Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein – Fünftes Bändchen
Franz Pocci

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Aschenbrödel.

Märchenspiel in vier Aufzügen.

Personen.

Prinz Arnold.

Astraleus , sein Erzieher, Magier.

Freiherr Heinz, Ritter auf Stolzenburg.

Arrogantia und Stultitia, dessen Töchter erster Ehe.

Aschenbrödel, dessen Tochter zweiter Ehe.

Casperl, des Prinzen Stallmeister.

Aschenbrödels Mutter (als Erscheinung.)

Genien.

I. Aufzug.

Wald. Verhallende Jagdhörner.

Prinz Arnold. Casperl.

Prinz Arnold. Die Jagd ist zu Ende. Ich bin müde.

Casperl. No – ich mein's! Jetzt jagen wir schon den ganzen Tag 'rum. Wir könnten gnug haben an der Hetz. Ich komm mir selbst wie ein Windspiel vor. Und was haben wir erwischt?

Prinz. Nicht Viel! S'ist wahr. Waidmannsglück war mir nicht hold heute, weder mit Armbrust noch Speer.

Casperl. Ich war so glücklich, einen Hasen laufen zu sehen und ein Eichkatzl ist mir über'n Weg gesprungen.

Prinz. Tollkopf!

Casperl. Allein einen Hunger hab' ich, einen Durst –

Prinz. Nichts als Hunger oder Durst heißt's bei Dir. Dieß ist deine Lebensaufgabe.

Casperl. Ich glaub', daß das auch so ziemlich Ihre Lebensaufgabe ist; denn, wenn Sie den Hunger nicht stillen und den Durst nicht löschen würden, so wär's aus mit Ihnen; also ist Essen und Trinken auch Ihre Löbensaufgabe.

Prinz. Nun – so beeile dich, deine Pflicht als Mensch zu erfüllen. Reite in's Schloß voraus; pflege Deines kostbaren Lebens. Bestelle mir mein Nachtmahl. Ich will hier noch ein wenig ruhen und der Abendluft genießen. Bald folg' ich nach.

Casperl. Sogleich werde ich meinen Schimmel besteigen, den ich da draußen hinter den Coulissen angebunden hab' und nach Haus trotteln. Gehorsamster Diener. (ab.)

Prinz Arnold (allein.) Wie froh bin ich allein zu sein! Vielleicht finde ich das holde Mädchen wieder, dem ich schon ein Mal zu dieser Stunde hier begegnet bin. Mein weiser Erzieher und Freund Astraleus las in den Sternen, es sei an der Zeit, daß ich eine Gattin nehme. Nun denn, wenn die Vorsehung es will, da ich doch den Knabenschuhen entwachsen bin, so sei es! Allein ich fühle mich zu diesem unbekannten lieblichen Wesen so hingezogen, daß ich mir keine Andere zur Braut wählen könnte. Sieh da: In der That – sie kömmt wieder aus der Tiefe des Waldes hergeschritten. Ich will mich verbergen, um sie zu belauschen.

Aschenbrödl (in grauem Kleide einen Korb tragend. Tauben fliegen um sie. Setzt sich auf einen Baumstock.) O wehe! wie bin ich heut wieder müd! Aber warum suchen und pflücken sie nicht selbst mit mir, da sie Erdbeeren und Brombeeren haben wollen? Sie sind wohl meine Schwestern und auch meines Vaters Töchter, wie ich; allein ich spüre Nichts davon. Sie thun Nichts, als mich quälen, plagen, und ich habe kaum genug zu essen und darf nur am rauchigen Kamine sitzen und da heißen sie mich darum Aschenbrödl. Ach, es geht mir recht schlecht. Meine liebe todte Mutter weint gewiß im Himmel oben, wenn sie auf mich herabsieht. (Weint bitterlich. Tauben umflattern sie, setzen sich auf ihre Schulter und Hand.) Ihr lieben Täublein seid noch meine einzigen Freunde, die ihr mich ständig begleitet.

Prinz (hervortretend,) Liebes Kind, warum weinst Du so bitterlich?

Aschenbrödl. (erschreckt.) O weh! – was habt ihr mich doch erschreckt!

(Die Tauben flattern auf.)

Prinz Verzeih mir! – Ich habe solch Mitleid mit Dir. Schon das zweitemal find' ich Dich hier in Thränen. Kann ich Dir nicht helfen?

Aschenbrödl. Ihr seid wohl gut; allein mir ist nicht zu helfen. Es ist eben so mit mir. Aber vielleicht ändert's doch der liebe Gott, wenn es nur zum Heile ist.

Prinz Sage mir doch: Wer bist Du denn? Darf ich es nicht wissen, und ich bin Dir so gut! Du scheinst mir so lieb und fromm.

Aschenbrödl. Ach nein, nein. Die Schwestern schmähen mich immer ein abscheulich Ding und puffen und schlagen mich. Ich kann ihnen Nichts recht machen.

Prinz. Ei, hast Du Schwestern?

Aschenbrödl. Freilich hab' ich deren, allein es ist, als ob ich keine hätte. Ich bin nur ihre Magd im Hause. Seht: da schicken sie mich immer um süße Beeren in den Wald, und bringe ich nicht jedesmal den Korb voll – da setzt's wieder Püffe ab.

Prinz. Pfui, das ist abscheulich! – Laß mich mit Dir gehen. Ich will Dich beschützen.

Aschenbrödl. Es kann nicht sein.

Prinz. Komm' doch, ich gehe mit.

Aschenbrödl.

Nein, nein;
Es kann nicht sein,
Bin's Aschenbrödl klein,
Verschwind' im Dämmerschein.

(Eine Nebelwolke umschwebt sie und sie verschwindet.)

Prinz. Wohin ist sie?

Ein Nebelwölkchen hat sie schnell umhüllt,
So bleibt mein Sehnen unerfüllt.
Wohin, wohin ist sie entschwunden?
Hat sie ein Zauber denn gebunden?

Astraleus (tritt aus dem Gebüsche bervor.)

Seid mir gegrüßt, mein theurer Sohn! es senkt
Der Abend sich, bald deckt die Nacht das Thal.
Kommt heim zur Burg; es harret schon das Mahl.
Längst sucht ich euch.

Prinz.

Und ich steh' nun vor euch,
Von einem Wunder schier entrückt.
Ein Bild entschwand, das mich entzückt!

Astraleus.

O habt Geduld. Ich las in Himmelszeichen,
Daß euch des Glückes Gunst nicht wird entweichen.
Was für den Augenblick euch scheint genommen,
Zur rechten Stunde wird es wieder kommen.

Beide ab.)

Verwandlung.

Zimmer auf dem Schloße des Ritters von Stolzenburg, Rückwärts ein welscher Kamin, in dem ein kleines Feuer lodert. Nacht. Licht in der Stube.

Ritter Heinz. Arrogantia. Stultitia.

Heinz. Das Feuerchen im Kamine thut wohl. Die Herbstabende werden schon kalt. Nicht wahr, meine theuern Töchter fein?

Arrogantia. Wo nur der Fratz wieder so lange bleibt?

Stultitia. Schon seit Nachmittag fort und noch nicht da!

Heinz. Ja, aber nicht unbillig! Es ist keine Kleinigkeit, daß Aschenbrödl euch, Leckermäulchen, täglich Körbe voll Erdbeeren und dergleichen heimbringen soll. Dazu braucht es wohl Zeit; denn die wachsen nicht um das Schloß herum. Da heißt's »laufen« und »suchen.«

Arrogantia. Das verstehst Du gar nicht, Papa. Aschenbrödl ist so faul, daß sie sich immer im Walde auf's Moos legt und schläft.

Stultitia. Was thut sie den Anderes, als faullenzen?

Heinz. Das möchte ich denn doch nicht behaupten. Sie arbeitet ja den ganzen Tag für euch, und ihr gebt dem Kinde kaum die Abfälle von unserer Tafel zu ihrer Nahrung.

Stultitia. Aschenbrödel hat zu essen genug. Sie braucht nicht mehr.

Arrogantia. Ueberhaupt ist sie ein unnützes Meubel im Hause.

Heinz. Ah! das ist ein Bischen stark. Ein Meubel! Das Kind meiner zweiten Gemahlin! Meine Tochter – so gut wie ihr beide.

Arrogantia. Ihr hättet eine zweite Frau gar nicht zu nehmen gebraucht.

Stultitia. Ja, meine Schwester hat ganz recht. Dann wäre das dumme Ding auch nicht auf die Welt gekommen.

Heinz. Aber, aber! ihr seid wieder sehr muthwillig heute, liebe Mädchen. Nun, seid nur nicht gar zu böse mit Aschenbrödel, wenn sie heim kömmt. Ich will vor dem Abendessen noch ein Schläfchen machen.

Arrogantia. Gut, gut. Schlafen Sie nur, Papa, daß ist das Beste was Sie thun können.

Stultitia. Zum Souper wecken wir Sie schon.

(Heinz ab.)

Arrogantia. Aber heute bleibt Aschenbrödel doch gar zu lang aus.

Stultitia. Da setzt's eben wieder ein paar Ohrfeigen mehr ab.

(Aschenbrödel tritt ein, ihr Korb voll Erdbeeren.)

Arrogantia. Ei, ei! Sind Sie endlich gefälligst wieder da, Mamsell? (schlägt sie.) Da hast du deinen Lohn, faule Dirne.

Stultitia (schlägt sie auch.) So! da hast du von mir auch noch Etwas zur Belohnung!

Aschenbrödel (weint.) O weh! ich bitt euch: schlagt mich nicht. Ich bringe den Korb voll der schönsten Waldbeeren.

Arrogantia. Um den Bettel zusammenzubringen, hast du bis in den späten Abend hinein gebraucht?

Stultitia. Vermuthlich wieder im Wald herum geschwärmt? Marsch! in deinen Winkel hinter'm Kamin! Da ist ein Stück Brod für dich.

Aschenbrödel (weint.) Ach, mein Gott! Ihr seid recht hart gegen mich. Ich thu' euch doch zu lieb, was ich vermag.

Arrogantia. Schweig! Geh' an deinen Platz!

Aschenbrödel setzt sich weinend an den Kamin und ißt am Brodstücke. Ein paar Tauben flattern herein und setzen sich auf Aschenbrödels Schulter.

Aschenbrödel. Seid ihr wieder da, ihr lieben Täubchen, mein einziger Trost? Da, eßt mit mir von meinem Brod. Was bringt ihr mir für Neuigkeit aus dem Walde?

(Es pocht an der Thüre.)

Stultitia. Wer pocht da?

Arrogantia. Hast du die Vorthüre nicht zugesperrt, Aschenbrödel? Du dummes Ding!

Aschenbrödel. Ich weiß nicht. Laßt mir Ruhe.

(Astraleus als Bettler verkleidet in einen Mantel gehüllt, mit einer Laute, tritt ein.)

Astraleus. Verzeiht, schöne Damen, daß ich ungebeten eintrete; aber ich bin so arm, daß ich heute noch keinen Bissen über die Lippen gebracht habe.

Stultitia. Und vornehme Leute belästigt.

Astraleus. Ach, mein Fräulein, ihr wißt nicht, wie weh der Hunger thut, wie beschwerlich das Alter ist!

Stultitia. Das thut uns sehr leid; aber was geht das uns an? Geht euere Wege!

Astraleus. O, gestattet nur, daß ich euch ein Liedchen vorsinge; dann erst bitte ich um ein paar Pfennige Almosen.

Singt zur Laute:

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O hört des alten Sängers Lied, er

.

ist so bettel-arm: Oft hat er nicht ein
Stücklein Brod, nicht einen Bissen warm, nicht
einen Bissen warm. Von dem nur was ihr

.

nur übrig laßt, um dieß nur bitte ich
was von der Tafel niederfällt
davon beschenket
mich davon beschenket mich

Gönnt einen Trunk aus dem Pokal,
Gefüllt mit edlem Wein;
Nur einen einz'gen kühlen Trunk –
Ich werd' bescheiden sein.

Und hab' mein Lied gesungen ich,
So zieh' ich wieder fort
Und wand're mit der Laute dann
Arm hin von Ort zu Ort.

Arrogantia. Des langweiligen Singsangs und Klingklangs hätten wir nicht bedurft.

Stultitia. Wir haben selbst nicht immmer Alles, was wir möchten.

Arrogantia. Unser Haus ist keine Anstalt für Bettelvolk –

Stultitia. Oder für Musikanten. Komm, Schwester, laß uns zum Abendessen geh'n!

Astraleus. Ach! nur einen Bissen! Nur einen stärkenden Schluck Wein für einen alten Mann!

Stultitia. Macht, daß ihr fort kömmt, sonst – –

Arrogantia. Lassen wir euch den Weg hinausweisen.

(Stultitia und Arrogantia gehen ab.)

Astraleus. So wird die Armuth verstoßen! Unbeschenkt muß ich meines Weges weiter zieh'n. (will fortgehen.)

Aschenbrödl (tritt ihm entgegen.) Nicht doch, alter Mann! Ich habe zwar selbst nicht Viel, aber Was ich habe, das will ich euch geben. Bleibt ein wenig; setzt euch zu mir an den Kamin her; ruhet aus. Die Schwestern kommen so bald nicht wieder.

Astraleus. O du liebes gutes Kind. Ich hatte dich ja gar nicht bemerkt. Wo stackst du denn?

Aschenbrödel. Dort, am Kamine; da ist mein Platz. Setzt euch; da ist mein Brod und ein Stückchen Käse. Ich hab's noch vom Mittagsessen in meiner Tasche.

Astraleus. Danke, danke tausendmal! Gott wird dir's vergelten. (Setzt sich an den Kamin.) (Aschenbrödel vor ihn auf den Boden.)

Astraleus. Aber sage mir: du sprachst von deinen Schwestern. Sind es diese beiden, die uns eben verließen?

Aschenbrödel. Freilich sind sie's.

Astraleus. Und sie behandeln die Armuth auf solche Weise? Und dir scheinen sie auch nicht sehr hold zu sein?

Aschenbrödel. Ich bin zwar ihre Stiefschwester, allein ich bin nur ihre Magd. Sie nennen mich immer das Aschenbrödel, weil ich da am Kamin kaure, wenn ich nicht in der Küche oder Kammer zu thun habe. Sie mögen mich gar nicht leiden. Ach! wenn meine Mutter noch lebte! – Wie lieb hatten wir uns. (weint.)

Astraleus. Du armes Kind! Könnt ich dir helfen! ich bin ja selbst ein armer Mann. Segnen aber will ich dich. Der Segen eines Greises wird dir nicht schaden.

Aschenbrödel. Thut es, lieber Mann. Meine Mutter segnete mich an jedem Abende; und seht: so wie jetzt, kniete ich immer vor ihr nieder. (Kniet sich vor Astraleus hin) Astraleus legt ihr die Hände auf und beschreibt magische Kreise um ihr Haupt. Aschenbrödel schlummert sanft niedersinkend ein. Auf rosigen Wolken erscheint der Geist der Mutter, über ihr schwebend, und spricht:

Schlumm're, o mein theu'res Kind,
Um zu träumen süßen Traum!
Schweb' in Wonneseligkeit
Wie in überird'schem Raum!
Muttersegen ruht auf Dir;
Liebe trennt auch nicht der Tod.
Mutterliebe weilt bei Dir,
Wie ein ewig Morgenroth.

Sanfte Musik ertönt. Ein rosiger Schimmer beleuchtet die Gruppe, während der Vorhang langsam fällt.

II. Aufzug.

Garten am Schloße Stolzenburg.

Ritter Heinz einen offenen großen Brief in der Hand tritt triumphirend ein.

Heinz.

Welche Freude, welche Wonne!
O mir scheint des Glückes Sonne;
Prinz Arnold schrieb mir soeben,
Sich auf Reisen zu begeben,
Daß er, bei mir einzukehren.
Heute noch mich wird beehren.
Ohne Zweifel, wie ich meine,
Will er meiner Töchter Eine
Sich vielleicht zur Gattin wählen:
Eine dieser edlen Seelen;
Arrogantia, die stolze Schöne
Und Stultitia, die amöne!
Bald werd' ich – so süße Pein! –
Prinzenschwiegervater sein!

(Arrogantia und Stultitia eilen von beiden Seiten herein.)

Arrogantia. Papa! was hörte ich? Du hast einen Brief erhalten – –?

Stultitia. Von Prinz Arnold?

Arrogantia. Eigenhändig?

Heinz. Manupropria!

Stultitia. Höchst wichtig!

Heinz. Und wie wichtig! – Ja, meine glücklichen Töchter, in Folge dieses durchlauchtigen Schreibebriefes zweifle, zweifle ich nicht, daß der hohe mir manupropria angekündigte prinzliche Besuch – o vernehmt glücksschauernd was ich vermuthend wittere! – ich sage: der hohe prinzliche Besuch –

Arrogantia und Stultitia (zugleich.) Nun? Nun? –

Heinz. Dieser Besuch Euch Beiden oder mindestens Einer von Euch Beiden gewidmet sei. Denn, wie seit einigen Tagen bekannt, hat der Prinz eine Rundreise im Lande vor, um sich eine Gemahlin zu suchen. Bei Euch fängt er an!

Arrogantia und Stultitia (zugleich aufschreiend.) Ha! ich bin des Prinzen Braut. (sinken in Ohnmacht.)

Heinz. Erholt euch, faßt euch, Kinder! Wenn es auch noch nicht ganz bestimmt ist, daß Eine von euch der Hand des Prinzen sicher ist, so sind doch laut dieses erhabenen Briefes, in welchem eigentlich gar Nichts dergleichen geschrieben steht, die Aussichten und Constellationen von der Art, daß man vermuthen könnte, der Prinz sei geneigt, über das nachzudenken, was er im Sinne hat.

Arrogantia. Er hat ja selbst geschrieben.

Stultitia. Und selbst gesiegelt?

Heinz (gerührt.) Alles – selbst ! Ich habe zwar noch nie das Glück gehabt, den Prinzen in Person zu kennen, weil ich, wie ihr wißt, seit Jahren meines Podagra's wegen den Hof nicht mehr besuchte und ich den Prinzen nur in seiner Kindheit gesehen habe; allein er soll ein wunderschöner Jüngling sein und hoch gebildet durch seinen Erzieher, den weisen Magier Astraleus.

Arrogantia. Mein, mein soll er werden!

Stultitia. Sein, sein soll ich werden!

Heinz. Bedenkt Kinder: in wenigen Stunden, ja Viertelstunden kann er schon hier sein! Eilt in's Schloß, Alles vorzubereiten. Ich hörte, daß Prinz Arnold ein besonderer Liebhaber von gebratenen Schnecken ist. Sorgt dafür, daß deren gleich zur Tafel geschafft werden.

Arrogantia. Wir wollen Alles aufbieten.

Stultitia. Aber wir haben kein Geld im Haus.

Heinz. Dieß ist ja bei uns meistens der Fall. Versetzt Alles, was wir entbehren könnten. Macht schnell ein Anlehen. Fort, fort! Schickt Aschenbrödel in den Wald, daß sie Schnecken suche! Fort, fort! (Alle ab in's Schloß.) Posthornruf hinter der Scene. Casperl in hohen Reitstiefeln, einen Strauß auf dem Hut, tritt mit großen Schritten ein.

Casperl. »Casperl, Casperl,« sagte der Prinz heute früh zu mir, als ich ihm seine Sporen anschnallte, »Casperl, du bist mein Stallmeister und hast mein volles Vertrauen. Vertrauen!« – Ich will mir eine Gemahlin aussuchen und du sollst in dieser wichtigen Angelegenheit bei gewissen Gelegenheiten moine – wohlverstanden moine Person vertreten. Um nicht erkannt zu werden, werde ich, der Prinz, meinen eigenen Stallmeister vorstellen, während Du mich vorstellst. Du sollst ich sein, und ich werde du sein, so lange ich diese Verstölung für nöthig halte.«

Pumps dich! Das ist eine Aufgabe! Casperl nimm dich z'sam. Bereits bin ich hier als Prinz in der ersten Station angelangt. Beim Ritter Heinz v. Stolzenburg soll die Brautschau buginnen. Vornehm, ödel, prinzlich will ich hier auftreten. Ich werd' eßen und trinken, was nur in mich hineingeht; kurz und gut – – halt! da kommt schon Wer aus'm Schloß. Also gleich in Positur.

(Arrogantia von der einen – Stultitia von der andern Seite eintretend.)

Arrogantia (mit tiefer Verneigung.) Wir haben die Ehre einen fremden Ritter zu begrüßen?

Stultitia Dürfte man wagen, sich mit der Frage zu nahen, wen wir die Ehre haben?

Casperl (ungeheuer vornehm.) O sehr, Ja. Nicht nur, sondern sehr, aber wie? Mir schoint, diese beiden Froileins sind woiblichen Geschlechtes, wenn Sie nicht schon verhoirathet sind.

Arrogantia Wie graziös!

Stultitia Wie fein!

Casperl Oh, oh! Parlez vous français? – Comment vouous parlez vous? – Je – oui, oui, oui – (macht nach links und rechts ungeheure Reverenzen)

Arrogantia Sollten wir die Gnade haben?

Stultitia Dürften wir so glücklich sein?

Casperl Koineswegs! aber doch! Ich bin, der ich bin, aber doch nicht, der ich nicht bin, bin, bin. –

Arrogantia Wie räthselhaft!

Stultitia Aber geistreich!

Casperl Was kriegen wir denn zu essen, oder zu spoisen? Haben Sie etwas Gutes? werde ich bald etwas zu essen bukommen?

Arrogantia Durchlaucht!

Stultitia Hoheit, wir werden unsern Vater holen.

Casperl Hat ihr Vater etwas Gutes zu spoisen? Gesotten's oder Gebratens?

Arrogantia Eure Hoheit haben nur zu befehlen.

Casperl. Ja ich bin gewohnt, daß man mir gehorcht. Gehorchen ist eine Tugend; aber horchen ist ein Laster. Verstanden? Sie Netterl!

Stultitia. Ah, da kommt der Papa!

Casperl. Papa, Pipi, Popo, Pupu, – freut mich un – gemein. (Ritter Heinz tritt ein.) (Casperl macht nach allen Seiten ungeheuere lebhafte Bücklinge, so daß er Arrogantia, Stultitia und den Ritter umstößt.)

Casperl. O ich bitte recht sehr; habe die Ehre. (zu Heinz.) Sie sind also der Pupupipipapa dieser beiden Frauenzimmer.

Heinz. Erhabener Prinz! trotz Ihres Incognitos sind Sie erkannt. Dieses Benehmen, dieser Ton, diese Hohheit, diese Herablassung!

Casperl. Ich habe mich nicht herabgelassen, sondern ich bin in einem goldenen Hofwagen durch's Gartenthor hereingefahren.

Heinz. O diese Gnade, diese Huld. –

Casperl. Da muß ich bitten, Schulden hab' ich dermals koine! aber lassen wir das bei Soite. Ich hoffe, daß die Tafel gudeckt ist. Gehen wir zum Spoisen. Haben Sie doch gutes Bier? Pschorr oder Spaden. Stellen Sie mir nur gleich drei Maß auf.

Stustitia. O wie landesväterlich!

Heinz. Und patriotisch!

Arrogantia. Sonderbar – aber originell. (Prinz Arnold und Astraleus haben schon einige Zeit gelauscht.)

Casperl Wenn es beliebt, so werde ich die beiden Fräulein eigenhändig unter die Arme nehmen und zum Dinö führen.

Arrogantia. O entzückt!

Casperl. Ja, verrückt, gebückt, gedrückt. –

Stultitia. Beglückt – mein hoher Herr! (Casperl, Heinz und die Töchter ab in's Schloß.) Man hört einen Tusch blasen. Prinz und Astraleus treten ein.

Prinz (lachend) Vortrefflich! Eine hübsche Gesellschaft! Das scheinen mir zwei Närrinnen. Und der Vater eine Art Schafskopf!

Astraleus. Ungefähr, und dabei sind die Mädchen herzlose Geschöpfe, die ihre Schwester mißhandeln.

Prinz Wie? hat der Ritter noch eine Tochter?

Astraleus. Als alter Bettler verkleidet trat ich vor Kurzem, euch zu dienen, mein Prinz, ins Schloß. Grausam und höhnisch ward ich von den beiden Fräulein abgewiesen; allein ein liebes Mädchen, das unbeachtet, ja wie eine Magd, am Kamine saß, nahm mich auf und erwies mir das größte Mitleid.

Prinz Und dieses Mädchen wäre also die dritte Tochter des Ritters?

Astraleus. Allerdings.

Prinz. Nun so geh'n wir zu ihr.

Astraleus. Noch ist es nicht an der Zeit. Laßt uns aber ins Schloß gehen. Casperl möge seine Rolle als Prinz fortspielen und den Ritter mit seinen Töchtern zu dem Feste laden, welches Ihr in euerm Schlosse geben sollt, um die Fräulein des Landes bei euch zu sehen und Euch eine auszulesen. Vor der Hand bleibt noch euer Stallmeister.

Prinz. Gern – wie immer – folge ich eurem weisen Rathe, theurer Astraleus.

(Der Prinz ab in's Schloß.)

Astraleus (allein.) Sie wird kommen; aber nicht den Magier soll sie in mir sehen, sondern nur den armen Sänger. (verwandelt sich wieder in den alten Bettler mit der Laute.) Singt (Melodie, wie im I. Aufzug.)

Und wieder singt der Alte hier
Bei seiner Laute Klang,
Daß Ihr euch sein erbarmen mögt;
O höret den Gesang!

Er ist so arm, er singt so schlecht.
Weil er's nicht besser kann;
Doch weist ihn nicht von eurer Thür,
Den armen alten Mann!

(Aschenbrödel springt herein, ein Körbchen in der Hand)

Aschenbrödel Was hör' ich da. Mein alter Freund, seid ihr wieder hier? hier vor der Thüre, durch die man euch lieblos hinausgewiesen.

Astraleus Wie du warst so liebreich mit mir. Du beschenktest mich; du ludst mich ein, mich zu dir an den warmen Kamin zu setzen.

Aschenbrödel Spottet nicht. Ich konnt euch ja nichts geben als ein schlecht Stückchen Brod.

Astraleus Das du dir selbst entzogst, um es mir zu schenken.

Aschenbrödel. Ba, ba, ba! – Aber wartet jetzt ein Bischen. Im Schloße ist große Tafel für den Prinzen Arnold. Vielleicht kann ich Etwas für euch erwischen. Ich muß nur die Schnecken da, die ich zu suchen hatte, in die Küche tragen.

Astraleus. Bleibe, liebes Kind. Dießmal habe ich dir Etwas zum Geschenke gebracht.

Aschenbrödel. Ihr – mir?

Astraleus. Da sieh: Nimm diese drei unscheinbaren Nüsse.

Aschenbrödel. (lacht.) Danke schön. Ha, ha, ha! Nüsse?

Astraleus. Es sind Zaubernüsse, deren geheime Kraft dir nützlich sein soll.

Aschenbrödel. O ihr spottet meiner. Die Armuth will Zaubernüsse verschenken! Warum helft ihr euch nicht selber damit«?

Astraleus (erhaben.)

Was der Nüße Zauber gewährt,
Ist nicht, was die Armuth begehrt,
Die nicht will treten aus stiller Nacht
An des hellen Tages Pracht.

Drum nimm nur du der Nüsse drei;
Sehn wirst du bald, wofür es sei:
Zur guten Stund und rechten Zeit
Ist dir des Zaubers Macht bereit.

Aschenbrödel. Ich verstehe wohl nicht, was du sagst, doch ich will deine Gabe gern annehmen. Du scheinst mir aber kein Bettler zu sein; es ist mir, als ob du eine höhere Macht sei'st, die sich meiner annehmen will.

Astraleus. Das wäre wohl möglich. Nimm die Nüße. So oft du deren Eine in das Kaminfeuer wirfst, wird dein Wunsch in Erfüllung gehen. Jetzt leb' wohl! (in feierlichen Tone.)

Ade, Ade, du liebes Kind,
Du Magd in Asch und Staub;
Wie ändert Manches sich geschwind.
Vertraue nur und glaub'.
An des Kamines Kohlengluth,
Da sitzest du allein,
Bald aber flammt wie Feuersfluth,
Dein Glück in hellem Schein.

(Ein blauer Schimmer umstrahlt Astraleus.)

Der Vorhang fällt.

Ende des II. Aufzuges.

III. Aufzug.

Zimmer auf Schloß Stolzenburg, wie im I. Aufzug. Nacht. Leuchter auf dem Tisch.

Ritter Heinz. Arrogantia. Stultitia, (Alle sehr geschmückt.) Aschenbrödel (am Kamin.)

Heinz. Nun, Kinder, seid ihr zum Feste geschmückt?

Arrogantia. Wir haben unsere schönsten Kleider an.

Stultitia. Und allen Schmuck und alles Geschmeide.

Heinz. Bravo! Ihr müßt Effect machen. Der Prinz verließ uns entzückt. Er war wie es mir schien, von euch enchantirt.

Arrogantia. Welch von uns beiden wird er wohl zu seiner Gattin wählen?

Heinz. Welche? Euch beidewürde er wählen, wenn es möglich wäre, daß er zwei Frauen nähme.

Arrogantia. Mein edles vornehmes Benehmen schien ihn besonders anzusprechen.

Stultitia. Meine bescheidene Anmuth war es, die ihm vor Allem gefiel.

Arrogantia. Er nimmt mich!

Stultitia. Er nimmt mich!

Heinz. Ich glücklicher Vater! Vielleicht nimmt er auch mich und macht mich zu seinem Obersthofcavalier.

Aschenbrödel. O nehmt mich doch auch mit zu dem Feste beim Prinzen.

Arrogantia. (mit höhnischem Gelächter.) Dich, dich mitnehmen? Das Aschenbrödel, das wüste, dumme Ding!

Stultitia. Du müßtest dich hübsch ausnehmen.

Aschenbrödel. Gebt mir nur ein sauberes Kleidchen. Ich wäre, glaub' ich, nicht gar so häßlich.

Arrogantia. Du Närrin! Dein Platz ist zu Hause.

Stultitia. Dort am Kamin. Kannst in den Rauch schauen.

Arrogantia. Und wenn wir spät Nachts vom Tanze heimkommen, sollst du uns eine warme Suppe bereit halten. Und laße Niemand ein!

Stultitia. Und Niemand aus; hüt hübsch das Haus.

Aschenbrödel. (weint.) Bin ich denn wirklich nur eure Magd und bin doch auch ein Kind eures Vaters!

Heinz. Mädchen, es ist die höchste Zeit. Wir haben eine halbe Stunde zu fahren. Die Stunde schlägt.

Arrogantia. Der Prinz wird uns längst erwarten.

Stultitia. Komm Schwester! Aschenbrödel lösch die Lichter aus, kannst im Dunkeln sitzen. (Alle ab bis auf Aschenbrödel.)

Aschenbrödel (allein.) (Es heult der Wind durch den Kamin.)

Da sind sie fort und lassen mich allein
Am ruß'gen Heerd beim Kohlenschein.
Es heult der Wind durch den Kamin,
Ach! wie so arm ich und verlaßen bin!
Der schöne Prinz! ei, wie gefiel er mir!
O säß er nur am stillen Orte hier.
Er ist so freundlich, ist so gut;
Wie gern wär' ich doch in seiner Hut.

(Der Wind rauscht durch den Kamin, das Kohlenfeuer flackert auf.)

O weh! Jetzt fürcht' ich mich beinah;
Du, liebe Mutter, wärest du mir nah!

(weint. Pause.)

Aschenbrödel (wie aus Traumen auffahrend.)

Potztausend schier hätt' ich nicht mehr gedacht',
Wer mir die Wundernüsse hat gebracht.

Ist's nur ein Scherz, ist's nur ein Spiel,
Es liegt mir dran nicht viel.
Ich werf die erste Nuß so klein
Hier in der Flamme hellen Schein.
Ich wünsche ? – wünsche mir ein silbern Kleid
Und sonst noch alle Herrlichkeit,
Und einen schönen goldnen Wagen,
Der mich auch soll zum Feste tragen.

Leiser Donner. Das Feuer sprüht auf. Aschenbrödel wird in Rauchwolken gehüllt. Der Nebel fällt und sie steht in einem silbernem Kleidchen, goldenen Schuhen und blumenbekränzt da. Im Hintergrunde ein mit zwei Silberschwänen bespannter Wagen. Ein kleiner beflügelter Genius sitzt auf dem Bock. Zwei ähnliche Genien mit Schmetterligsflügeln als Diener neben dem Wagen.

Gesang.

Aschenbrödel klein
Steig ein, steig ein
Im Silberkleide
Zur Lust und Freude!

Aschenbrödel.

O Wunder über Wunder,
Welch herrliche Zauberei!
Eine Nuß will ich noch verbrennen,
Daß Niemand mich soll erkennen.
Dieß ist die zweite Zaubernuß,
Die meinen Wunsch erfüllen muß.

Chor

(hinter der Szene.)

Aschenbrödel, wie bist du fein;
Sollst nicht mehr schwarz und rußig sein.
Drum kennen sie auch nicht
Dein holdes Angesicht.
Steig ein, steig ein,
Beim Fest zu sein.
Steig ein, es soll der Zauberwagen
Dich nun zu Glanz und Wonne tragen.

Aschenbrödel besteigt den Wagen, welcher fortschwebt unter Musik.

Verwandlung.

Erleuchtete Vorhalle im Schloße des Prinzen.

Zuweilen vernimmt man Tanzmusik aus Nebenräumen.

Casperl. Schlipperment, jetzt bin ich wieder von meinem erhabenen Standpunkt herabgeplumpst! Gestern war ich noch Prinz, heut bin ich wieder Stallmeister. No – die werden aber dreinschauen! Der Herr Ritter und seine Tochter, wenn ich sie in meiner subordinirten Gestalt hier empfange; denn ich muß ja die honneurs machen.

Aber gestern wär' ich beinahe aus meiner Rolle heraus- und über'm Sessel 'nunter gfall'n. Meine angeborne Gewohnheit, meine besondere Vorliebe für Flüssigkeiten haben mir eine kleine Betäubung veranlaßt, aus der ich erst hier erwacht bin. (Trompenstoß.) Aha, das ist das Zeichen. Da kommen wieder Gäste. Die Andern tanzen schon, daß 's staubt, da drinnen.

Ritter Heinz tritt mit Arrogintia und Stultitia ein.

Casperl (mit Reverenzen.) Hab die Ehre, hab die Ehre! Freut mich ungemein!

Heinz (unter Bücklingen.) Mein hoher Prinz! Wir sind Ihrer gnädigen, huldreichen Einladung gefolgt.

Arrogantia. Wir schmeicheln uns!

Stultitia. Wir erfreuen uns!

Casperl. O sehr, sehr! Auch wir schmoicheln uns. Sie schmoicheln, wir schmoicheln, ich schmoichle, du schmoichelst, er schmoichelt, Alle schmoicheln und so kommen wir aus der Schmoichelei gar nicht hinaus.

Arrogantia. Wie sinnig!

Stultitia. Wie graciös!

Casperl. Ich habe gestern loider etwas zu viel in das Glas geguckt. Verzeih'n Sie, meine Damen; Ihre Reize haben mich wohl betuibt.

Arrogantia. Euer Hoheit sollen sich dem Vergnügen ganz hingeben.

Casperl. O, ich will nicht hoffen, auch übergeben.

Stultitia. O nein! Auch in Ihrer Betäubung waren Sie höchst liebenswürdig.

Heinz. In der That, charmant.

Casperl. Bitte, bitte! – Jetzt aber muß ich Ihnen eine Declination machen.

Heinz. Eine Declaration?? (bei Seite zu seinen Nachbarn) Der Augenblick ist da! Jetzt wird er sich für Eine von Euch erklären. (laut zu Casperl) Euer Hoheit belieben uns?

Casperl. Nix Hoheit! Ich bin nicht der Prinz, sondern sein Stallmeister Casperl Larifari.

Arrogantia und Stultitia. Wie?! ist's möglich?

Heinz. Also eine Täuschung?

Casperl. Der Prinz wollte Kniknognito sein und ich mußte ihn nur vorstellen.

Arrogantia. Eine schöne Vorstellung das! Schmählich!

Stultitia. Und wir konnten uns täuschen lassen.

Heinz. Durch dieses ordinäre Subjekt da?

Casperl. Subjekt oder Objekt. Paßen's auf, meine Herrschaften, da kommt der wirkliche Prinz.

(die Flügelthüren öffnen sich. Prinz Arnold tritt ein.)

Prinz. Meine schönen Damen, willkommen! Verzeih'n Sie mir den kleinen Scherz, den ich mir gestern erlaubte. Er war mit gewissen Zwecken verbunden. Noch einmal: Herr Ritter, edle Fräulein! willkommen.

Heinz und die Töchter machen ungeheure Complimente.

Heinz. Durchlauchtigster Prinz!

Arrogantia. Erhabenster!

Stultitia. Allergnädigster!

Prinz. Es war mir von hohem Interesse, ungekannt Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben. Aber nun lassen Sie uns in den Tanzsaal treten.

Arrogantia. Er ist himmlisch!

Stultitia. Ein göttlicher Adonis!

Prinz führt die Töchter ab. Ritter Heinz bleibt mit Casperl zurück.

Heinz. Er ist also Stallmeister des Prinzen?

Casperl. Er ist Stallmeister des Prinzen und Vertrauter, verstanden?

Heinz. Ich glaube, daß diese »Vertraulichkeit« keine sehr intime sein dürfte mit einem so ordinären Individuum.

Casperl. Individium? dumm, oder viehdumm könnte auf andere Personen vielleicht eher bezogen werden. Verstehn Sie mich?

Heinz. Wie? mir so Etwas? mir, dem Ritter Heinz von Stolzenburg?

Casperl. Mit der Stolzenburg ist's auch nicht weit her. Das war ja ein miserables Essen bei Ihnen. Nicht einmal Bratwürst! Von einem »Schweinernen« gar keine Rede! Ja – Schnecken in der sauern Brüh. Schnecken! die krieg' ich ja in jedem Peischl. Das ist eine miserable Wirthschaft bei Ihnen.

Heinz. Impertinent! Wäre Er meines Standes, so würde ich ohneweiters den Degen ziehen.

Casperl. Ich habe keinen Degen, also kann ich keinen ziehen; aber eine Antwort kann ich auch ohne Degen geben. (gibt ihm eine Ohrfeige.)

Heinz. Unverschämter! das ist zu arg! ein Stallmeister des Prinzen ein solches Benehmen. (schlägt den Casperl.)

Casperl. Schlag auf Schlag! So ist's recht. Pumps dich!

Heinz. Infamer Bursche!

(Unter Geschrei und Prüglerei gehen beide ab.) Aschenbrödel eilt herein. Ihr folgt der Prinz.

Prinz. Wer bist du reizendes Wesen?

Aschenbrödel. Ein armes Kind.

Prinz. Du – die Königin des Festes?

Aschenbrödel. Laßt mich! hier ist nicht meines Bleibens.

Prinz. Warum fliehst du! Es ist mir, als ob du mir nicht unbekannt seiest. Ein Traum schwebt mir vor.

Aschenbrödel. Ist nicht Alles ein Traum in diesem Leben?

Prinz. Aber es gibt so schöne Träume, daß man sie für immer festhalten möchte.

Aschenbrödel. Träume sind Schäume. Ich muß fort.

Prinz. O bleibe, laß dich festhalten.

Aschenbrödel. Es kann nicht sein. Ich bin nur ein Wandelstern.

Prinz. Nimmermehr! Du mußt mein Eigen werden.

Aschenbrödel. Unmöglich! zum Glücke bin ich nicht bestimmt. Lebt wohl!

Prinz. Halt! Halt! Verlaß mich nicht.

Aschenbrödel. Lebt wohl! (verschwindet.)

Prinz. Weh mir! Ist mir wirklich nur ein Traumbild erschienen? Nein, sie war's, die ich im Wald gesehen. Ihr nach! (will ihr nach.)

Astraleus (ihm in den Weg tretend.) Halt, mein Prinz! vergebens strebt Ihr, die Erscheinung festzuhalten.

Prinz. Wie? vergebens? soll mein Ideal mir verloren sein? Allenthalben soll man sie suchen.

Astraleus. War es nicht blos ein Stern, der euch geblendet?

Prinz. Mein Glücksstern war es. Ich laße nicht von ihm. Er bleibt der Glanzpunkt meines Lebens. Ich schwöre es!

Casperl (tritt ein, einen goldenen Schuh in der Hand.) Da ist eben ein wunderschönes, silbernes Frauenzimmer die Stiegen hinunter geloffen, eigentlich mehr geflogen und verschwunden. Im Hinunterlaufen muß dasselbige silberne Wesen den goldenen Schuh da verloren haben. Aber so ein kleines Füßl hab ich noch nicht gesehen und ich hab doch schon manches Pedal beobachtet.

Prinz. Auf! Auf! Sucht sie überall! beeilt euch! fort! Der reizende goldene Schuh wird sie entdecken helfen. Sucht überall! (eilt hinaus, Casperl folgt ihm.)

Astraleus. Wohlan! nun mögen sie sich finden, Des Glückes-Bund soll sie verbinden! Er glüht in Flammen hellauf wie die Sonne, Sie leuchtet still, ein Sternlein süßer Wonne.

Der Vorhang fällt.

Ende des III. Aufzugs.

IV. Aufzug.

Das Innere einer Stadt.

Casperl tritt unter Trompetenstoß als Herold auf, den goldenen Schuh auf einer Bannerstange.

Casperl zum Publikum gewendet.

Ihr holden Fräulein von Stadt und Land,
Seht diesen Schuh, den Casperl fand!
Ein goldnes Schühlein, so klein und fein.
Ihr Alle, die ihr da unten sitzt,
Seht, wie das goldene Schühchen blitzt!
Ich muß euch nun incommodiren.
Um diesen Schuh anzuprobiren;
Denn, paßt er Einer an den Fuß –
Ein Glück, das ich gleich melden muß
Dem Publikum als Vorfall laut –
Wird diese Prinzen Arnolds Braut!

Ihr schweiget still? – ha! fürchterlich.
Daß auch nicht Eine meldet sich. Ist dieser Schuh etwa zu klein?
Und findet sich kein Fuß hinein? –

Gut! So muß ich mich retiriren
Und anderswo den Schuh probiren.

(Unter Reverenzen ab.)

Verwandlung.

Zimmer mit Kamin bei Ritter Heinz, wie im ersten Aufzuge. Nacht. Aschenbrödel sitzt am Kamin.

Aschenbrödel.

O weh! jetzt sitz' ich wieder am Kamin
Und alle Freude ist dahin.
Wie herrlich war's in des Prinzen Haus –
Doch hielt vor Angst ich's nicht lang aus.
's ward mir ja ganz bange, anzuschauen
Die vielen Ritter, die schönen Frauen,
Das Gewirr und die Musik in den Ohren,
Beinah' hätt ich den Kopf verloren.
Da lief ich davon – Doch kaum entfloh'n.
Folgt' mir der Prinz schon nach;
Kaum weiß ich noch, was er mir sprach! –
Entzaubert aller Herrlichkeit,
Sitz ich hier wieder in Traurigkeit,
Mein silbern Gewand fiel von mir ab,
Da bin ich wieder ohne alle Hab'.
Doch wie? was blinkt an meinem Fuß –
Der schon geschwärzt von Asch' und Ruß?
Ein goldener Schuh! – der blieb mir noch.
Den Andern hab ich verloren doch.

(Draußen Lärm und Schritte.)

Die Schwestern kommen, nun schnell versteckt
Den Schuh! Den Fuß unter's Kleid gesteckt;
Wüßt wahrlich nicht, was mir geschäh',
Wenn Eine von ihnen das Schühlein säh.

(Ritter Heinz, Arrogantia und Stultitia treten erschöpft ein.)

Stultitia. Schwester! Das war schön.

Arrogantia. Und der Prinz, wie liebenswürdig!

Heinz. Allein, trotzdem; es scheint, daß er noch nichts dergleichen gethan, Eine von Euch als seine Braut zu wählen.

Arrogantia. Er war allzusehr mit einer unbekannten Person in silbernem Kleide beschäftigt, die ihn interresirt hat.

Stultitia. Eine Landläuferin oder Commödiantin vermuthlich: denn keine Seele hat sie gekannt.

Arrogantia. Auch ist sie ja bald wieder von dem Feste verschwunden.

Heinz. Und was war denn das noch für ein Halloh mit einem goldenen Schuh? Alle anwesenden Fräulein wurden gebeten, ihn anzuprobiren.

Stultitia. Eine fixe Idee des Prinzen.

Arrogantia. Es muß ein Kinderschuh gewesen sein. Mir war er zu eng; und ich habe doch ein nettes, kleines Füßchen.

Stultitia. Ich vermochte auch nicht meinen hübschen Fuß hineinzuzwängen.

Heinz. Tolles Zeug! aber Kinder, laßt uns zu Bette gehen. Ich mochte nur mehr vorher ein Täßchen warme Suppe.

Arrogantia. Wir auch. Aschenbrödel! wo steckst du?

Stultitia. Da ist sie eingeschlafen und kauert am Kamine. (schlägt Aschenbrödel.) Wach auf, Faullenzerin.

Aschenbrödel. O weh! warum schlägst du mich?

Stultitia. Wo ist die Suppe, die wir bestellt haben?

Arrogantia. Etwa gar vergessen? Mach vorwärts!

Aschenbrödel. Ach, verzeiht:

Ich sag' es unverholen:
Der Topf fiel in die Kohlen.

Arrogantia. Dummes Ding! so spute dich. Einstweilen können wir uns entkleiden.

Heinz. Und ich will mich meines Staatsrocks entledigen und meinen Schlafrock anziehen. .

(Heinz und die beiden Töchter ab.)

Aschenbrödel (allein.)

Sie schmähen mich.
Sie schlagen mich!
Kaum kann' ich's mehr ertragen,
Mein Gott, ich darf wohl klagen.
So komm denn, liebe letzte Nuß,
Mach, daß mein Kummer enden muß.
Wie bist du mir so theuer!
Ich werfe dich in's Feuer.

(sie thut es.) (Astraleus erscheint in Magiertracht.)

Astraleus.

Gerufen hast du mich. In Zaubers Macht
Schwebt ich herbei, nun ist's vollbracht.
So viel hast du gelitten und gestritten
Mit Schmerz und Noth, daß die Geduld
Für dich erbat des Himmels Huld.
Den Staub der Asche und aller Ruß
Von dir auf immer fallen muß;
Dein grau Gewand sei umgetauscht
In's Brautkleid, das dich bald umrauscht;
Tritt ein nun in den Blüthengarten,
Wo Glück und Freude deiner warten!

Verwandlung.

Ein prächtiger blüthen- und blumenreicher Garten in rosiger Morgenbeleuchtung, Aschenbrödel liegt halbschlummernd auf einem Rosenhügel. Tauben flattern, hin und her. Tanzende Genien umgeben sie.

Chor weiblicher Stimmen.

Holdes Spiel der Zauberei,
Aller Jammer ist vorbei.
Der goldene Schuh an deinem Fuß,
Er ist's, der dich erlösen muß.
Holdes Spiel der Zauberei
Führet gutes End' herbei.

(Astraleus führt den Prinzen ein, Casperl den Schuh auf der Stange.)

Astraleus

Hier schlummert süß das holde Kind;
Mein Prinz! dahin nun eil' geschwind.
Was du begehrt,
Ist dir bescheert.

Prinz. Ja, da liegt sie mit dem goldenen Schuh am Füßchen. Sie ist 's! Sie ist 's!

(Eilt auf Aschenbrödel zu und hebt sie sanft auf.)

Aschenbrödel.

Wo bin ich? wo bin ich?
Was thu' ich? was sinn' ich?

Prinz

Du bist bei mir.
Ich bin bei Dir;
Du liebe Braut, umarme mich;
Du wirst mein Weib herzinniglich!

Aschenbrödel.

So willst Du's häßliche Aschenbrödel doch?
Bin ich's nicht mehr? oder bin ich's noch?

Prinz.

Du bist nicht Aschenbrödel mehr,
Da ich Dich zu meinem Weib begehr'.

(Führt sie in die Mitte der Bühne. Aschenbrödels Mutter erscheint oben in Wolken.)

Astraleus.

Vernehmt es Alle: der Prinz Arnold
Vermählet sich mit Aschenbrödel hold.
Wer muthig aushält in Traurigkeit,
Den grüßt doch einmal Glückseligkeit.
Und nun ist auch das Märchen aus,
Möcht's euch gefallen. Jetzt geht nach Haus!

Der Vorhang fällt.

Ende.


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