Johann Ladislav Pyrker
Tunisias
Johann Ladislav Pyrker

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(Zehnter Gesang.)

                Jetzo ersah das streitende Volk vom fernen KairwanKairvan (Cairoan, Carvan), eine Stadt im Gebiethe von Tunis nicht ferne von dem Meerbusen von Kabesch. Sie war die erste, welche die Muhamedaner in Afrika, unter dem dritten Kalifen in Syrien, Ottmann, gegründet hatten, und wegen ihrer hohen Schule berühmt. Doch wurde sie, bald nach der Heimkehr Carls V. von Tunis, mit diesem Königreiche vereinigt. (Marmol. Africae L. 6.)
Und ConstantinaConstantina (Cuguntina), die Stadt, nach Einigen das alte Cirtha, in Nord-Afrika, liegt auf einem hartzugänglichen Felsengebirge, weßwegen sie überaus fest ist, und gehört nun zu Algier. Zu Anfange des vierten und fünften Jahrhunderts sind da zwei Concilien gehalten worden, von welchen in den Werken des h. Augustinus die Acta aufbewahrt sind. herauf, des wildempörten Hamaddans
360   Dräuenden Flug, und bebte. In tausend gewirbelten Säulen
Eilte die Wüst' ihm vor: im Knistern des Feuergewölkes
Deckend des Himmels Bläue mit Grau'n und Entsetzen. Die Sonne
Blinkete trauernd aus ihr, und goß nur düstere Dämm'rung
Ueber die Welt. Ein flammendes Meer aus den schwärzlichen Lüften,
365   Und dem Boden nah', anstürmend, der prasselnde Gluthstrom,
Drohte den Lebenden rings urplötzliche, schnelle Vernichtung.
Doch zu den Kriegern gewandt, rief laut der erhabene Kaiser:
»Sollt' uns der Samyel nah'n, der flammende Menschenerwürger,
Da gedenket des warnenden Winks: zur Erde geworfen,
370   Hüll't in Gewande das Haupt, und harr't an dem Boden, nicht athmend,
Einige Zeit. Bald tobt der Unhold vorüber – ihr lebet.«
Dann noch rief er, den flehenden Blick zum Himmel erhebend:
»Allmacht fleugt vor deinem Hauche daher, du Erbarmer;
Nah' uns mit Huld, und errett' uns jetzt vor des Samyels Wuth dort!«
375   Und aus dem Aethergefild flog nun, dem strahlenden Blitz gleich,
Seraph Eloa herab, den Christen zur Rettung gesendet.
Sonst sein Auge so mild wie des Himmels Bläu', und die Stimme
Sanft wie Harfengetön, war jetzt entsetzlich zu hören,
Furchtbar zu schau'n. Er rief dem Samyel: »Halt, und entweiche!«
380   Und der Schreckliche floh. Auch kehrten die wirbelnden Säulen,
Seinem Winke gehorchend, zurück in die einsamen Wüsten.
Dann auf Muhamed, der zuvor in dem furchtbaren Gluthwind
Nahte, voll heißer Gier, die Christen vernichtet zu schauen,
Warf er einen der Blicke herab, der thürmende Felsen
385   Hüb' aus den Vesten der Erd', und aus Nachtabgründen die Meersfluth.
Jener entwich. Wie dürres Laub verweht von dem Sturmwind,
Schwindet: so schwand er mit seinem Volk. Auch Attila folgte,
Schreckenbetäubt, ihm nach; aufheulten die flüchtenden Scharen.

Sinam drängete zweimal schon die Christen vom Blachfeld

390   Bis an des Grabens Rand, und so oft, nur schrecklicher warf ihn
Ludwig wieder dahin, wo, umhügelt von starrenden Leichen,
Giaffar lag, und im Blutbad schwamm: denn heißer entflammte
Dort des Getöteten Schau in dem Busen der Seinen des Nordens
Schreckliche Gier, daß sie standen im Kampf der Entscheidung, und furchtbar
395   Wüthete jetzo der Tod auf der siegverherrlichten Stelle.
Als der Samyel erst, des Seraphs Stimme gehorchend,
Heim in die Wüste floh, da weckte sein brausender Odem
Hoch in der Luft und im Schooße der Erd' Aufruhr und Empörung.
Plötzlich thürmte Gewittergewölk am bläulichen Himmel
400   Furchtbar sich auf, und goß ein mitternächtliches Dunkel
Ueber das Waffenfeld, daß der Gegner dem Gegner entrückt schien.
Nur das Blitzen des Feuerrohr's erhellte zuweilen
Noch das umnachtete Volk, entflammte des starrenden Kriegers
Aug', und Harnisch, und Helm, und wies auf dem Feld des Entsetzens
405   Leichen auf Leichen gehäuft. Nun schwankte, den Wellen des Meer's gleich,
Unter den Füßen des Kriegers der Grund; des Kampfes Getümmel
Schwieg, und »Erdbeben!« scholl's die zitternden Reihen hinunter.
Grau'nvoll rauchte das Meer; das Schmettern der Schiff' an die Schiffe
Tönete schrecklich, vereint dem Geheul aus der Veste, dem Brüllen
410   Aus dem Gehölz, und rings dem Kreischen des kleinen Gevögels,
Das dem erschütterten Wald entstürzte mit kläglichem Angstruf.
Jetzt aufflammte der Blitz, und zerriß, von Osten bis Westen
Strahlend, die finstere Wolkennacht: der furchtbare Donner
Rollt' auf ehernen Rädern ihm nach, und krachte zum Abgrund
415   Dumpf, und dumpfer hinab, an des Himmels drönendem Rand hin.
Brausend erhob der Sturm die sandige Fläche; die Fahnen
Haucht' er zum Himmel empor, und riß auch die Zelt' in dem Lager
Von dem ragenden Pfahl, und wälzte sie fort auf dem Flugsand.
Schreckenbetäubt entfloh der Feind; doch Ludewig folgte,
420   Unerschütterten Muth's, dem Flüchtenden nach bis Goletta.

Guasto aufathmete tief; er hielt, von dem Sturme gewendet,
Jetzo des Mantels flatternden Saum, und sagte dem Kaiser:
»Wie, du weilest noch hier, unbändigen Sinnes, und achtlos
All der Gefahr, die uns heut' aus den hellaufflammenden Lüften,

425   Und ans dem Schooße des Abgrunds dräut? Auch stürzet des Regens
Prasselnde Fluth nun bald aus dem berstenden Wettergewölk her;
Eile nach deinem Gezelt: es trotzte dem schrecklichen Sturm noch,
Festeren Bau's; schon fliehen die Feinde vor deinen Erwählten.«
Weder der donnererweckende Blitz, noch der schwankende Boden
430   Zog des Kaisers sinnenden Blick vom Kampfe der Helden
Ab. Er lächelte sanft auch jetzt, und sprach zu Del-Guasto:
»Laß mir den Frieden, o Greis! Ein Gleiches erduldet ihr Tapfer'n
Alle mit mir. Wer schirmt vor Gefahr, die hoch aus den Lüften,
Tief aus des Abgrunds Nacht uns dräut', als Er, der Erbarmer?
435   Sein ist die Macht! Mir wohnt der Fried' im vertrauenden Herzen.«
Doch nun flammte sein Blick, nun bebt' ihm die Rechte; den Harnisch
Hob ihm die pochende Brust, und furchtbar scholl's, da er sagte:
»Donner und Blitz sind mir die Stimme des Herrn, daß ich eile.
Hebe dich nun, mein tapferer Held, an's Werk der Entscheidung:
440   Lenke die Völker heran. Laut brülle sogleich von den Schanzen –
Brülle vom Meer das Donnergeschütz zum endlichen Wallbruch,
Daß wir jetzt in dem Sturm erringen die Veste Goletta!«
Schaudernd blickte der Greis in die flammenden Augen des Herrschers,
Horcht' ihm, schweigend, und ging, nun Jedes in Eile zu ordnen.

445  

Schon entströmte der Wolkennacht unendlicher Regen,
Prasselnd durch Windesgeheul und Gebrülle des rollenden Donners,
Und umfloß, ein See, die Füße der triefenden Krieger.
Aber er löschte den Staub, und fesselte mächtig den Flugsand.
Wie in des Frostes Hauch der fluthende Weiher gefesselt

450   Starrt, daß auf ihm, lärmfroh, die muntere Jugend der Eisbahn
Räume durchfleugt: so erstarrte der Sand, und brachte den Christen
Frohen Gewinn: denn geübt, im ermattenden Sande zu laufen,
Nahte der fliehende Feind den Thoren der Veste Goletta.
Ihm nachbrauste der Sieger im Flug', und Sinam gewahrte,
455   Bebend vor Schrecken und Angst, im nah'umzingelnden Vorsprung,
Hier den Gedrängten vermengt die Dränger zugleich, und er rief nun,
Rettung gebiethend, dem Volk'. Aufkrachten des mächtigen Thores
Flügel, und d'rauf, wie ein Bergstrom braust, wenn hoch von dem Gletscher
Niedergerollt, ein Block erfüllet die engere Thalschlucht,
460   Bis er des Bergs Abhang, mit steigendem Grimme, durchwühlend,
Bahn sich bricht, und die langgehemmten Fluthen zum Abgrund
Wälzet in schäumender Hast: so stürzten die flüchtenden Scharen
Sinams durch das geöffnete Thor, mit Lärm und Getümmel.
Doch nun sandte der Feind, dem also die Rettung gelungen,
465   Hagelnde Donnergeschoss' und befiederte Pfeile vom Wall her,
Jubelnd, und warf aus der Schar der raschnachstürmenden Christen
Manchen Tapferen todt in den Staub. Da dachte des Heimzugs
Ludwig, der Held, und hieß im drometenden Rufe die Krieger
Kehren. Nicht folgte des Feldherrn Ruf Diego Davila,
470   Fahnenjunker im Heer, entsprossen aus Lissabons Mauern,
Trotzend auf Jugendkraft, und kühnerer Thaten sich freuend.
Als er das Jubeln der Feinde vernahm: da ergrimmt' er im Herzen,
Eilte zurück, und klomm, ein kundiger Kletterer, jauchzend
Auf an dem Wall', und erhöhte die Fahn' auf den Zinnen der Festung.
475   Jene wehrten es nicht, von erstarrendem Staunen gefesselt;
Doch bald wühlten in seiner Brust unzählige Lanzen.
Sinkend faßt er die Fahn', und warf sie herab von der Mauer,
Sie zu entreißen dem Feind'. Er rief dem getreuen Gefährten:
»Albin, rette die Fahne. Sie stand erhöht auf dem Wall hier:
480   Herrlichen Siegesruhm winkt' euch ihr wehender Schimmer;
Rette sie kühn, und jenseits noch dir dankt es Davila!«
Sieh', er lächelte sanft, und freute sich sterbend der That noch!
Aber der Muthige kam, ergriff, von sausenden Kugeln
Rings umstürmt, die Fahn', und brachte sie freudig in's Lager.
485   Diesem entströmten jetzt die Tapferen, herrlich geordnet.
Rechts hin führete Guasto die Macht hispanischen Fußvolks,
Wälschen vereint, und Eberstein, in der Mitte, die Heerschar,
Die er in Deutschland warb, nun endlich zu Thaten gerufen.
Aber die Macht lusitanischen Volks und brabantischer Scharen,
490   Führete drüben der Held, der Giaffarn siegend erlegte.

Laut erkrachten die Schlünd' und Mörser zum endlichen Wallbruch.
Furchtbar wüthete zwar der Sturm und das grause Gewitter
Noch, und der röthliche Blitz, im Gefolg des schrecklichen Donners,
Zischt' umher im Gewölk, erhellend die sinkenden Fluthen;

495   Aber entsetzlicher noch, mit den Schrecken der Lüfte vermenget,
Scholl das Krachen der Schlünd' umher an der Veste. Der Wurfschütz
Rührte des Brändchens Rohr mit der Lunt': im bläulichen Rauch flog
Flamm' empor; zurück, dann eilender wieder zur Stelle
Rollte der eherne Schlund, und warf durch Feuer und Flammen,
500   Donnernd, im Bogenwurf, die Kugel zur Veste hinüber.
So von den Schanzen, und so von dem Meer hinsausten die Kugeln;
Aber nicht minder zurück von dem Wall der trotzenden Festung,
Sausten im Donnerlaut die schrecklichen her, und hinüber.
Rings erbebte der Grund, als sollten die Vesten des Erdballs,
505   Von den Orkanen der ewigen Nacht erschüttert, versinken,
Und die Gefild' umher nachstürzen in wüster Zertrümmrung.
Drüben umfing sie am Meer, dem silbergehorneten Mond gleich,
Doria's wogende Macht. Aus ihres verehrten Gestirnes
Bild ihr kam der Jammer gesandt, und die grause Vertilgung.
510   Immer entfuhr die Volle LageDie volle Lage geben, heißt das schnelle Abfeuern aller Kanonen auf der Seite eines Kriegsschiffes. dem Raume des Schiffes,
Das sich der furchtbar'n, eiserne Last, aus Rauch und aus Flammen
Schleudernden Donnergewalt nachbog, und mit sinkendem Rand noch
Streifte die Fluth. Die sanftergossene Fläche des Meeres
Rauscht' aufbrandend empor. Bald schäumten die bläulichen Wogen,
515   Bald erglühten sie tief im Glanze des röthenden Feuers,
Welches im Flug durchzuckte die Luft. Die Mauern erkrachten –
Sanken in Schutt, und dumpf ertönte der Steine Gerassel.
Sieh', die Malta gesandt, die nächsten dem felsigen Ufer,
Schleuderten sonder Rast nach dem Thurm, der hoch aus dem Vorgrund
520   Ragte, Verderben! Er neigte das Haupt, sturzdrohend, ein paar Mal;
Zitterte jetzt, und sank mit grausem Gepolter zusammen:
Staub flog auf, und Geschrei, wehklagend, und jubelnd ertönte.
Aber der Kaiser rief: »Verdoppelt das Feuer!« So riefen
Guasto, und Rogendorf, und jeglicher Schanze Gebiether,
525   Und noch schrecklicher tobte die Wuth des ehernen Feldzeugs.
Doria brach von dem Meer' her donnernd, das eiserne Seethor
So, daß des Feindes Geschütz dort schon auf dem Walle vernichtet
Lag, und verstummt'. Dann öffnete dicht am Thor von Buschatter
Ludwig aus seiner Schanz', urplötzlich nach jenem, den Wallbruch,
530   Weit, daß ein Wagen durchfuhr, der heim die Garben vom Feld führt;
Aber die breitere Kluft, daß zwanzig der Krieger, gereihet
Aneinander, sie leicht durcheileten, sah nach dem Oehlwald,
Gähnend hinaus: eröffnet mit Macht aus der Schanze der Wälschen,
Die von Toledo verwaist, nun Guasto's Winken gehorchten.
535   Vorwärts stürzte der Wall und die Mauer, und ebnete weithin
Dort die ersehnete Bahn den Stürmenden, füllend den Graben.

Nun verstummte zugleich am Himmel das grause Gewitter,
Nur an des Erdballs krönendem Rand noch murrte der Donner
Dumpfer hinab, wenn dort der Blitz die feurigen Schwingen,

540   Fächelnd, erhob. Aus zerriss'nem Gewölk sah bläulich der Himmel
Her auf das regenerfrischte Gefild, und die scheidende Sonne
Goß aus dem rosigen Duft des Abends Schimmer herüber,
Und erhellte gar wunderbar die belagerte Festung.
Lauter pochte die Brust des edelsten Kaisers; ihm rief nun
545   Ahnend das Herz: schon sey die entscheidende Stunde gekommen.
Jetzt erhob er das Schwert, den Feldherrn Thaten gebiethend,
Und sie gehorchten dem Wink'. Auf dem Land und im wogenden Schiffsraum
Schwieg, verhallend umher, der ehernen Schlünde Getümmel.
So an dem felsumstarreten See verhallet des Waldhorns
550   Klang, den fern im Ruderschiff erweckte der Künstler,
Horchenden Freunden zur Lust: nun da, nun dort am Gebirg hin,
Tönt er im Widerhall, bis er dann, stets leiser, dahinstirbt.
Aengstliche Stille herrschte rings, und beklemmendes Schweigen.
All' aufmerkten dem Wink: da zogen in brausendem Eilflug
555   Scharen auf Scharen dahin, und jauchzten der rühmlichen Arbeit.
Dort an den Mauerbruch, der weit aufgähnte zum Oehlwald,
Eileten Wälsch' und Hispaner, zum Thor von Buschatter die Deutschen;
Doch Lusitania's Volk, den Niederländern und Malta's
Muthigen Kriegern vereint, erreichte das eiserne Seethor.
560   Tausend ergriffen bei jeglicher Schar die ragenden Leitern:
Kühneres Volk, zu erklimmen den Wall im stürmenden Anlauf.

Welches der Völker kam dem andern zuvor in dem Wettlauf?
Erst das hispanische; d'rauf nachdrangen den Wälschen die Krieger
Portugalls und Brabants. Wie, stürmten die tapferen Deutschen

565   Nicht vor allen zuerst? Sie hemmte der kühne Cherusker,
Hermann: denn, sein edeles Volk vor Tücke zu wahren,
Schwang er in Hast nach Eberstein sich herunter, und rief ihm:
»Hemme den rascheren Lauf, vorschauend, und Tücke vermeidend:
Weit durchhöhlte der Feind, vor deinem Ziele, des Erdreichs
570   Dunkelen Schooß; ihm nahet die Lunt', und donnernd erhebt sich
Bald entsetzlicher Rauch, und Feuer, und wilde Zertrümm'rung.«
Jener hemmte sein Volk. Zwar ächzte der Krieger, und Thränen
Netzten sein glühendes Aug', im Vorsprung schauend die Fremden;
An dem Gewehr' ihm bebte die Faust, und die strebenden Fersen
575   Bohrten tiefere Spur unwilliger Rast in den Sand ein.
Doch nun schwankte der Grund: aufflog, die Lüfte verfinsternd,
Qualmender Rauch, und Loh', und Wust des berstenden Erdreichs
Ueber den Flatterhöhlen umher, die rings an dem Wall sich
Kreuzten, erfüllt mit der Last des entflammenden, schrecklichen Zündstaubs.
580   Bebend stürzten die Reihen zurück; aus den Augen der Krieger
Glänzte dem Feldherrn Dank, der so sie entriß dem Verderben.
Aber er wandte sich nun, und rief mit gewaltiger Stimme:
»Dort das herrliche Ziel, wo Siegespalmen dir winken,
Schaue, mein edeles Volk – nicht des Todes gähnenden Abgrund!
585   Schwer ist die That; die Stelle gefahrvoll; aber uns ehrte
Deutschlands edelster Hort, da er Deutschen das Höchste vertraut hat.
Tapferer Radburg, vor mit den muthigen Bayern, und Stollberg
Vor mit den Sachsen zum Sieg! Du, Römhild, entflamme die Helden
Schwabens, und jene aus Brandenburg ermuthige, Siegfried,
590   Jetzo dein Ruf. Vereint erringet den Preis der Entscheidung.«
Hermanns luftige Schar aufjauchzte des Heldengebiethers
Worten, und kam, und mehrte den Muth ruhmdürstender Männer,
Dort zu erstürmen den Wall, wo am blutigsten winkte des Sieg's Preis.

Sinams Riesenkraft rang dort den Stürmern entgegen.

595   Ihm war Hannibal brausend genaht: denn mächtig erschreckt' ihn
Drüben das Stürzen der Wäll' und das Jauchzen der kommenden Sieger,
Ringsum. Listengeübt haucht' er ihm jetzo den Rath ein:
»Ha, nun gilt's mit festausharrendem Muthe des Feindes
Wuthandrange zu steh'n, und nicht entehrender Feigheit
600   Heute zu opfern den Ruhm entschwundener Jahre! Wohlan, horch!
Schafft der gewichtige Ball, vom Donnerrohr in die Haufen
Wimmelnder Feinde geschleudert, schon entsetzliches Unheil:
Welch' entsetzlicher's noch ersähst du mit staunenden Blicken,
Wenn, umhüllt von geplättetem Eisen, die Büchsengeschosse
605   Mit zertrümmertem Blei in die nah'anstürmenden Gegner
Wütheten? Auf, und gebiethe den Mord und die grause Vernichtung!«
So rief Hannibal; doch nun sah, voll Zorn in dem Busen,
Hermann zugleich, wie schnell, dem listigen Gegner gehorchend,
Sinam die Donnerrohr' in der Breite des gähnenden Wallbruchs
610   Pflanzen hieß, daß im kreuzenden Feuer der gräßliche Hagel
Tilge des Feindes Reih'n. Er jammerte laut und begann so:
»Schmacherfindende Zeit! Daß nichts mehr gelte des Tapfer'n
Eigene Kraft; daß nimmer das Aug' in das Auge des Gegners
Schleudre des Todes Blitz', und, heimgekehrt, der Krieger
615   Nimmer weise mit Stolz dem grauenden Vater, der Mutter,
Oder der Gattinn die ehrende Narb' an der Brust und der Scheitel,
Und erzähle zugleich, wie solche der Feind ihm geschlagen
Dicht im Gemeng', wo jener ihm sank, in dem Kampfe getödtet –
Nein, daß er dort: ob feig', ob tapfer, ein elender Krüppel
620   Arm- und beineberaubt, umhinke, den Seinen zur Trauer,
Hast du das Scheusal erzeugt, die Würgerinn heißend Kartätsche!«

Sieh', Ursini der Greis, flog hin, wie ein feuriger Renner
Fort auf der Rennbahn fleugt, zu erringen dem Reiter den Wettpreis:
Hoch von dem Nacken ihm flattert die Mähn', und vom blanken Gebisse

625   Ueberschneiet der Schaum ihm die Brust; er schnaubet, und sprühet
Gluth aus der starrenden Nas', und ihm blitzen die spähenden Augen
Feuriger stets, da er jetzt mit lauterem Hufesgerassel,
Sprung auf Sprung, im Galopp vorbraust zum winkenden Ziel hin;
Fern ihm folgen, gespornt von den Reitern, die schwächeren Rosse:
630   Also strebte der Greis im edelen Muthe des Herzens
Gegen den Wall, wo Darjuh, an Giaffars Stelle der Aga,
Nach den Gefahren des Kampf's und glänzenden Thaten sich sehnte.
Als er den Greis ersah, da entriß er das mächtige Schießrohr,
Doppelhaken genannt, den Händen des Kriegers, und jagte,
635   Schmetternd, verdoppeltes Blei in die Stirne des tapferen Feldherrn.
Lautlos sank er zur Erd': ihm färbte das silberne Haupthaar
Quellendes Blut. Ach, nimmer bewirthet der freundliche Greis mehr
Fremd' in seinem Palast, die aus nahen und fernen Gefilden
Heilige Sehnsucht trieb, der ewigen Roma zu nahen,
640   Und im Schutt noch die Wunder zu schau'n gewaltiger Vorzeit:
Denn er stürzte verwundet zur Erd', und verhauchte das Leben.
Aber Ludewigs Schar rang dort am zertrümmerten Seethor,
Schnell zu erklimmen den Wall, wo, empört durch Attila's Ingrimm,
Und durch Hannibals Muth, das Volk in grausamer Nothwehr
645   Wüthete. Pech, noch siedend, und Oehl, noch wallend der Flamme
Goß, erbittert, der Feind auf die Stürmenden – wälzte der Mauer
Lastende Blöcke herab, und solch' unrühmlichem Tod, ach,
Sanken die Tapfersten schon! Auch tödtete Manchen der Speerstahl,
Manchen das krachende Rohr, wenn, kühnerhöhend, die Leitern,
650   Sie aufrangen zum Wall aus der Tiefe des dunkelen Grabens.
Doch weit schrecklicher noch, und entsetzlicher, scholl vor Buschatters
Thor Mordruf und Gewürg', wo Deutschlands herrlichvereinte,
Siegsruhmdürstende Schar, im Auge den Heldengebiether –
Muth und Gluth in der Brust, und des kreuzenden Feuers nicht achtend,
655   Vorwärts drang. Schon dreimal flog, mit dem kühnen Geschwader
Brandenburgs, dort Siegfried hinan, den Wall zu erklimmen,
Und er kehrete stets erbitterter, ähnlich dem Rüden,
Der, vom Jäger gedrängt, dem verwundeten Bären genaht ist –
Doch bald flieht, bald kehrt: denn immer scheuchen die Klauen
660   Und das Gebrülle des Thiers ihn fern: so wüthete jener.
Jetzt, im erneueten Lauf, durchbohrte das muthige Herz ihm
Schmetterndes Blei, und er sank. Auch blutete neben ihm Hinkmar,
Strebend mit matter Hand, den Pfeil aus der Lunge zu reißen.
Eberstein sah dort hinsinken die tapferen Helden
665   Brandenburgs; alsbald entriß er die Fahne dem Junker,
Schwang sie empor in die Luft, und rief hellleuchtenden Blickes:
»Jetzo mir nach, wem deutsches Blut in der Ader und Kampfgier
Glüht in der männlichen Brust! Wir löschen das feindliche Feuer,
Das entsetzlich die Unser'n tilgt aus der grausen Kartätsche,
670   Nur mit des Feindes Blut; mir nach! Nie sterben die Tapfern!«
Sagt' es, und drang, wie ein Pfeil, in sausender Eile zum Wall hin.
Aber Stollberg zog mit kräftiger Rechten den Helden
Wieder zurück, und rief: »Nicht dir – uns werde die Stelle!«
Also jubelten laut wohl tausend Stimmen auf einmal.
675   D'rauf, erklimmend den Wall, und durcheilend die Tiefe des Grabens,
Drangen mit Lärm und Getös' Germania's tapfere Völker
Ein in den Mauerbruch, wo erlesene, muthige Gegner
Standen zur Gegenwehr, der sinkenden Brüder nicht achtend,
Und zu sterben bereit, ein Jeglicher – alle für Einen.
680   Wenn dem Donnergewölk' entstürzen die Fluthen, und plötzlich
Ueberschwemmen die Stadt, daß laut in den engenden Gassen
Brauset der Strom, aufschäumt die Wog' an die Fenster: da flüchtet
Volk auf die Berge hinaus, und Volk auf die luftigen Zinnen:
Also erklommen auch hier die muthigen Deutschen die Höhen –
685   Stollberg allen zuvor; dann Scharen auf Scharen, und würgten,
Racheschnaubenden Grimm's, die Kämpfenden rings auf der Mauer.
Sinam entfloh. Nicht mied er zuvor des wüthenden Kampfes
Schrecknisse, fest, wie ein Fels, die Stirn' darbiethend den Feinden;
Doch, als jetzt im Sturm eindrangen die Deutschen: da wankte,
690   Bebte der tapfere Greis, und floh, das heimliche Pförtchen
Oeffnend am Damme des See's, mit tausend Gefährten nach Tunis.
Dorther naht' ihm unzähliges Volk, von dem Herrscher gesendet;
Aber mit Thränen im Blick, erhebend die Rechte, geboth er
Allen errettende Flucht aus den Händen des schrecklichen Feindes.

695  

Schon war Siegesgejauchz' am Seethor, schon an dem Wallbruch
Dort, wo Wälsch' und Hispaner im Sturm erstiegen die Mauern,
Wo ringsher Mordruf ertönete – rings in den Straßen
Strömte das Blut, bis jetzt, zu den Füßen des Siegers gesunken,
Bleich, mit verstörtem Gesicht, der Feind erflehte die Schonung.

700   Nun verklang das Getös'; nur Jubel des Kriegers ertönte,
Der von den Wällen herab in den Graben den finsteren Roßschweif
Warf, und dort aufpflanzte mit Stolz die Fahne der Heimath.
Lieblich flog sie umher in dem Abendwind, und erregte,
Ruhmausstrahlend, in jeglicher Brust noch höhere Wonne.
705   Durch das hallende Thor, umjauchzt von unzähligen Stimmen,
Kam in die Veste der Kaiser heraus. Stets enger, und enger
Schloß sich der Lärmenden Kreis um ihn her, und, als sie verstummten,
Hob er die Händ' empor zu dem Himmel, und stimmte das Loblied:
»Herr, dich loben wir!« an. Ein heiliges Feuer entflammte
710   Jegliches Herz. Erschütternd zu schau'n: wie aus Tausender Augen
Stürzen die Thränen zugleich; wie Tausender Hände zum Himmel
Fleh'n, und zu hören erschütternder noch: wie Tausender Stimmen
Wirbeln empor in die Luft, und sie all' Dank rufen im Einklang.

Hassan, der König, erschien. Er war an dem dämmernden Abend

715   Gestern gelandet, und barg sich scheu in der einsamen Herberg,
Die Zafrano ihm both, von schattenden Cedern umfangen.
Weder gerüstetes Volk, noch Mundvorrath, in des Krieges
Zehrenden Tagen ersehnt, bracht' er dem Bundesgenossen:
Denn er lauerte nur, ob Hairaddin, oder der Christen
720   Mächtiger Herrscher erringe den Sieg? in den Mauern von Kabesch.
Tief sich beugend zuvor, begann er jetzt vor dem Herrscher:
»Gott ist mit dir, und Segen die Fülle: des herrlichsten Sieges
Ruf verkündet es bald den fernsten Völkern zum Staunen.
Ach, nicht bieth' ich dir Mundvorrath und tapferes Hülfsvolk,
725   Wie ich's verhieß! Nicht horchte der Muselman mehr dem König,
Der sich dem Christenvolke verband: hier steh' ich als Bettler!«
Und er sank auf die Knie'; da sah der edelste Kaiser,
Wie der Mond, umflort vom Regengewölk auf den Hügel
Heftet den Schwermuthsblick, nach dem Flehenden trauernd hinunter,
730   Hob ihn empor, und rief ihm mit trostverheißendem Lächeln:
»Sieh' eröffnet des Reiches Thor, das Hairaddins Herrschgier
Dir entriß;»The Emperor marched into the Goletta through the breach; and turning to Muley-Hassan, who attenden him, »Here« – Says he – »is a gate open to you, by which you shall return to take possession of your dominions.« (Robertson Histor. of Charles V. III. T. Book V.) dein sey's mit jeglichem Segen des Himmels!«
Hassan stammelte Dank; laut zollt' ihn der Kaiser den Helden
Allen umher, die im Sturm errangen die trotzende Festung.
735   Aber zu Stollberg sprach er dann mit lohnendem Blick so:
»Werde Goletta's Hort und Vertheidiger; ordne der Mauer
Feind'abwehrenden Bau; doch jetzt gebiethe mit Sorgfalt,
Daß die Verwundeten all' errettender Hülfe sich freuen!
Morgen am Tage des Herrn, das Denkmaal unseres Heiles
740   Feiernd, gedenken wir auch, zu bestatten die Todten, und dankbar
Ihnen die Maale des Ruhm's zu erhöh'n für die kommende Zeit noch.«
Jetzo führt' er die Scharen zurück in des Lagers Umwallung,
Sie zu erquicken durch Rast; doch Stollberg ging, daß er übe
Alles und Jedes sogleich nach dem Willen des gütigen Herrschers.
745   Und die Schatten der Nacht umhüllten den schlummernden Erdkreis.

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