Wilhelm Raabe
Das Horn von Wanza
Wilhelm Raabe

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Neunzehntes Kapitel

Ob der Neffe der Frau Rittmeisterin Grünhage jetzt gleichfalls den Schemen seines Onkels oder der Jungfer Lunkenbein in der Türöffnung zu erblicken erwartete, mag zweifelhaft bleiben. Jedenfalls hatte er sich aus des verstorbenen Oheims Lehnstuhl halb erhoben und sank mit einem erleichternden Seufzer erst dann auf den Sitz zurück, als in der mittelalterlichen Pforte des Gemaches eine wohlbekannte Stimme durch das Gewölk mit einschlürfender Nase sprach:

»Ei, ei, welch ein Gedüfte allhier! Da sitzen richtig die beiden Geistbeschwörer, und rundum spukt es wahrlich in mehrfach aromatischer Weise. Wonach riecht es denn aber eigentlich?« Es war der regierende Bürgermeister von Wanza, der durch die Dunkelheit seinen Weg zum Teichtor und im Teichtorturme hinauf gefunden hatte und vor welchem sich sein städtischer Unterbeamter wahrscheinlich aus Respekt ein wenig unsicher auf die Füße stellte und mit zwei militärisch grüßenden Fingern an der Schläfe wie im Dienste beruhigend meldete:

»Nur ein bißchen nach dem Herrn Rittmeister Grünhage, Seligen, Herr Burgemeister! Nach seinem Wacholder nämlich, Herr Burgemeister. Es war der letzte Krug von seinem Nachlaß, und wieso konnte ich denselbigen schicklicher herauf aus dem Keller holen als anjetzo zum Vergnügen und der Ehre von seinem Herrn Nevöh? Sie kommen aber grade noch recht zum Ende von der Geschichte, Herr Burgemeister.«

»Hm, hm«, sagte Freund Dorsten, trat näher an den Tisch, warf einen ziemlich verständnisvollen Blick über ihn hin und sodann auf den Freund aus der Lüneburger Heide und meinte:

»Nun, daß du mehr als einen Geist heute abend gesehen hast, das sieht man dir wohl an, mein Sohn. Jedenfalls hast du hier beim Meister Marten in deines seligen Onkels Lehnstuhl recht gemütlich gesessen. 's ist die Möglichkeit, wozu die Jugend, sobald man sie nur einen Moment aus dem überwachenden Auge läßt, einem sofort hier an der Wipper verführt wird unter dem Vorwande, der Familiengeschichte bis in die rührendsten Einzelheiten nachzugehen! Ja, wohl ist das so behaglicher, als es sich auf dem Rathause von mir in den Akten nachschlagen zu lassen. Mathilde hatte ganz recht, daß sie mich vorhin noch einmal vor dieser Familie warnte, als sie sich erkundigte, ob du außer der Tante Grünhage auch sonst noch weibliche Verwandte in der Welt besäßest, und ich ihr erwidern mußte: Ein halb Dutzend allerliebste Schwestern.«

»Sprich Vernunft, Dorsten, ich bitte dich!« rief der Bruder unserer Alten lachend; doch Dorsten, ohne sich irremachen zu lassen, stöhnte:

»O Calvisius! Die habe ich heute nachmittag auf dem Rathause grade lange genug vergeblich geredet, und davon – sogleich. Fürs erste, Marten, lassen Sie sich durch Ihre Stellung zu mir nicht abhalten, mir einen Stuhl und gleichfalls einen Tropfen aus dieser unheimlich-verführerischen Flasche anzubieten. Es war in Ihrer Angelegenheit, daß ich mir in der Magistratssitzung den Hals – gegen die Kultur der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts wund gesprochen habe. ›Laboremus! – sonst weiter gar kein Grund zur Fidelität!‹ sagte der Kaiser Septimius Severus, als er in der Stadt York zum letztenmal zu Bette ging. Dieses Glas den Manen deines Onkels und deiner gottlob noch ganz lebendigen Tante! Wahrlich, ein Tropfen, der der alten Kriegsgurgel, dem braven bonapartistischen Landsknecht Onkel Dietrich, alle Ehre macht, aber an dem Resultate der heutigen Sitzung nicht das mindeste ändert. Möge die Frau Rittmeisterin Sie und mich an den Gefühlen von Wanza rächen; wir mit den unsrigen sind abgeblitzt an dem Verstande des verruchten Philisternestes; es ist nichts mit dem Horn von Wanza, Marten Marten!«...

»Wieso?« fragte der Student, wie nach einem entglittenen Faden in seiner Erinnerung tastend; doch der Nachtwächter von Wanza schüttelte nur lächelnd und gleichmütig das graue Haupt und meinte:

»Dieses brauchten Sie mir eigentlich gar nicht mitzuteilen, Herr Burgemeister. Ich wußte es schon im voraus!«

»Wieso?« fragte der Philologe zum zweitenmal.

»Je ja, Herr Studiosius, Sie haben es wohl natürlich schon vergessen, daß heute nachmittag Magistratssitzung gewesen ist und daß der Herr Burgemeister so gütig sein wollte, sich zu meinem Jubiläum meiner anzunehmen und die Herrn zu bitten, mir mein altes Horn für den Rest meiner Lebens- und Dienstzeit wieder zu gestatten.«

»Je ja!« rief der Student, ohne es zu wissen ganz und gar in die Stimmung, den Ton und Ausdruck des Alten mit seiner Interjektion fallend.

»Eine nette Sitzung war's, in der ich mich Ihnen zuliebe, Marten, und Ihres abgeschmackten Hornes wegen wieder mal zum Narren habe machen lassen!« berichtete der Bürgermeister mit sozusagen behaglichem Verdruß. »Eine Sitzung, in der wir uns wie noch nie auf der Höhe der Zeit befanden. Hier sitze ich denn, geknickt durch den Bürgervorsteher Tresewitz, – der Senior der Caninefaten hingeredet durch einen schnöden Wanzaer Lichtzieher und Seifensieder! Es ist zu großartig!... Geben Sie mir noch ein Glas von des alten seligen Stadtonkels konzentriertem Waldduft, Marten! Weder auf Universitäten noch hier im Amte in Wanza habe ich je eine Herzstärkung so nötig gebraucht wie in diesem Moment. Fünfundzwanzig Taler Gratifikation für Ihre fünfzigjährigen Dienste sind Ihnen verwilligt, Marten; aber was Ihr Horn anbetrifft, so – will ich den Seifensieder Tresewitz seine Gründe gegen die Wiedererweckung desselben selber vortragen lassen. Ich habe Gefühle geredet, er aber Verstand. O Calvisius, Calvisius, hätte ich mir doch auch einen Sklaven für meine Gefühle halten können, als ich heiser wie ein mit vernünftigen Gründen übernudelter Gänserich zum Si vobis videtur, discedite, Quirites! kam, zur Abstimmung schritt und das Fazit der Beratung zog.«

»Wenn Sie so gütig sein wollen, Herr Burgemeister; für den Meister Tresewitz und seine Ansichten habe ich immerdar ein Ohr übrig.«

»Und ein jegliches in der Versammlung der patres conscripti von Wanza, Grünhage, wurde um ein bedeutendes länger, als er sich zum Worte meldete, es leider erhalten mußte und sich erhub, – das kann ich euch versichern.«

Der Bürgermeister von Wanza erhob sich gleichfalls von seinem Holzschemel im Teichtorturm, suchte nach Möglichkeit wie ein Wanzaer Lichtzieher auszusehen und redete mit dem Seifenfabrikanten Tresewitz, wenn nicht in der Brundelweis, dem Blutton, der spitzigen Pfeilweis, der verschlossenen Helmweis, so doch unbedingt in der Blasii Luftweis noch einmal gegen das Horn von Wanza.

»Herr Burgemeister und meine Herren. Sie kennen mich, und ich kenne Ihnen. Unsern städtischen Nachtwächter Marten kennen wir auch allesamt, und was er uns wert gewesen ist durch diese letzten fünfzig Jahre, hat der Herr Burgemeister uns soeben recht gut und zu seinem Lobe auseinandergesetzt. Daß ich auch heute mit der Majorität gehe, glaube ich wohl schon; aber, meine Herren, ich meine doch auch: erst noch mal sich's ein bißchen überlegen und überdenken, ehe man sich möglicherweise vor seiner Zeit und Mitwelt gottsträflich blamiert und ganz Wanza nachher womöglich vor ganz Deutschland zum Gespött und Amüsemang wird, was auch schon dagewesen ist. Denn wieso? Alabonnör mit der Pietät; aber weit kommt man denn doch grade nicht damit und zumal in städtischen Angelegenheiten, wo man immer am besten in der Geschichtsschreibung oder der Zeitung damit wegkommt, wenn man eben abgetan sein läßt, was abgetan ist. – Daß Marten Marten fünfzig Jahre lang nächtlicherweile seine Schuldigkeit getan hat, will ich gerne anerkennen, wenn ich auch persönlich von den ersten, nämlich Jahren, noch nichts aus eigener Erfahrung sagen kann. Aber, meine Herren, daß wir andern uns deshalb vor dem Universum, und reichte dasselbige auch nur bis Sondershausen, blamieren sollen, kann er und der Herr Burgemeister doch eigentlich nicht von uns verlangen. Denn wieso? Stimmt das Horn noch mit der heutigen Jahreszahl und gegenwärtigen Kultur, so verpflichte ich mich hierdurch und aus Achtung vor unserm Herrn Burgemeister, Marten zu seinem Jubiläum ein silbern Mundstück aus meiner Tasche draufsetzen zu lassen. Stimmt es aber nicht, so, glaube ich, haben wir schon damals unser allermöglichstes an ihm geleistet, als wir es hier an ebendiesem Tische Marten Marten auf sein Ersuchen zum Andenken behalten ließen und nicht, wie der Vorschlag war, es ihn an Putferkel, unsern Schweinehirten, abgeben ließen zur fernern nützlichen Verwendung als kommunales Eigentum, wogegen ich, wie Sie alle gewiß noch wissen, meine Herren, damals stimmte und so lange in der Minorität war, bis ich meine Gründe mitgeteilt hatte. Nämlich ebenfalls der Blamage wegen. Wieso? Weil ich doch nicht gerne wollte, daß ein Instrumente, mit dem ich mir die lieben langen Jahre habe sagen lassen, was es an der Zeit in der Nacht war, nunmehr vor dem lieben Vieh geblasen würde und noch dazu die Schweine – denken Sie mal! – Meine Herren, doch um nun bei unserm jetzigen Thema und Antrag zu verharren, so wissen Sie allesamt, wie ich als Lichtzieher am hiesigen Orte begonnen und auch nahe an die dreißig Jahre nunmehr die Talglichter ins gemeine Wesen geliefert habe. Wie würde es Sie nun gefallen, wenn ich nunmehro, wo jetzt das Petroleum angekommen und die Lichter abgekommen sind, von Sie zu meinem Jubiläum prätendieren wollte, daß Wanza sich wieder in die alte Erleuchtung schicke und sich von mir jeden Abend das Licht anstecken lasse? Ne, ne, Ihr Wort in allen Ehren, Herr Burgemeister, und das, was Sie von der Frau Rittmeistern als einen intimen Wunsch bemerken, auch; aber damit können Sie auch bei dem besten Willen unserseits diesmal nicht durchkommen! Bedenken Sie mal, meine Herren, wenn wir Marten diesen Gefallen täten und sein abgeschafft Horn für unsere nächtliche Ruhe wieder einführten und nachher vielleicht vom Horn von Wanza in der Welt gesprochen würde?! Ich glaube, alle Seife, die ich in meinem Laden und Geschäft augenblicklich in Disposition habe, wüsche uns dies nicht ab! Noch liegt Wanza nicht an der Eisenbahn, aber wie bald vielleicht mit Gottes und der Regierung Hülfe? Und da sehe ich es denn heute schon wie mit meinen leiblichen Augen, wie sich auf unserer Station die reisende und intelligente Menschheit aus 'm Kupeefenster hängt, wenn die Schaffner uns ausgerufen haben, und sagt: ›Guck, das ist also Wanza, wo sie das Horn von Wanza wieder eingeführt haben!‹ – Malen Sie's sich aus, und dann zum Schluß meiner Rede, meine Herren! Wieso? Nämlich dafür, daß wir den alten Mann, den Marten Marten, für seine langen treuen Dienste redlich belohnen, stimme ich ebenfalls aus vollem Herzen, wenn er eigentlich auch nichts weiter als seine Pflicht und Schuldigkeit wie wir andern auch getan hat. Und wie ich die Menschheit kenne, so ist ihr eine Remuneration in barem immer noch das liebste und wird's ihr bleiben bis an der Welt Ende, und alles übrige sind Fisimatenten und Redensarten. Nötig hat er's ja eigentlich nicht, denn sein gut Gehalt von wegen seiner Verdienste um die Stadt und, wie man sagt, auch ums deutsche Vaterland vor Olims Zeiten als Freiheitskämpfer hat er, und die freie Wohnung im Teichtor hat ihm die Familie Overhaus, als sie noch allhier am Ruder war in Wanza, auch verschafft. Und wie er zu der Frau Rittmeistern Grünhage, einer so vermöglichen Frau, mit seinen Extrabedürfnissen steht, weiß ja auch jedermann. Aber des Anstandes wegen – meinswegen, machen wir ihm 'ne Extrafreude zu seinem Jubiläum, und auch schon um dem Herrn Burgemeister zu zeigen, daß wir ihm von Magistrats wegen gern in allen verständigen Dingen zu Willen sind. Zehn Taler sind wohl zu wenig; zwanzig ihm aufgezählt, wären gewiß genug; aber – meinswegen – sagen wir fünfundzwanzig, und – meinswegen – auch etwas Schriftliches und Orthographisches oder Kalligraphisches dazu, was ihm dann hier auf dem Rathause in feierlicher Sitzung und mit einer Vermahnung zu fernerm Wohlverhalten überreichet werden kann. Fünfundzwanzig bar aus der Stadtkasse und ein Diplom, das ist's, was ich nobel nenne und passend; aber sein Gelüste von wegen Wiedereinsetzung seines Tuthornes nenne ich eine Dummheit, und damit soll er uns vom Leibe bleiben, Ihre und der Frau Rittmeistern gewiß achtbare und sinnvolle Gefühle in allen Ehren, Herr Burgemeister! Und nun, wenn keiner sonst noch was zu bemerken hat, trage ich auf Schluß der Verhandlung über diesen Antrag an. Denn wieso? Ich meine, dieses hochselige Horn von Wanza hat uns allmählich doch wohl lange genug um die Ohren geklungen, und ich habe meine kostbare Zeit für mein eigen Geschäft zu Hause lieber als für solches Allotrium hier auf dem Rathause!«

»Wunderbar! Höchst wunderbar!« rief der Student, aus des Onkels Ruhehafen aufspringend und sich dem durch seine mimisch-bürgerliche Leistung schier erschöpften Exsenior der Caninefaten an den Busen werfend. »Caninefatia sei's Panier! Hurra hoch! Mensch, ich kenne dich aus großartigen Stunden nächtlicher Weihe her; aber – bei den unsterblichen Göttern – sie wußten es, was sie taten, als sie dich zum Bürgermeister von Wanza machten! Dich brauchten sie hier in Wanza, dich allein! Thyrsusträger sind viele, jedoch der Berufenen wenige! Dich aber haben sie wahrhaftig unbändig glücklich für den allein dir zukommenden und passenden Stuhl in der Weltgeschichte herausgefunden. O bleibe mein Freund auf der Menschheit Höhen, weiser Seneka! Bleibe mein Bruder, Ludwig Dorsten!«

»He, nicht wahr:

Nach meinem Tod wünsch ich zum Herold mir,
Der meines Lebens Taten aufbewahre
Und meinen Leumund rette vor Verwesung,
So redlichen Chronisten als mein Griffith«,

zitierte grinsend und des Onkels Grünhage letzten Rest geistigen Nachlasses zu sich herüberziehend Dorsten. »Sonst aber erscholl ringsum unendlich Gemurmel des Beifalls; ich durfte mir nur einfach die Gesichter rund um mich betrachten, um mir alle weitern Bemerkungen als unnütz zu ersparen. Mit einer gegen alle Stimmen sind wir durchgefallen, Marten, was Ihr Horn anbetrifft; zu der Extrafreude hingegen, die Ihnen der Senat für die Nacht vom achtundzwanzigsten auf den neunundzwanzigsten dieses Monats macht, gratuliere ich herzlich. Das wenigstens haben Sie und die Frau Rittmeisterin sicher –

Datum im völligen plenissimo magistratu,
Coram sämtlichem gegenwärtigem Senatu.
    Affigatur et bublicetur
    Et ad Prutacollum notetur.«

»Danke ganz ergebenste Herr Burgemeister. Werde mich über dieses mit der Frau Rittmeistern noch des weitern bereden, glaube aber fest, daß sie sagt: ›Da wären Sie ja ein wahrer Esel, wenn Sie dem Herrn Bürgervorsteher Tresewitz auch diesen Triumph machten und nicht zugriffen!‹ sprach der alte Schlaumichel Marten Marten, erhob sich dabei von seinem Sitz, ging in seine Schlafkammer und kam nach einem Augenblick wieder zurück mit dem Nachtwächterhorn von Wanza in der Hand.

Sanft, zärtlich legte er es auf dem Tische vor den beiden Herren und neben der letzten Flasche des Rittmeisters Grünhage nieder und sagte:

»Wenn ich es so angucke, komme ich mir selber ganz erhaben vor! Denn – wieso? sagt Herr Fabrikant und Seifensieder Tresewitz; – nämlich ganz feste muß die heutige hohe Kultur hier bei uns in Wanza, mit Respekt zu sagen, noch nicht auf den Beinen stehen, wenn es menschenmöglich ist, daß ich armer alter Kerl sie noch damit über den Haufen blase. Je ja, wenn das aber wirklich sich so verhält damit, wie Sie sagen, Herr Burgemeister, daß löblicher Magistrat und Bürgerschaft es befürchtet, na, dann lassen wir's um Gottes willen ja beim alten, das heißt in diesem Falle beim neuen! Ich für mein Teil wenigstens will die Verantwortlichkeit nicht auf mich nehmen; und noch dazu so kurz in meinem Falle vor Sankt Cyprians Kirchhofe und der Jüngsten-Gerichts-Trompete. Denn dafür hat auch keiner eine Garantie, daß er nicht seinerzeit da oben mal gefragt wird, was er seinerzeit hier unten zur Beförderung des Fortschrittes beigetragen hat. Und denn, sehen Sie mal, ich will meinen Gesang grade nicht loben, aber zu dem alten guten Instrumente gehörte er doch auch; und wenn einer jahrelang allnächtlich die Bürgerschaft gewarnt hat, auf die Erleuchtung zu passen und das Feuer und das Licht zu bewahren, so will er doch gewißlich nicht seinen letzten Odem dazu verwenden, es in Wanza ganz auszublasen. So wahr ich selber jetzt noch im heutigen Tage lebe, da tutete ich mich doch lieber vorher um meinen Hals! Übrigens habe ich zu Ihnen sowohl, Herr Burgemeister, wie auch der Frau Rittmeistern und auch nachher Fräulein Thekla gleich gesagt, daß es mit diesem meinem närrischen Wunsche nichts auf sich haben würde; also bestätigen Sie mir durch Meister Tresewitzens Rede nur meinen eigenen Trost, den ich mir selber gegeben habe. Aber, Herr Burgemeister, wenn es dazu noch ein zweiter Trost für mich ist, daß unser Herr Bürgervorsteher selber Angst vor dem Mißbrauch der guten alten Musik haben und es nicht gerne in Putferkels Händen sehen wollen, so ist in Anbetracht unserer Sterblichkeit darauf doch kein Verlaß. Also legen Sie es doch lieber mir mit in den Sarg, das Horn; denn für den öffentlichen Aufstreich vielleicht mal steht Ihnen kein Mensch, und Lichtzieher Tresewitz, unser Herr Bürgervorsteher, leider Gottes sowenig als ein anderer. Kommt es mal zur Auktion über meine Hinterlassenschaften und Sie, Herr Burgemeister, oder die Frau Rittmeistern greifen nicht rasch zu, so kriegt es Putferkel doch noch in seine Tatzen und bläst es mir zum Tort durch die Kirchhofstür bis in den kühlsten Grund der Erde hinein; und wenn Herr Tresewitz sich selber für diesen Skandal zu lieb hat, so habe ich immer noch, alles in allem genommen, – Wanza zu lieb dazu. Der Herr Nevöh sind Zeuge, daß ich es Ihnen, Herr Burgemeister, hiermit feierlich im voraus vermache und in die Hände lege, das Horn von Wanza, auf daß es in Ehren bleibe und kein Schaden damit geschehe, wenn ich nicht mehr vorhanden bin.«

Der regierende Bürgermeister von Wanza nahm das Horn, wog es einige Augenblicke zweifelnd in der Hand – setzte es an den Mund – setzte es wieder ab, ohne ihm einen Laut entlockt zu haben, und sprach mit tonloser Stimme und mit einem nicht zu beschreibenden Blicke auf den jüngern Freund:

»Na, was sagst du nun hierzu, Grüner?... Auf daß es Putferkeln nicht in die Hände falle! Nicht wahr, das hätte man voreinst dem Senior der Caninefaten zu mitternächtlicher Stunde auf der Weender Straße prophezeien sollen!«


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