Wilhelm Raabe
Die schwarze Galeere
Wilhelm Raabe

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»Daß euch die Spanier kränken, O Niederlande gut,
Wenn ich daran tu denken,
Mein edel Herz, das blut't.«

Selbst die zum Tod wunden Geusen richteten sich unter den feierlichen harmonischen Klängen vom Boden auf – die nicht mehr singen konnten, bewegten doch die Lippen nach den Worten des Liedes. Auch Myga van Bergen erwachte dadurch wieder zum Leben, und lachend und weinend sang sie in den Armen Jans den Freiheitsgesang mit.

»Sieh, ich halte doch Wort; unter Kanonendonner und Glockengeläut und Trompetenklang führe ich dich heim! Gerettet, gerettet!« jauchzte Jan Norris.

Von der Zitadelle ertönte ein Alarmschuß über den andern. Trommel auf Trommel fiel auf den Mauern und Wällen der Stadt ein in den ängstlichen Ruf der ersten am Kaikranen. Und immer lauter regte sich hinter ihren Mauern und Wällen die große flandrische Stadt, und manch ein bedrücktes, zorniges Herz schlug höher bei den stolzen, verbotenen Tönen, die so trotzig den spanischen Trommeln entgegenwogten und immer höher schwollen, je mehr jene dagegen ankämpfen wollten. Die Sturmglocken läuteten dazu von allen Türmen. Und nun rasselte und klirrte es aus der Stadt und von der Zitadelle herab hervor gegen den Kai; Fähnlein auf Fähnlein rückte auf die Stadtmauern, Fähnlein auf Fähnlein drängte gegen den Fluß herab.

Aber immer stolzer klang es über allen Tumult:

»Mein Schild und mein Vertrauen
Bist du, o Gott, mein Herr,
Auf dich so will ich bauen,
Verlaß mich nimmermehr,
Daß ich doch fromm mag bleiben,
Dir dienen zu aller Stund,
Die Tyrannei vertreiben,
Die mir mein Herz verwund't.«

Tausend und aber tausend Herzen lauschten hinter den Mauern, die Paciotti um die Stadt Antwerpen baute, in süßem Zittern diesen Klängen; tausend und aber tausend Augen wurden darum feucht.

Nun aber galt kein Besinnen mehr; die schwarze Galeere hatte ihre schönste Waffentat ausgeführt, jetzt galt es, die Siegesbeute in Sicherheit zu bringen. Unter dem Schutz des Feuers der schwarzen Galeere gewann Jan Norris, der Befehlshaber an Bord des Andrea Doria, die Mitte der Schelde und fuhr stromab langsam an der Stadt hinunter. Sieben genommene kleinere Fahrzeuge schwammen bereits mit den Geusenschiffen voraus; die schwarze Galeere schloß den Zug.

Wie blitzte und krachte es von den Wällen Antwerpens; wie antworteten so gut die Geusenschiffe und der Andrea Doria, der jetzt unter der Bettlerflagge, die Segel lustig geschwellt vom Morgenwinde, stromab fuhr, wie raufte Don Federigo die Haare über solch unerhörte Tat!

Feuer von allen Schanzen und Forts den Strom entlang!

Hoiho, hoiho, Geusenglück, Geusenglück! Was kümmert's die Meergeusen, ob die Spanier gut oder schlecht schießen? Die Wunden unter Deck, die Toten über Bord –-- hoiho, hoiho, da flammt's wieder von der schwarzen Galeere auf, vor Fort Philipp! Bum – bum, das ist Cruysschanz auf der brabantischen Seite.

Nun aber haltet euch gut, ihr niederländischen Männer, der letzte Riegel, aber auch der gewaltigste ist zu sprengen.

Drunten im Morgennebel liegt Fort Liefkenhoek.

Drunten im Morgennebel liegt Fort Lillo.

Jetzt gilt's, ihr Geusen, an die Geschütze, wer noch Hand und Fuß rühren kann!

Geusenglück! Geusenglück!

Es war alles bereit auf Liefkenhoek; der Kommandant hatte Zeit genug gehabt, seine Anordnungen zu treffen: bereits um zwei Uhr hatte ihn der Hauptmann Jeronimo geweckt. »Nun, was gibt es, Sennor?« hatte der Oberst gefragt, und der Alte hatte die Achseln gezuckt und gesagt: »'s mag sein Meuterei zu Callao, 's mag sein Aufruhr zu Antwerpen, ich ersuche Euch jedenfalls, auf den Wall zu kommen, Sennor.« Ärgerlich war der Kommandant auf der südöstlichen Bastion seines Forts erschienen und hatte lange gehorcht. Eine Viertelstunde nachher hatte die Trommel wieder einmal die Besatzung auf die Wälle gerufen, und eine Stunde nachher hatte der Hauptmann gesagt:


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