auf beiden Seiten zeigte. Gegen mittag endlich klärte sich das Wetter auf und zugleich rückten von Mitréni-Fundéni und Szanzowa her die konsignierten Truppen des Generals Dannenberg in die ihnen bezeichneten Stellungen.

Dieselben waren, alles in allem, 8000 Mann stark, Nach dem Etat hätten die kommandierten russischen Truppen 10 000 Mann betragen müssen. Hierzu die zusammengezogenen Vorposten-Linien der Kosaken. Die russischen Regimenter waren jedoch damals so unvollständig, daß schon die Gesamtzahl 8000 eine sehr hochgegriffene ist. Offiziere, welche die Affäre mitgefochten haben, behaupten, daß nur 6000 Mann versammelt waren, und der Ausgang scheint diese Annahme zu bestätigen. da die Regimenter alten Schlages, das heißt sehr unvollkommen, waren.

General von Dannenberg hatte sich mit dem Stabe unfern von Oltenitza aufgestellt. Die Kosaken plänkelten auf beiden Seiten, obschon die Stellung des Feindes jeden Flankenangriff hinderte. Das Selenginski'sche Infanterie-Regiment (Nr. 21), geführt vom Oberst Sabatinski, und das Jakutzki'sche Regiment (Nr. 22), geführt vom Oberst Bjalui, standen in Kanonenschußweite in spitzem Winkel aufgestellt, die Mitte für die Artillerie freilassend, die General-Major Wedowitschenko kommandierte. Die Ulanen unter General-Major Kosljaninoff bildeten die Reserve.

Da die Stellung der Türken nirgends umgangen werden konnte, beschloß der General den Frontalangriff. Schon während der Aufstellung der Truppen hatte die türkische Artillerie ihr Feuer aus allen Geschützen und selbst aus einigen auf dem rechten Ufer aufgestellten Mörsern begonnen.

Um ein Uhr gab der russische Befehlshaber das Zeichen zum Angriff und sandte die beiden Batterieen Nr. 3 und 5 bis auf etwa 13-1400 Schritt Entfernung von den feindlichen Schanzwerken vor, wo sie abprotzten und sofort das Feuer gegen die türkischen Verschanzungen eröffneten.

Während einer Stunde spielte die Artillerie, auf beiden Seiten trefflich bedient, wobei es jedoch der russischen gelang, bis auf Kartätschenschußweite vorzugehen.

Die Trommeln wirbelten nunmehr zum Angriff und vier Bataillone des Selenginski'schen, nebst zwei des Jakutzki'schen Regiments formierten die Sturmkolonne, kommandiert von Oberst Sabatinski.

In diesem Augenblick traf der Oberbefehlshaber, Fürst Gortschakoff mit seinem Gefolge auf dem Schlachtfelde ein.

Die Artillerie gab noch eine Salve, dann wandte sie sich zur rechten und linken und beschoß die Schanze und die Insel, während die Kolonne im Sturmschritt vorging.

Der erste Aufstoß war fürchterlich – der Tod hielt seine reiche Ernte. Die Geschütze im Quarantänehause schwiegen, bis die Kolonne auf hundert Schritt an die Pallisaden heran war, und begannen dann ihre Kartätschenfeuer auf die dichtgedrängte Masse.

Die Kolonne wankte, doch der Zuruf der Offiziere hielt sie zusammen und trieb sie vorwärts.

Eine zweite volle Lage begrüßte sie, kaum dreißig Schritt von den Verschanzungen, eine der Kugeln riß den tapfern Veteran zu Boden, der sie führte.

Diesmal widerstand die russische Tapferkeit nicht, die Bataillone wichen und stürzten in wilder Flucht zurück; zugleich warf sich die zur Seite des Quarantänehauses, zwischen diesem und der alten Schanze gedeckt aufgestellte Kavallerie auf die Weichenden und trieb sie in wilder Flucht vor sich her. Die russische Artillerie vermochte nicht einmal, zum Schutz der ihren zu feuern, so dicht geballt ineinander waren Freund und Feind.

»Nun, Fürst, verdienen Sie sich das Hauptmanns-Patent. Hinunter zu Kosljaninoff, er soll angreifen und den Leuten Luft schaffen.«

Iwan verbeugte sich vor dem Kommandierenden und gab seinem Pferde die Sporen; in wenigen Augenblicken war er bei den Ulanen und hatte die Ordre überbracht.

»Abgeschwenkt, erste, dritte und fünfte Eskadron rechts, die zweite und vierte links, die sechste in Reserve. Galopp! Marsch!« Die Kommandos erklangen, die Trompeten bliesen,, und im Galopp sausten die braven Ulanen über das schlimme Terrain, während durch die Mitte bereits die Spitzen der Fliehenden anlangten.

Die türkische Kavallerie, aus Husaren und syrischen Baschi-Bozus bestehend, erhielt von zwei Seiten den Stoß und konnte nur schwer widerstehen. Dieselben Ursachen, welche die russische Artillerie behindert hatten, dienten auch jetzt den Gegnern zum Nachteil. Ein wildes Einzelgefecht entspann sich, namentlich auf der Seite der Baschi-Bozus, die mit ihren Lanzen den Ulanen das Gleichgewicht zu halten vermochten.

Hier, neben Szamarin, im dichtesten Gewühl, befand sich der junge Fürst. Sein Gesicht war bleich, doch die Augenbrauen finster zusammengezogen, wie von einem festen Entschluß. Seine Rechte hielt den Degen, doch nur zur Verteidigung, – die Klinge war noch rein von Blut!

In solcher Nähe war der Kampf mit den wilden Söhnen der syrischen Steppen furchterregend. Die braunen Gesichter mit den blitzenden Augen, die wilden, ungewohnten Gestalten in der seltsamen, oft zerlumpten Tracht, konnten selbst die Kaltblütigkeit eines alten Soldaten verwirren. Dem Fürsten blitzte und wogte es vor den Augen, bis er einen scharfen Schmerz an seinem linken Arm hingleiten fühlte, ein Lanzenstich, für seine Brust bestimmt, hatte ihn leicht verwundet. Im Augenblick darauf hieb Szamarin den Turkomanen vom Pferde.

»Vorwärts, Kamerad, nicht geschont die …«

Der schwere Schlag eines Yatagans traf durch den Kalpak hindurch seine Stirn, zugleich durchbohrte eine Pistolenkugel seine Brust – der Tapfere breitete die Arme weit aus – in der Faust noch den Säbel hoch geschwungen – dann stürzte er unter die Hufe der Pferde, die nun den zuckenden Leichnam zertraten.

Diesmal war es der jungfräuliche Stahl, der den Tod des Kameraden rächte und sich tief in die Seite des Schützen grub. Ein wilder Schreckensruf erfolgte, als der Türke, offenbar ein Offizier höheren Ranges, fiel, und zugleich brach von der Seite her die Reserve der sechsten Eskadron in den Feind. Die regulären Reiter wandten sich zur Flucht, im Augenblick war diese allgemein; in Karriere nach dem Ufer, bis ins Wasser der Donau hinein, jagte die türkische Kavallerie, verfolgt von den Ulanen, bis das Flankenfeuer von den Batterieen der Insel diesen Einhalt gebot und sie zurücktrieb.

Bleich, schwankend auf seinem Roß, den blutigen Stahl noch an der Hand hängend, kam Fürst Iwan in den Reihen der schwer gelichteten Eskadrons zurück. Ein alter bärtiger Unteroffizier führte am Zügel den prächtig geschirrten Araber, dessen Sattel der Stoß des jungen Fürsten eben geräumt hatte. –

»Sie sind ein Glückskind, Fürst,« sagte der Cornet an seiner Seite; »ich glaube, es war der Führer dieser Horden, den Sie getroffen haben. Vielleicht findet sich in diesen goldverbrämten Satteltaschen ein Ausweis; schade, daß wir nicht Zeit hatten, den Kerl selbst zu durchsuchen.«

In der Tat fand man in diesem Reservoir der türkischen Soldaten neben dem Tabaksbeutel die Ordre des Tages, was erwies, daß der Getötete Hassan-Pascha, der Führer der Kavallerie des Korps, war.

Der Oberbefehlshaber selbst kam der zurückkehrenden Kavallerie entgegen und hörte die dem Kommandierenden erstatteten Rapporte an, während die Kolonnen sich wieder sammelten und formierten. Hierbei wurden auch die in dem Sattelzeug des gefallenen türkischen Führers gefundenen Ordres und Papiere übergeben, und von einem der Offiziere, der türkisch verstand, schnell übersetzt.

Sie schienen von Wichtigkeit, denn während die Artillerie von neuem ihr Spiel begann, zog sich der General en Chef mit dem Kommandierenden des Korps und einigen der älteren Stabsoffiziere zu einem Kriegsrat zurück.

Derselbe war in wenigen Minuten beendet, und indes General Dannenberg aufs neue seine Befehle für den Angriff erteilte, winkte der Oberkommandierende den jungen Fürsten zu sich. –

»Ich gratuliere, Herr Kapitän,« sagte er freundlich: »Sie haben sich in Ihrer ersten Affäre ausgezeichnet, wie ich sehe, sogar auf Kosten einer Wunde, und uns zugleich einen wichtigen Dienst geleistet. Ich breche in diesem Augenblick nach Giurgewo auf, wo, wie ich aus den gefundenen Papieren ersehe, unsere Positionen zugleich bedroht sind. Sie bleiben bei General Dannenberg zurück, der Sie später mit Depeschen an General Anrep und General Lüders senden wird. Von Galacz aus begeben Sie sich nach Odessa zurück. Ich hoffe, Herr Kapitän, wir sehen uns bald wieder.«

Er galoppierte davon und Fürst Iwan schloß sich, nicht ohne geheimen Stolz und dennoch trübe und ernst dem Stabe des Kommandierenden an.

Der Tag neigte sich stark, es war bereits vier Uhr. General Dannenberg hatte die Ordre erhalten, noch einen kräftigen Angriff zu machen und die Türken womöglich aus ihrer Position zu verdrängen, jedenfalls aber die eigene Stellung zu halten.

Die Trommeln gaben das Zeichen zum Antreten, und wiederum gingen die Batterieen vor und eröffneten das Vorgehen zum Sturm, während die Hälfte der Ulanen mit den Kosaken nachrücken und die türkische Kavallerie im Schach halten sollte. General-Major Ochterlone, ein Ire von Geburt, der Kommandeur der Brigade, übernahm selbst das Kommando.

Der Sturmmarsch wirbelte in kurzen Schlägen; die beiden Kolonnen setzten sich in Geschwindmarsch, die eine gegen das Quarantänehaus, die zweite gegen die große Verschanzung.

Beide gelangten zu gleicher Zeit – ohne daß die feindliche Artillerie feuerte, – an das Ziel, die erste an die Pallisaden, die zweite an die mit Wasser gefüllten Gräben vor den Schanzen.

In diesem Augenblick begann ein mörderisches Feuer aus den maskierten Batterieen der Schanzen, aus den Kanonen des Quarantänehauses und von Tuturkai herüber. Zugleich eröffneten die von der Schanze wie im Gebäude postierten Scharfschützen – nach dem mehrfach hörbaren italienischen Kommando meist Piemontesen – ein tödliches Feuer auf die Anstürmenden.

An den Pallisaden wogte der Kampf in wildester Heftigkeit auf und nieder, die Leichen türmten sich in Haufen, der Tod hielt seine gräßliche Ernte unter den Russen.

Die finsteren, verbissenen Männer sanken ohne Klage, noch im Sterben den Feind bedrohend.

Vergebens war der Ansturm; die Pallisaden fielen zwar unter dem Andrängen der Tapferen, die sie mit den Händen aus dem Boden rissen und die Stürzenden mit ihren Leichen deckten. Hinter der Wand von Holz starrte die Wand der Bajonette, aus den Fenstern des Hauses regneten die Büchsenkugeln der Scharfschützen und die Kartätschen der Inselbatterieen schlugen grimmig in die Reserve.

Drüben an den Schanzen tobte der Kampf nicht minder heftig. Von den Nachfolgenden getrieben, warfen sich die Vorderreihen in die wassergefüllten Gräben, deren Flut ihnen bis an den Hals ging. Das Gewehr hoch in der Hand, drangen sie vor, wer glitt, wer stürzte, war rettungslos verloren, die Füße der eigenen Kameraden traten ihn in den Grund. An dem Wall klommen sie empor, zehn, zwanzig, hundert stürzten hinab in das nasse Grab, aber hier krallte sich einer fest an der Böschung, dort ein zweiter, ein dritter, hundert standen auf dem Wall:

»Hurrah! die erste Schanze ist erstürmt!«

Die fliehenden Türken warfen sich auf ihre Kavallerie, Verwirrung, Toben überall, die Reiter setzten in den Strom, um die Insel zu erreichen, selbst die Infanteristen stürzten sich in die Wellen nach den Booten und Schiffen.

»Viktoria!«

Aber der Ruf war zu früh. Von der zweiten flankierenden Schanze donnerten die Kartätschenladungen in die Sieger und rissen breite Lücken. Von Tuturkai herüber schmetterten die Paßkugeln Tod und Verderben in die Reihen, ein mörderisches Feuer erhob sich von den Booten.

Von der Front des Quarantänegebäudes weichen die Tapferen, das Kreuzfeuer der Batterieen war nicht auszuhalten. Zum Glück explodierten, von den russischen Kugeln entzündet, zwei Pulverkasten in dem Gebäude selbst und rissen breite Spalten in die kugeldurchlöcherten Mauern, so daß die türkische Artillerie sich daraus zurückziehen mußte.

Aber am Ufer faßte sie neues Posto und bestrich von hier aus den Platz um das Haus und die eroberte Schanze.

Ein weiterer Angriff auf die von der Insel und Tuturkai her gedeckten übermächtigen Massen wäre Wahnwitz gewesen. General Dannenberg gab das Zeichen zum Rückzug.

Die Ambulanzen nahmen unter dem Schutze von Kavallerie-Pikets dicht vor der türkischen Stellung unbehindert ihre Verwundeten auf. Zwölfhundert Tote und Verwundete bedeckten von russischer Seite das Feld, – fast sämtliche Majors, beide Obersten waren verwundet, achtzehn Offiziere unter den Leichen; – durch die gesicherte Position war der Verlust der Gegner bedeutend geringer.

Der Sieg war unentschieden; das Dunkel des Abends lagerte sich über die blutgetränkten Fluren, die Türken kampierten am Donauufer und in der größten Schanze, die sie behauptet hatten, die Russen zogen sich auf Oltenitza zurück.

Hier – das Städtchen war verschont geblieben – in der Stube eines kleinen Häuschens fertigte General Dannenberg zunächst die Depeschen aus, mit denen Boten nach allen Seiten abgingen. Kapitän Fürst Oczakoff erhielt die Ordre, nächst nach Kalarasch zu General Anrep, so wie für General Lüders oder den Kommandierenden von Galacz, General Englhard, die Depeschen zu überbringen, welche eiligst alle disponiblen Truppen requirierten.

Die Nacht lag mit ihren feuchten Nebeln über Flur und Strom, als der neue Kapitän mit seinem Diener und zwei Ordonnanz-Kosaken durch die Straßen des Ortes schritt, um sich eine Strecke unterhalb Oltenitza im Schutz des Dunkels in einem Fischerboot zur Fahrt nach Kalarasch einzuschiffen.

Von dem Schlachtfelde her trugen die Windstöße hin und wieder seltsame Töne herüber. Aus den Häusern, die zu Lazaretten eingerichtet waren, drangen die Klagen und Seufzer des Schmerzes; – ein Zug dunkler Gestalten auf dem Wege zur Kampfstätte defilierte an ihnen vorüber: – die Totengräber gingen an ihr Geschäft!


II. Die Schlacht.

Von allen Seiten rückten am 6., 7. und 8. die disponiblen russischen Korps nach Oltenitza heran. Es galt, den Kriegsplan des türkischen Oberfeldherrn in seiner ersten Entwickelung zu brechen. Während, wie oben erwähnt, der äußerste linke Flügel des Muschirs die Verbindung mit Serbien verhinderte und die Russen in der kleinen Walachei beschäftigte, hatte Omer-Pascha seine Hauptmacht bei Tuturkai und Rustschuk konzentriert und beabsichtigte, von beiden Punkten aus die russische Position zu durchbrechen und konzentrisch gegen Bukarest vorzudringen. Zugleich sollte ein dritter Übergang bei Silistria die linke Flanke der russischen Stellung isolieren und ähnliche Versuche an anderen Punkten ihre Donaulinie in Alarm halten.

Von diesem Plan war bis jetzt nur der Übergang und die Festsetzung bei Oltenitza gelungen, und auch hier durch den raschen Angriff des Dannenbergschen Korps ein weiteres Vorgehen verhindert worden und die Versuche auf Giurgewo am 1. bis 3. gescheitert.

Dennoch gab der Muschir das Unternehmen nicht auf. Er war jetzt selbst im Lager von Tuturkai eingetroffen, zugleich mit ihm von Konstantinopel der berühmte Insurgenten-General Klapka, und unter dessen Leitung wurden die Anstalten getroffen, die Stellung in Oltenitza aufs neue zu befestigen. Die fortwährend seit dem 4. über den Strom zugeführten Verstärkungen hatten es möglich gemacht, die russischen Vorposten bis hinter Oltenitza und auf ihre etwa einen Kanonenschuß hinter diesem Ort befestigte Reserveposition zurückzuwerfen.

Am 8. standen 25,000 Mann Türken in den neu befestigten Schanzen und um das Quarantänehaus in der nämlichen Aufstellung, die bei dem Kampf am 4. so tapfer verteidigt worden war. General Klapka, der ausgezeichnetste Artillerist der ungarischen Armee, kommandierte die Artillerie und hatte zur Verbindung der Ufer über die Mündung der Argisch Brücken schlagen lassen.

Unterdeß konzentrierten sich die russischen Streitkräfte bei Budeschti und am Morgen des 9. waren in den nächsten Umgebungen von Oltenitza 35,000 Mann versammelt unter dem Kommando des Oberbefehlshabers. Zwei berühmte Artillerie-Generale standen hier also einander gegenüber.

Auch bei Giurgewo hatten die Russen ihre Stellung befestigt und unweit davon in der Richtung nach Bukarest ein verschanztes Lager von 7-8000 Mann bei Foreschti gebildet, um die Türken bei einem Übergange zu verhindern, von hier aus der russischen Stellung in die Flanke zu fallen.

Am 8. setzten die Türken von Rustschuk auf die zwischen den beiden Städten liegenden Donauinseln über und befestigten die größere derselben, die Mokomen-Insel. Die Position war gefahrdrohend, und General-Leutnant Szoimonoff, der Kommandierende der 10. Infanterie-Division, dem die Verteidigung dieses Teiles anvertraut blieb, beschloß, die Gegner von der Insel zu vertreiben, ohne erst die von Bukarest nach Giurgewo dirigierte, wegen der schlechten Beschaffenheit der Wege aber noch nicht angelangte Brücken-Equipage abzuwarten.

In der Nacht zum 9. ließ daher der General 24 Stück schweres Geschütz, dessen Räder mit Stroh umwickelt waren, um jedes Geräusch zu vermeiden und auf diese Weise dem Feind die Annäherung zu verbergen, an das Donauufer führen und am anderen Morgen, sobald der den Strom bedeckende Nebel gefallen, aus diesem das Feuer gegen die Position der Türken auf der Mokomen-Insel eröffnen.

Nach drittehalb Stunden waren die Türken, die hier wegen der Breite des Flusses vom eigenen Ufer nicht genügend unterstützt werden konnten, genötigt, die Position zu räumen. Dagegen behielten sie ihre Stellung auf einer nahe belegenen und durch die Terrain-Formation besser gedeckten Insel.

Zur selben Zeit befahl Fürst Gortschakoff den Angriff auf die Verschanzungen der Türken in und bei Oltenitza. Die Oberbefehlshaber der beiden Heere kommandierten hier gegen einander.

Am 9. und 10. bestand der Kampf größtenteils in Artillerie-Gefecht, doch wurde am letztgenannten Tage Oltenitza von den Russen mit dem Bajonnet genommen und wieder verloren. Am Abend des 10. hatte der Muschir noch unverändert seine Stellung inne.

Das Wetter war so schlecht, daß die Artillerie oft nicht feuern konnte. Dennoch wurde der Kampf mit geringen Unterbrechungen Tag und Nacht fortgesetzt.

Fürst Gortschakoff beschloß für den nächsten Tag einen gemeinsamen Angriff auf allen Punkten der türkischen Position. Die Vorbereitungen wurden während der Nacht in umfassender Weise betrieben.

Mit dem Schwinden der Nebel am Morgen begann die Kanonade aus mehr als achtzig Geschützen, denen die nicht viel geringere türkische Artillerie antwortete. Der Kanonendonner war deutlich in Bukarest zu hören.

Um 11 Uhr vormittags begann der Sturm. Drei mal wurde Oltenitza von den Kolonnen der Russen genommen, erst zum dritten Male vermochten sie es zu behaupten, doch war der Sieg nutzlos, denn alsbald beschoß die türkische Artillerie von den Schanzen den verlorenen Halt mit glühenden Kugeln und die Flamme jagte die Sieger wieder aus den erstürmten Gassen.

Am blutigsten tobte jedoch die Schlacht an den Schanzen selbst. Kolonne auf Kolonne führten die Generale zum Sturm, aber das furchtbare Kreuzfeuer von vier Punkten aus warf sie immer aufs neue zurück und ihre Toten deckten haufenweise den Boden.

Die Türken hatten Massen von Schanzkörben von Tuturkai herübergeschafft und mit diesem Material die Stellung am Quarantänehause und den Schanzen befestigt. Die Brücke über den Argisch ermöglichte es der türkischen Kavallerie, mit Erfolg an den Einzelgefechten auf beiden Seiten Teil zu nehmen.

Erst nachmittag um 4 Uhr befahl der Fürst den Rückzug; die erschöpften Truppen biwakierten um das brennende Oltenitza, neue Kraft zu sammeln für die Blutarbeit des nächsten Tages, die wahrscheinlich eben so vergeblich sein würde.

Der Generalstab hatte sich nach dem Dorfe Mitréni-Fundéni zurückgezogen und hielt dort Kriegsrat. Am nächsten Morgen wurde der Ankunft des Generals Anrep mit seinem Korps von Kalarasch entgegen gesehen und der Kampf sollte dann mit den frischen Truppen erneuert werden.

In dem Dorfe selbst herrschte das Leben eines Feldlagers nach der Schlacht; Truppen aller Waffengattungen kampierten auf den Straßen, in den Häusern und Ställen der Tscharan's (Walachischer Bauer), große Feuer, vom Novembersturm oft in langen Zungen über die ärmlichen Erdhütten hin gejagt, gaben den umherlagernden Gruppen Wärme und Nahrung. Geschrei, Lärm, Gelächter und Töne des Schmerzes überall, der Wotka und der Rakih (Scharfer Branntwein) machte die fleißige Runde, Juden, Zigeuner und zerlumptes Gesindel trieb sich zwischen den Soldaten her, Lebensmittel feil bietend, oder um Beute schachernd. Hin und wieder klang das Spiel der Zither oder der Trommelflöte, von Zigeunern gespielt, und versammelte die für Musik sehr empfänglichen Söhne des Nordens in dichten Haufen.

Vor dem Quartiere des Oberbefehlshabers herrschte nicht weniger reges Leben, Offiziere aller Grade, Wachen, Ordonnanzen, kommende und gehende Boten bildeten ein buntes Gewühl, durch das sich eben ein junger Mann in reicher, aber jetzt schmutzbedeckter ungarischer Tracht drängte, eifrig nach Kapitän Meyendorf forschend und fragend. Endlich gelang es ihm, durch das Geschenk eines blanken Dukatens eine Ordonnanz zu bewegen, den Kapitän, der als Adjutant im Stabe stand, aufzusuchen.

Bald darauf erschien derselbe und schaute sich nach dem Suchenden um. –

»Ah, sieh' da, Herr Aleko Pelin,« sagte er freundlich, als er ihn gefunden, »was führt Sie hierher aus der glänzenden Gesellschaft von Bukarest in unsere Reihen, wo der Tod seine Ernte hält? Dieser Ort ist wahrlich kein Aufenthalt für einen der ersten Stutzer der walachischen Hauptstadt, der nicht an Gefahr, Anstrengung und Entbehrung gewöhnt ist, wie sie hier allein zu holen sind.«

Der junge Mann lächelte einen Moment höhnisch bei dem Spott über seine Weichlichkeit, dann aber faßte er hastig den Arm des Offiziers und zog ihn bei Seite.

»Entschuldigen Sie, Herr Kapitän,« sagte er erregt, »daß ich die flüchtige Bekanntschaft im Hause meines Vaters des Groß-Kaminars, benutze, um in einer dringenden Angelegenheit mich an Ihre Hilfe zu wenden. Ich bin, wie viele andere, von Neugier und Teilnahme getrieben hierher gekommen und fand zufällig hier einen jungen Menschen, den ich kenne, in großer Gefahr, wegen irgend eines Mißverständnisses von Ihren aufgereizten Soldaten getötet zu werden. Es ist –« er zögerte, »zwar nur ein Zigeuner, aber ich gestehe, ich nehme großes Interesse an ihm und wußte in meiner Not nicht, an wen ich mich wenden sollte.«

Der Kapitän blickte ziemlich ernst.

»Sie sollten sich hüten vor solchen Bekanntschaften, Herr Pelin. Sie wissen sehr wohl, daß der Groß-Kaminar wenig mit Ihrem Treiben zufrieden ist und daß solcher Umgang nicht zu der Stellung paßt, die Sie sonst in Bukarest einnehmen. Doch sollen Sie sich nicht umsonst an mich gewendet haben. Wo ist der Mann?«

»Er wird in der nächsten Wache festgehalten.«

»Ich hoffe, daß er unschuldig ist und ich etwas für ihn tun kann. Kommen Sie.«

Er ging mit dem jungen Bojaren die Gasse entlang, bis sie an das Haus kamen, wohin die Korpswache sich einquartiert hatte. In dem Stübchen fand der Kapitän ein seltsames Paar. Ein junger Mensch von siebzehn bis achtzehn Jahren, in der zerlumpten Tracht eines Zigeuners, die Hände auf dem Rücken zusammengeschnürt, horchte mit bleichem Gesicht, auf dem bereits alle Spuren der Liederlichkeit sich zeigten und jetzt deutlich die Todesfurcht ausgeprägt lag, zagend auf die Trostsprüche eines Mädchens, das, vielleicht zwei bis drei Jahre älter als der junge Verbrecher, auf der Erde neben ihm saß, ohne sich um die Reden und Spöttereien der Soldaten zu kümmern.

Als sie sich bei dem Eintritt Aleko's und des Kapitäns erhob, zeigte sich ihnen eine jener seltsamen Schönheiten, wie sie die in der Walachei noch sehr zahlreiche Die Zahl der Zigeuner in der Moldau und Walachei betrug über 80,000. Sie zogen teils frei umher, teils lebten sie auf den Gütern der Bojaren als Sklaven und wurden auf das Härteste behandelt. Im Jahre 1856 wurde von dem Gouvernement in Bukarest ihre Emanzipation beschlossen und sie sollten – wo man sie nicht freiwillig der Regierung abtrat – aus der Gewalt ihrer Herren freigekauft werden. Zigeunerrasse in all' ihrem Schmutz und aller Versunkenheit oft hervorbringt: eine junonisch schöne Gestalt, die selbst das gürtellose walachische Hemd mit der breiten, rot- und gelbgestreiften Schürze nicht zu verbergen vermochte, die Züge des dunkelbraunen Gesichts regelmäßig, fein, schwärmerisch; über den Feuer und Mut blitzenden schwarzen Augen die schön gewölbten Augenbrauen, an der Nasenwurzel einander entgegenlaufend; das üppig wuchernde schwarze Haar von einem roten Tuch bundartig zusammengehalten; – das war das Wesen, das ihnen mit einer gewissen kühlen Haltung entgegen trat und sich eifrig an den Bojarensohn wandte. Der Kapitän glaubte nicht mit Unrecht in dem jungen Mädchen die Ursache des Interesses zu sehen, das der junge Mann an dem Vagabonden nahm, und erkundigte sich bei dem Unteroffizier der Wache, was derselbe verbrochen habe. Zu seinem Bedauern vernahm er jedoch, daß die Sache ernster war, als er gedacht. Der Bursche hatte sich mit anderen seines Gelichters im Hauptquartier eingefunden, und war am Abend von einer Patrouille und mehreren Gefährten dabei betroffen worden, wie sie einen russischen Soldaten, der sich verwundet zum Orte schleppte, geplündert und ermordet hatten. Der Unglückliche lebte noch und bezeichnete seine Mörder, von denen es nur gelungen war, den Zigeuner zu erwischen. Leugnen nutzte nichts, denn der Beweis lag vor und die Befehle gegen das Gesindel waren äußerst streng. Der Oberst des Regiments hatte kurz entschieden, ihn am anderen Morgen vor dem Aufbruch zur Warnung für seine Genossen aufzuhängen.

Als der junge Bojar sich daher wieder an den Kapitän wandte, zuckte dieser bedauernd die Achseln und erklärte, daß er gegen das ausgesprochene Urteil eines kommandierenden Offiziers nicht intervenieren könne und der Bursche sein Schicksal ohnehin verdient habe.

Das Mädchen – die Schwester des Verurteilten schien an der Miene des Sprechenden den abschläglichen Bescheid erraten zu haben, denn sie warf sich heftig dem Kapitän in den Weg, der bereits die Hütte verlassen wollte.

»Weile, blanker Krieger,« bat sie flehend, »und höre, was Dir Sarscha zu sagen hat. Mungo ist ihr Bruder und Mungo darf nicht sterben, denn er ist Zinka's, meiner Mutter Sohn und ihre Liebe und das Messer in ihrem Herzen. Wer sollte meinen Vater Tunso rächen, wenn es nicht sein Anblick bei ihr täte? Gib ihn frei, blanker Krieger, und die Kinder des Egyptenlandes werden Dich segnen und können Dir dienen, mehr als Du zu denken magst!«

»Machen Sie der Szene ein Ende, Herr Pelin,« sagte der Kapitän, der die walachische Sprache des Mädchens nur sehr unvollkommen verstand, unwillig zu seinem Führer, »Sie werden besser tun, sich mit mir zu entfernen.«

»Halten Sie ein, Herr Kapitän,« erwiderte der junge Mensch, dem Sarscha einige Worte gesagt hatte, während ihr Bruder jammernd zu den Füßen des Offiziers kroch. »Sie ahnen nicht, welchen Dienst Sie von sich stoßen. Das Leben dieses Burschen kann Ihrer Armee den Sieg verschaffen, die sich sonst nutzlos vor den Batterieen der Türken opfern wird. Seine Mutter allein vermag es, wenn sie will, Ihre Kolonnen durch die Sümpfe des Argisch und den Feinden in den Rücken zu führen.«

Der Kapitän horchte auf. »Was sagen Sie da? Ist das Ihr Ernst?«

»Ich schwöre es Ihnen! Die Zigeunerin Zinka ist die einzige, welche aus früherer Zeit die geheimen Schlupfwege der Sümpfe kennt, und sie wird das Leben ihres Sohnes gern mit diesem Preis erkaufen.«

Herr von Meyendorf wußte, welchen unendlichen Wert das Anerbieten haben mußte, wenn es sich bewahrheitete. Es konnte das Schicksal des Kampfes sofort entscheiden, denn, gelang es dem Feldherrn, Truppen zwischen das Donauufer und die türkische Position zu werfen, so war diese mit gänzlicher Abschneidung bedroht und der Feind mußte sich eiligst zurückziehen und war verloren. Er überlegte einige Augenblicke, dann sagte er:

»Wo befindet sich die Frau, von der Sie sprechen?«

»Sie wohnt in den Sümpfen selbst, einsam und allein mit ihrer Familie, denn ihr Stamm hat sie verstoßen und jeder Walache geht ihr mit einem Fluch aus dem Wege.«

»Wohlan, ich will Ihnen glauben und mich von Ihnen oder diesem Mädchen zu dem Weibe führen lassen, um sie selbst zu befragen. Ist das, was Sie sagen, wahr, so bürge ich Ihnen dafür, daß der Verbrecher dort frei und ungestraft ausgehen soll. Beabsichtigt man jedoch, einen Verrat an mir zu üben, so werden meine Kameraden mich rächen. Jedenfalls bleibt der Mensch als Geißel hier gefangen.«

Er erteilte dem Unteroffizier der Wache seine Befehle, schrieb einige Worte mit Bleistift an einen Kameraden, um seine Abwesenheit zu rechtfertigen, und winkte dann, daß er bereit sei, sich auf den Weg zu machen.

Sogleich hüllte sich die junge Zigeunerin in ihr Regentuch und verließ das Haus. Der Kapitän und Aleko folgten ihr, nachdem dieser noch den jungen Vagabonden beruhigt hatte.

Das Mädchen wandte sich, ohne die Anreden und Spöttereien zu beachten, die ihr von den zahlreichen Soldaten-Gruppen zu Teil wurden, nachdem sie das zum größten Teil aus walachischen Erdhütten bestehende Dorf verlassen hatten, sofort nach der Richtung der Sümpfe, die etwa 1000 Schritt zur Seite ihren Anfang nahmen. Stumm und ernst schritt sie vor ihnen her, ohne sich anscheinend viel um die Nachkommenden zu kümmern, auf einem Weg, der schlangengleich sich durch den Morast und das hohe Schilf und Röhricht wand. Aleko Pelin schien jedoch ziemlich vertraut damit, denn obschon die hohe Gestalt ihrer Führerin oft im Dunkel verschwand, geleitete er den Kapitän doch sicher und ohne sich zu besinnen den verwickelten Pfad, von dem der Offizier mit Staunen bemerkte, daß er, obwohl hin und wieder schwankend, wie auf elastischem Grund, doch sicher und fest genug war, eine bedeutende Last zu tragen.

So mochten sie wohl eine halbe Stunde in diesem Wald von Rohr fortgeschritten sein, als sie bei einer plötzlichen Wendung ein Licht vor sich sahen. Es kam aus einer jener Pfahlhütten, wie sie in den Sümpfen der Walachei die menschlichen Wohnungen bilden, während auf dem trockenen Lande die meisten Häuser oder Hütten der Landleute und ärmeren Klassen aus großen in die Erde gegrabenen Gruben, mit Holz und Moos gegen die Feuchtigkeit ausgelegt, bestehen, mit nur wenig über dem Boden emporragenden Wänden, auf denen das spitze Strohdach sitzt.

Als die Gesellschaft sich der Hütte näherte, deutete ihnen die junge Zigeunerin durch Zeichen an, zu verweilen, stieg dann rasch auf der Leiter empor, die statt der Treppe zum Aufgang diente, und verschwand im Innern.

Die Hütte stand auf acht Pfählen, war ziemlich groß und ihr Fußboden etwa drei Ellen hoch vom Sumpfboden entfernt, so daß man nicht in ihr Inneres blicken konnte. Sie bestand aus Balken und Flechtwerk von Rohr, das mit Lehm und Mörtel zu einer ziemlich festen Masse verbunden war. Die Fensteröffnungen waren durch Läden verschlossen bis auf eine, aus welcher der Lichtschein des Feuers in die dunkle neblige Nacht strahlte.

»Sie erwähnten vorhin, Herr Pelin, daß die Mutter des jungen Mädchens von ihrem Stamme allgemein gehaßt werde. Hat sie sich eines besonderen Vergehens schuldig gemacht?«

Der Jüngling trat näher zu ihm heran.

»Haben Sie nie von Zinka, der Zigeunerin und ihrem Geliebten, Tunso, gehört?«

»Die Namen sind mir unbekannt. Wer ist oder war Tunso?«

»Jeder Knabe in Bukarest, ja, in der ganzen Walachei, würde Ihnen Auskunft geben können, wer Tunso war, obschon fast zwanzig Jahre seit seinem Heldentod vergangen sind. Tunso war der gefürchtetste und berühmteste General-Einnehmer der indirekten Steuern der Walachei.«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Tunso war – was die Leute sagen – eigentlich ein Räuber, der Schrecken der Türkei, der Vornehmen und Reichen, aber der Held, der Abgott der Armen. Von den Reichen nahm er, den Armen gab er. Die Unterdrücker des Volkes zitterten vor ihm, die Lieder des Volkes singen seinen Ruhm!«

»Ich begreife nicht, wie Sie, der Bojarensohn, über einen Spitzbuben und Mörder in Enthusiasmus geraten können.«

»Tunso hat nie einen Meuchelmord begangen, es war nichts niederes an ihm und er konnte, wenn er wollte, den nobelsten Kavalier spielen. Die kleinste Erzählung seiner Taten und Abenteuer wird Sie über seinen Charakter belehren. Ich will Ihnen nur ein Beispiel anführen, das Ihre eigene Nation betrifft. In der Zeit seiner größten Macht, als er am gefürchtetsten war, hatte er in Erfahrung gebracht, daß der damalige provisorische Gouverneur der Donau-Fürstentümer, General Kisseleff, sich in der Umgegend von Piteschi aufhielt, um Bäder zu nehmen. Sofort beschloß Tunso, ihm seinen Besuch zu machen. Der General pflegte des morgens in dem großen Park, der an sein Haus stieß, spazieren zu gehen. Tunso postierte seine Bande hinter der Umfassungsmauer des Parks, schwang sich in denselben und stellte sich dem General mit dem artigsten Kompliment vor.

›Herr General,‹ sagte er, ›ich bin Tunso. Es ist durchaus nicht meine Absicht, Ihr Geld, Ihre Kostbarkeiten, oder gar Ihr Leben zu nehmen. Sie haben also nichts zu fürchten.‹

›Was wollen Sie denn?‹

›Herr General,‹ entgegnete Tunso mit tiefer Verbeugung, ›meine Braven liegen dort hinter der Gartenmauer, ich brauche ihnen nur ein Signal zu geben, und sie sind zur Stelle. Euer Exzellenz werden sich selber daraus den Schluß ziehen, daß Sie in meiner Gewalt sind.‹

›Noch einmal, was wollen Sie?‹ wiederholte der Gouverneur.

›Nichts, als Ihnen meine Aufwartung machen und Ihnen bemerken, daß ich auf Ihre Artigkeit rechne, wenn ich Ihnen in die Hände geriete, wie Sie jetzt in den meinen sind.‹

Herr von Kisseleff, der diese Anekdote selbst im Hause meines Vaters erzählte, kehrte dem Räuber den Rücken, eilte ins Haus und gab Befehl, strenge Nachforschung zu halten und Tunso, ohne ihm ein Leides zu tun, lebendig zu ihm zu führen. Aber die Jagd blieb erfolglos und Tunso lachte den General aus.

Tunso« fuhr dieser fort – »war oft als Kavalier gekleidet in den ersten Gesellschaften von Bukarest, ja, er hat sogar einen Ball des Fürsten Paul besucht und händigte dort einer schönen Griechin ein kostbares Medaillon wieder ein, das seine Leute am Tage vorher ihr bei der Fahrt durch den Wald von Panthelemon geraubt hatten. Eine Karte, die er ihr zugleich zurückließ, benachrichtigte sie, daß es Tunso selbst war, mit dem sie getanzt hatte. Auch hier entkam er glücklich der Wut des Fürsten. Er war der Schrecken der Ehemänner und das Entzücken der Frauen. Begegnete ihm aber ein Armer, ein Unglücklicher, so half und gab er ihm reichlich. Kam ihm die Kunde, daß infolge eines Sturmes, einer Überschwemmung, eines Feuers eine Kirche oder Moschee, ein Haus oder Dorf Schaden gelitten oder zerstört sei, so war er auf der Stelle da und brachte reiche Geschenke. Die Witwen und Waisen, die Unterdrückten und Verstoßenen hatten an ihm einen Freund und Beschützer. Dem einen half er mit Geld, dem anderen mit Rat oder mit seiner Rache. Darum hingen alle an ihm, überall fand er eine Zufluchtsstätte, so viel Arme und Unterdrückte, so viel Freunde und Späher hatte er.«

»Und war der glorreiche Räuber,« fragte der Offizier scharf, »auch ein Bojarensohn, wie Sie, der seinen Ruhm so zu beneiden scheint?«

Der Jüngling errötete.

»Er war armer Leute Kind, sein wahrer Name Juwanitza. Er hütete die Herde, bis die wunderbar schöne Stimme des Knaben den Popa (Geistlichen) veranlaßte, ihn zum Metropolitan nach Bukarest zu führen. Gegen seinen Willen wurde er an den Chorpult der Ober-Bisserika gestellt und blieb dort bis zu seinem achtunddreißigsten Jahre das Entzücken der Stadt. Erst als die Liebe zu der Zigeunerin Zinka seine Seele erfaßte, warf er das Joch von sich und wurde, was er war.«

»Das Mädchen, das uns geleitet, und dem Sie, Herr Pelin, etwas zu tief in die schönen Augen gesehen zu haben scheinen, und der Bursche, der zum Tode verurteilt ist, sind seine Kinder?«

»Sarscha ist Tunsos Tochter und, wie die Leute sagen, die ihn gekannt, sein Ebenbild. Aber ihr Bruder – doch sehen Sie,« unterbrach er sich, »das Mädchen winkt uns, einzutreten. Folgen Sie mir.«

Er klomm die Leiter empor, von dem Kapitän gefolgt, und beide traten in den Vorraum der Hütte, die in zwei Teile geschieden war. Ein dürftiges Lager von Schilfgras, Angeln und Fischgerät, Schlingen für das Wild und dergleichen bewiesen, daß hier der Aufenthalt des jungen Burschen war, wenn er zu Hause, was freilich selten genug vorkommen mochte.

»Du kommst zur bösen Stunde zu uns, blanker Fremdling,« sagte das Mädchen, indem sie des Kapitäns Hand faßte, um ihn in die zweite Abteilung zu führen. »Der glänzende Aldouaran hat nicht geleuchtet auf die Geburt meines Bruders. Im Verrat ward er empfangen und sein Leben ist Schande. Aber das Mutterherz bleibt ein unergründlich Rätsel, dunkler als die Linien Deiner Hand, und der Schatten meines Vaters würde ohne das Kind des Verrats in ihrem Sinne erbleichen. Tretet ein darum und vollbringt Euer Geschäft, ehe die Stunde naht, da über die Ältermutter meines Stammes der Geist kommt, der den Schleier der Zukunft hebt.«

Sie zog die Decke zurück, die den Eingang verhüllte und die drei traten in den inneren Teil der ärmlichen Hütte. Auf einem kleinen Herd von Stein brannte in der Mitte des Gemaches ein Torffeuer, dessen Rauch das innere füllte, bis er durch die Fensteröffnung oder die Ritzen und Spalten des Daches seinen Ausgang fand. An den Wänden hingen einige geringe Geräte, darunter die Guzla und das Tambourin und ärmliche Kleidungsstücke. Am Feuer auf einem niederen Schemel, die Hände wie im Schmerz verschränkt, saß eine Frau, deren einst schönes Gesicht offenbar das Leiden mehr gebeugt und gealtert hatte, als die Zahl der Jahre. Ihre großen schwarzen Augen starrten wie abwesend in die Glut und schwere Tropfen fielen aus ihnen auf die im Schmerz verschränkten Hände.

In einem Winkel des Gemaches auf der dürftigen Ruhestätte der Familie lag eine zweite Gestalt, eine alte, von dem Fieber und Rheumatismus der Sümpfe gichtisch zusammengezogene Greisin, in wunderlich bunte Lumpen gehüllt, das lange weiße Haar wirr um das welke Antlitz hängend, aus dem die erloschenen Augen gläsern und teilnahmslos auf die Fremden starrten.

Das Mädchen trat zu der Frau am Herde.

»Mutter Zinka, hier ist der blanke Soldat, der mit Dir sprechen will.«

Die Frau fuhr empor und betrachtete einige Augenblicke den Offizier, dann sank sie vor ihm auf die Knie und hob flehend die Hände zu ihm auf.

»Töten Sie ihn nicht, o töten Sie den Knaben nicht,« bat sie in den Tönen des tiefsten Herzeleids. »Der Unglückliche ist ohnehin schon der Jammer meiner Tage und die Qual meiner Nächte! Was sollte ich tun, wenn ich das Kind meines Jammers noch bleich und tot vor mir sehen müßte!«

»Euer Sohn hat einen wehrlosen, verwundeten Soldaten meines Volkes beraubt und gemordet, Frau, der auch eine jammernde Mutter hat, wie Ihr seid.« Der Offizier sagte es finster und streng; dann aber fuhr er milder fort: »Es gibt jedoch vielleicht Gnade für den Verbrecher, wenn wahr ist, was mir Eure Tochter gesagt hat. Seid Ihr aus dieser Gegend gebürtig, Frau?«

»Nein, Herr, aber ich kenne hier jeden Fußbreit in Wald und Feld, in Sumpf und Moor.«

»Gibt es Wege durch diese Sümpfe, auf welchen man auf das Ufer der Donau im Rücken der großen Schanzen gelangen kann?«

»Es laufen der Pfade viele, aber sie alle führen in die Irre und keiner zum Ziel. Einen nur gibt es, aber nur wenige, die da leben, wissen von ihm und er ist ein Geheimnis, daß diese wenigen einem, der jetzt tot ist, mit heiligen Eiden auf die Christenbibel, auf den Koran und auf den großen Stern meines Volkes gelobt haben, nimmer zu verraten.«

»Und gehört Ihr zu diesen wenigen?«

»Ich kenne ihn!«

»Wohl. Ist der Weg derart, daß nicht bloß Menschen, sondern auch Pferde und Gefährt ihn passieren können?«

»Ich habe ihn zwanzig mal gemacht, mit den Reitern dessen, der dahin ist und der schwerbeladenen Kerutza, Walachischer offener Wagen. die die Waren brachte und holte vom Donaustrand. Mein einsamer Fuß betritt ihn oft, wenn ich klage um den Verlorenen.«

»So hört. Könnt Ihr uns diesen Weg zeigen und eine Kolonne unserer Soldaten mit Geschütz noch in dieser Nacht an das Ufer der Donau in den Rücken der türkischen Stellung führen, so soll Euer Sohn nicht allein frei und jeder Strafe ledig sein, sondern Ihr selbst sollt noch eine Belohnung von zehn Goldstücken erhalten.«

»Gold? – blankes Gold?« – Ihre Züge belebten sich in der Spannung der unglückseligen Habgier, die sie einst zum Verrat des Teuersten geführt hatte. »Ich habe lange kein Gold gesehen. Zeige es mir, Fremdling, daß ich sehe, Du täuschest die Zinka nicht.«

Der Kapitän sah, wie das Mädchen sich mit zornigem Blick von ihrer Erzeugerin abwandte. Ihn selbst widerte diese Gier, die sogar den tiefsten Schmerz überwand, an, doch galt es hier höheres; er zog seine Börse und nahm eine Hand voll Goldstücke heraus, die er der Frau zeigte.

»Dies wird Euer Lohn sein, wenn ihr uns den Weg verratet.«

Das Weib schauderte.

»Verraten! Ihr sprecht das richtige Wort aus. Einmal schon hab' ich seinen Leib verraten um blankes Gold, nun soll ich wieder verraten sein Vertrauen und den Eid, den ich ihm geleistet. Verderben über mich, daß ich es tat!«

Sie begrub das Gesicht schluchzend in ihre Hände.

»Denkt an Euren Sohn, Weib. Dem Todten nützt das Geheimnis nicht, und Ihr rettet Euer eigen Kind dadurch vom Galgen.«

»Du hast recht, Fremdling. Nur dem Atmenden gehört die Welt. – Bei Azraël, dem Engel der Nacht, ich will Dir den Weg zeigen. Aber zuvor muß ich sicher sein des Lebens meines Kindes.«

»Der Ober-General der Armee selbst wird es Euch zusichern. Ich führe Euch zu ihm.«

Die Frau nickte. Dann holte sie aus dem Winkel eine große Decke, die noch mit einzelnen Resten goldener Tressen besetzt war und schlug sie um Kopf und Schultern. So trat sie zu der Greisin auf dem Lager im Winkel und rüttelte sie auf aus ihrer Lethargie.

»Ich verlaß Dich, Mutter, für diese Nacht, denn mein eigen Blut ruft mich.«

Die Alte richtete sich auf ihrem Stroh empor.

»Es sind Männer hier aus anderem Geschlecht, als das unsre. Hüte Dich Tochter; die Blanken bringen den Kindern des wandernden Vaters Unheil, und Du hast es erfahren.«

»Der Blanke bringt uns Gold, Mutter, und Aleko Pelin den Bojarensohn, der uns beschützt, kennst Du.«

»Aleko Pelin?« fragte die Alte und starrte auf den jungen Mann. »Laß ihn zu mir treten, ehe Du gehst, und den blanken Mann, der Gold brachte in unsere Hütte, mit ihm. Der Geist unseres Stammes liegt auf mir und ich muß die Worte der Zukunft reden.«

Ihr Auge belebte sich mit phantastischem Glanz, ihre Lippen murmelten vor sich hin, während der Kapitän und sein Begleiter auf einen Wink Zinkas näher heran traten.

»Reiche mir Deine linke Hand, Sohn des Reichen. Die Stunde ist gekommen, wo ich den Schleier heben darf vor der Zukunft. Auch Du, blanker Fremdling, gib mir Deine Hand, die von Deinem Herzen kommt, aber versilbere sie, auf daß meine alten Augen sich öffnen mögen und die Zunge lehren das Schicksal der Zukunft.«

Der Kapitän erinnerte sich der Gewohnheit der Zigeuner, daß ein Geschenk ihrer Prophezeihung vorhergehen muß. Er legte eines der Goldstücke auf die Fläche seiner Hand.

Die Greisin faßte hastig darnach.

»Gold,« flüsterte sie, »Gold, blanker Junge? Möge das Leben Dir so golden sein, wie Du freigebig bist. Aber die Linien Deiner Hand lehren mich, daß Du das wahre Gold nicht aus dem dunklen Schoß zu holen verstehst, wo es Dir gewachsen ist. Daß die, welcher Dein Herz gehört, Dich allzusehr liebt, das wird Dein und ihr Unglück sein! Nur das Ende aller Gefahr ist Deine Gefahr. Hüte Dich vor dem Achten!«

Sie ließ die Hand des über den seltsamen Spruch Betroffenen los und faßte die des jungen Bojaren.

»Der Edelmann gehört nicht zur Tochter des Verachteten, der Herr soll nicht sein Blut mit der Sklavin mischen. Wahre Dich vor dem Salz, Okna. Aleko Pelin wurde im Jahre 1856 vom Divan zu Bukarest als überwiesen, seit drei Jahren das Räuberhandwerk getrieben zu haben, zu zweijähriger Kettenarbeit in den Salzgruben (Okna) verurteilt. Bojarensohn; es gab nur einen Tunso, und der ist tot, aber der Verräter gibt es viele!«

Der junge Mann errötete tief, indem er ihr ein Silberstück in den Schooß warf.

»Die Alte ist längst schon wahnwitzig,« sagte er; »lassen Sie uns aufbrechen.«

Sie verließen die Hütte, aus welcher der eintönige Gesang des Weibes durch die Nacht ihnen nachscholl.

Die Zigeunerin Zinka schritt voran auf dem Wege, den sie gekommen waren. Der Kapitän folgte mit dem jungen Walachen.

»Sie sind mir noch den Schluß der Erzählung schuldig,« sagte der Offizier. »Wenn ich auch vieles erraten konnte, möchte ich doch gern näheres wissen. Was war das Ende von der Laufbahn des Räubers, den Sie so sehr bewundern?«

»Der Tod durch Verrat. Die Frau, die vor uns durch das Moor schreitet, war es, die Tunso liebte mit aller Kraft seiner Seele. Auch sie liebte ihn, aber der Teufel blendete sie und fand ihre schwache Stelle in ihrer Gier nach Gold. Als Tunso aller Nachstellungen spottete und seine Verfolger mit blutigen Köpfen davonschickte, griff man zum Verrat. Der Aga der Itschoglans (Polizeidiener) berückte die Seele Zinkas mit Bildern von Glanz und Reichtum, und auf das Versprechen von zehntausend Dukaten verriet die Zigeunerin den Geliebten ihres Herzens, den Vater ihres Kindes.«

»Er wurde ergriffen und gerichtet?«

»Nein, Kapitän, dem Henker entging die edle Beute. An der Brücke, die über den Argisch führt, auf der Straße von Bukarest nach Giurgewo, legten sich auf den Wink Zinkas die Itschoglans und Slugitori (Landdragoner, walachische Gensdarmerie) in den Hinterhalt. Zur bestimmten Stunde des abends rasselte die Keruta mit Tunso und elf seiner tapferen Gefährten heran. Da sprengten die Häscher hervor und umzingelten die Kühnen. Zehn wurden bei dem Kampf erschossen und ins Wasser des Argisch geworfen, die beiden anderen entkamen, es waren Tunso und sein Leutnant. Aber einer der Slugitori, ein gewandter Läufer, eilte ihnen nach und fand bald die Spur des Hauptmanns. Dieser glaubte, es sei sein Gefährte, und ließ den Verfolger heran kommen, bis dieser nahe genug war, um ihm zwei Kugeln in den Leib zu schießen. Trotz der tötlichen Verwundung gelang es Tunso zu entkommen und ein Gebüsch zu erreichen. Vergebens suchten ihn die Slugitori mit Fackeln dort. Aber der Schmerz der Wunden war so groß, daß Tunso erkannte, seine Stunde sei gekommen, und selbst die Häscher herbeirief. Sie brachten ihn auf einer Tragbahre nach Bukarest, wo ihm schneller ärztlicher Beistand wurde. Doch die Wunden waren tötlich und am dritten Tage starb er.«

»Und Zinka?«

»Vor seinem Tode beschied er sie zu sich. Die Verräterin liebte ihn noch immer und sank wehklagend an seinem Lager nieder, als er sie rufen ließ. Er vergab ihr und starb.«

»Aber der Sohn Zinka's?«

»Der Aga, um die zehntausend Dukaten zu sparen, ließ sie in seinen Harem bringen. Als er kurz darauf nach Konstantinopel zurückkehrte, verstieß er das Opfer seiner Willkür; der Gefangene ist ihr und sein Sohn. Seitdem sie den Schutz der Moslems nicht mehr genoß, war sie von allem, was Walache heißt, verachtet und verabscheut. Der ärmste Bauer schloß vor ihr die Tür und ihr eigener Stamm verstieß sie. So flüchtete sie mit ihren Kindern in diese Wildnis und lebt hier seit Jahren in Elend und Verachtung.«

»Und Sarscha?«

»Sie ist Tunsos echte Tochter, stolz, mutig und entschlossen. Doch das Gesetz ihres Volkes, das von den Kindern unbedingte Hingebung in den Willen ihrer Eltern fordert, ist ihr heilig dabei. Der Bauer öffnet ihr gern seine Hütte, jeder Walache ehrt in ihr die Tochter Tunsos. Aber nur der tapfere, kühne, freie, wird die Liebe dieser Zigeunerin gewinnen.«

»Nehmen Sie sich in acht, Herr Pelin,« sagte der Kapitän warnend, »daß es Ihnen nicht geht wie Tunso. Die Jugend ist leicht verführt und sieht für Freiheit und Tapferkeit an, was im Grunde nur Zügellosigkeit und Verbrechen ist.«

Sie waren an die ersten Vorposten gekommen und das Gespräch verstummte, da die Gesellschaft jetzt zusammen ging. Kapitän Meyendorf führte sie direkt zum Quartier des Oberbefehlshabers, das im Hause des Gutsherrn aufgeschlagen war und ließ dringend um sofortiges Gehör bitten.

Hier vernahm er, daß auch vom General Anrep eine Meldung angekommen sei. Derselbe sei am Morgen des Tages von Tikodeschi abmarschiert, um dem Befehl zur Verstärkung der Kolonnen vor Oltenitza Folge zu leisten. Sofort machten die Türken auch hier den Versuch, in seinem Rücken von Silistria aus über die Donau zu gehen. Der General erhielt jedoch zeitig genug Kunde, machte Halt und warf mit seiner Arrieregarde, aus Kosaken und einigen Geschützen bestehend, die Türken über die Donau zurück.

Die Audienz des Kapitäns hatte nur kurze Zeit gedauert, als Zinka, die Zigeunerin, schon in das Zimmer des Oberkommandierenden gerufen wurde. Bald darauf eilten Ordonnanzen durch den Ort.

Kaum eine Stunde nachher marschierte das Ochotzki'sche Jäger-Regiment unter Oberst Bibikoff mit zwei Sotnien Kosaken und der leichten Batterie No. 6 in der Richtung nach den Sümpfen ab. An der Spitze des Zuges, neben dem Pferde des Adjutanten Kapitän Meyendorf, schritt, in ihre Decke gehüllt, die hohe Gestalt der Zigeunerin Zinka.

Jedes unnötige Geräusch war bei harter Strafe verboten; die Posten in der Richtung nach dem Schlachtfelde von Oltenitza waren verdoppelt, um jeden Verkehr nach der türkischen Position zu verhindern.

Als am Morgen die feuchten Novembernebel sich verzogen, erblickte der türkische Oberbefehlshaber seine ganze Stellung im Rücken bedroht. Die Batterie, welche die Russen in schnell aufgeworfenen Werken am Donauufer wie durch Zauber errichtet hatten, bestrich nicht allein die türkische Position an den alten Schanzen, sondern auch den Rücken des Quarantänehauses und die Brücke über den Argisch. Seine Verbindung mit der Insel und dem jenseitigen Ufer war auf das höchste gefährdet, wenn die Russen, worauf die fortwährend zuziehenden Verstärkungen an Mannschaften und Geschützen deuteten, von dieser Seite einen Angriff zugleich mit einem Frontalsturm unternahmen. Die Gefahr erschien um so dringender, als die fortwährenden Regengüsse den Strom angeschwellt hatten, so daß die Unterhaltung der Verbindung ohnehin mit jedem Tage schwieriger wurde. Unter diesen Umständen riet Klapka selbst zum Rückzuge und der Muschir mußte sich der Notwendigkeit fügen. Nach einigen leichten Scharmützeln begannen die Türken am Nachmittag ihren Rückzug, indem sie die eigenen Verschanzungen, das Quarantänehaus und die Brücke in die Luft sprengten und anzündeten. Fürst Gortschakoff beschränkte sich auf die strategischen Operationen und drängte die Gegner nur leicht, da seine Truppen in den Kämpfen der drei letzten Tage schwer gelitten hatten. Am Morgen des 31. hatten die Türken vollständig das linke Donauufer bei Oltenitza wieder geräumt und sich auf Tuturkai zurückgezogen. Der türkische Verlust war namentlich stark unter den Albanesen und Irregulären, doch verhältnismäßig bei weitem geringer, als der auf der Seite der Russen. Man schätzt den letzteren an den vier Schlachttagen auf ungefähr 5000 Tote und Verwundete. In den Reihen der Moslems befanden sich bei dem Treffen außer General Klapka, die Engländer Lord Worsley, Kapitän Bathurst, Herbert Wilson und Leutnant Buckley, der sardinische Genie-Offizier Graf Camieri und General Prim.

Fünf Tage darauf hatte die türkische Armee auch Tuturkai geräumt und sich teils auf Schumla zurück, teils stromaufwärts nach Widdin hin gezogen.

Auch bei Giurgewo hatte am 12. ein Kampf stattgefunden. Mit Hilfe der eingetroffenen Brücken-Equipagen unternahm General Szoimonoff am Morgen mit acht Feldgeschützen, einem Bataillon Tomsk-Infanterie, einer leichten Batterie und zwei Eskadronen Husaren einen heftigen Angriff gegen die auf der Insel Moskan wieder postierten Türken und vertrieb sie gänzlich von der Insel. Unter dem Schutz ihres Feuers, das den Russen jedoch nur geringen Schaden brachte, flohen die Moslems in die Boote und erreichten das sichernde Ufer.

Die Russen stellten nach diesem Rückzuge zur Verhinderung weiterer Versuche zwei Lager von je 5000 Mann bei Frateschi nächst Giurgewo und bei Sokaritschi nächst Kalarasch auf, errichteten eine Batterie beim Dorfe Tape, gegenüber der Moskan-Insel, und verstärkten die früheren Posten bei Oltenitza durch zwei Batterien, 4 Eskadronen Ulanen und tausend Kosaken, indem sie zugleich auf den den Übergang beherrschenden Anhöhen bei den Dörfern Dobrény und Newgesti Batterieen aufwarfen.

Am 15. machten die Türken einen neuen Versuch, bei der Festung Nicopolis über die Donau zu gehen und sich Turnuls zu bemächtigen, um von der Mündung der Aluta aus, welche die Grenze zwischen der kleinen und großen Walachei bildet, auf Rusweda loszugehen und gemeinschaftlich mit den vor Kalafat vorbrechenden Scharen Szlatina anzugreifen, – wo General Fischbach mit 15 000 Mann postiert stand. General Prim führte mit Tefik-Pascha die aus 2000 Mann bestehende Avantgarde des Korps, wurde aber vom Oberst-Leutnant Schaposchnikoff vom Kosaken-Regiment angegriffen und über die Donau zurückgeschlagen.

Somit war das Ufer der großen Walachei wieder vollständig im Besitz der Russen und der Plan des Muschirs, ihre Linie zu durchbrechen, vereitelt. Nur bei Kalafat noch standen die Türken diesseits der Donau und verschanzten die von Natur aus feste Stellung. Doch begnügten sich hier beide Teile mit kleinen Streifzügen und Vorpostenscharmützeln, deren fast jeder Tag mit abwechselndem Glück und Erfolg brachte.



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