Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein – Fünftes Bändchen
Franz Pocci

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Crocodilus und Persea
oder
der verzauberte Krebs.

in drei Aufzügen.

Personen.

Persea, ägyptische Fee.

Crocodilus ihr Gemahl, ein Magier.

Zimbimbimperl, deren Tochter.

Casperl Larifari.

Grethel, seine Frau.

Mehlweiß, Müller.

Toni und Michel, dessen Knechte.

Löwenmajer, Inhaber einer Menagerie.

Chor der Fische.

I. Aufzug.

Seegegend. Am Ufer eine Tafel auf einem Pfahl mit der Aufschrift: »Hier ist das Fischen verboten.«

Casperl mit einer Angel.

Casperl. Das sind mir glückliche Zeiten! Ueberall Eisenbahnen! Wenn Einer 's Geld hat, kann er hinfahren wo er will; er braucht dann nur noch Logie im Wirthshaus und's Essen und's Trinken zu zahlen. Freiheit grad gnug! und die kost't kein Kreuzer. Aber man hat auch pudlwenig davon. Einigkeit, Frieden, Glückseligkeit überall, won man die Nasen hineinsteckt! Aber bisweilen stinkt's wo. Was aber das übrige Leben betrifft – so weiß ich nit, ob's da gar so brillant herschaut. Zum Beispiel hab' ich schon seit gestern mit meiner Grethl Nix z'essen, weil wir bei der Theuerung nicht das nothwendige Material busitzen, uns einen Brocken Fleisch zu kaufen, ja nicht a mal ein' Batzen Eier zu einem Strudl, weil jetzt 1 Batzen Eier zwei Batzen kost'; das machen vermuthlich die Veikehrsmittelerleichterungsanstalten. Da fliegt Alles aus'm Land und kommt nichts herein, außer um's dreifache Geld.

Pfui Teufel, sind das Anstalten und Verhältnisse! – Aus Hunger Hab' ich mir da um 3 Kreuzer ein' Angelhacken kauft, ein Schnürl und den Besenstiel hab' ich g'habt; jetzt will ich einmal das Fischen probiren, vielleicht derwisch ich a paar Bachfischeln.

(Geht näher an's Ufer.) Oho! Was steht da gschrieben? »Hier ist das Fischen verboten.« No, das ist mir gerad recht. Das ist ein Beweis, daß's was zum Fischen gibt, sonst wär's nicht verboten. Und die verbotene Kost schmeckt immer am besten. Also Kurasch!

(Wirft die Angelschnur aus.) No, no, no! da zieht schon was. Ah, das muß ein schwerer Fisch sein. So, so – nur langsam, damit das Schnürl nit reißt!

(Zieht einen großen Stiefelzieher heraus.) Oho! der Fisch g'fallt mir. Mit dem kann ich wenigstens einheizen. Auch nicht übel. Vermuthlich hat den Stiefelzieher ein sich gebadethabender Handwerks- oder anderer Bursche in's Wasser fallen lassen.

Gleich wieder probirt! Vielleicht fang' ich noch ein paar Stiefel.

(Wirft wieder aus.) Uh! das Glück – spür' schon wieder, daß was anbeißt. Holla! holla! nur Zeit lassen! Das ist wenigstens ein 10 pfündiger Karpf – wo nit gar ein junger Wallfisch.

(Zieht einen Nachttopf heraus.) Schlipperdibix! Eine Kafeeschalen. Ah! die is für meine Grethl recht. Jetzt möcht ich aber noch ein Pfund Caffé dazu erwischen.

(Taucht wieder ein.) Herrschaft! ich hab' aber Glück! beißt schon wieder was! Hop! Hop!

(zieht einen großen, rothen Krebs heraus.) Bravo! das ist einmal Etwas zum schnabuliren!

Krebs. (Zwickt ihn in die Nase und spricht:) Nichts zum schnabuliren, Mousieur Casperl!

Casperl. Hören's auf mit dem Zwicken! Das ist ja höchst unangenehm.

Krebs. Ich lasse nicht eher los, bis Sie mich ruhig angehört haben.

Casperl. Ja, ja! Auwehzwick! hörn's nur auf. Ich will schon aufmerken, umsomehr, da es ja höchst curios ist, daß ein stummer Krebs spricht, wie unser Einer.

Krebs (läßt los.) Hören Sie, Herr Casperl. Sie dürfen sich Glück wünschen, an diesem verbotenen Orte Ihre Angel ausgeworfen zu haben, um mich zu fangen.

Casperl. So? – ah, das will ich glauben.

Krebs. Ich bin eigentlich von Geburt aus kein Krebs, sondern eine unglückliche Fee'ntochter, welche in diese Gestalt verwandelt ist.

Casperl. Schlipperment nochmal, da hab' ich also ein »Fang gemacht,« wie man zu sagen pflegt.

Krebs. Allerdings! – Hören Sie.

Casperl. Ich hab' ja schon ghört. Ich möcht Sie lieber in der Schüssel haben.

Krebs. Die Krebse, wie Sie wissen, sind von Natur nicht roth,

Casperl. Das weiß ich. Vermuthlich sind Sie also ein schon gesottener Krebs.

Krebs. Nein, dieß ist nicht der Fall. Ich bin nur schamroth.

Casperl. Schlipperment! Schamfuso also!

Krebs. Meine Unglücksgeschichte ist folgende:

Casperl. Was? a Gschicht auch noch; die Gschicht wird mir a bißl zu lang.

Krebs. Nun also: Ich heiße Zimbimbimperl, hin hinter den ägyptischen Pyramiden geboren. Mein Vater ist der Magier Crocodilus und meine Mutter die ägyptische Fee Persea.

Casperl. Gut, hören'S nur gleich auf; denn da Ihre Maman Persea, so versteht sich die Gschicht »per se«.

Krebs. Still! oder ich zwicke. Ein unglückliches Verhängniß war die Ursache, daß meine Eltern sich trennten. Ich war das Opfer dieses ehlichen Zwistes; mein eigener Vater hat mich in die Gestalt verwandelt, in der Sie mich vor sich sehen. In Ihrer Hand liegt es, mich zu retten. Das »Wie« ist vor der Hand noch mein Geheimniß. Auf Wiedersehen! (Springt in den See und verschwindet.)

Casperl. Vor der Hand, nach der Hand, in der Hand – das war eine saubere Fischparthie – und meinen Angelhacken hat mir die krebsrothe Person auch abgebrochen. (Will abgehen.) Müller tritt ein.

Müller. Halt da! Auf ein Wort, Herr Casperl!

Casperl. Auf ein Wort? Wenn's wollen, auf mehrere.

Müller. Wer hat denn Ihnen da das Fischen erlaubt, in meinem Forellenbach? Haben's net g'lesen, was auf der Tafel da steht?

Casperl. Tafel? Tafel? was?

Müller. Da schaun's nauf.

Casperl. Ich hab' mein ABCbüchl heut nicht bei mir, und da hab' ich nicht lesen können.

Müller. O, Sie Schlaucherl! Sie hätten schon lang wissen können, daß das Fischen hier verboten ist.

Casperl. Oho! der Mensch braucht nicht Alles zu wissen.

Müller. Nur keine Ausreden! Ich habe Ihnen schon seit einer Viertelstund von meiner Mühl aus zugseh'n, wie'S ganz gemüthlich geangelt haben – –

Casperl. Und ganz gemüthlich nix erwischt haben – müssen'S dazusetzen.

Müller. Kurz und gut, Herr Casperl, Sie zahlen zwei Thaler Straf.

Casperl. Warum nit gar? Ich hab' ja nix g'fangt.

Müller. Macht nichts. Das strafbare Reat ist vorhanden.

Casperl. Was Reat oder Chocolat! Ich zahl' einmal nichts.

Müller. Gut. Warten's nur a wenig. (Ruft hinaus.) Michel! Toni! Allo!

Casperl. Wir brauchen keine Gsellschaft.

Die Knechte Michel und Toni laufen herein.

Müller. Der Herr wird arrettirt.

Casperl. Was? das laß' ich mir nicht gefallen.

Müller. Das ist mir ganz einerlei, ob's Ihnen gefallt oder nicht gefallt.

Casperl. So? (Giebt ihm eine Ohrfeige.) Wie gefällt Ihnen denn das?

Müller. Sie sind ein unverschämter Mensch. (Zu den Knechten.) Jetzt packt's nur gleich an!

Die Knechte ergreifen den Casperl.

Casperl. Ausgelassen oder ich schlag' drein!

Knechte. Wir machen keinen Spaß!

(Casperl haut um sich, allgemeine Balgerei mit Geschrei. Alle ab.

Verwandlung.

Felsige Gebirgsgegend.

Die Fee Persea tritt ein.

Persea. Ach! ich unglückliche Mutter! wo finde ich meine geliebte Tochter, die mein grausamer Gemahl verzaubert und gebannt hat – ich weiß nicht wohin? Als wir uns wegen des magischen Gürtels, den ich ihm nicht geben wollte, entzweihten, gerieth der sonst so sanfte Crocodilus in eine solche Wuth, daß er mir fluchte und mir unsere schöne Tochter Zimbimbimperl raubte. Weh mir! Nun durchschweife ich wie rasend den halben Erdkreis und finde keine Spur von dem theuern Kinde, trotzdem daß ich alle meine Fee'nkünste angewandt habe. Zum Tode ermattet will ich hier an dieser einsamen Stelle ein wenig ruhen, dann wieder fort, fort durch alle Zonen! Endlich muß mein magisch-electrischer Zaubergürtel doch zur Entdeckung meiner theuren – vielleicht unglücklichen Tochter führen. Großer Osiris hilf mir dazu! (Legt sich auf einen Felsenblock.) Süßer Schlummer sende mir eine Stunde Trost, den Trost des Vergessens! Bin ich erwacht, so jagt mich der Jammer des Schmerzes wieder durch die Welt. Endlich werde ich erliegen müssen. O mein Kind – mein – Kind! (Schläft ein.)

Casperl (läuft herein.) Potz Donnerwetter, bin aber ich g'loffen! Die Kerl haben mich schon an die Mühl gschleppt und haben mich in den Bach werfen wollen. Zum Glück ist der Mülleresel ausgekommen und während sie dem nachg'loffen sind, hab' ich mich durch einen kühnen Sprung über zwölf Mehlsäck gerettet. Da bin ich jetzt. In diesem verdächtigen Felsenthale, dem Aufenthalt der Nachteulen, Fledermäuse und Spitzbuben! Halt! da liegt was! Ein woibliches Wösen. – Wer kann diese einsame Spazorgängerin soin? Sollte sie sich zu einem Rendezvous hier eingefunden haben? (Nähert sich ihr und spricht leise:) Schlummerndes Wösen! Holde Gestaltung! – Willst du nicht erwachen? – –

Persea (erwachend.) Wer weckt mich? Wer ist so grausam, mich der tröstenden Ruhe zu entreißen? –

Casperl. O verzoihe! Ich war es.

Persea. Grausamer! wüßtest du, wie unglücklich ich bin, so hättest du mir den kurzen Augenblick gegönnt.

Casperl. (Immer hochpathetisch.) Ha! du bist unglücklich? Auch ich bin unglücklich! Auch mich verfolgt das Mißgeschick des Löbens.

Persea. Aus deinen Blicken spricht Wahrheit. Könnte ich dir helfen!

Casperl. O könnte ich auch Ihnen helfen! Sprechen Sie, mit was kann ich aufwarten?

Persea. Mir kann Niemand helfen.

Casperl. Niemand? (Geht mit großen Schritten auf und ab.)

Persea. O! meine Tochter!

Casperl. Sie sind also Mutter? – Und Ihr Gatte?

Persea. Mahne mich nicht an dieses Ungeheuer.

Casperl. Sollte ihr Gatte ein verflixter Kerl sein?

Persea. Ich verstehe dich nicht. Aber du scheinst ein guter Mensch zu sein. Ich will mit dir gehen, ich will dir mein Elend erzählen.

Casperl. Schon wieder eine Erzählung; hab' ich erst die Geschicht von der Zimbimbimperl hören müßen – jetzt noch eine G'schicht!

Persea. Wie? Was höre ich? – Mensch', wo hast du diesen Namen gehört? Ich beschwöre dich! Wo hast du ihn gehört?

Casperl. (trocken.) Im Entenbach bei der Mühl von einem Krebsen.

Persea. Ihr Götter! (fällt in Ohnmacht.)

Der Vorhang fällt rasch.

II. Aufzug.

Casperls Zimmer.

Casperl. Grethel.

Casperl. (an einer Seitenthüre horchend.) Mir scheint, sie schlaft noch; denn sie schnarcht wie ein Droschkengaul.

Grethl. Ja, ja – sie schlaft noch, die hergelaufene Mamsell. Das ist wieder ein Streich von dir, daß du mir die wandernde Comödiantin in's Haus gebracht hast. Schau nur den Anzug an! Vermutlich ist sie mitten aus der Comödi davonglaufen, wie sie eine Prinzessin vorgestellt hat. Eine schöne Prinzessin das!

Casperl. (erhaben.) Weib! Achtung vor dem Unglück! Humanität! Dieß ist der Wahlspruch der Zeit und des Fortschrittes.

Grethl. Laß mich aus mit den Faxen.

Casperl. Ich habe dieses unglückselige Weib verlaßen in der Einsamkeit gefunden. Ich fand mich berufen zur Rettung.

(Gesang aus dem Nebenzimmer, Persea singt, Melodie aus der Zauberflöte.)

O Isis und Osiris,
Osiris und o Isis,
O Isis und Osiris,
Osiris und o Isis!

Casperl. Vernimmst du ihren Morgengesang?

Grethl. Das ist vermuthlich eine italienische Arie.

Casperl. Was net gar! Das ist eine Art Schnadahipferl.

Grethl. Kurz und gut: ich bitt' mir aus, daß die Person bald aus'm Haus kommt.

Casperl. Was? Person? Sie ist ein höheres Wösen. Ha! Sie kommt.

Persea. (tritt ein.) Guten Morgen, ihr lieben Leute!

Casperl. Haben S' doch gut geschlafen?

Persea. Ich ruhte sanft im Schooße der Nacht.

Casperl. (zu Grethl.) Das verstehe ich nicht. In was für einem Schooß hat sie denn geschlafen? Hast ihr denn kein Ducket gegeben?

Grethl. (zu Persea etwas bitter.) Habn S' vielleicht den Caffée schon getrunken, den ich Ihnen in aller Fruh auf's Nachttischl gstellt hab?

Persea. Ich danke Dir, gute Frau. Ich trank nur die Milch. Aber ich habe keine Rast und Ruhe mehr. Edler Mann! ich beschwöre dich, mich an das Gewässer zu führen, aus dem du die Erscheinung hattest, an dem der wunderbare Krebs –

Casperl. (sie unterbrechend.) Ich werde Ihnen den Weg zeigen, daß Sie nicht mehr fehlen können; aus gewissen Gründen muß ich mich ein wenig zurückgezogen halten.

Persea. O so laß uns gehen! Zögere nicht!

Casperl. Wenn's Ihnen beliebt.

Persea. Dank sei euch für die Herberge. Die Götter mögen euch segnen. Komm, edler Freund, laß uns gehen.

Casperl. Gehn wir; aber nicht zum Fischen.

(Casperl ab mit Persea.)

Grethl (allein.) Adieu, adieu, schöne Mamsell. So wird denn mein Casperl gar nicht gscheit. Nein; ich muß eine Geduld mit dem Menschen haben, daß ich's bald nicht mehr aushalten kann. Bringt er mir noch spät Abends die Person da in's Haus – weiß der Himmel, wo er sie aufgepackt hat? Ich hab ihr im Kammerl gleich a Bett machen müßen. Er hat sein Kopfkissen dazu hergegeben, ich mein Plümeau. Sie hat ihm allerhand vorgschwätzt, er hat ihr was von einem rothen Krebs erzählt, den er beim Fischen g'sehn hat; nacher hat sie furchtbar lamentirt. Kurz: entweder ist die Person aus'm Narrenhaus entsprungen oder sie ist eine vacirende Schauspielerin und will sich im Volkstheater engagiren lassen. Ich hoff', der Casperl kommt bald wieder nach Haus. Ich will jetzt auf'n Markt gehn, damit ich's Fleisch zusetzen kann. (ab.)

Verwandlung.

Gegend am See. (wie im I. Aufzuge.) Nacht.

Crocodilus tritt auf.

Crocodilus. Ich bin der Magier Crocodilus. Dieß muß ich vor Allem dem hochgeehrten Publikum mittheilen. Als ich vor ein paar Monaten am sonnigen Ufer des Nilstromes im Schilfe lag und in meinen tiefen magischen Studien begriffen war, wobei ich zu entdecken bestrebte, warum auch das Nilwasser nicht aufwärts, sondern abwärts fließt – als ich – oh! oh! oh! an meine verstoßene Gattin Persea dachte und an unsre theure Tochter, die ein unglückliches Opfer meiner magischen Aufwallung wurde – als ich damals eingeschlafen war, wurde ich durch ein Geräusch geweckt. Als ich erwachte, befand ich mich in Fesseln, ohnmächtig mich meiner magischen Mittel zu bedienen, um mich zu befreien, weil mir meine Tatzen gebunden waren. Nilfischer hatten meinen Schlaf benützt, mich zu fangen und – o Schmach! mich an einen europäischen Menageriebesitzer zu verkaufen, der mich nun in einer vergitterten Badwanne producirt und noch dabei ein Extratrinkgeld begehrt. Oh! es ist gräulich, furchtbar, daß ich in diesen Zustand der Entehrung versetzt wurde! Heute, glücklicherweise vergaß der Wärter, das Gitter zu sperren. Da Alles schlief, stieg ich aus der Wanne und floh unbemerkt. – Dank den Göttern! Ein gewisser magisch-electro-galvanisch-hydrastatischer Zug, ein »ich weiß nicht was« von instinktmäßiger Ahnungsgefühlsbewegung veranlaßte mich, diesen Weg zu gehen; allein was fange ich an? Man wird nur zu bald meine Abwesenheit entdecken. Wohin mich flüchten? Ah! – Hier ist Wasser, mein eigentliches Element. Wenn es aber nur 20 Grad Reamur hat, wie das Nilwasser an kühlen Tagen, außerdem könnt ich mir eine Erkältung zuziehen. Ich will hinunter steigen, (steigt hinein,) Vortrefflich! Ich bin geborgen. (taucht unter.) Zahlreiche Fische recken aus dem Wasser ihre Köpfe in die Höhe und singen.

Chor.

Bekanntlich sind die Fische stumm.
Doch ist dieß wirklich gar zu dumm,
Drum singen im Theater wir
Gerade so, wie jedes Thier.

Das Schicksal hat es so gelenkt.
Daß sich der Vater hier versenkt,
Allwo als Krebs die Tochter sein
Verwandelt lebt in Schmerzenspein.

Bald soll'n wir auch die Mutter seh'n;
Wer weiß, was hier nun wird gescheh'n?
Wir tauchen wieder in die Fluth
Und hoffen. Alles ende gut.

(die Fische tauchen unter.) Casperl und Persea treten ein.

Casperl (vorsichtig vorausgehend.) Nur still, daß uns Niemand hört!

Persea. Sind wir also zur Stelle?

Casperl. Wir sind zur Stöhle.

Persea. In diesen Fluthen also erschien dir mein unglückliches Kind?

Casperl. In diesen Gluthen erschien mir der Krebs. Ich weiß aber nicht, ob dieser Krebs ein Kind war, viel weniger, ob dieses vermeintliche Kind ein Mannsbild oder ein Weibsbild war, ob diese Krebsgestalt – –

Persea. Schweige, laß mich allein in dieser stummen Finsterniß.

Casperl. Wohl! ich will Sie in diesem dummen Hinderniß alloine lassen; aber passen S' auf, daß Sie der grobe Müller nicht erwischt. (ab.)

Persea (allein.) Wenn dieß der Ort ist, wo ich meine Tochter wiederfinden soll – wenn dieß die Fluthen, in welchen das arme Kind in häßlicher Gestalt den unvorsichtigen Fluch eines verblendeten Vaters büssen soll – wenn ihr Götter es so zugelassen – oh! so steht mir bei, ihr himmlischen Gewalten, sie zu befreien! Schenkt mir mein Kind wieder! (Es blitzt am Himmel.) Ein Zeichen seh' ich am nächtlichen Himmel. Ihr Sterne, wenn ihr der Fee Persea Stimme vernehmet, erscheinet! (Der Himmel füllt sich mit glänzenden Sternen, groß und klein.) Dank euch, himmlische Leuchten! (Sie geht einigemal im Kreise herum.) Bei der Kraft des Zaubergürtels, der meine Lenden umschließt mit den heiligen Zeichen Mnevis, Kanobos, Onuphis und Besa und Eumenuthis, Oxyrinchos und Lepidotos – Tochter! Tochter! Tochter! zeige dich! Höre die Stimme deiner Mutter! (Leiser Donner; bläulicher Schimmer strahlt aus dem See. Der Krebs taucht auf.)

Persea. Himmlische Mächte!

Krebs. Mutter! Mutter, rette mich!

Persea. O mein theures Kind! Was verlangt ihr, Götter? Welches Opfer soll Persea euch spenden?

Fürchterliche Stimme von oben: »Den Casperl Larifari!«

Persea. Wie? Den, welchem ich das Wiederfinden meiner Tochter danke?

Stimme: Ja! Ja! Ja!

Persea. Wenn ich es vermag – so sei es denn! Nun falle aber, häßliche Hülle der Schönheit! (Furchtbarer Donner, Der Krebs verwandelt sich in ein etwa 16jähriges Mädchen in weißem mit silbernen Sternen geschmücktem Florgewande, Blumenkranz um die Stirne etc. Zimbimbimperl springt aus dem See, Persea ihr entgegen und umarmt sie. Zu gleicher Zeit erhebt sich Crocodilus aus den Fluthen.)

Crocodilus. Ha! was seh ich? Sie liegt in den Armen der Mutter!

Persea. Ja, Unseliger! Sie ist mein Kind.

Crocodilus (aus dem Wasser springend.) Aber auch Meines! (will sich nähern.)

Persea. Zurück, Rabenvater! Du bist ihrer nicht werth.

Crocodilus. Nun! So fürchte die Macht deines eigenen Gatten, des Magiers Crocodilus!

(Er will auf sie zustürzen mit aufgesperrtem Rachen. Casperl springt einen großen Prügel in der Hand, aus den Coulissen zwischen Crocodilus und Persea, gegen den ersteren in drohender Stellung.)

Casperl. Ha! Ungeheuer!

(Ein paar rauschende Accorde im Orchester. Gruppe.)

Der Vorhang fällt rasch.

III. Aufzug.

Casperls Zimmer.

Auf einem Canapee ruht Crocodilus mit eingebundenem Kopfe. Casperl steht vor ihm. Crocodilus erwacht eben aus seiner Betäubung.

Crocodilus. Wo bin ich? Wach ich oder träum' ich?

Casperl. Mir scheint, ich hab Ihnen einen tüchtigen Puffer auf den magischen Schedl gegeben, als Sie gestern Weib und Kind eigenhändig zu fressen belieben wollten. Jetzt liegen Sie schon seit gestern Abend bewußtlos da.

Crocodilus. O welch ein Verhängniß!

Casperl. Nix Verhängniß! Wenn wir Ihnen nicht die ganze Nacht über Eisumschläg' gemacht hätten, so wären Sie bereits caput; denn der Doctor, der schon in aller Früh da war, hat gsagt: Sie hätten eine »promotio Schnereberi.«

Crocodilus. O ich fühle mich so matt und elend. Mein Kopf schmerzt mich noch heftig. Meine magische Kraft ist gebrochen.

Casperl. Und das Alles hat meine leise Andeutung auf Ihren Gehirnkasten mit dem Prügel gemacht.

Crocodilus. Oh! Weckt in mir nicht diese schmerzlichen Erinnerungen. Wo ist mein Weib, wo mein Kind?

Casperl. Hinter den Coulissen. Sie trau'n sich nicht heraus, weil Sie so ein böser Kerl sind.

Crocodilus. O, sie haben Nichts zu fürchten. Ich bin nicht mehr der zornige, rachsüchtige Crocodilus. Der Schlag des Schicksals hat mich hart getroffen.

Casperl. Also bin ich eigentlich das Schicksal, weil ich Ihnen den Schedel beinah eingeschlagen habe.

Crocodilus. Meine Gehirnsubstanz scheint erweicht zu sein. Ich bin sanft und gut. Ich könnte immer weinen.

Casperl. Geniern Sie sich gar nicht. Ich will gleich ein Lavor bringen, damit Sie Ihre Crocodilthränen hinein laufen lassen können.

Crocodilus. O, ich bin so schwach, daß ich befürchte sterben zu müssen.

Casperl. Wenn Sie mir versprechen, daß Sie ruhig sind und vor Sie abschnappen nicht mehr beißen, so will ich Gattin und Tochter hereinlassen.

Crocodilus. O befürchte nichts. Ich fühle mich so elend, daß jedenfalls keine Gefahr für die Meinen.

Casperl. Also gut! (geht seitwärts und spricht:) Gnädige Frau, Fräulein, kommen's nur herein zum Papa!

(Persea und Zimbimbimperl eilen herein und knieen Crocodilus umarmend vor ihm nieder.)

Persea. Mein Gemahl!

Zimbimbimperl. Mein Vater!

Casperl (kniet auch nieder.) Oh! Oh! (steht wieder auf.) Ich fände es unbescheiden, dieser Familienszöne beizuwohnen. (ab.)

Crocodilus. Persea, verzeih mir! Du kannst es; denn wir haben ja unsere Tochter wieder.

Persea. Gerne verzeih' ich dir. Alles sei vergessen.

Zimbimbimperl. O mein Vater! Gib mir deinen väterlichen Segen.

Crocodilus. Wie glücklich bin ich! Ich werde nicht sterben, da ich Tochter und Gattin wieder habe.

(Casperl kömmt eilig herein.)

Casperl. Retten Sie sich! Der Menageriebesitzer Löwenmajer ist im Vorzimmer. Er will sein entsprungenes Crocodil.

Crocodilus. Ha! – Kinder, ich muß mich verbergen. Fort! Fort!

Persea und Zimbimbimperl. Rettung! Rettung!

Crocodilus. Helft mir! Ich will mich aufraffen. (steht mühsam auf und wird von Persea und Zimbimbimperl seitwärts abgeführt. Es pocht heftig an der Thüre.)

Casperl. Wer klopft so impertinent?

Löwenmajer. (tritt heftig ein.) Verzeihen Sie, mein Herr. Ich habe gehört, daß Sie mein entsprungenes Crocodil in Ihrer Behausung haben.

Casperl. Was Crocodrill? Ich weiß nichts davon. Sie haben Nichts bei mir zu thun.

Löwenmajer. Ich verlange mein Eigenthum zurück und dringe darauf, daß Sie mir das Crocodil ausliefern.

Casperl. Was ausliefern! Ich bin kein Lieferant.

Löwenmajer. So muß ich Gewalt brauchen.

Casperl. Was Gewalt? Sie, Flegel Sie! (schlägt ihn.)

Löwenmajer. Sie fordern mich heraus, mein Herr! (pufft ihn.)

Casperl. Es scheint, daß Sie nur mit Bestien umzugehen wissen. (prügelt ihn.)

Löwenmajer. Allerdings, wie es scheint!

(Balgerei. Casperl schlägt ihn todt.)

Casperl. Hier liegt der Löwe! –

Persea. (stürzt heraus.) Bei den Göttern! Was ist geschehen?

Casperl. Hier liegt er. Hinaus damit. (stößt ihn hinter die Coulissen.)

Persea. Schrecklich! aber nothwendig. Und abermals bist du unser Retter. Und dich sollte ich den Göttern opfern? Nimmermehr!

Casperl. Was haben'S jetzt da gsagt? Ich soll den Göttern geopfert werden. Wär nit übel! So was ist bei uns gar nicht der Brauch. Erstens glaub' ich an keine Götter, und Zweitens sollen mich Ihre Götter nur holen, wenn sie mich haben wollen.

Persea. Also fürchtest du den Zorn der Götter nicht?

Casperl. Was net gar? Ich bleib bei meinem Glauben.

Persea. Du kannst recht haben, Freund. Die Macht unserer Götter ist auf unsere Zone beschränkt; bei Euch vermögen Sie nichts.

Casperl. No – was hab' ich denn Anders gsagt? Und wenn die Götter von Aegypten absolut ein Menschenopfer zum Freßen haben wollen, so wird ihnen wohl auch der Menageriedirector gut genug sein.

Persea. Deine Klugheit, deine Weisheit überrascht mich, lebtest du in meiner Heimath, so würde man dich bald in die eleusinischen Geheimniße einweihen und zum Meister vom Stuhle der Freimaurer wählen.

Casperl. Freimaurer? – also arbeiten die Maurer bei Ihnen zu Lande umsonst? Die könnt man bei uns heraußen sehr gut brauchen, besonders jetzt, wo der Taglohn so theuer wird und die Kerls doch nur einen halben Tag arbeiten.

Persea. Scherze nicht; du bist würdig in den Bund der Magier aufgenommen zu werden; (begeistert die Hände emporstreckend.) und wenn ihr Götter es gestattet, so beschwöre ich euern Donner, daß wir eure Stimme vernehmen! (sie zaubert. Ungeheurer Donner. Verwandlung in eine ägyptische Gegend. Auf einer großen Pyramide in der Mitte der Bühne stehen transparent die Worte:

VIVAT CASPERL DER WEISE!

Um Casperl gruppiren sich Persea, Crocodilus Zimbimbimperl, ägyptische Priester in weißen Schlafröcken, Genien etc.

Große Gruppe.

Musik und allgemeiner Chor: »Vivat Casperl der Weise.«

Ende.


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