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Zeitgeschichte.

Der Pariser Monitur, das offizielle Organ der Kaiserlichen Regierung, enthält folgende Note:

 

Paris, den 1. Oktober 1860.

»Der Kaiser hat verfügt, daß eine Division Infanterie, zwei Schwadronen Kavallerie und eine Batterie Artillerie unverzüglich in Marseille eingeschifft werden sollen, um das Besatzungskorps in Rom zu verstärken. Die Sardinische Regierung ist davon in Kenntnis gesetzt, daß die Instruktionen des Generals de Goyon diesen ermächtigen, seine Aktion so weit auszudehnen, als die militärischen Bedingungen, denen dieselbe natürlicherweise untergeordnet ist, es ihmt gestatten können. Es wird nur dem Kongreß der Großmächte zustehen, eines Tages über die Fragen sich auszusprechen, welche in Italien durch die Ereignisse gestellt worden sind; aber bis dahin wird die Regierung des Kaisers fortfahren, der Mission, die sie sich gegeben hat, gemäß die Pflichtet: zu erfüllen, die ihr ihre Sympathien für den heiligen Vater und die Anwesenheit unserer Fahne in der Hauptstadt der Katholizität auferlegen.«


Der General de la Moricière hatte gleich nach seinen: Eintreffen in Ancona eine energische Verteidigung der päpstlichen Festung etabliert – aber es fehlte an allem, die Wälle und Bastionen befanden sich kann: in verteidigungsfähigem Zustand, die Armierung war gänzlich ungenügend und nur mit der äußersten Anstrengung und durch die Bravour der deutschen und französischen Offiziere konnten das wiederholte Bombardement und die Landungsversuchs der sardinischen Flotte in den nächsten Tagen nach dem Treffen von Castelfidardo zurückgewiesen werden.

Am 24. September zernierte die sardinische Armee unter Fanti und Cialdini, 50 000 Mann stark, die alles in allem nur von 5500 Mann verteidigte Festung von der Landseite und begann sie mit gezogenen Geschützen zu beschießen. Vom 25. bis zum 29. datierten die Angriffe fort, welche auf allen Seiten die geringe Zahl der Verteidiger, trotz ihrer heldenmütigsten Anstrengungen, von Position zu Position zurückdrängten. Die Flotte setzte während dieser Tage von Zeit zu Zeit ihr Bombardement fort und überschüttete die Werke an der Seeseite mit einem Hagel von Kugeln. Während eines solchen Bombardements auf den stark befestigten Leuchtturm am 29. war es, wo Leutnant Weißmantel den Heldentod fand, als er – ein Veteran aus den ungarischen Feldzügen – in der demontierten Kasemattierung das einzige noch brauchbare Geschütz, das die Mannschaften wegen der hereinschlagenden Kugeln zu bedienen verweigerten, gegen den Feind richtete!

Am Nachmittag dieses Tages sprang ein Teil der Leuchtturm-Batterien in die Luft, der Zugang des Hafens ward frei, während auf der Landseite die sardinischen Batterien die Bresche gelegt hatten.

Da erst hißte das Kastell, das Hauptquartier, die weiße Fahne auf und La Moricière schickte ein Boot mit der Parlamentärflagge an Bord des Admiralsschiffs des Grafen Persano, um zu kapitulieren.

Das Feuer verstummte – auf allen Werken wehte die weiße Fahne der Kapitulation; die seit vierzehn Tagen Tag und Nacht auf den Wällen kampierenden Verteidiger fanden endlich die ersehnte Ruhe.

Aber sie hatten nicht auf eine Infamie gerechnet, wie sie selten unter ehrlichen Soldaten vorkommt, eine Handlungsweise, wie sie eben nur in italienischem Wortbruch, in welschem Verrat möglich ist, in der Gewohnheit des Mörderdolches gegen das ehrliche Schwert!

Der Mann, der sich diese Handlungsweise zu Schulden kommen ließ, der diesen Schimpf auf seinen Namen geladen – heißt Cialdini!

Der »tapfere« General mochte dem Admiral Persano, der Ancona eingenommen, nicht die Ehre gönnen.

Gegen 2 Uhr morgens – obschon am Nachmittag vorher die weiße Flagge auf der Zitadelle wehte, rief der Donner der feindlichen Geschütze von der Landseite die ermüdete Besatzung Anconas von neuem unter das Gewehr – nicht zum Kampfe, der längst auf allen Punkten aufgegeben war, sondern zum nichtswürdigen Massakrieren. Lamoricière, in seinem ehrlichen Soldatengeist überzeugt, daß dieser Angriff nur auf einem Mißverständnis beruhen könne, eilt herbei und gibt die strengsten Befehle, das Feuer nicht zu erwidern. Er läßt auf allen Werken die weiße Fahne aufhissen und sendet Offizier auf Offizier zu Cialdini, um ihn auf die Kapitulation zu verweisen.

Aber obschon die weißen Flaggen überall dem Feinde sichtbar sein mußten, obschon die Vorwerke der Festung durchaus keinen Widerstand leisteten, rückten die Piemontesen immer weiter vor und setzten ihr Feuer fort. Sie versuchten die Tore zu sprengen und schossen aus ihren sicheren Stellungen die Verteidiger der Festung auf dem Monte Capucino wie wehrloses Wild nieder.

Erst um 9 Uhr – nach sieben Stunden verräterischen, absichtlichen Mordens, sandte Herr Cialdini seine Adjutanten, das Feuer einzustellen.

Graf Persano, zog, empört über den Angriff, seine Flottenmannschaft zurück, die bereits eine beherrschende Batterie am Land besetzt hatte. Als der Obergeneral Fanti den auf das feindliche Admiralschiff sich zurückziehenden General Lamoricière begrüßte, hatte dieser nur ein Wort und schweigend nahm der Piemontese es hin: » Général, mes soldats n'ont pas été battus, ils ont été assassinés!«

Am Vormittag wurde die Kapitulation abgeschlossen – die Festung wurde übergeben, die Besatzung zog mit klingendem Spiel aus und legte erst vor der Festung ihre Gewehre nieder. Die Offiziere behielten ihre Säbel. Kein Geschütz war auf den Wällen noch brauchbar.

Schändlich, mit echt italienischer Wankelmütigkeit, benahmen sich die Bewohner der Stadt – überall wehte die Trikolore und mit Brutalitäten aller Art begleiteten sie unter dem Schutz der Sieger die abziehenden Verteidiger.

Die Regierung des König Ehrenmanns und des Herrn Cavour handelte nicht besser. Erst das Einschreiten des Preußischen Gesandten konnte die Innehaltung der Kapitulationsbedingungen gegen die Offiziere erzwingen.

So fiel Ancona, der letzte feste Punkt der päpstlichen Marken. Auf feinen Wällen wehte die grün-weiß-rote Trikolore – und von der Engelsburg herab sanktionierte die Fahne Frankreichs den Raub.

Italienische und französische Soldblätter wetteiferten, Schmutz und Lüge auf einen tapferen Krieger und seine wenigen Getreuen zu häufen.

Nicht die piemontesischen Waffen, sondern der napoleonische Verrat und welsche Feigheit hatten den Helden von Constantine besiegt!

Schluß des zweiten Bandes.


Herrosé & Ziemsen, G. m. b. H., Wittenberg.


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