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Die große kolonisatorische Expansion der weißen Rasse, die mit dem Ende des 15. Jahrhunderts beginnt, scheint jetzt zu einem gewissen Stillstand gekommen zu sein. Glaubte man in Europa und Amerika vor dem Weltkrieg an die absolute Superiorität der weißen Rasse, so erkennt man heute, daß die alten Völker Asiens mit ihrer hohen kulturellen Tradition mindestens ebenbürtig sind. Zu ihnen gehören neben den Bewohnern Chinas und Japans die Siamesen, deren Staatsmänner in diplomatischer Meisterschaft verstanden, die Unabhängigkeit ihres Landes gegen europäische Machtgelüste zu behaupten. Gegenüber der Modernisierung Japans ist die Anpassung Siams an westliche Zivilisation weniger bekannt, obgleich sie bereits zwei Jahrzehnte früher begann.

In den folgenden Blättern wird eine Geschichte aus der letzten romantischen Zeit Siams gegeben, deren Einzelheiten größtenteils auf wirklichen Geschehnissen beruhen. Die Personen des Romans haben gelebt und leben zum Teil noch.

Die Konflikte, unter denen diese Menschen litten, erklären sich aus dem Zusammenprall der Weltanschauungen. Auf der einen Seite steht Asien mit seinen jahrtausendalten intuitiven Wahrheiten, auf der andern Seite das rationalistische Europa mit seiner zerstörenden Skepsis. Hier in Sitte und Tradition wurzelnde Polygamie, eine natürliche, sinnenfrohe Erotik – dort eine meist nur dem Schein nach bestehende Monogamie. In Siam umkleidet die Erotik alle Lebensäußerungen mit dem Schimmer märchenhafter Poesie, in Europa hat der nüchterne Alltag mit dem überhandnehmenden, häßlichen Kampf ums Dasein die feineren Formen des Liebeslebens gemordet. Der Konflikt zwischen Einehe und Vielehe spiegelt sich besonders in dem Schicksal der Hauptheldin Dok Mali wieder, die in Europa erzogen ist und zur Vorkämpferin westlicher Ideen wird. Aber nicht allein aus den widersprechenden moralischen Anschauungen, mit denen sich Dok Mali auseinandersetzen muß, entspringt die Tragik ihres Lebens, sondern auch aus allen anderen inneren und äußeren Gegensätzen zwischen Osten und Westen.

Alle überragt die Persönlichkeit des Königs, der zukünftige Entwicklungen vorausahnte und einer der weisesten Monarchen war.

Der Buddhismus ist die Grundnote des Handelns all dieser vornehmen Asiaten, und durch ihn wird das Gegenspiel aller widerstrebenden Kräfte in diesem absolutistisch regierten Staat gemildert.

Den Hintergrund der Ereignisse bilden Paläste und Tempel von zauberhaften Formen. Die Schönheit dieser flammenden Rhythmen, die noch in den letzten und leisesten Bewegungen siamesischer Tänzer und Tänzerinnen, ausstrahlt, sollte auch das Leitmotiv dieses Romans sein.

Bangkok, 10. November 1926
Ravi Ravendro


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