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Der Club der alten Herrn.

Während auf dem großen Kampfplatze des Lebens täglich neue Regimenter aufmarschieren und nach den mannigfaltigen Zielen des Besitzes und Ehrgeizes stürmen, sehen wir zu gleicher Zeit so manches gelichtete Bataillon von Veteranen aus der Schlachtordnung treten, die Waffen strecken und mit mehr oder weniger Beute und Befriedigung ein Plätzchen der Ruhe für den Rest der alten Tage suchen. Diese Veteranen des Lebens, ob sie der Waffengattung eines und desselben Standes angehörten, ein und dasselbe Abzeichen des Ehrgeizes und Glückes trugen oder nicht, pflegen gewöhnlich, wie es alten, mehr oder weniger mitgenommenen Kriegern ziemt, in den Tagen der Altersmuße einander näher zu rücken, und wir könne den pensionierten Beamten und Offizier, den zur Ruhe gesetzten Kaufmann, Professor und Börsenmann unter einem Dache, zwischen denselben vier Wänden beisammen finden, um auf das Harmloseste unter einander zu verkehren, ist ja ihre gemeinsame Losung jetzt nur noch: in Frieden und Freude zu genießen, was sie haben und das jüngere Geschlecht für sich und die Zukunft sorgen zu lassen.

Solche Clubs alter Herren sind namentlich in Großstädten nicht selten, und wenige Spaziergänger, die unter die Wirtshausschilde eines grimmigen Löwen oder Tigers vorübereilen, denken an ein höchst gemütliches, im Sommer kühles, im Winter wohlig warmes Hinterstübchen im Hof, wo sich trotz des schreckhaften Wirtshauszeichens allabendlich eine Anzahl alter, behaglicher Herren versammelt, um jede Sorge zu vergessen und die zugemessenen Stunden so heiter als möglich hinzubringen.

Das Wirtshausschild »Zum reißenden Wehrwolf« in der Kühlengrundgasse der Hauptstadt konnte einem Vorübergehenden schwerlich auch die Meinung beibringen, dass unter seien mörderischen Zeichen sich allabendlich eine Anzahl Veteranen des Lebens versammelten, um ohne Säbel, Rechenbuch und Crayon friedlich ihr Glas zu trinken und unter Scherzen und Lachen ihre langrohrige Pfeife zu rauchen; und dennoch war es so.

Jeden Abend, Winters und Sommers, sowie die Glocke sieben Schlug, machten sich einige muntere Greise auf den Weg, um je nach Temperament und Vorschrift nach der Kühlengrundgasse zu eilen und unter dem Wehrwolf wegschlüpfend jenen Hinterhof zu erreichen, wo eine schmale Holztreppe zu einer Galerie des ersten Stockes und von da nach einem völlig abgesonderten, geräumigen und höchst behaglich eingerichteten Kneipzimmer, dem liebgewordenen Versammlungsorte, führte.

Den Reigen eröffnete pünktlich wie die Uhr des astronomischen Turmes jeden Abend die hohe, hagere Gestalt des alten Kanzleirats Hemmböck, der dem Wehrwolf am nächsten wohnte und auf allgemeinen Wunsch in den rauern Jahreszeiten vor Ankunft der übrigen Genossen die Temperatur des Versammlungszimmers zu untersuchen und zu regeln hatte.

Bald nach ihm erschien unter der Einfahrt des Hauses ein blühender Greis mit schneeweißem Haar und rundem jovialem Gesichte, dem man ohne Schwierigkeit die Devise des Lebens: »Wein, Weib und Gesang« ansah, er hatte von Pique auf stark in Weinen gemacht und fand es keineswegs beweinenswert, als er sich eines Tages aus den Blumen seiner Fässer und Flaschen ein brillantes Bouquet von Reichtum zusammenband, den Wein seines Lebensrestes nur noch mit der einen Etikette versehend: Lass dir's wohl sein, holder Leib und du auch, liebe Seele! Wegen seines blühenden Aussehens und der feinen und streng nach der neuesten Mode geregelten Toilette hieß er nur der »Jüngling von Karahissar« und hatte als Gourmand das Clubistenamt, vor Eintritt in das Versammlungszimmer einen Abstecher in die Küche zu machen und an Ort und Stelle mit den weiblichen Häuptlingen des Herdes über den Abendtisch Rücksprache zu nehmen.

Der Jüngling von Karahissar war stets mit der Speiseliste kaum zu Ende und in das Clubzimmer getreten, als auch schon der Schatten eines dritten Gastes unter dem Wirtshausschilde in der Torfahrt des Hauses fiel und zwei Stiefel mit klirrenden Sporen auf dem Pflaster dröhnten. Der pensionierte Dragoner-Major Donner kam herangeritten, der trotz seiner sechzig Jahre noch sehr martialisch auftrat, auf dem Wege vom Tor zur Treppe und über die Galerie regelmäßig sieben Male so energisch räusperte, dass er stets die weiblichen Nerven des vier Stock hohen Hauses Zuckungen versetzte.

Herr v. Donner und Doria (das war sein Clubname) hatte ebenfalls sein Glück als gemeiner Soldat begonnen, war Korporal, Leutnant und endlich Rittmeister geworden, worauf er das Unglück hatte, sehr reich zu heiraten, wir sagen das Unglück – weil von dem Hochzeitstage an ein merkwürdiges Zwischenreich von Unpässlichkeit über die sonst so eisenfeste Gesundheit des Mannes hereinbrach. Jedes Vierteljahr regelmäßig kam von Seiten des Rittmeisters ein Krankenzeugnis mit Urlaubsgesuch auf einige Wochen an die Militärbehörde, bald war eine Reise ins Bad, bald eine bloße Luftveränderung nötig, um der im Dienste des friedlichsten Vaterlandes unterwühlten Gesundheit die nötige Erholung zu gönnen, das Übel fing unter den Knien des armen Leidenden an und stieg nach und nach mit rapider Verwegenheit bis zur eirunden Glatze der männlichen Oberhauptes empor, in Stechen, Prickeln, Reißen, Zwicken und anderen derartigen Späßen sich äußernd. Der Rat, da er ja reich genug sei, zum Besten des Vaterlandes die Pension fahren zu lassen und einfach zu quittieren, befolgte er nicht, aber als er sich endlich den Ruhestand mitsamt dem Majorstitel und dem höchsten Ruhegehalte erächzt und erkränkelt hatte, ließ er sich sanft aus der Höhe der Militärstandes in die bürgerliche Gesellschaft niederfallen und fand hier merkwürdigerweise seine eiserne Gesundheit wieder. Sein Lebenszweck war nun freilich jetzt ein sehr bescheidener; Ruhe, Bequemlichkeit und Genuss standen in erster Reihe, Geld und Gut, dazu auch Titel und Würden hatte er in Fülle – was war also natürlicher als noch einige gleichstrebende Jünglinge von hohen Jahren aufzusuchen und mit ihnen ein Kasino des Wohlseins zu errichten? Zu seiner Freude fand er ein solches bereits vorhanden, ersuchte um Admittierung in dasselbe, wurde mit Vergnügen aufgenommen und hatte sich seitdem durch sein gesundes, donnerähnliches Gelächter berühmt gemacht, das alle Jahre wenigstens zwei neue Anwürfe an den Außenwänden des Clubzimmers nötig machte.

Herr von Donner und Doria hatte gewöhnlich kaum seine bespornten Beine unter dem Clubtisch zurecht gerasselt, als die Türe des Zimmers wieder aufging und eine überaus seltsame Gestalt hereintrat.

Die Gestalt war eigentlich nur eine riskiert lange und schmale Zusammensetzung von Knochen, so sparsam in gelbbraune Haut gewickelt, dass ein Spaßvogel mit Recht bemerkte: wenn er die Augenlider schlösse, müsste wo anders eine Klappe aufgehen.

Dieser neue Clubgenosse war seiner Zeit ein im Fache der Intriguants berühmter Hofschauspieler gewesen, seit acht Jahren in Ruhestand versetzt, und seitdem eine zuverlässige Erscheinung im blauen Löwenwürger.

Er repräsentierte im Club das gemütlich-teuflische Element, wozu ihn sein früheres Rollenfach, ein schwarzgalliger Beisatz in seinem Temperament und besonders glücklich sein ganzes Äußere, namentlich sein langen, krankhaft hageres Gesicht unterstützten. Schon wenn er eintrat, den Knopf des Stockes an der Unterlippe, die zwei großen, unheimlich glimmenden Augen starr vor sich hinrichtend und nicht mehr Geräusch verursachend als ein Luftzug, der ein Notenblatt umwendet – da war man gewiss eines Ungeheuers von Anschlag sicher; deshalb nannte er sich selbst die »Rattenfalle« des Clubs und zettelte auch nicht selten, der Abwechslung wegen und natürlich mit Berücksichtigung der geselligen Grenzen, wahre Pulververschwörungen unter den Mitgliedern an.

War die seltsame Rattenfalle ins Clubzimmer getreten, so folgte gewöhnlich eine längere Pause, bis die noch übrigen Mitglieder auch ankamen; denn sie wohnten alle in einem entfernteren Stadtteile beisammen und pflegten einander dadurch abzuholen, dass sie sich unter die betreffenden Fenster stellten und mit Elfenbeinpfeifchen verabredete Diebeszeichen gaben.

Waren auch diese, fünf an der Zahl, im Clubzimmer erschienen, so fehlte schließlich nur noch ein wichtiges Mitglied der Gesellschaft, das gewöhnlich sechs bis zehn Minuten auf sich warten ließ. Dies geschah indessen nicht etwa des hohen Ansehens wegen, welches das ehrenwerte Mitglied der Gesellschaft unter den Freunden genoss, sondern in Folge eines durch die »Rattenfalle« angeregten und durchgesetzten Beschlusses.

Herr v. Tamerlan (so nannte ihn der Club) war nämlich gegen das Grundgesetz der Gesellschaft, das zum Eintritt in dieselbe ein Alter von mindestens sechzig Jahren erforderte, als Mitglied vorgeschlagen worden und hatte durch übermenschlich freche Ausdauer ein Jahr lang an dem Widerstreben des Clubs gewagt und gebröckelt, bis man sich endlich, um der lästigen Beunruhigung los zu werden, zum Nachgeben entschloss, aber unter der Bedingung, dass der nun Zugelassene wegen seiner noch zu unreifen Jugend von vierundfünfzig Jahren nie vor Schlag acht Uhr das Vereinslokal betrete.

Herr von Tamerlan fügte sich diesem Beschlusse ohne Widerrede und gedachte nach Verlauf eines Jahres solche Verdienste und so viel Liebe des Clubs an sich gerissen zu haben, dass, wenn er dann mit seinem Austritte drohte, das schändliche Gesetz gegen seine allerdings noch zarte Jugend notwendig fallen würde.

Es zeigte sich auch bald, dass er seine Hoffnungen nicht auf Sand gebaut hatte, denn schon nach einigen Wochen waren alle Zeichen vorhanden, dass man die Aufnahme des vierundfünfzigen Knaben nichts weniger als bereue, da Herr Tamerlan eine fast südländische Lebhaftigkeit mitbrachte und ein wahrhaft durchschlagend humoristisches Element zum großen Dank der Gesellschaft geltend machte.

Dazu war er auch von Natur und durch Übung gleichmäßig befähigt; er hatte bis zu seinem dreißigsten Jahre als erster Komiker eines großen Provinztheaters gewirkt, hatte dadurch der einzigen Tochter eines reichen Hausbesitzers so viel Vergnügen bereitet, dass sie ihn aus Dankbarkeit von den Lampen weg heiratete, was ihm, wie er sagte, jedenfalls auch Spaß machte. Nur musste er von da an das öffentliche Schauspielen fahren lassen und die Bretter, welche die Welt bedeuten, mit den häuslichen Dielen vertauschen, welche manchmal nicht einmal den eng begrenzten Frieden bedeuten. Herr v. Tamerlan fand den Preis für dieses Opfer groß und anziehend genug, ließ fahren dahin, ließ fahren die halben und ganzen Einnahmen, das Lachen und Applaudieren von Hunderten und Tausenden, zog sein Talent in die engeren Schranken des Familienlebens und geschlossener Freundeskreise zurück, wo er mit guten Erfolgen, sooft man's wollte, Gratisvorstellungen gab. Anekdoten, komische Geschichten, Nachahmungen von lebenden Personen, namentlich Schauspielern und Sängern, waren sein wichtigstes Feld, und da er nach einer Reihe von Jahren seine Frau verlor und aus der Provinz nach der Hauptstadt übersiedelte, wo es an »schönen Unglücksfällen« mit brauchbaren Persönlichkeiten nicht fehlte, so kann man wohl auf Treu und Glauben annehmen, dass Herr von Tamerlein um ein Späßchen nie verlegen war.

Diese Umstände zusammengenommen, besonders Tamerleins ehemalige erfolgreiche Beziehung zur Bühne, waren ausreichend genug, um den alten Intriganten, die Rattenfalle, von vornherein zum Widerpart des ausgezeichneten Gesellschafters zu machen; nachdem er daher das Grundgesetz gegen den Eintritt Tamerlans in den Club nicht hatte aufrecht erhalten können, so war es von da an sein still unterminierendes Bestreben, den Erfolgen des neuen Kollegen entgegen zu arbeiten und seine Bemühungen so oft als möglich zu Falle zu bringen. Schon war ihm diese Schadenfreude einige Male in mäßiger Weise zuteilgeworden, als sich endlich der erste Jahresabschluss nahte, seitdem Herr Tamerlan ein Clubmitglied geworden; diesen großen Moment wollte er nicht vorübergehen lassen, ohne den spaßigen Heldenspieler einmal recht beispiellos zum Durchfall zu bringen.

Die Rattenfalle beredete daher die übrigen Genossen des Clubs, dem Herrn v. Tamerlan, wie man etwa einer Mühle des Wasser abgrabe, am großen Festabend »den Beifall abzugraben« und bei keinem Witz, bei keiner Geschichte, die er vorbringen würde, eine Miene zu verziehen oder gar zu lachen.

Bei dem Umstande, dass Herr v. Tamerlan durch starke Ausbrücke von Beifall bereits verwöhnt war und am Jahrestage seines Eintritts in den Club auf besonders warme Teilnahme rechnen mochte, war der Vorschlag in der Tat so übel nicht und versprach einige hübsche Momente des Vergnügens. Man ging also nach einigen Erörterungen auf die Verschwörung ein, ließ sich von Seiten der Rattenfalle noch einige boshafte Verhaltensregeln geben und versammelte sich am betreffenden Abend um die gewöhnliche Stunde pünktlicher als je.

Schlag acht Uhr hörte man richtig auch die Stimme des Herrn v. Tamerlan unten im Hofe, sie näherte sich bald darauf singend den Galeriegang herüber und mit dem Schlusse des Liedes:

Ihr alten Bursche, alle,
Auf, singt mit lautem Schalle:
Ich bin ein flottes Haus!

flog endlich die Türe des Clubzimmers auf; Herr v. Tamerlan, im grünen Quäker mit Metallknöpfen, die Halsbinde, Weste und Hose schneeweiß, den Hut fidel gegen ein Ohr gerückt und ein spanisches Röhrchen schwingend, trat mit einem solchen Jugendfeuer in das Zimmer, dass Petschaft und Schlüssel an der Uhrkette in Schwankungen gerieten und sich lange nicht beruhigen wollten.

»Guten Abend«, hieß es dann, »guten Abend, meine Herren, nun wie geht's, wie steht's, wie ist's?«

»Es geht, steht und ist alles in Ordnung«, sagte die Rattenfalle ruhig und die übrigen Mitglieder, nur flüchtig mit den Köpfen nickend, fuhren fort, ihre Pfeifen geruhsam zu rauchen.

Nur fröhliche Leute
Lasst, Freunde, mir heute,
Sei's Groß oder Klein,
Zum Tore herein!

sang Herr v. Tamerlan weiter, seinen Hut ablegend und an das Pfeifengestell tretend, wo jedes Clubmitglied seine Vereinspfeife und blecherne Tabaksbüchse hatte.

»Na, was ist denn vorgefallen?« fragte die Rattenfalle scheinbar mit mehr als gewöhnlicher Neugierde: »Wenn Sie so kommen, Herr v. Tamerlan, dann müssen die Ereignisse, die Sie wissen, Hand und Fuß haben!«

Tamerlan erwiderte, wahrscheinlich, um die Spannung der Mitglieder so hoch als möglich zu treiben, die Frage mit keiner bestimmten Antwort, sondern trällerte nur eine unbekannte Melodie und stopfte dabei mit unglaublicher Behändigkeit seine Pfeife; dann, als diese angezündet und ordentlich im Feuer war, fuhr er sich einmal durch die Stirnhaare, eilte auf den Tisch zu, nahm seinen bestimmten Platz ein und sagte nach einigen Piffpaffs aus der Pfeife:

»Ha, es gibt halt immer noch Dinge, die nicht möglich sind, wie jener Bauer sagte!«

»Was ist denn vorgefallen?« fragten jetzt mehrere Mitgliede zugleich mit dem Zeichen der Spannung und rückten mit den Stühlen.

»Was vorgefallen ist?« erwiderte Herr v. Tamerlan und paffte eine Weile vor sich hin, wobei er wie gewöhnlich, als verliere er sich in Gedanken, höchst drollig nach der Pfeifenquaste schielte – »Was vorgefallen ist? Nun, Herr von Donner und Doria, dass selbst Sie noch nichts erfahren haben, das ist wirklich nicht mehr in der Kleiderordnung!«

»Ich? Wieso denn – was soll ich wissen?« erwiderte der Major.

»Wirklich? Sie fragen noch? Und die Geschichte Ihres Waffengenossen wäre in der Tat noch nicht bis zu Ihnen gedrungen?«

»Welches Waffengenossen?«

»Des Rittmeisters Pappelheim!«

»Nein, kein Wort; was ist es denn mit ihm?«

Piffpaff – »Nun, er hatte doch ein Verhältnis mit der Kaufmannsfreu NN. ...«

»Ganz recht – davon habe ich gehört, nun, ich hoffe, er hat sich wieder glücklich aus der Affäre gezogen und ruht auf seinen Lorbeeren!«

»Auf seinen Lorbeeren – freilich, freilich, wie man will – wenn man davon absieht, was sich erst gestern Abend zugetragen hat!«

Die Clubmitglieder schienen mit wachsender Spannung zuzuhören, rückten abermals ungeduldig mit den Stühlen, und der Major v. Donner sagte:

»Es wär' mit lieb, wenn Sie einfach sagen, was Sie wissen!«

Piffpaff und Hmphm – »Nun, der Kaufmann N., der Herr Gemahl der NN., meldet gestern seiner Frau im gewöhnlichen Geschäftsstile: Liebes Mäuschen, ich muss einer Angelegenheit halber sofort auf zwei Tage verreisen, sei so gut, lass mir in Eile das Nötige packen, verseh' mich auch mit etwas kalter Küche auf den Weg und vergess' nicht alle möglichen Schlüssel von Wichtigkeit an dich zu nehmen; die Frau, nichts weniger als unangenehm von der Abreise ihres Herrn überrascht, sagt, ja, lieber Mann, lässt eiligst packen, legt kalte Küche dazu, nimmt zärtlichen Abschied von der stärkeren Hälfte ihres Lebens – und beeilt sich dann, das schreckliche Unglück, ihren Mann zwei Tage nicht in ihrer Nähe zu haben, dem Herrn Rittmeister zu melden, der denn auch nichts Eiligeres zu tun hat, als das Amt eines Trösters zu übernehmen und sich für den Abend bei der NN melden zu lassen. Er hält auch Wort, er ist noch schneller als der Abend da, kommt schon vor Einbruch des Dunkels an, findet eine überaus warme Aufnahme, wird zum Dank aufs Beste regaliert und glaubt ohne Gefahr eines Überfalles seinen Aufenthalt bis tief in die Nacht verlängern zu dürfen; – da kommt gegen elf Uhr des Nachts das Mädchen der NN ins Zimmer mit der Schreckenskunde: Ihrer Gnaden gnädiger Herr komme zurück, er sei schon zur Haustüre herein und auf der Treppe! (Piffpaff) Was ist zu tun? Es gibt nur eine Treppe, auch münden alle Zimmer nach eben dieser einen Treppe, die Fenster des zweiten Stockes haben zum Hinausspringen eine zu gesunde, luftige Lage – zudem ist Herr N. gerade jetzt von einer wahrhaft fanatischen Eile besessen, er ist bald auf der obersten Stufe der Treppe – jetzt gar schon im Vorzimmer zu hören – hilf Himmel, was bleibt übrig als der große Wandschrank, wie gewöhnlich, Herr Pappelheim trabt also in den Wandschrank hinein, die Türflügel schlagen hinter ihm zu – und schon steht auch der Herr und Gemahl der Dame auf der Schwelle. ...

»Guten Abend, süß Weibchen, da bin ich wieder – unerwartete Abkürzung meiner Reise, eine Depesche erreichte mich in B., die Sache ist in Ordnung, ich bin wieder da – ach, wie erhitzt und hungrig! Gib mir nur zu essen und zu trinken!«

»Ach, zu essen und zu trinken genug, Liebmännchen, mach dir's bequem – und wie froh ich bin, dass du wieder da bist; – Lieschen, Lieschen! Meinem Manne einen Teller Suppe, den Braten schnell ans Feuer, eine oder zwei Flaschen Wein!« (Piffpaff)

»Indessen legt der Herr Gemahl seinen Hut beiseite, reißt sich, glühend vor Hitze das Halstuch herunter, zieht den Rock aus und will nach dem Wandschrank, um die Kleidungsstücke zu verwahren; die Gattin aber tritt ihm in den Weg, umarmt und küsst ihn herzlich, sagt: O, lass nur, Männchen, ruh' du lieber aus, ich selber will's schon machen; – was der Herr Gemahl abermals nicht zugeben will, indem er sie sanft bei Seite drückt: Nein, las nur, hol' du lieber meinen Schlafrock, Kind; – aber sie nicht faul, erwidert zärtlich: Wo denkst du hin, mein Schatz, sitz' hin, die Kleider und den Schlafrock will ich dir besorgen; – was der Herr Gemahl aufs Neue nicht gewähren will, worauf die Frau noch wärmer ruft:

»Mein Oskar!«

Er hinwieder: »Adelaide!«

Sie von Neuem: »Mann, o Mann meines Herzens!«

Er aber frisch dagegen: »Freudenkügelchen des Leben!«

Sie: »Und das für alle die Lieb' und Opfer? Nochmals, lieber Oskar!«

Er: »Zum letzten Male, Adelaide!«

»Und kurz und gut: der Herr Oskar schiebt seine bessere Hälfte schließlich fest und ohne Unglücksahnung bei Seite, reißt den Flügel des Wandschrankes auf und sieht – den Herrn Pappelheim da stehen, gestiefelt und gespornt ...

Eine Pause entsteht; Herr N. starrt eine Weile sprachlos nach der Erscheinung und fragt dann mit verschleimter Stimme:

»Herr Pappelheim, beim Teufel, was machen denn Sie da?« Worauf Herr Pappelheim, noch viel verschleimter, erwidert:

»Ich geh' spazieren! ...«

Nun muss man wissen, dass Herr v. Tamerlan, wenn er die Pointe einer Erzählung wie den Pfropfen einer Champagnerflasche losgeschossen, wohlweislich stetes sein eigenes Vergnügen so lange zurückhielt, bis der Haupteffekt die nötigen Verheerungen unter seinen Zuschauern angerichtet hatte; erst dann gab er selbst eine geordnete Tonleiter von Gelächter zum Besten, welche bei den leicht beweglichsten der Zuschauer noch einmal eine Art Nachsommer von Vergnügen hervorrief.

Diesmal aber presste ihm der Schrecken, das auch nicht eine Miene sich verzog, nicht eine Lachstimme sich hören ließ, sein verhaltenes Vergnügen vor der Zeit aus der Kehle, er stieß einige seltsame Töne hervor, schwieg plötzlich wieder – und starrte betroffen die guten Freunde an, welche, gleichsam allerlei Sorgen und Mühen des Lebens nachsinnend, ruhig vor sich auf die Gläserdeckel blickten und mit schlaffen Lippen an den Pfeifenspitzen rieben.

Der Rattenfalle war es vorbehalten, nach einer schrecklichen Pause des Schweigens an den schwerbetroffenen Erzähler mit dem Tone reinster christlicher Sanftmut und Familienteilnahme die Frage zu richten:

»Apropos, lieber Nachbar – dass ich's nicht vergesse: was hören Sie denn von Ihrem guten Bruder, dem Doktor, ich habe den Mann immer recht gut leiden mögen – schreibt er Ihnen denn von Zeit zu Zeit?«

Herr v. Tamerlan fühlte ein Drücken der Wehmut in der Kehle, fasste sich endlich und erwiderte mit einer Wärme, die von großer Elastizität seines Wesens zeugte:

»Ob ich von ihm höre! Ob er mir schreibt! Hat er doch gerade in neuester Zeit wieder saubere Dinge erlebt, die erzählt zu werden verdienen!«

»So? Und was denn? Heraus damit, Freund!« riefen alle Clubgenossen plötzlich wie aus tiefem Nachdenken erwachend; aller Augen hafteten mit hoher Spannung an den Mienen der Gefragten, und die Stühle rückten wieder lebhaft hin und her.

Piffpaff – Herr v. Tamerlan war durch diese Zeichen von Aufmerksamkeit wieder vollkommen zufrieden gestellt und mit feuriger Gefälligkeit begann er:

Paffpiff – »Nun, da er Arzt ist, mein Bruder, wie Sie wissen, wird er z. B. neulich von einem vierschrötigen Viehhändler besucht, der sich beklagt, dass er schon lange nicht gesund und ruhig mehr schlafen könne. So, nicht schlafen? Sagt mein Bruder – ja, dann rat ich euch eben, einige Bäder zu nehmen und in acht Tagen wieder zu kommen und zu melden, wie sie gewirkt haben. Der Mann nimmt den Rat des Doktors an, genießt die Wohltat der Bäder, kommt auch nach acht Tagen wieder und sagt: Herr Doktor, ich dank' für den guten Rat von wegen der Bäder, sie haben mir angenehm und recht viel Appetit gemacht – aber schlafen kann ich dessentwegen immer noch nicht! Noch immer nicht schlafen? Sagt mein Bruder – gut; wenn die Bäder nicht geholfen haben, so will ich euch etwas verschreiben, das euch jedenfalls Schlaf bringen wird; – er verschreibt dem Manne also Opium, das der gehorsame Patient auch richtig kauft und verschlingt; aber die acht Tage sind kaum noch vorüber, so ist der Mann auch wieder bei meinem Bruder und klagt: Herr Doktor, das Opium war recht und gut – aber von Schlafen ist immer noch keine Rede! Was? ruft mein Bruder, immer noch nicht schlafen, nach Bädern und Opium nicht schlafen, ein gesunder Mensch wie Sie? Zum Teufel, Mann, was habt ihr aber auch? .... Ich hab' Wanzen – sagt der Mann und heftet flehentliche Blicke auf den Doktor!«

Aber kläglich, kläglich. Die Zuhörer schienen das Opium der Anekdote selber verschluckt zu haben, so schlaff und lebensmüde hingen sie auf ihren Stühlen.

Der Jüngling von Karahissar, von Natur etwas leicht zum Schweiß geneigt, zog mit einem in seiner Art unbezahlbaren Gesichte ein Taschentuch aus dem Rocke und beseitigte einige kalte Tropfen von der Stirn; der Major, auf dem Nacken sitzend und beide Beine weit jenseits der Landesgrenze der Tafel wider die Wand stemmend, schien der Erzählung einer langen, zur Not bei Aufmerksamkeit erhaltenden Kriegsoperation zuzuhören, während der Intrigant, dem das Vergnügen die unheimlichen Augen weit aus dem teuflischen Gesichte trieb, einige Tropfen verschütteten Bieres auf dem Tische benützte, um mit dem Zeigefinger ein unbestimmtes Netz von Linien zu zeichnen, welches nach Art von Kindermalerei an Mauern ein menschliches Profil darstellte, mit zwei Augen auf einer Seite.

Ihn auch, der Rattenfalle nämlich, war es vorbehalten, nach einer ins Unbehagliche führenden Pause das Wort wieder zu ergreifen und mit dem Tone der liebenswürdigsten Humanität wie in halber Zerstreuung zum Schwergefallenen zu sagen:

»Also ist er wohl, Ihr Herr Bruder. Nun das freut mich. Und wie geht es seiner lieben Frau? Nicht wieder etwas Kleines unterwegs?«

Die Lippen Tamerlans machten Bewegungen, die unter Brüdern für schmerzliche Zuckungen gelten mussten; nach einer Pause, die er ohne Antwort vorübergehen ließ, stand er auf, als wollte er seiner schlecht gestopften Pfeife mehr Luft verschaffen, und trat an die Seitenwand des Zimmers, wo der große Pfeifenräumer an einem Nagel hing.

»Auch meine Schwägerin ist wohl«, sagte er endlich, um nur durch einige menschliche Laute die tödliche Stille zu unterbrechen, und wühlte dabei mit sehr trüben Augen in den untersten Tiefen seiner Pfeife.

»Dann erlauben Sie ja«, fuhr die Rattenfalle, wo möglich noch holder, fort, »dass ich auch nach dem Freunde Ihres Herrn Bruders frage – dem Herrn Stoldinger, einem mir unvergesslichen Humoristen, der, das Nützliche mit dem Angenehmen verbindend, im Stande ist, einen ganzen Abend allein das Wort zu führen und die Gesellschaft doch nie fühlen zu lassen, dass in der Unterhaltung Eintönigket walte ... Wie geht es ihm?«

Noch einmal schien durch dies Frage für Herrn Tamerlan ein glücklicher Augenblick zu dämmern und die schwere, doppelte Niederlage einigermaßen gut zu machen; mit einer nur ihm, Herrn Tamerlan, eigentümlichen Schwungkraft des Gemütes raffte er daher seine letzten Kräfte zusammen, zündete rasch die frisch gestopfte Pfeife wieder an und, auf seinen Posten am Clubtisch eilend, begann er, zwar noch etwas blass, aber seiner Sprache vollkommen mächtig:

Piffpaff – »Ja, das ist der Mann, der den Sperlingen Salz auf die Schwänze streut; ein Juwel von Gesellschafter, en Falk, wo es auf einen Scherz oder Witz losgeht ... Ha, erst neulich wieder ...«

»Ach, was war es – sagen Sie doch«, riefen die Clubgenossen wie aus einem Munde und rückten wieder mit den Stühlen

Paff – fuhr Herr Tamerlan nach einigen Kraftzügen aus der Pfeife fort:

»Nun, neulich ist die Stadt in Folge einer Gemeindeangelegenheit in großer Aufregung, es wird von Seiten des Bürgermeisters eine große Versammlung ausgeschrieben, die auch zusammenkommt und im Rathaussaale lebhaft verhandelt. Der Herr Bürgermeister, der sich zu einer langen, gediegenen Rede vorbereitet hat, tritt denn endlich auf, um die Gemüter zu beruhigen, bleibt mitten in seinem ciceronianischen Vortrage stecken, starrt eine Weile vor sich hin – und sagt endlich mit triefender Stirn: Meine Herren – bedauern Sie mich – ich habe mein Gedächtnis verloren! – Man schließe die Türen, ruft der Freund meines Bruders, zehn Louisdor dem ehrlichen Finder, es sind lauter anständige Leute hier, der Herr Bürgermeister muss sein Gedächtnis wieder haben!«

Nach diese Worten griff Herr Tamerlan sogar zu dem verzweiflungsvollsten Mittel eines Komikers, indem er zuerst lachte, um die Clubgenossen um jeden Preis mit sich fort zu reißen; – allein auch dieser Aufwand war vergebens ...; die Gesellschaft war auch diesmal wieder in die wunderlichste Lethargie verfallen, auch kein Laut kam über ihre Lippen. Ja, die Rattenfalle hatte den, mindestens zwanzigjährige Zuchthausstrafe verdienenden Einfall, plötzlich aufzublicken und nach der anstoßenden Türe horchend zu sagen:

»Hat es nicht geschossen?«

Worauf er sich mit großer Behändigkeit erhob und, als wollte er dem merkwürdigen Falle auf den Grund kommen, aus dem Zimmer eilte.

Seinem Beispiele folgten sofort auch bis auf Monsieur Tamerlan alle übrigen Clubmitglieder – und nach wenigen Augenblicken war das Zimmer öde und leer ...

Herr v. Tamerlan saß eine gute Weile wie leblos auf seinem Stuhle und schien Hören und Sehen eingebüßt zu haben; denn er gewahrte nicht einmal den Kopf eines Frauenzimmers, welches von der Galerie her durch die Türe guckte und zu wiederholten Malen ausrief:

»Mein Gott, wo sind denn all' die Herrn hin? Ist denn der Kellner nicht da?«

»Was wünscht sie, Frauenzimmerchen«, sagte Herr v. Tamerlan endlich, zu sich selber kommend und in sehr weicher Stimmung.

»Ach, wenn die Herren das Abendesse nicht bald kommen lassen, so verderben die Suppe, der Braten und der Salat!« sagte die Köchin.

»Die Herren werden gleich wieder da sein«, sagte Tamerlan und versuchte, ob seine erbärmlich mitgenommenen Gliedmaßen das Aufrechtstehen vertragen könnten; – »sie werden gleich wieder da sein«, fuhr er fort und bewegte sich langsam nach der Türe, wo die Köchin jetzt in ganzer Figur erschienen war: »Wir werden das Essen holen lassen, sogleich, liebe Guste; – bleib' sie noch ein wenig da, warum eilt sie denn so sehr?«

»Ich habe keine Zeit, ich muss seh'n, dass ich den Kellner auftreibe; – das ist heute ein Wirrwarr, dass man gar nicht weiß, wo einem der Kopf steht!«

»Da steht er, da, Augustchen, auf zwei handfesten Schultern und einem schneeweißen Hals«, sagte Tamerlan, der vor Sehnsucht nach einem teilnehmenden Wesen förmlich stotterte: »Bleib' sie bei mir ein wenig, bleib' sie bei mir, ich bin doch gar zu sehr allein!«

»O, Sie Spaßiger«, sagte die Köchin, »hätt' ich das gewusst, ich wäre um keinen Preis hereingekommen!«

»Um keinen Preis? – Ach, ja doch, ja – zu deinem eigenen Lob und Preis gewiss, o leugne das nur nicht!«

»Haha!« lachte die Köchin.

»Haha!« lachte Herr Tamerlan auch mit, erfreut über den ersten kleinen Beifall dieses Abends: »Bleib, mein Kind, ach bleib' – und sage mir ...«

»Was, Sie schlimmer Herr ...?«

»Wie alt – wie alt ist sie wohl jetzt, Auguste?«

»Das muss man ein Frauenzimmer gar nicht fragen; – aber meinetwegen – ich bin jetzt volle dreißig Jahre alt!«

»Volle dreißig Jahre? Ich schwöre dir, nein! – und wenn es wahr ist, so tröste dich – du wirst dich täglich mehr davon entfernen!«

»Hahaha!« lachte die Köchin wieder.

»Hahaha!« fiel Herr Tamerlan durch Tränen lächelnd ein – und da sich jetzt die Köchin losmachte und über die Galerie nach der Küche eilte, so machte sich Herr Tamerlan, der um jeden Preis eine teilnehmende Seele haben musste, auch auf den Weg und folgte nach den Hallen des Herdes, um sich noch ein wenig leichter ums Herz zu reden ...

Lange währte Tamerlans Anwesenheit in der Küche, viel Tiefsinniges wurde geredet, Herr v. Tamerlan starrte oft lange mit tränenschweren Augen in das Feuer des Herden – sprach irre und wieder vernünftig – brachte das Herz der Köchin oft aus dem Konzept und wieder hinein – und wenn ihm, wie man zu sagen pflegt, mitten in der Trauer über die Treulosigkeit des Lebens ein Witz passierte, da lachten sie eins hinterm anderen her recht von Herzen, näherten sich zusehends von Minute zu Minute, schlossen nach und nach ihre Herzen mit ungetrübtem Vertrauen auf und ließen einander die sämtliche Habe von Gefühlen mit uneigennützigster Bereitwilligkeit sehen ...

Und so darf es denn nicht wundern, wenn aus bloßem Bedürfnis nach einer guten Seele bald ein kleines Missverständnis von Seiten der Köchin erfolgte – und Herr Tamerlan, noch tiefgebeugt und schmerzlich verwirrt, schließlich zu seiner wieder um den Clubtisch versammelten Gesellschaft zurückkehrte, um durch eine Hiobspost das Eis des Abends zu brechen.

»Wo sind – wo bleiben Sie, Freund?« rief man ihm entgegen, als er noch sehr angegriffen in das Clubzimmer trat.

»Hier bin ich«, sagte Tamerlan – »und wundern Sie sich nicht, meine Herren, wenn ich aus guten Gründen heute auf dem Platze bleibe!«

»Wieso? Wieso?« riefen alle Clubmitglieder.

»Verlassen von aller Welt – auf meine schwache Unschuld allein angewiesen – habe ich soeben ein teilnehmendes Herz gefeilscht – und weiß Gott, habe sogar – halb zog sie mich, halb sank' ich hin – eine – eine Braut gefunden ...«

»Was?« erscholl es mächtig durch das Zimmer.

»… Sie ist gut, sie ist teilnehmend, sie ist fleißig und heiter und lacht gern – hat mich armen Gebeugten kein Wort ohne freudigen Beifall sagen lassen – und obwohl ich's eigentlich nicht so meinte, als sie es verstand; – so hatte sie endlich doch, ich weiß wirklich selbst nicht, wie, mein Wort und meinen Schwur – und mag's da recht sein, wem es will – meine Situation hat's verschuldet – ich liebe nicht so sehr, als ich heiraten werde: die Guste, die Köchin – den lieben Trampel des Herdes!«

Zu dem letzten Ausruf mochten ihn jedenfalls die unbeschreiblich heiteren Mienen der Gesellschaft fortgerissen haben, die ihn hoffen ließen, dass eine glückliche und verwegene Darstellung des Verhältnisses den bisher gebundenen Beifall aus dem Banne lösen würde; – er täuschte sich auch nicht; – denn er hatte die letzten Worte kaum gesprochen, als die Freunde im Chor vor Vergnügen aufbrüllten und der Major von Donner und Doria den Aufenthalt im Zimmer lebensgefährlich machte, da sein donnerähnliches Gelächter jeden Augenblick die Decke des Zimmers herab zu werfen drohte.

»Das war ein Witz, der dem großen Moment Ihres Eintritts in den Club geziemte«, rief der Jüngling von Karvhissar und hob das Glas auf das Wohl des neuen Brautpaares.

Selbst die Rattenfalle reichte dem Unglücklichen die Hand über den Tisch hinüber und sagte mit vor Schadenfreude glänzenden Augen:

»Dieser Abend soll mit den Flammen des heiligen Herdes in unsere Freundesherzen geschrieben bleiben!«

Herr v. Tamerlan lebte unter fröhlichen Beifallszeichen wieder auf, und ob er auch manche stillte Wehmut über die Hast der Verlobung zu bekämpfen hatte, so gab er doch, wärmer und wärmer werdend, tausend gute Einfälle preis und durfte von diesem Abend an wie jedes andere Mitglied – schon vor acht Uhr abends im Clubzimmer erscheinen.


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