Wilhelm Raabe
Die schwarze Galeere
Wilhelm Raabe

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»So in Gedanken, Antonio?«

Der Angeredete blickte fast erschreckt in die Höhe.

»Ah, du bist's, Leone? Nun, bringst du eine Nachricht von draußen?«

»Ja, aber leider eine sehr schlechte. Sie ist vom Fort Liefkenhoek an den Admiral gekommen; die Geschichte von der vorigen Nacht ist wahr. Die Immacolata hat der Teufel geholt, Schiff und Mannschaft, Mann und Maus. Nur der Kajütenjunge ist bei Fort Bats auf einer leeren Wassertonne lebendig an das Land geritten. Da hat's großen Jubel unter den Ketzern gegeben, und die seeländischen Weiber – schauderhaft häßliche Kreaturen, Antonio – haben den Burschen fein säuberlich abgetrocknet und ihn mit einem gottverdammten Kompliment hierher an seine Exzellenz, den Gouverneur, geschickt. Sie haben ihn oben auf der Zitadelle gehabt; na, wir werden wohl bald vom Admiral Nachricht erhalten.«

»Gott gebe es«, rief der Kapitän des Andrea Doria, unwillig sein Deck mit dem Fuß stampfend. »Leone, ich halt's nicht mehr aus, hier so müßig vor Anker zu liegen!«

»Müßig?!« lachte der Schiffsleutnant. »Nun, beim schönen Leib der Venus, das wüßte ich doch nicht. Ich sollte denken, wir hätten die Zeit, welche wir hier vor Anker liegen, doch nicht so ungenutzt verstreichen lassen. Corpo di Bacco, was für eine stolze Eroberung hab' ich gemacht an der feisten Signora dort in der Taverne zum Wappen von Alcantara. Ich bitte dich, Antonio.«

»Du nimmst das Leben noch leicht, Leone!« sagte der Kapitän seufzend.

»Oheim«, lachte der Leutnant, »fasse dich doch an deinen eigenen Busen, Freund, und sing mir nicht solche Phrasen vor. Ah, wende den Blick nicht so kläglich seufzend weg von mir. Bitte, schau meinem Finger nach, – dort, sieh, jenes Licht dort über der Stadtmauer – in jenem Eckfenster! Folge nur meinem Finger, siehst du es? Ohe, Antonio, Antonello, Capitano, Capitanino, wer wohnt dort? Sag mir, wer hat jenes Lichtchen angezündet? Ist es nicht das süßeste Kind, welches dieses hyperboräische Land, ich sollte sagen, dieser hyperboräische Sumpf, jemals, so lange es hier regnet, und das ist sehr lange, wie mir deucht, – hervorgebracht hat? He, ist nicht Antonio Valani, Kapitän dieser guten Galeone Andrea Doria, mit Leib und Seele den zwei blauen Augen und den blonden Haarflechten dieser bella Fianuninga verfallen?... wieder ein Seufzer? O Antonio, Antonio, bei unserer lieben Frau von Eythere, du bist doch ein gar trübseliger Gesell!«

Unwillig wandte sich der Kapitän ab.

»Ach laß mich, Leone; – bitte, geh zu deiner fetten Signora. Ich gebe dir Urlaub für die ganze Nacht bis zum ersten Hahnenschrei, daß ich dich und deinen losen Mund nur los werde vom Schiff. Geh, ich bitte dich, gehe und quäle mich nicht länger durch dein heiteres Gesicht. Wahrhaftig, ich gönne dir das leichte Blut und den lustigen Lebensmut; aber nun laß auch mir die einsame Stunde, wenn du mein Freund bist. Es sieht wüst in mir aus!«

»Antonio«, sagte der Tenente ernster, »Antonio, bei meiner Ehre, ich wollte dich nicht quälen. Die dicke Wirtin im Wappen von Alcantara mag warten und nach der Türe lugen, so lang es ihr beliebt; – ich gehe nicht. Was Teufel, sprich, Carissimo, wie steht's mit dir? Vertraue mir, was dich bedrückt! Die böse Nachricht aus der Westerschelde ist's nicht; – vertraue mir, sollte es wirklich Wahrheit sein, was ich für Scherz nahm und scherzhaft behandelte? Solltest du im Ernst den Banden der blonden Zauberin verfallen sein?«

Der Kapitän Antonio seufzte hier recht tief, ohne zu antworten, und Leone fuhr fort:

»Und sie spielt die Grausame gegen dich? Gegen dich, den Liebling aller Damen in der Strada Balbi und in allen übrigen Straßen, Gassen und Sackgassen unserer lieben Vaterstadt Genova superba? Bei der Beherrscherin von Paphos, das verdient Strafe, die härteste Strafe. O, diese liebreizende Barbarin! ... Antonio Valani, Vorgesetzter und Freund, mit Schwert, Herz und Kopf steh' ich zu deiner Hilfe neben dir. Was wollen wir tun, das süße Kind dir zu gewinnen?«

Was darauf gesprochen wurde zwischen dem Kapitän und seinem Leutnant, wurde unterbrochen und ging verloren in dem Anruf des wachhabenden Schiffssoldaten an der Laufplanke; Trommelwirbel erschallte vom Kai herüber, Fackeln leuchteten, Waffen blitzten, Der Admiral Friedrich Spinola kam nachzuschauen, wie es aussah auf dem Andrea Doria und den übrigen Schiffen seiner Flotte unter den Mauern von Antwerpen. Er befand sich in der übelsten Stimmung, wie Antonio und Leone wohl merkten, als sie zu seinem Empfange herbeieilten. Sehr grimmig stampfte der Signor Federigo einher im Kreise seiner Kapitäne, die sich an Bord des Andrea Doria um ihn versammelten. Der unglückliche Kampf der letzten Nacht lag ihm schwer auf der Seele. Ging das so fort, so fiel das Geschäft keineswegs so lohnend aus, wie es aussah auf dem Pergament, auf dem Vertrage, auf welchem Don Philipp der Dritte von Hispanien sein Yo el Rey über die Unterschrift des Genueser Nobiles gesetzt hatte.


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