Johann Ladislav Pyrker
Tunisias
Johann Ladislav Pyrker

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Neunter Gesang.

              Wie der Heuschrecken Heere, gejagt aus Syriens Wüsten
Von zerstörender Gier, anstürmen im Sommer, daß weithin
Sauset die Luft, und die Sonne verlischt in der Helle des Mittags:
Also schwebten auch jetzt in zwei gesonderten Haufen,
5   Brausend, die Geister heran, und jeglichem eilten die Herrscher,
Muhamed erst, dann Attila vor: zwei finsteren Wolken
Gleich, die donnerschwer, in dräuender Stille heraufzieh'n.
Unmuth gohr in dem wilden Blicke des hunnischen Königs;
Auch die glühende Stirn' und Wange des Koran-Verkünders
10   Zuckte vor Wuth: nicht die Christen all' im Kampf der Entscheidung
Schauend. Lechzende Gier nach Blut erfüllte die Furchtbar'n.
Muhamed rief: »Erblick' ich dort Arabia's Krieger?
Wehe, denn weder an Muth, noch an Thaten sind sie mir ähnlich
Mehr, die Feig'umschwärmenden! Jetzt, und hinfort mir ein Liebling
15   Seye der Türk'. Aus TurkestansTurkestan, das eigentliche Stammland der heutigen Türken, ist eine Landschaft in Mittel-Asien, die von dem Königreiche des großen Moguls, von der großen Tartarey, von Catay und Zagatey begränzt wird. Das Land ist sehr fruchtbar, dessen Einwohner Tartaren sind, und sich zur muhamedanischen Lehre bekennen. sandiger Flur sich erhebend,
Kam er, ein brausender Sturm, und säte des heiligen Korans
Samen aus in die Welt, und lenkt' an die Keime den Blutstrom,
Daß er erwuchs, und die Ernt' in üppiger Fülle sich fortmehrt.
Hebe dich, luftige Schar: dem Christen errege die Gegner,
20   Daß er besiegt hinschwind', und nie rückkehre zur Heimath!«
»Tapfere Scythen, ihr!« rief laut der Hunnen-Beherrscher,
»Die, nach Attila's Wink, den allverheerenden Flammen
Aehnlich, im Garbenfeld der schmachgereifeten Menschheit,
Wüthetet, als uns Rom auf den sieben Hügeln erbebte –
25   Byzanz neigte das Haupt: erhebet die lustigen Waffen,
Weil, der sterblichen Hüll' entrückt, der Thaten Vollendung
Nimmer den Busen uns labt, nicht der Sieg im Jauchzen der Mordlust;
Auf, und dränget der Janitschar'n blutdürstende Rotten
Rastlos vor zum Gewürg' in volkzermalmender Feldschlacht!«
30   Jauchzend vernahmen des Herrschers Ruf die luftigen Scharen;
Aber so laut und so mächtig sie schrie'n – es zischte nur leises,
Schwaches Geflister herab. Wohl starrt' in der eilenden Heersmacht
Mancher der Krieger empor; doch leer ihn dünkte der Luftraum.

Leise, mit weitvorstrebendem Fuß, die klirrenden Waffen

35   Pressend im Arm, und das Roß, daß es schweig', an den wallenden Mähnen
Streichelnd, nahte der Feind in täuschender Stille vom Wald her.
Doch als jetzt von den Felsenhöh'n das wichtige Zeichen
Donnernd erscholl, und fern in des Lagers Mitte Verderben
Säte der eherne Schlund: da jagten die listigen Scharen
40   All', im geflügelten Lauf, im Getös' empöreter Mordwuth,
Allah! Allah! brüllend, heran an des Lagers Umwallung:
Denn urschnell und in wilder Verzweiflung sollte der Christen
Schlummerndes Volk, so wähnete Hairaddin, Jammer ereilen.
Siehe, und als dem Wald, wie am wetterverheißenden Morgen
45   Zürnende Bienen dem Korb', entströmte sein lärmendes Kriegsvolk,
Führt' ihm Mendoza, der Held, im Blitze des Waffengeschmeides
Schon entgegen die reisige Schar: er selber den Kampfpreis
Heischend vor ihm, und kühneren Blick's vorstürmend zum Angriff!
Wie, wenn lechzend nach Blut, der schreckliche Tieger im Dickicht
50   Leises Geräusche vernimmt, und dort, nur scheue Gazellen
Suchend, den Leu'n, den langvermied'nen, gewahret, da wankt' er
Vor dem entsetzlichen Feinde zurück, und denket der Flucht schon;
Doch bald kehrt ihm die Wuth: er senkt die Brauen ergrimmter
Nieder, und fletschet die Zähn', ihm den letzten der Kämpfe zu biethen:
55   So mit staunendem Blick sah Hairaddin jetzo die Gegner
Kommen im Feld, die er, würgend, vom Schlaf zu erwecken gedachte.
Aber er säumte nicht, trieb, und jagte die Zögernden vorwärts,
Und der Geister aufjauchzendes Heer flog brausend hernieder,
Nahte den Kriegern, und schrie in das Ohr dort Jeglichem: »Vorwärts!«
60   Wie der Bremsen erboßter Schwarm in der Stunde des Mittags
Rasch auf die Heerde des trägeren Hornvieh's, dann auf der Rosse
Munt'res Gestütt' sich wirft, und all' in rasendem Taumel,
Brüllen, wiehern, und flieh'n: denn, ob ein schwindliger Abgrund,
Oder die tobende Fluth tief unten dräuet – sie stürzen
65   Unaufhaltsam hinab; so drängten die luftigen Geister
Hairaddins Volk an die Feind', und furchtbar tönte der Schlachtruf.

Siehe, die Reiterschar der Araber tauchte vor allen,
Spornend das feurige Roß, und vorgebeugt aus dem Sattel
Bis zu den Mähnen, die Spitze des hochaufragenden Speeres

70   Dort in Mendoza's Reih'n. Da fiel Segorbia's Kampfheld,
Aguillar, und mit ihm Morillo, den Murzia sandte,
Fahnenjunker im Heer, mit dreißig erlesenen Kriegern,
Und in dem Waffengemeng' erbebte Hispania's Jugend,
Die zum ersten Male des Kriegs betäubendem Schrecken,
75   Hier in dem Feld, entgegen sich warf, und dachte der Flucht schon.
Doch jetzt nahte mit Sturmes Flug vor seinen Gefährten
Hermann heran: ihn lockte des Kampfs erwachender Donner
Fernher. Aehnlich dem Aar, der tief im schattigen Thalgrund
Beut' ersehend, sogleich in sausender Schnelle herabfährt:
80   Also fuhr er herab, und rief dem edlen Mendoza:
»Sollten die Jünglinge flieh'n, ihr Ruhm ist gefährdet für immer.
Schau in die Vorwelt auf, wie dort der Heldengebiether
Hermann, den flüchtenden Kriegern zur Schmach und Wiederbesinnung,
Muthig den Schild ergriff, vordrang, und so, mit den Scharen
85   Wiedervereint, sich herrlichen Siegsruhm über des VarusVarus (Quintilius), unter Augusts Regierung erst Proconsul in Syrien, dann in denen, seit Julius Cäsar eroberten deutschen Provinzen, wurde durch das Haupt der Cherusker, Hermann, aus seinem verschanzten Lager bis in den Teutoburger-Wald, h. z. T. Grafschaft Lippe, gelockt und dort sammt seinen drei Legionen zu Grunde gerichtet. Varus entleibte sich selbst. August soll sich bei der erhaltenen Nachricht die Haare gerauft, und ausgerufen haben: »Varus, schaffe mir meine Legionen wieder!« (Tacit. Sveton. Velej. Pater. L. I. 2.)
Drei Legionen errang in dem eisernen Felde der Waffen:
Also mögest du jetzt den jüngst geworbenen Kriegern,
Kämpfend, ein Leitstern seyn auf dem grau'numnachteten Schlachtfeld!«
Glühende Röth' umzog Mendoza's Wangen; er dachte
90   Seines errungenen Ruhms Verdunkelung; schrie, und begann so:
»Spanier, kühn mir nach: nicht täuschet der edeln Cortezza
Hohes Vertrau'n, die euch sandte zum Heer; nicht gewahre der Herrscher
Euch unkriegerisch, feig; mir nach! Eh' treffe der Tod mich
Selber durch Feindeshand, eh' hier die Schande mich treffe.«
95   Jauchzend flog er dahin, und voll kühner Todesverachtung
Sprengten die Reiter ihm nach. Entscheidend für kommende Zeiten
Lenkt ein Held im Gefecht den neugeworbenen Krieger:
Denn nicht weicht er, und fällt, besiegt, im rühmlichen Tod nur:
Stets erfüllt ihm die Brust die erhabene Heldengesinnung.
100   Jetzo die stürmende Lanz', und jetzt des sausenden Säbels
Blitz und Schlag ereilte der Araber dichte Geschwader
Mordend; es sank das Volk, und es sanken die Rosse getödtet.

Assad riß sich hervor, der Emir. Einst Beduine,Beduinen, oder nomadische Araber, sind unabhängige, freie Stämme muhamedanischer Religion, die unter ihren Fürsten (Emir) oder Familienhäuptern (Scheich) die Wüste, größten Theils unter Zelten lebend, bewohnen. Sie sind Krieger und Hirten zugleich, und verachten stolz alle übrigen Beschäftigungen. Seit Jahrtausenden sind ihre Sitten dieselben geblieben, wie sie in den allerältesten Urkunden, nämlich in der h. Schrift, durch Moses, geschildert werden. (Niebuhr, Beschreibung von Arabien, S. 379 und f. – D'Arvieux III. 125.)
Zog er in Syriens Wüsten umher, und häufte sich Reichthum,

105   Dort der Karavan' auflauernd im einsamen Hohlweg.
Deß' sich zu freu'n, wohnt' er zu Tunis im stolzen Pallast nun:
Seinem Volke verhaßt, dem stets das Leben in Zelten,
Draußen im Steppengefild des Menschen würdiger dünket.
Jetzo im sausenden Ritt Mendoza genaht, und vertrauend
110   Eiserner Kraft, dacht' er, mit dem blinkenden Speer ihn zu tödten;
Doch Mendoza riß an dem Zaum: sein mächtiges Streitroß
Setzt', im kreisenden Sprung', ihn schnell an die Seite des Emirs,
Und er jagt' ihm das Schwert mit festnachstürmender Rechte
Tief in die Brust: er sank vom Sattel, und stöhnt' in dem Tod noch.
115   Aber ihm naht' Abulkassem, sein Sohn, ein furchtbarer Rächer.
Stöhnend vor Wuth durchrannt' er Mendoza's Arm mit dem Säbel,
Als er, gewendet, die Reih'n aufboth zum stürmenden Angriff.
Wieder erhob er den Stahl, und hätt' ihn getödtet, da sprengte,
Rettend, Alonzo Cueva heran, der tapfere Hauptmann,
120   Schrie, und scheucht' ihn zurück. Er barg sich schnell im Gewimmel
Seines Volk's, das jetzt, des Feldherrn Wunde gewahrend,
Muthiger vorwärts drang, und laut aufbrüllte vor Mordlust.
Aber dem Schlachtengemeng' entrissen die Krieger den Helden;
Eilten in's Lager zurück, daß dort heilkundig der Arzt ihm
125   Stille das Blut, und träufle den weh'einschläfernden Balsam.
Und er ermahnete scheidend noch mit blasserem Antlitz,
Alle, zu folgen dem Wink des Helden Alonzo Cueva.

Heißer entbrannte die Schlacht. Wie im Süd und Norden empöret
Donnerstürme sich nah'n, und, vermengt, zur Erde Verderben

130   Speien im Flammengezisch und im schrecklichen Hagelgeprassel:
Also prallten die Araber an, und zugleich die Hispaner:
Diese von Rach' entflammt ob ihres verwundeten Führers,
Jene, voll Muths vorstürmend, und lautaufjubelnd im Vortheil.
Als sich gemengt im Feld die Wüthenden trafen, da tönte
135   Schrecklich der Mordausruf und das Schmettern der Waffen, dem Donner
Eherner Schlünde vereint, und Blut beströmte den Boden.
Schon warf zweimal der Christ des Mahoms Verehrer, im Sturmritt,
Drängend, zurück; schon jauchzt' er des Sieg's aufstrahlender Hoffnung;
Aber da warf, ergrimmt, auf Alonzo Cueva, den Dränger,
140   Abu-Sa-id den Dolch, und durchbohrt' ihm den Hals und den Nacken,
Solchem Kampfe geübt; er sank, und verhauchte das Leben.
Siehe, den endlos Trauernden faßt' am dämmernden Morgen,
Vor des Kampfes Beginn, heut' ahnungentsprossene Schwermuth
So, daß ihm Jeglicher staunt'. Ach, seines erblindeten Vaters
145   Greisengesicht, und das wankende Haupt, wie schneeiger Tauben
Dunen, so weiß, schien ihm noch immer zu dräu'n ob dem Frevel
Stürmischer Jugendzeit: da er leis' annahend, des Vaters
Händen den Stab entwand, und der zürnende Greis, an der Schwelle
Stolpernd, kopflangs stürzt', und blutete – Jammer zu schauen!
150   Immer trübte die That ihm jegliche Freude des Lebens
Seither. Aber der Vater horcht, vor dem Haus' auf der Bank sich
Sonnend, dereinst begieriger auf, wenn kehrender Sieger
Jauchzen, der Waffen Geklirr, und das Wiehern der Rosse herantönt;
Ringsum Hast und Getös' die Heimgebliebenen aufregt,
155   Und die Straßen entlang: »Willkommen uns in der Heimath!«
Jubelnden Rufs erschallt in mancherlei Stimmen des Alters.
Vor vom Sitze gebeugt, horcht er: ob endlich des Sohnes
Gruß er vernehm', und harrt, hinzitternd, der frohen Umarmung:
Ach, umsonst: ihm sank der Theuere kämpfend vor Tunis!
160   Schrecken befiel die wiederverwaiseten Krieger: dem Unglück
Bebt' ihr muthiges Herz, nicht den wildaufrasenden Gegnern.
Also, verschüchtert, wichen sie nun, und ihnen im Rücken
Brauste der Feind, und häuft' im Felde die blutigen Leichen.

Sieh', welch tapferes Häuflein kommt, die schnaubenden Rosse

165   Spornend, heran? Hell sprüht der zierliche Helm und der Harnisch
Hüpfende Funken umher; vom hochaufragenden Speerschaft
Blitzet der tödliche Stahl, und es blitzen die Augen der Männer.
Fünfzig sind's der Edlen. Sie führt auf der rühmlichen Laufbahn
Garzia Lasso, der Held, und Hispania's lieblichster Sänger.
170   Jetzo, dem Feinde genaht, und vorgebeugt aus dem Sattel,
Senkten die Kühnen den Speer, und warfen im sausenden Eilflug
Fünfzig der Feind' in den Staub: da floh'n die entlasteten Rosse
Wiehernd zurück: weit gähnte die Kluft im dichten Geschwader.
Wie, wenn brückendes Eis auf dem breiten Rücken der Donau,
175   Oder des Rheins, das heut' am Morgen noch eiserngefroren,
Unter der Wucht des schweren Gespanns und der lastenden Wägen
Drönete, nun ergriffen vom schmelzenden Hauche des Westwinds,
Krachend zerbirst, und zertrümmert im Schwall der finsteren Fluthen
Schwindet, daß links am Gestad', und rechts das schimmernde Landeis
180   Aufragt: also standen die Reih'n, im entsetzlichen Durchbruch
Weitgeschieden im Feld': sie blickten erstarrt in den leeren,
Scheidenden Raum: ihr Mordruf starb auf den bebenden Lippen.
Aber nicht rasteten dort die Scharenzertrümm'rer: sie würgten,
Was entgegen sich warf, in siegbeflügelter Hast noch.
185   Auch der Jünglinge Schar flog nun, um nimmer zu weichen,
Wieder im Felde heran, und vereint den siegenden Rittern,
Uebt' ihr blitzendes Schwert vergeltende Rach' an dem Gegner,
Der, von Schrecken betäubt, mit verhängtem Zügel den Läufer
Rückwärts trieb zu Hairaddins dichtannahender Heersmacht.

190  

Unabsehbar herab vom Olivengehölz auf das Blachfeld
Lenkt' er die Janitschar'n und fünfzig numidischer Horden
Wimmelndes Volk zum Kampf, als hier die Zersprengten dem Vortrab
Nahten. Er biß sich die Lippen vor Wuth; dann, eilig sich wendend,
Hieß er die Janitschar'n mit ausgebreiteten Armen,

195   Trennen die mittleren Reih'n, und erretten die flüchtenden Scharen,
Jene gehorchten dem Wink: mit rückwärtsstrebenden Fersen
Schwenkten die Reihen sich links und rechts: geräumigen Durchgang
Oeffnend dem flüchtigen Volk. So, wie, gehemmt in den Schleußen
Ruhet der brausende Strom, ein See, bis früh an dem Morgen
200   Oeffnen sie heißt der Schwemm' erfahrener Meister: da stürzen
Wog' auf Wog' und Schwall auf Schwall, im Gebrause des Donners,
Zur verschlingenden Kluft die langegehemmten Gewässer:
Also stürzten, gedrängt, und drängend, mit wildem Getümmel
Durch den geöffneten Raum zugleich die erretteten Scharen:
205   Denn nachjagte der Feind, und rastete nicht; in dem Rücken
Sauste des Säbels Schlag und der Lanz' einstürmender Mordstoß.
Aber die Janitscharen, die erst, sie schirmend, im Rückschritt
Wichen, kehrten zurück, und heischten, geordnet, den Angriff.
Hairaddin flog die Reihen entlang, und schrie im Getös' hin:
210   »Söhne des großen Propheten, des Muths und der flammenden Kühnheit,
Denket, welch' ihm die Erde, besiegt, gleich niedrigem Schämel,
Unter die Ferse gestellt: sie lag, und schmiegte sich duldend
Ihrem Druck. O dessen gedenkt! Ihr sehet die Gegner
Seines Nahmens vor euch; vernichtet sie, würgt sie gesammt hin.«
215   Muhamed, der ihn stets umschwebte mit liebender Sorgfalt,
Hörte mit Lächeln es an, wie er ihm vor glaubigen Moslems
Ruhm und Ehre gezollt; er selber, die Pfade des Lichtreichs
Fliehend, warnete nicht die Verblendeten, lächelte stolz noch!
Doch nun sah er erstaunt, daß Attila selbst, vor Entsetzen
220   Bebend, ihm nahte mit Sturmes Flug', und rief ihm entgegen:
»Haben die furchtbar'n Mächte gesiegt? Soll Schreckliches kommen,
Fallen vom Himmel der Mond mit den glänzenden Sternen; die Sonne
Ausgebrannt hinschwinden in ewige Nacht und Zerstörung,
Spurlos? Attila bebt, der nie zu erschütternde Krieger?
225   Jener wiegte das struppige Haupt, und als er noch einmal
Nach den felsigen Höh'n aufsah, entgegnet' er grimmig:
»Sieh', dort fleugt ein Mann g'en Hairaddin! Angst und Verzweiflung
Trägt er im Busen: er kommt, Unheil zu verkünden dem Herrscher.
Willst du vernehmen die That, die entsetzliche, der ich erbebte?«

230  

Doch was kündet der Bote voll Angst? . . . Daß der tapfere Feldherr,
Lichtstein, glühenden Muths, die Schanz' auf dem Felsen erstürmte.
Schon durchzog er zuvor die schaurigen Pfade des Waldthals,
Leis' nur, wie es der Kaiser geboth: nicht Trommelgewirbel
Kündigte ferne den Zug, nicht schmetterten Lust die Drometen

235   Heut' in dem eilenden Ritt dem Reiter und Roß in die Ohren;
Doch, als jetzt Medscherda, mit lautaufrauschenden Wogen,
Ihnen am Felsengestad' entgegen sich dämmte, da hoben
Eilig die Brückner die Fähren herab von den knarrenden Achsen;
Warfen sie all' in die Fluth, versenkten die zackigen Anker,
240   Gegen den Strom mit Tau'n sie festigend, und in des Bogens
Krümmung einete Fähr' auf Fähr' die gesonderten Ufer.
D'rauf hinreihend das lange Gebälk', und quer auf die Balken
Breitend die Bohle, besiegten sie schnell die hemmenden Fluthen.
Unter des Rosses Huf und den Füßen der eilenden Krieger
245   Drönete fort und fort die schwankende Brück' auf dem Strom hin.
Aber drüben vom schroffen Gestad' erhob sich die Felsbahn
Schroffer noch himmelwärts. Der Reisige stieg aus dem Sattel,
Führte das Roß am Zaum', und keucht', und strauchelte häufig,
Ganz unkundig des Kletterns, und fremd in der hehren Gebirgswelt.
250   Aber es klomm, wie die Gemse, der Schütze Tyrols an der Felswand,
Tapferen Hessen vereint, und Spessartern, auf zu den Höhen.
Also errungen waren sie jetzt, und die Scharen geordnet.
Lichtsteins Ruf erscholl: »Hinan, tyrolische Männer!
Spessarter, vor mit den Hessen! Euch folge das Reiter Geschwader
255   Dann, in gemessener Fern', entscheidend zum blutigen Angriff.«
Jauchzend, im Sturmlauf ging's an den Wall. Kaum trauend den Augen,
Sah der staunende Feind den Scharen des Feindes entgegen.
D'rauf erhob er Geschrei, und hieß des eh'rnen Geschützes
Donnergebrüll' mit dem Schmettern der Büchsen erschallen, und säte
260   Saat der Vernichtung. Da fiel Arnulf, der kühne Passeyer,
Der sich am Ortheles einst, dem felsaufklimmenden Steinbock
Folgend, verstieg, wo ihm bald der Strahl der Lebenserrettung
Völlig erlosch. Erhob er die Blicke: da wölbte die Steinwand
Ueber ihm thürmend sich auf, und senkt' er sie nieder, mit Vorsicht
265   Fassend den zackigen Fels: da bebt' er, vom Schwindel ergriffen,
Zitternd wieder zurück: denn weit hinaus auf den Abgrund
Bog sich die Wand, und eingekrümmt entschwand ihm die Mauer.
Kaum erspähte sein Aug' des Waldstroms Schimmer; verhallt war
Ihm sein Gebraus', und verstummt das Leben im einsamen Luftraum.
270   Dort sich mit reuigem Sinn, zum Hungertode bereitend,
Sah er schon zweimal des Tages Licht aufdämmern im Osten,
Zweimal erblassen im Abendroth; doch sieh', ihn vermißte
Jetzo der redliche Freund! Er wagte den Gang auf dem Felsgrath
Muthig, und schrie, und Geschrei vernehmend, senkt' er das Bastseil
275   Nieder vom jähen Geklipp', und rettete so den Gefährten.
Wie der Fischer empor zum Gestad', der Ruth', und des Fadens
Leises Zucken gewahrend, schnellt das zappelnde Fischchen:
Also entriß er den Freund, lautjubelnd, dem schrecklichen Tod dort,
Den er dahier nicht mied, durchbohrt von der schmetternden Kugel.
280   Neben ihm sank auch Eberhard, der erste der Schützen:
Nie verfehlt' er das Schwarz' in der kreisenden Scheib', und er both sich
Selber dahier zum Ziel', in des Herzens Mitte getroffen.
Feuriger: denn der Getödteten furchtbare Rächer, bestürmten
Ihre Gefährten den Wall, und rastlos krachten die Büchsen,
285   Rastlos tönte Geschrei, zu wecken den Muth der Entscheidung.
Weder die Spessarter, noch die gleichgewaltigen Hessen
Weileten fern', einmüthig rang dem Helden der Held nach.
Wo die sternnachbildende Schanz' im engeren Vorsprang
Ragt', aufdrangen zuerst die muthigen Führer der Deutschen,
290   Werner und Wittekind, vom Graben. Erbebend der Kühnheit,
Wichen die Feinde zurück: da both Abdallah, des Bollwerks
Hort, im drometenden Ruf Stillstand, und rief im Getös' her:
»Stillstand bieth ich euch an: wir räumen den Wall und die Schanzen
Eurer Gewalt, so ihr Abzug gönnt in würdiger Freiheit;
295   Oder, wollen wir erst den Wink der Herrscher erkunden?«
»Hör't,« schrie Lichtstein aus, »euch täusche die feindliche List nicht!
Muthig hinan: ihr kämpfet hinfort um den leichteren Sieg nur!«
Rascher eilten die Reih'n auf Reih'n jetzt vor, und erstiegen
Kämpfend den Wall: denn schrecklich erwies sich der Feind in der Nothwehr.
300   Werners Arm erlag Abdallah, der Schirmer des Bollwerks;
Aber ihm bohrte zugleich ein Derwisch, Fluch und Verwünschung
Brüllend gegen das stürmende Volk, den Dolch in den Nacken
So, daß dem Sinkenden schnell das Blut und das Leben entströmte.
Schwer vermißt ihn daheim die liebende Mutter, in Kummer
305   Lebend, seit ihr der Gatte versank in den Fluthen des Mainstroms,
Wo er vom berstenden Eis lautjammernde Menschen gerettet.
Nur ihr Einziger war ihr Trost in der schrecklichen Trennung
Von dem Gemahl, und Ernährer: denn stets heimbrachte der Sohn ihr,
Frommgesinnet, den Sold, und küßt' ihr die Hände mit Ehrfurcht:
310   Dankbar sorgend für jene, die ihn mit Schmerzen geboren,
Oft den Schlummer entbehrt', und viel herznagenden Kummer
Duldet' um ihn mit Lieb', in hülfebedürftiger Kindheit.
Ach, nun harrt sie umsonst des Guten! Ihn tödtet' ein Derwisch
Hier auf dem Wall. Doch Wittekind ereilte den Meuchler
315   Schnell; erhob den Degen, und traf ihn mit kräftiger Rechten
Tief in's Genick, daß er röchelnd sank, und im Blute sich wälzte.
Ihn umhäufeten bald, ringsher, die tapfersten Krieger.
Rasch umlenkend das Roß, aufschwang der Scharen Gebiether,
Lichtstein, jetzo das Schwert: verständlich blitzt' es dem Volk' auf.
320   Alsbald rief die Dromet' in hellerklingenden Tönen
Roß und Reiter zum Sturm, und zugleich, dem Sporn in den Seiten
Stöhnend, flogen die Läufer gestreckt an den Graben. Sie setzten
Ueber ihn hin, und klommen, daß fest an dem Hals' und den Mähnen
Pochte des Reiters Brust, an dem sandgehügelten Wall auf.
325   Dort war jetzt ringsum Gewürg', und Gemetzel, und Wuthschrei:
Denn nicht der Hagel prasselt so laut aus berstenden Wolken
Nieder auf's Breterdach (der Wandrer bebt vor Entsetzen,
Der sich unter ihm barg, zu entflieh'n dem grausen Gewitter)
Als der sausende Stahl, entlang den Wällen, auf Stirnbund,
330   Tulban, Harnisch, und Helm herrasselte, mordend die Scharen.

Mechmet entrann. Nun beugt' er die Stirne vor Hairaddin dreimal
Tief in den Staub; dann stand er, und wollte beginnen, vermocht's nicht.
Hairaddin faßt' ergrimmt, des Zögernden Stirne zu spalten,
Schon den Säbel; da rief der bleichaufathmende Krieger:

335   »Herr, stets glänze dein Ruhm, wie, strahlend, die Sonne vom Aufgang
Glänzet zum Niedergang, und mögen die Feinde, vernichtet,
Schwinden vor ihm! Doch weh'! Entsetzliches muß ich dir künden –
Zittern vor deinem Zorn. Vernimm's! Die Schanz ist erstürmet.
Keiner der Unsern lebt; ich allein entrann dem Gemetzel,
340   Dir zum Wohl: denn siehe, dein Sclav' entriß sich dem Kampf nur,
Daß du es hörest von ihm: dir nahen die Feind' in dem Rücken!«
Und er stieß sich den Dolch in die Brust. Da floß an den Wangen
Hairaddins wohl die Thräne herab, als dort in dem Sandstaub
Jener verhauchte den Geist? Ach, niemals hoben sich Thränen
345   Ihm aus der Brust empor zu den grimmgerötheten Augen;
Ihnen entstrahlte kein Mitgefühl, kein himmlisches Mitleid!
Schweigend starrt' er umher; dann, so, wie ein Blitz in der Sturmnacht
Durch das finst're Gewölk hinfleugt, umröthete plötzlich
Tiefaufgährender Zorn ihm die blassergewordenen Wangen,
350   Und er rief, daß Muhameds Aug' erglänzte vor Wonne,
Grimmig den Janitschar'n entgegen, und schrie im Getös' hin:
»Mögen sie immer im Rücken uns nah'n. Nicht eher verlassen
Wir die dürstende Heide, bis satt mit feindlichem Blut wir
Sie getränkt, und genügend ihr tischten das schreckliche Schlachtmahl.«
355   D'rauf, wie dort in des Waldthals Schlucht, aus berstenden Wolken
Niedergestürzt, ein Strom entgegen sich dränget dem ander'n,
Laut mit wildem Geräusch', und im schrecklichen Wogengewirbel,
Tief aus dem Grunde gewühlt, die Vesten der Berge versinken
Links und rechts: da rollen die Felsen, da stürzen die Wälder
360   Gegen einander hinab in den brausenden Schaum der Gewässer:
Also stießen auch hier die feindlichen Heere zusammen.

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