Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein – Fünftes Bändchen
Franz Pocci

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Casperl wird reich.

Schicksalsdrama in vier Aufzügen.

Personen.

Casperl Larifari

Grethl, dessen Frau.

Schneider Knöpfl.

Ein Polizeidiener.

Frau Schnipflhuber.

Madame Stimpferl.

Frau Moosmayerin.

Ein Schusterbube.

Ein Kaminfeger.

Ein Gespenst ohne Kopf.

Ein Kater.

I. Aufzug.

Zimmer. Nacht.

Casperl sitzt bei einem Krug Bier am Tisch. Leuchter auf dem Tisch.

Casperl. Jetzt sitz ich schon in die Nacht hinein da. Die Grethl ist schon lang in's Bett. Mir ist's seit einiger Zeit so melancholisch-philosophisch. Ich weiß nit, werd' ich gscheit oder werd' ich dumm. Die Leut sagen oft: »Aber der Casperl ist ein dummer Kerl.« Und wenn sie das von mir sagen, nachher mein' ich immer, ich bin eigentlich gscheiter als sie. Und wenn's bisweilen heißt: »Aber der Casperl ist doch ein rechter Pfiffikus,« nachher komm' ich mir erst recht dumm vor. Gscheit oder dumm – – das Gscheitst war halt doch, wenn ich recht viel Geld hätt' und ich glaub', das denken andere Leut auch. Und die aber recht viel Geld haben, die wißen gar net, was sie mit ihrem Reichthum anfangen sollen. Probiren möcht ichs doch a mal, aber vor der Hand ist keine Aussicht dazu und eigentlich gehts mir a bissel passabel miserabel. Wenn ich der Doktor Faust wär, hätt ich mir schon längst den Teufel citirt, daß er mir a paar Jahrln aushelfet mit eim Sack voll Ducaten. (Ein heftiger Schlag an die Thüre.) Schlipperment! (aufrumpelnd.) Was ist das? Es wird mich doch der Teufel net ghört haben? (Ein zweiter Schlag.) Pumps dich, das ist kein Gspaß mehr. Herr Jemine, Herr Jemine! Alle guten Geister! (Dritter Schlag, Casperl fallt um.) (Die Thüre geht mit Geraßel auf. Weiß verhüllt erscheint ein Gespenst, welches seinen Kopf unter dem Arm trägt.)

Gespenst (mit hohler Stimme.) Casperl, Casperl! Du hast mich citirt.

Casperl. Was, ich dich klistirt?

Gespenst. Du hast den Teufel hergewünscht und der hat gerad nicht Zeit, weil er seine Hörner beim Repariren hat und da hat er mich geschickt.

Casperl. So? Das ist nit übel! aber eigentlich mag ich weder mit'm Teufel selber, noch mit seinem Compagnon Was zu thun haben. Ich hab nur so einen kleinen Monolog gehalten, damit die Commödie ein' Anfang hat.

Gespenst. Nichts Commödi. Halt's Maul und vernimm, was ich dir sagen werde.

Casperl. Mir ist's recht, wenn mir nur nichts gschieht.

Gespenst. Es geschieht dir Nichts, aber eigentlich geschieht dir doch Etwas. Höre, höre, höre! Ich bin ein Geist.

Casperl. Du bist ein Geist und trägst dein' Kopf unterm Arm!

Gespenst. Ja, weil ich vor hundert Jahren geköpft worden bin.

Casperl. Pfui Teufel, das ist ja abscheulich!

Gespenst. Ja, es ist abscheulich und gräulich! aber ich habe jetzt schon in Feuer und Flammen hundert Jahre lang brennen müßen und kann noch erlöst werden von der ewigen Verdammniß. Wenn du den Muth dazu hast, so kannst du mich von meinen Qualen befreien.

Casperl. Muth? Das ist soviel wie Kouraschi; nein, das ist nicht meine schwache Seiten. Von mir aus kannst du noch hundert Jahr schwitzen; das wird dich nit umbringen.

Gespenst. Wehe, wehe, wehe! Höre und sei barmherzig zu deinem Glück. Ich war ein großer Räuber und man hat mich den »schwarzen Waldjackel« geheißen. Ich habe Straßen und Wälder unsicher gemacht mit meiner Bande, aber endlich wurde ich erwischt, als ich gerade einen geraubten Sack Ducaten unter dem Galgen vergraben hatte, wo ich ihn am sichersten geglaubt. Da hat man mir kurzen Prozeß gemacht und ich wurde bei einer großen Zuschauermenge geköpft. Von diesem unangenehmen Ereigniß an muß ich des Nachts als Gespenst mit meinem Kopf unter dem Arm herumwandern und Tags über schmachte ich in den höllischen Flammen. O Casperl, da wird Einem heiß!

Casperl. Was gehen mich deine Hitzen an, du kopfloser Geist?

Gespenst. Wenn du nicht willst, so dreh' ich dir den Kragen um! Prrrr! (fährt auf Casperl los.)

Casperl. Halt a bißl! Vielleicht läßt sich doch was machen.

Gespenst. Morgen Nachts zwischen 11 und 12 Uhr, zur bekannten Geisterstunde begib dich auf den Galgenberg, der schon lang nicht mehr gebraucht wird, weil die Verbrecher jetzt incognito vor einer geheimen Commission geköpft werden. Dort unter der alten Mauer klopfe dreimal mit einem Grabscheit an und sprich dabei:

Aufgemacht, aufgemacht!
In dieser Nacht
Komm ich zu erlösen
Die Guten und die Bösen.
Es ist Zeit,
Der Uhu schreit!

Casperl. Ja wart' a bißl, bis ich den Vers auswendig kann, und nachher: bei der Nacht auf die Galgenstatt? Da könnt ich mich hübsch verkälten.

Gespenst. Aber, wenn du den Spruch gesprochen, so wird eine Flamme aus dem Gemäuer sprühen und du wirst den Sack mit 1000 Ducaten finden, den ich damals vergraben habe. Dann werde ich erlöst sein und darf meinen Kopf wieder aufsetzen. Lebe wohl. Gehorche mir, sonst erscheine ich dir alle Nacht zu dieser Stunde! (verschwindet unter Donner und Getös.)

Casperl. Prrrrr! Das war eine unangenehme Converschnation mit dem abscheulichen Kerl da! Was fang ich jetzt an? Ich bin in einer saubern Pradutsch! Aber 1000 Ducaten sind auch nicht zu verachten! weiß ich kaum, wie nur Einer aussiecht. Ich hab bisher nur mit Sechser und Groschen ausbezahlt und die Gulden bin ich schuldig blieben. Wenn ich's aber nicht thu, was er begehrt hat, reißt er mir vielleicht auch'n Kopf ab, weil er kein' mehr hat. Ich geh' in's Bett, verschlaf meinen Schrecken, und morgen früh werd ich meinen Beschluß faßen. Wie heißt jetzt das Sprüchl da?

Aufgemacht, aufgemacht –
Wünsch gute Nacht –
Wünsch gute Nacht– –

(Geht zur Seitenthüre ab. Der Vorhang fällt.)

II. Aufzug.

Schlechtes Zimmer mit Meubel, Geräthschaften, Flaschen, alten Büchern etc. gefüllt.

Die alte Moosmayerin sitzt in einem Lehnstuhle an einem Tischchen, ein schwarzer Kater zu ihren Füßen. Auf dem Tische Karten, Kaffeegeschirre etc.

Moosmayer (den Kater am Kopfe kratzend.) Gelt, das hast gern, mein alter Peter, wenn ich dich am Köpfl kratz?

(Kater spinnt und murrt wohlgefällig)

Wie lang hausen wir jetzt schon miteinand? Schon an die zwanzig Jahrln; gelt Peterl?

(Kater murrt. Es wird an die Thüre geklopft.)

Hab' ich schon wieder kein Ruh? Heh, Peter, schau a bißl, wer's ist.

(Kater geht an die Thüre bei abermaligem Klopfen. Der Kater öffnet die Thüre von Innen. Casperl tritt ein. Der Kater legt sich zur Moosmayer.)

Casperl. Verzeihn'S! bin ich am rechten Ort?

Moosmayerin. Ja, wo habn'S denn hinwollen?

Casperl. Zur Frau Moosmayerin.

Moosmayerin. Da sind Sie schon am rechten Ort. Was verschafft mir die Ehre?

Casperl. Die Ehre ist meinerseits. Ich hätt mir gern einen guten Rath bei der weisen Frau geholt.

Moosmayerin. Den können'S haben. Soll ich Ihnen vielleicht Karten schlagen? Das kost't 1 Gulden 12 Kreuzer.

Casperl. Nein, weise Frau. Ich hätt' andere Schmerzen.

Moosmayerin. Haben'S eppa die Gicht oder Zahnschmerzen? Da kann ich auch helfen.

Casperl. Gottlob nein; ich bin so ziemlich wohlauf, aber es betrifft eine Schatzgraberei.

Moosmayerin. Oho! Das ist ein schweres Stück Arbeit. Aber wißen'S! ich kenn Sie nicht und wenn die Polizei was erführ' – –

Casperl. Da dürfen'S ganz sicher sein, Frau Moosmayerin; Polizei fürcht' ich selber, denn ich bin schon oft genug decretirt worden. Kurz und gut: Mir ist ein Geist im Traum erschienen, der gern erlöst sein möcht' und der hat mir einen Schatz versprochen, wenn ich ihm dazu verhelf', daß er erlöst wird. (Der Kater knurrt.)

Moosmayerin. Sei stat, Peterl! – Sehen'S, mein Peter gibt Laut; da muß schon was derhinter sein. Wie hat denn der Geist ausg'schaut?

Casperl. Einen weißen Schlafrock hat er angehabt und sein Kopf hat er unter'm Arm tragen.

Moosmayerin. Das könnt schon der rechte sein. Die Geister kenn ich alle. Warten's e bißl, da darf ich nur in meim Register nachschlagen. (schlägt ein großes Buch auf, das vor ihr auf dem Tische liegt und blättert darin.) Wischi Wascht, Mischi Maschi, Tritschi tratschi, Wixi waxi, schnuri muri, wo bist?

(Der Kater springt auf das Buch.)

Aha! Hab'n wir ihn schon! Das ist der Waldjackel, der vor 100 Jahren ist geköpft worden. Das ist ein solider Geist, dem darf man schon trauen.

Casperl. Ah, ah! Das ist aber ungeheuer, Frau Moosmayerin! Wie's nur möglich ist?

Moosmayerin. Ja gelt'ns! Ich war a mal eine Somnambül und ¾ Jahr beim Herrn Dr. Justinus Kerner in Diensten. Da hab' ich die Geister alle gelernt; denn Der hat's nur so am Schnürl ghabt. Nun, was hat Ihnen denn der Waldjackel gesagt?

Casperl. Unter der alten Galgenstätt läg' ein Sack mit Dukaten und wenn ich bei der Nacht 'nausging und thät'n heben, so war er erlöst; aber ich hab' das Sprüchl vergessen, das ich dabei sagen soll. Jetzt bin ich freilich petschirt.

Moosmayerin. Nix petschirt! wenn'S mir 20 Ducaten versprechen, will ich Ihnen gleich helfen.

Casperl. Ah, das wär aber gscheit.

Moosmayerin. So warten'S nur a wenig. Ich will mein Sach gleich holen. (steht auf und geht durch die Seitenthüre ab.) (Casperl allein mit dem Kater, der einen Katzenbuckl macht, den Schwanz hinausstreckt und brummt.)

Casperl (für sich.) Das is aber ein abscheuliches Vieh. (Kater brummt und geht auf Casperl los.) No, no, machen's keinen Gspaß, Herr von Kater. Sie sind ja ein charmantes Thierl, ein allerliebstes Dingerl. (Kater schmiegt sich an Casperl.) (Moosmayerin kömmt wieder herein, einen mit schwarzen Symbolen bemalten Zaubergürtel in der Hand.)

Moosmayerin. So, da hab'nS jetzt, was S'brauchen. Diesen magischen Gürtel will ich Ihnen leihen, aber ich muß schon um Ihren verehrten Namen bitten und um fünf Gulden Caution.

Casperl. Ich heiße Caspar Melchior Balthasar Larifari, Privatier, und logire im Schneckengaßl Numero 13 über fünf Stiegen hinten naus zu ebener Erd.

Moosmayerin. Ja mein – das freut mich ungemein, Ihnen dienen zu können; dem Namen nach hab ich schon lang die Ehr, zu kennen.

Casperl. Ghorsamer Diener, ghorsamer Diener, bitt recht sehr.

Moosmayerin. Schon gut; jetzt nehmen Sie den Gürtel, hängen' S'n beim Schatzheben um, und sagn'S nur dabei: »beim Gürtel des großen Holofernes, erscheine!« nachher haben'S ihn.

Casperl. Den Holofernes?

Moosmayerin. Nein, den Schatz.

Casperl. Bravo! Das ist keine Kunst! – Da haben'S die 5 Gulden, Frau Moosmayerin, und die 20 Dukaten bring ich nachher schon.

Moosmayerin. Gut, Herr Casperl. Kann ich vielleicht noch mit einem Schalerl Kaffee aufwarten?

Casperl. Dank' unterthänigst? ich hab den mein grad z'Haus getrunken. Wenn'S erlauben, so empfehl' ich mich.

Moosmayerin. Wie's Ihnen beliebt. Aber ps! ps! Nur still, geheimgehalten! Sonst erwischt uns die Polizei und wir kommen Alle zwei vor's Schwurgericht; und denken's nur – Alle meine Kundschaften! Das wär eine schöne Gschicht! – Da wären die vornehmsten Personen compromittirt, die sich bei mir Karten schlagen lassen.

Casperl. O ich versteh, ich versteh, Frau Moosmayerin. Sie können ganz ruhig sein. Hab die Ehre. (geht ab.)

Moosmayerin (setzt sich wieder auf den Lehnstuhl.) Komm, Peterl, laß dich a bißl kratzen.

(Kater springt auf ihren Schoos. Vorhang fällt.)

Verwandlung.

Die alte Galgenstätte, mit zerfallener Mauer. Reste eines Galgens sind noch sichtbar.

Nacht. Vollmond mit komischem Gesicht am Himmel. Es pfeift der Wind unheimlich. Gespenster in weißen Schleiern schweben um den Galgen und singen in monoton schauerlichem Tone den Chor:

Auf und ab schweben wir,
Her und hin, dort und hier;
Weil wir in der Nacht so hupfen
Haben immer wir den Schnupfen.
Hui, hui!

Hui, der Wind pfeift fürchterlich
Und der Mond grinst schauerlich;
Und wir arme Nachtgespenster,
Wir logiren ohne Fenster,
Hui, hui!
Hätten wir nur einmal Ruh'!
Barfuß fliegen ohne Schuh,
Ach, wie friert uns an den Füßen!
Schnell nur hinter die Coulissen!
Hui, hui!

(schweben ab.) (Raben flattern umher, es schlägt mit dumpfer Glocke 11 Uhr.) Casperl, den Zaubergürtel umgehängt, eine Laterne in der Hand, tritt mit großen Schritten aber furchtsam auf.)

Casperl. Furchtbare Nacht! Schauerlicher Ort, wo das Verbrechen gestraft ward. Wenn mich die alte Hex angführt hat, so sind meine fünf Gulden beim Teufel. Prrrr! mich frierts, ich gib, glaub ich, kein Tropfen Blut vor lauter Kurasch. Muth, Muth! Caspar! Es gilt! Wenn mir nur nicht das Licht in der Latern ausgeht; auf den Mond kann man sich gar nit verlassen. Der schneidt auch heut so ein saures Gsicht, als wenn er nicht vom besten Humor wär.

(Lautes Lachen des Mondes oben: »Ha, ha, ha.«)

Casperl. Oho! wer lacht denn da? – Alles still. Das war vermuthlich so eine Art Echo da hinten wo herauf. Also jetzt zum Werke! Dort ist die alte Mauer, es überfällt mich ein Schauer.

Holofernes, Holofernes erscheine!
Bei diesem Zaubergürtel,
Bei des Mondes Viertel,
Erscheine!

Der Mond verdunkelt sich; ungeheurer Donnerschlag! aus der alten Mauer sprühen Flammen empor. Casperl stürzt zu Boden.

Der Vorhang fällt rasch .

III. Aufzug.

Stadt. Aus dem Hause (linke Coulisse) schaut Casperl zum Fenster heraus.

Frau Schnipflhuber, einen Korb am Arme, Madame Stimpferl, sich begegnend.

Madame Stimpferl. Ein guten Morgen, Frau Schnipflhuber. Wo kommen denn Sie schon in allerfruh daher?

Frau Schnipflhuber. Ein' recht gut Morgen, Madame Stimpferl! Sind Sie auch schon auf die Füß! Ja, ich komm grad vom Markt und vom Metzger her; hab, ein halbs Pfund Kalbfleisch gekauft zu ei'm Eingmachten für mein' Mann.

Madame Stimpferl. Für Ihren Herrn Gemahl? Muß der so was Extrigs haben? Schau, schau!

Frau Schnipflhuber. Ja, ebbes Weichs; er ist nit ganz wohlauf, weil er sich a bisl verkält' hat, wie er vorgestern auf Commission war.

Madame Stimpferl. Ei, was Sie sagen? Ja, jetzt kann man sich leicht erkälten, bei dem unbständigen Wetter. Aber es ist beinah Nichts mehr zum kaufen vor lauter Theuerung, gelten's Frau Schnipflhuberin?

Frau Schnipflhuber. No, wem sagn's denn das? Es thät noth, daß man einen jeden Pfenning abwieget. Mein Mann ist doch Sekretär, aber mit seim Ghalt können wir wirklich nicht mehr auskommen.

Madame Stimpferl. Ich glaub's gern. Was soll aber erst ich sagen, als Wittib mit meiner kleinen Pension und meine fünf Hund?

Madame Stimpferl. Was? haben's jetzt nur mehr fünfe! Sonst hab' ich ja alleweil sechse mit Ihnen spazieren gehen sehen.

Madame Stimpferl. (weinend.) Ja, mein Joli ist mir ja im letzten Kindbett drauf ganga, das liebe Thierl!

Frau Schnipflhuber. O das bedaur' ich ungemein! – Sie apropos wo nehmen Sie jetzt Ihren Caffée? Beim Kaufmann Schnautzlberger wird er jetzt so schlecht.

Madame Stimpferl. Ich nehm' den mein beim Materialisten in der Sterngassen, das Pfund dreißig Kreuzer und bin recht zufrieden damit; aber Sie brennen ihn vielleicht zu stark. (sieht Casperl am Fenster) halblaut: Sie, da schaugn'S 'nauf, aber daß er's nit merkt. Da schaugt er grad zum Fenster raus.

Frau Schnipflhuber. Was denn? wer denn?

Madame Stimpferl. Nun, der Herr Casperl. Der kann sich jetzt wohl sein laßen.

Frau Schnipflhuber. Was? Der Herr Casperl? – Der die große Erbschaft gemacht hat, wie's in der Stadt heißt.

Madame Stimpferl. Mehrere Hunderttausend Gulden!

Frau Schnipflhuber. Ja, über 300tausend! – Aber, Sie Madame Stimpferl; ich hab's ganz anders ghört?

Madame Stimpferl. Was haben's gehört?

Frau Schnipflhuber. Ps! Ps! Nur still! Einen Schatz hat er gfunden.

Madame Stimpferl. Was Sie sagn! An Schatz? Nein! Das Glück aber –

Frau Schnipflhuber. Schaugen'S nur nit um; er soll furchtbar grob sein, seit er so viel Geld hat.

Madame Stimpferl. Ja, das ist schon möglich.

Frau Schnipflhuber. Aber jetzt muß ich nach Haus, es ist höchste Zeit; ich muß das Fleisch zusetzen, sonst wird's mir nimmer weich, für mein Alten. Wünsch recht gut Morgen.

Madame Stimpferl. Ja, ich muß zu meine Hundeln, damit's ihren Caffée kriegen. Die armen Dingerln wird's schon elend hungern. No, ich hab' die Ehre. Mein Compliment an Herrn Gemahl. (zu beiden Seiten ab.)

Casperl (am Fenster.) No! Was werden jetzt die Scharteken wieder zsammen geplauscht haben? Da hätt nur meine Grethl noch gfehlt. Das wär' das rechte Trifolium gewesen. Aber der schöne Morgen! So angenehm! Und das süße Bewußtsein des behaglichen Wohlbehagens! Privatier! Rentier! – – Auweh! wen sieh ich da um's Eck herum kommen? Das ist ja der Schneidermeister Knöpfl, dem ich noch meinen neuen Frack schuldig bin.

(Schneider Knöpfl tritt ein.

Knöpfl. Ah guten Morgen, Herr von Larifari. Hab' die Ehre. Schon so früh auf?

Casperl. Ghorsamer Diener, Herr Knöpfl. Sie messen vermuthlich einem Jemanden Hosen an?

Knöpfl. Jawohl, jawohl; aber ich weiß einen Jemand, der mir einen gewißen Frack noch schuldig ist.

Casperl. Wenn das Anspielungen sein sollen, so muß ich mir dergleichen verbitten.

Knöpfl. Ja, und ich möcht' schon bitten, daß Sie mich einmal bezahlen.

Casperl. Was? bezahlen, bezahlen. Eine solche Lumperei! Ha, ha, ha! Da hab ich andere Leute noch nicht bezahlt, als solch einen Schneider! Mäh, mäh, mäh!

Knöpfl. Herr Casperl, ich muß schon bitten.

Casperl. Ha, bitten'S so viel Sie wollen. Sie sind und bleiben halt doch ein Schneider.

Knöpfl. Wenn Sie mich allenfalls beleidigen wollen, so sind Sie ein grober Kerl und sammt Ihrem Geld doch der alte Schuldenmacher.

Casperl. Was grober Kerl? Schuldenmacher? Warten Sie nur – –

Knöpfl. Ich werde Sie wegen Ehrenbeleidigung und Standesverletzung verklagen.

Casperl. Verklagen? – Sie miserable Schneiderseele?

Knöpfl. Wie? was? Das ist impertinent! Das ist zu arg!

Casperl. Warten'S nur ein wenig! Ich werde Sie gleich auszahlen! (schüttet einen Nachtopf hinunter auf den Schneider aus.)

Knöpfl. Infam! schändlich! schändlich! He! Polizei! Gendarm! – – (läuft ab.)

Casperl. (Ungeheuer lachend.) Ha, ha, ha! diesen Gläubiger habe ich expedirt. Ich seh gar nit ein, warum ich die Leut bezahlen soll? Dazu Hab ich mein Geld net. Wär nicht übel! (Schlägt's Fenster zu und zieht sich zurück.) Schusterbub tritt ein, ein paar Stiefel in der Hand und ein großes Papier, singt

I bin a lustiger Schusterbu',
Und hab den ganzen Tag kein' Ruh,
Zu laufen hab ich immerfort,
Bald bin ich hier, bald bin ich dort.

In aller früh heißt's: »Bua, heiz' ein,
Hol' d' Milch und mach dich auf die Bein;
Jetzt lauf nur gleich um Stiefelschmier
Und hol' für d' Gsell'n a paar Maß Bier.«

Mittags trag Schuh und Stiefl ich aus
Und lauf von ein'm in's ander Haus –
Doch komm mit einem Conto ich,
Da schimpfen's mich glei fürchterlich.

Da hab' ich schon wieder eine sogenannte Schuhmachermeisterrechnung für den Herrn Casperl von Larifari. Jetzt bin ich schon das siebentmal da; wenn er aber heut net zahlt, nacher – –

Casperl tritt aus dem Hause. (Er hat einen großen Portierhut auf, breites Bandelir und Stock mit großem Knopf darauf.)

Casperl. Was hat Er da zu plären? der Herr von Larifari will Ruh haben vor seinen Fenstern. Marsch!

Schusterbub. Nix marsch, Herr Portier! Ich muß zum Herrn Casperl.

Casperl. Was untersteht Er sich zum Herrn von Casperl zu wollen, der schlaft noch.

Schusterbub. Das geht mich nichts an. Wecken S'n halt auf. Ich hab von meinem Herrn an Conto. Der Herr Casperl könnt schon einmal zahlen, 's wär Zeit, laßt mein Herr sagen.

Casperl. Was? zahlen? – hier hast du einstweilen eine Abschlagzahlung. (Prügelt den Schusterbuben.)

Schusterbub. Auweh! Auweh! – (Läuft davon.)

Casperl. Das ist die beste Manier zum Auszahlen? Juhe! Schlipperdibix! – Die Erfindung, die ich gemacht hab, ist schon großartig, als mein Portier vor meinem Logie zu stehen. Ha! da kann man grob sein! Den Hut, das Bandelier und den Stock hat mir der Portier vom russischen Gesandten geliehen, weil sein Herr auf'm Land ist. Ein charmanter Mann, der russische Portier; ich Hab' im blauen Bock seine Bekanntschaft gemacht; denn

Dieser Portier
Liebt auch das Bier.

Kurz und gut: wenn Jemand zu mir will und besonders, wenn dieser Jemand mir verdächtig scheint, wie der eben hinausbezahlte »Schusterjunge«, – so sagt mein Portier, das heißt: ich, incognito als mein Portier; (hochdeutsch) die Herrschaft ist nicht zu Hofe. Wollen Sie gefälligst Ihre Spielkarte abgeben: den Schellnober oder den Eichelzehner oder was Sie sonst bei der Hand zu haben beluben, oder zu beluben haben, huben, hiben, hüben, heben br br und so weiter.«

Oho! was erblucke ich? Von ferne her seh ich einen Poluzeidiener schwöben. Sollte dieser muserable Frackanfertiger, diese elende Schneiderseele mir etwa Unannehmlichkeiten zu bureiten Gulegenheit genommen haben? Pfui Teufel! Das wäre gemein! ja mehr als gemein! es wäre gewöhnlich! Muth und Verstellung! er komme!

Polizeidiener (tritt ein.) (Für sich.) Der Casperl macht ein'm doch alleweil zu schaffen. Jetzt hab' ich 'n, glaub ich, das Monat schon zwanzigmal auf die Polizei citiren müssen und er ist aber niemals kommen. Der ist gscheit. Aber dießmal, nach dieser Schneiderehrenkränkungsgschicht wird man Ernst machen müssen. Ich werde meine Amtsgewalt geltend zu machen wissen. Ah! mir scheint, das ist sein Portier. Der Casperl – und ein Portier? Nun, 's Geld macht oft die Leut zum Narren. (Zu Casperl.) Sind Sie vielleicht Portier des Herrn Casperl?

Casperl. Vui, Vui! je suis portmonaie.

Polizeidiener. Wie, gar ein Franzose, etwa?

Casperl. Je, Vui, Vui, parlez vous francais?

Polizeidiener. Versteh'n Sie gar nicht deutsch? sind Sie also Stockfranzose.

Casperl. Stock, Stock, vui, vui! nix deutsch.

Polizeidiener. Aber wie ist es dem Herrn Casperl eingefallen, einen französischen Portier zu halten?

Casperl. Stock, Stock, Stock.

Polizeidiener. Ich habe nichts mit Ihrem Stock zu thun. Ich muß zu Herrn Casperl, weil ich ihn zu arretiren habe. Laßen sie mich in's Haus.

Casperl. Bon, bon, bon, Mosieur, kommet, kommet. (Geht mit ihm an die Thür, läßt ihn ein und sperrt von Außen zu.) So, jetzt ist der Polizeivogel gefangen! Juhe! Juhe! die Portierstell' ist einträglich.

Polizeidiener (schreit zum Fenster heraus.) Heda! – schändlich! das ist ein Verbrechen gegen die Staatsgewalt! Sperren Sie auf unten. Herr Casperl ist oben nicht zu finden.

Casperl (mit ungeheuern Complimenten.) Vui, Vui! Der Herr Casperl ist halt unten, wenn er nicht oben ist. So, bleiben Sie nur ein wenig oben, ich will einstweilen in's Wirthshaus gehen und mit dem russischen Portier ein paar Maß genießen. (Ab.)

Polizeidiener (oben aus dem Fenster.) Heda! heda! halt! halt! Jetzt bin ich in's Haus gesperrt! Heda! – –

Grethl. (mit einem Korb.) Ja, wer schreit denn so fürchterlich bei uns im Haus?

Polizeidiener. Madame Casperl! um's Himmelswillen, da schaun's her. Ihr Mann hat mich eingesperrt. Machen's nur auf und kommen's herauf.

Grethel. Nein, das ist doch zu arg, was doch mein Mann Alles anfangt! Aber er hat ja den Hausschlüssel mitgenommen. Ich kann selber nicht hinein.

Polizeidiener. Da suchen Sie eine Leiter zu bekommen. Ich muß hinunter! ich muß hinaus! sonst verlier' ich meinen Dienst, weil ich so blamirt bin.

Grethel. Da geht grad der Rauchfangkehrer um's Eck. Der kann uns mit seiner Leiter aushelfen (ruft hinaus.) Heda! Herr Rauchfangkehrer! Da kommen's her.

(Kaminfeger mit Leiter tritt ein.)

Kaminfeger. Was wolln'S denn?

Polizeidiener. Sie kennen mich ja, Herr Schwarzmaier! Ich bin hier oben eingsperrt. Helfen's mit der Leiter aus, nachher kann ich heruntersteigen.

Kaminfeger. Das ist aber curios, daß jetzt der Herr Polizeidiener auch selber eingsperrt ist!

Polizeidiener. Nun, Herr Schwarzmaier, sind Sie doch so gut und lehnen Sie die Leiter an, damit ich hinuntersteigen kann.

Kaminfeger. Ei? meinen Sie? Da wird nichts daraus. Neulich, wie Sie mich arretirt haben, weil ich ein bißl zu lustig war, da waren's nicht so höflich wie heut. Sie sind mir gut da oben. Jetzt wissen Sie auch einmal was vom eingsperrt sein. Guten Morgen. (ab.)

Polizeidiener. Bleiben Sie doch!

Grethl. Herr Schwarzmaier! Herr Schwarzmaier!

Kaminkehrer. (hinter der Scene.) Nix, nix, da! (singt.)

Polizeidiener. Aber Madame Casperl! Ich bin in größter Verlegenheit!

Grethl. Was fangen wir denn an? Ich kann doch die Hausthür nicht einrennen und ich wär auch nicht stark genug.

Polizeidiener. Thut Alles Nichts! Ich muß hinaus. Haben Sie keinen Strick im Haus, da könnte ich mich hinablassen.

Grethl. Das ist ein guter Gedanken. In der Küch liegt das Seil zum Waschaufhängen. Das könnens brauchen.

Polizeidiener. Gut, gut! (verschwindet vom Fenster.)

Grethl. Mein die Verlegenheit; es ist zu arg.

(Polizeidiener (erscheint am Fenster und wirft den Strick herab) Jetzt wirds gehen!

Grethl. Nein das ist gefährlich! Da kann ich net zuschauen! Wenn Ihnen was geschäh': das kann ich nicht ansehen; ich müßt' in Ohnmacht fallen.

(geht ab mit einem Schrei. Polizeidiener steigt aus dem Fenster.)

Der Vorhang fällt rasch.

IV. Aufzug.

Straße wie vorher.

Polizeidiener hängt an einem Strick vom Fenster herab. Casperl wieder im gewöhnlichen Anzug ohne Portierabzeichen kömmt von der andern Seite herein, etwas benebelt.

singt: Rala, rala ec. (sieht den Polizeidiener.) Oho! da hängt Einer! Ein Dieb? Ein Spitzbub, der bei mir kripsen hat wollen? Ah! jetzt fallts mir ein. Das ist ja gar der Polizeidiener! (zupft ihn an den Beinen.) Mir scheint, der hat sich erhängt! O du unvorsichtiger Selbstmörder! (reißt wieder an den Beinen.) Kein Löbenszeichen! (reißt wieder, wobei der Strick abbricht, der Polizeidiener herabfällt und Casperl auch hinpurzelt,) So, jetzt liegen wir da! (rüttelt an ihm.) Der is maustod, aber (feierlich.) ich habe koinen Theil an diesem Verbrechen, (weint.) So mußte ein Organ der ausübenden Gerechtigkeitspflege des Staates enden? Dieser Ehrenmann! 'Raus damit, in irgend einen Abgrund, sonst bekomm' ich Fatalitäten. (wälzt ihn hinter die Coulissen, kömmt gleich wieder hervor, Grethl händeringend tritt ein von der andern Seite.)

Grethl. Casperl! Casperl! – Was hast du angfangen? Schrecklich!

Casperl (tragisch.) Ha! Weib! – – Er fiel schuldlos! Er unterlag dem ungewöhnlichen Schicksal eines Polizeidieners! Ruhe seiner Asche! – (im gewöhnlichen Tone.) Grethl, was fangen wir jetzt an? Auf d' Letzt kommt die Gschicht auf; der Verdacht einer Morithat fällt auf uns. Man wird sagen: wir haben den Edlen abgemuxt! (tragisch) Laß uns fliehen! – Ich meinerseits flücht' mich ins Wirthshaus und versteck mich hinter einem Maßkrug. Du kannst hingeh'n, wo du magst.

Grethl. Ei was nit gar! Wir sind unschuldig und da kann uns nichts geschehen. Ich geh' hinauf und koch' unsere Leberknödel.

Casperl. Das ist gscheit. Bis ich vom Wirthshaus heim komm', sind die Knödel geknödelt. Juhe! – Addio! Auf Wiedersehen. (ab. Grethl ab in's Haus.)

Verwandlung.

Gefängniß.

(Nur von einer Lampe erleuchtet)

Casperl. Jetzt hab'ns mich doch erwuscht. Wieder eine unangenehme Catustrophe meines Lebens! Die Leiche des Politivs wurde gefunden mit dem Strick um den Hals. Das andere Trumm an meinem Fenster. Diese verdächtigen Inspizien gaben Veranlassung, daß man sich meiner Person, die gerad im »blauen Bock« saß, versicherte und criminalisch tractirt. Ha,

Der Politif hat sich erhangen,
Und ich sitz' hier gefangen!

Das ist aber die alte Gschicht: bin ich nicht im Wirthshaus, so bin ich auf der Polizei! berlicke, berlacke! Eigentlich ist das unterhaltlich. Aber ob's dießmal gut ausgeht: »das ist die Quetschenbrüh« – sagt der Hamlet in der Zauberflöten.

Brüllt: Ihr Geister! helft mir aus der Sauce! in die Ihr mich eingetaucht habt!

Du vermaledeiter Kerl ohne Kopf! Du langweilige Erscheinung! Wenn ich dich durch meinen Schatzgraben erlöst habe, wenn du deinen dummen Schedl wieder auf deinem Hals hast – so erscheine! –

(Donnerschlag, Unter Flammen erscheint das Gespenst vom ersten Act hat den Kopf wieder auf.)

Gespenst. Hier bin ich! bin ich!

Casperl. Ah! Ah! – Das laß ich mir gefallen. Du bist einmal ein ordentlicher Geist. Allen Respect! und wie ich seh', hast du auch deinen Hirnkasten wieder am rechten Fleck.

Gespenst. Ja! Du hast mich erlöst. Nun brauch ich mich vor meinen Collegen nicht mehr zu schämen. Ich muß nur noch eine kleine Zeitlang nachtwandeln, bis ich meinen Kopf wieder ordentlich tragen kann und ich 'n gewohnt bin. Dann schwebe ich in andere Sphären, von der irdischen Last befreit; denn ich habe meine Verbrechen abgebüßt.

Casperl. Bravo, das freut mich ungemein. Aber wie steht's mit mir?

Gespenst. Auch du bist befreit. Der Polizeidiener war nur scheintodt und hat sich bereits auf der Polizei wieder zum Dienst gemeldet. Deine Tugend ist belohnt! Lebe wohl! (Verschwindet unter Donner.) (Casperl fällt um.) (Der Kerker verwandelt sich in einen beleuchteten blumenreichen Garten, Tableau: Casperl kniet in der Mitte. Der Polizeidiener krönt ihn mit einem Lorbeerkranze. Auf der andern Seite Grethel in schwebender Stellung. Festliche Musik dabei.) Der Vorhang fällt langsam.

Ende.


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