Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein – Viertes Bändchen
Franz Pocci

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Das Glück ist blind,
oder:
Casperl im Schuldthurm.

Zauberspiel mit Gesang in drei Aufzügen.
Vorsatzblatt

Personen.

Bios, der Genius des Lebens.

Fortuna, Göttin des Glückes.

Capricerl, ein Knabe, ihr dienstbarer Geist.

Casperl Larifari .

Krügler, Wirth zum »rothen Ochsen.«

Lorenz, ein alter Mann.

Klaus, Einsiedler.

Der Teufel

Ein Polizeidiener

Johann und Peter, Bediente bei Casperl.

Verschiedene Erscheinungen und Verwandlungen.

I. Aufzug.

Zimmer. Casperl sitzt am Tische, auf dem ein großer Bierkrug steht.

Casperl (in tragischem Tone.) So Hab ich denn den letzten Tropfen der Lebensbitteressenz getrunken! Der Krug ist leer. O Schicksal! (in gewöhnlichem Tone.) Der Krug ist leer, mein Beutel ist leer, ich hab nix mehr! Jetzt sitz' ich halt so da und denk' über die Vergangenheit nach; denn der Blick in die Zukunft bietet mir die traurigste Aussicht: grad so, als wenn ich auf einem hohen Berg stünd und in den Nebel hinausschau'n thät. Ha! – wer ist aber Schuld an meinem physischen und moralischen Elend? Wer ist Schuld daran? Hab' ich nicht selbst Alles verthan und in den Ocean des unergründlichen Durstes versenkt? – Oh – oh – wehe! – Hab' ich mich nicht auf die unterirdischeste Tiefe der oberirdischesten Höhe eines Schuldenzustandes geschwungen, der meine Gläubiger, diese Hyänen, veranlaßen wird, sich meiner Person zu versichern. O Schicksal! O Schicksal! Deine Schläge sind furchtbar! (Drei harte Schläge an der Thüre. Casperl fällt aus Schrecken vom Stuhl herab.) Was hör' ich? wieder Schicksalsschläge?! Wer klopft so unverschämt?

Wirth Krügler (von Außen.) Machen'S nur auf, Herr Casperl!

Casperl. Auweh! das ist der Wirth vom »rothen Ochsen.«

Krügler. Aufgemacht! Ich Hab' mit Ihnen a Wörtl zu reden.

Casperl. Gleich, gleich; ich hab' den Zimmerriegl, der an der Thür steckt, verlegt. – Jetzt Kurasch, Casperl! (Oeffnet die Thür.)

(Krügler, ungeheuer dick, tritt ein mit einem großen Zettel in der Hand.)

Casperl. Ah! sind Sie 's Herr Krügler? das freut mich ungemein, daß ich die Ehre hab'.

Krügler. Ja, und mich freut's auch ungemein, daß ich Sie einmal zu Haus treff', Herr Casperl. Ich hab' nur eine Kleinigkeit mit Ihnen abzumachen. Ist gleich vorbei.

Casperl So? – So – Herr Krügler? Nun was steht denn zu Diensten?

Krügler. Ich mein', das sollten Sie selber wissen, Herr Casperl.

Casperl Nein, da wüßt' ich wirklich Nichts; fallt mir wirklich Nichts ein.

Krügel So? Ei! Ei – da schaun'S nur den Zettel da a bißl an, Herr Casperl.

Casperl. Den Zettel? Ja, ich hab' heut meine Augengläser verloren und da kann ich nicht gut lesen.

Krügler. Nun, so will ich Ihnen vorlesen, was da g'schrieben steht. Merken'S nur auf: (liest.) Seit dem 14. vorigen Monats Rechnung für Herrn Caspar Larifari – bis zum heutigen: drei Eimer Bier – zweihundert Paar Bratwurst – Zwanzig Wecken Brod – einhundertzwanzig Semmeln – 10 Maß Kronewitter – 30 Flaschen Deidesheimer – 18 Pfund Kalbsbraten – 500 Tassen Kaffe mit 800 Bretzeln.

Casperl (ist unterdessen auf den Stuhl gesunken.) Halt ein! Halt ein, bedenke was der Mensch ertragen kann!

Krügler. Was Sie ertragen können, das geht freilich in's Ungeheure; aber: Nummer Eins heißt essen und trinken, und Nummer zwei heißt zahlen. Versteh'n Sie mich, Herr Casperl?

Casperl. Aber die Beleidigung! Einem Manne von meinem Credit so Etwas zuzumuthen. Da hab ich ganz andere Summen auf meinem Schuldenregister und Sie sind so unverschämt, mit einem solchen Bagatell zu kommen? Pfui Teufel! schämen Sie sich, Herr Krügler!

Krügler. Ah, das ist nicht übel! a Bagatell? – Sind freilich nur 197 Gulden ohne die Gläser und Krügeln, die Sie mir zusammengeschlagen haben, wenn'S en Rausch g'habt haben. Kurz – das ist kein Spaß; und wenn Sie nicht augenblicklich zahlen, so werd' ich mir schon Zahlung verschaffen.

Casperl (in nobler Entrüstung.) Wie? was? – Herr Krügler, nehmen Sie sich in Acht. Sie haben es mit einem Manne zu thun – –

Krügler. Mit einem Manne, – der sich vor Schulden nicht mehr auskennt; mit einem Manne, – der ein liederliches Subject ist – mit – mit – mit

Casperl. Mit einem Manne, der Ihnen eine Ohrfeige gibt, (gibt ihm eine Ohrfeige.)

Krügler. Wie? was? welche Unverschämtheit! Sie sind ein Grobian. Hier die Antwort. (Gibt Casperl auch eine Ohrfeige.)

Casperl. Auf diese Antwort muß ich wieder fragen . (Schlägt ihn.)

Nun prügeln sich beide, bis Casperl den Krügler endlich zur Thür hinanswirft.

Casperl (allein, triumphirend.) Dieß war ein glücklicher Wurf! Aber jetzt fort! Es könnten noch mehrere solche Visiten kommen. (Ab.)

Verwandlung.

Ländliche Gegend. Ein ärmliches Häuschen steht an der mittleren Seitencoulisse. Fortuna mit verbundenen Augen, ein goldenes Füllhorn im Arme, schwebt in einem silbernen Segelschiffchm durch die Luft herein. Capricerl sitzt am Steuerruder und zieht die Segel ein, während das Schiff sich zur Erde senkt.

Fortuna (steigt mit dem Knaben aus und singt.)

Fortuna bin ich; durch die Welt
Flieg' ich, vertheile Gut und Geld;
Dukaten streu' ich rings umher,
Und doch wird nie mein Säckel leer.

Bald bin ich hier, bald bin ich dort
Und schwebe schnell von Ort zu Ort.
Ich spende nur zum Zeitvertreib
Und bin ein windisch launig Weib.

Verbunden sind die Augen zwar,
Ein Band schlingt sich um Stirn und Haar,
Ich sehe gar nichts und bin blind,
Drum führt mich dieses kleine Kind.

Wo sind wir, Capricerl? Warum hast du hier das Schifflein sinken lassen?

Capricerl. Weil mir die Gegend gefiel und weil ich Durst habe. Hier steht ein kleines Häuschen, in dem ich wohl Wasser bekommen kann.

Fortuna. Frage, wer es bewohnt. Vielleicht kann ich die Bewohner beschenken.

Capricerl. (läuft an's Häuschen und klopft an der Thüre.) Aufgemacht! aufgemacht!

Lorenz (von Innen.) Wer pocht an der Thüre?

Capricerl. Ein Knabe, der dich um einen Trunk bittet.

Lorenz. Warte nur, ich komme gleich. Bei mir geht es langsam. (Tritt, auf einen Stab gestützt, aus dem Hause.) Da bin ich, Kleiner.

Capricerl. Alter guter Mann, kann ich wohl ein Bischen Wasser haben?

Lorenz. So viel du willst. Geh' nur in das Haus; rückwärts im Höfchen ist ein Brunnen, da kannst du deinen Durst löschen.

Capricerl. Gut, ich danke dir. Unterhalte dich einstweilen mit dieser schönen Frau. (Ab in'S Haus.)

Lorenz. Fürwahr, das ist freilich eine schöne Frau. (Hinkt auf Fortuna zu.) Seid mir gegrüßt. Wie habt Ihr euch in diese einsame Gegend verirrt?

Fortuna. Ich reise in meinem Luftschiffchen umher und lasse mich eben nieder, wo es mir lieb ist – oder vielmehr wo mein kleines launiges Bürschlein Lust hat.

Lorenz. Wie sonderbar! Von einem Kinde lassest du dein Fahrzeug lenken?

Fortuna. Allerdings. Du siehst, daß meine Augen verbunden sind, weil sie sehr schwach sind; deßhalb bedarf ich eines Führers, und da haben mir die Götter diesen Knaben bestimmt.

Lorenz. Ei du arme Frau. Blind zu sein, das ist ja ein rechtes Unglück.

Fortuna. Ich bin doch ganz zufrieden dabei; bisweilen habe ich auch lichte Augenblicke und kann unter der Binde etwas hervorblinseln. Aber sage mir: wer bist du denn?

Lorenz. Mein Gott! ein recht hungeriger alter Mann, ein Taglöhner seines Geschäftes. Nun bin ich aber zu schwach, um mir mein Brod zu verdienen und muß von mitleidiger Menschen Gaben leben. Mein Weib ist vor einem Jahr gestorben und so bin ich nun ganz verlassen.

Fortuna. Du bist also recht unglücklich.

Lorenz. Das will ich eben nicht sagen; denn ich kann mir denken, daß es Andere geben mag, welchen es noch schlechter geht, als mir. So muß ich Gott noch danken für das, was ich habe.

Fortuna. Das heiß ich Bescheidenheit und Genügsamkeit! Wenn aber das Glück einmal bei dir einkehren wollte, das wäre dir doch nicht unlieb.

Lorenz. Das Glück? – Ei, was ist denn das Glück? Ein launiges Weibsbild, das wie eine Närrin in der Welt umherfahrt. Ich kenne für mich nur ein Glück.

Fortuna. Und das wäre?

Lorenz. Wenn mich der Tod von diesem Leben befreien wollte.

Capricerl

(springt aus dem Hause heraus.) Heisa! Das ist eine prächtige, frische Quelle. Das schmeckt besser, als der beste Wein.

Fortuna (zu Lorenz.) Wenn dir aber die letzten Tage deines Lebens erleichtert würden?

Lorenz. So würd' ich es dankbar annehmen, denn ich könnte dann leichter das Ende erwarten.

Fortuna. Das soll geschehen, sobald du wieder in dein Häuschen getreten sein wirst. Lebe wohl!

(Vom Knaben geführt, steigt sie in das Schiffchen.)

Auf! lüfte die Segel! (Sie fliegen von dannen.) Lebe wohl! Dießmal hat dich doch das Glück heimgesucht.

Capricerl. Ich danke für den Trunk!

Lorenz. Glückliche Reise! (Allein.) Das war aber eine curiose Person mit ihrem Buben da. So einen Luftballon habe ich noch nicht gesehen. Wieder eine neue Erfindung! (Geht an's Haus. An der Thürschwelle.) Ja, Wunder! was ist denn das? Seh' ich recht? Ein Sack voll Geld. (Tritt in's Haus und kommt gleich wieder heraus mit einem Geldsacke auf den Armen.) Ei der Tausend! Das ist ja eine Zauberin gewesen. Ein Sack mit 1000 Gulden. In meinen alten Tagen noch solch' ein Glück! Mir wird ganz schwindlig! Sorgen und Noth verlassen nun mein Häuschen. Gott sei's gedankt! Das Glück ist bei mir eingekehrt.

Indem er in's Haus geht, entschweben zum Dache heraus zwei graue, dürre geflügelte Gestalten, Sorge und Noth vorstellend.

Verwandlung.

Nacht. Gefängnißstube des Schuldthurms. Strohsack, Stuhl, Tisch, auf dem ein Lämpchen brennt. Casperl wird von einem Polizeidiener hereingeführt.

Polizeidiener. So, Herr Casperl, jetzt wünsch' ich recht gute Unterhaltung. A zeitlang werden Sie schon da herin logieren müssen.

Casperl. Ich danke gehorsamst für die freundliche Begleitung und für den gefälligen Aufschluß.

Polizeidiener. Gar nicht nöthig. Ist gern geschehen. Indigestion werden'S auch keine bekommen; denn da herin ist die Kost äußerst einfach.

Casperl. O ich bitte. Ich bin ja an eine gewöhnliche Hausmannskost gewöhnt.

Polizeidiener. Nun, ich wünsch' recht guten Appetit dazu. (Geht ab und schließt die Thüre rasselnd von Außen zu.)

Casperl (schaut sich in dem Gefängniß um.) Das ist ein einfaches Lokal. Das muß ich sagen. Ein Tisch, der auf drei gesunden und einem kranken Fuß steht. Ein Stuhl, der auch ziemlich marodisch herschaut. Und der Strohsack auf dem Boden bietet wenigstens nicht die Gefahr dar, daß man durchfallt; aber die Mäus hab'n ihn auch etwas angefressen. Alles einfach; aber es ist eine edle, großartige philosophische Einfachheit. Ich hab' einmal was gehört von einem Professor in Griechenland, der in einem Faß logirt hat. Hat's der aushalten können, so wird's mich auch nicht zerreiben. (Geht einige Male nachdenkend auf und ab.) O Schicksal! – nun kenn ich dich erst. (In tragischem Pathos.) Laß mich nicht verzweifeln! – – Jetzt bin ich mir selbst preisgegeben. Meine hungerigen Gläubiger haben mich einsperren lassen. Die Undankbaren, die ich mit einer Last von Schulden beschenkt habe! Sie, bei denen ich so viel verzehrt habe! – – Ha! daherein haben's mich gethan, bis ich bezahlen kann. Nun, da werden's mich bis zum jüngsten Tag futtern müssen, und ich kann gleich vom Schuldthurm in die Ewigkeit wandeln. – O Glück! Glück! – warum hast du mich verlaßen? Im Spielen hab' ich Glück gehabt! Beim Trinken bin ich auch nicht unglücklich gewesen. – Meine Ansprüche waren bescheiden; wenn ich nur immer genug zum Essen und Trinken gehabt hab'. Und jetzt, jetzt! – (Wirft sich verzweifelnd auf den Strohsack. Das Lämpchen auf dem Tische erlischt.) So – jetzt ist auch das Licht ausgelöscht. Was fang' ich an in der Finsterniß, bis man mir mein Souper bringt?

Aus der Versenkung erscheint der Teufel. Das Gefängniß ist roth erleuchtet.

Teufel (mit hohler Stimme.) Casperl! Casperl! Casperl!

Casperl (vom Lager auffahrend.) Oho! – sind Sie vielleicht der Nachtwächter? Sie haben mich weiter nit verschreckt!

Teufel

Der Nachtwächter bin ich nicht,
Aber ich scheu des Tages Licht.
Ich mache nicht mit Spieß und Hund
Wie der Nachtwächter die Rund,
Aber ich bin bei Tag und Nacht
Wie ein Wächter auf der Wacht!

Casperl. Also sind Sie ein bei Tag und Nacht wachender Wächter, aber doch kein Nachtwachter?

Teufel. Verschreibe mir deine Seele und ich befreie dich aus diesem Kerker und schenke dir einen Sack mit Dukaten gefüllt.

Casperl. Erstens: Kann ich nicht schreiben. Zweitens: Ist hier weder Tinten noch Papier. Drittens: Mag ich keinen Frack mit Oblaten gefüllt.

Teufel. Casperl! Casperl mach' keinen Spaß, oder ich dreh' dir den Hals um.

Casperl. Punktum! (Man hört den Hahn krähen: Kikeriki, kikeriki.)

Teufel. Wehe! weh! Der Hahnenschrei!
Da ist der Teufel nicht mehr frei! (Versinkt.)

(Es ist wieder dunkel geworden.)

Casperl. Das war aber ein curioser Kerl. Ich hätt' mich beinah zu fürchten ang'fangt. – So – jetzt bin ich halt wieder in der ägyptischen Finsterniß,

Heller durchschneidender Schall einer Glocke. In der Wand öffnet sich eine erleuchtete Nische, von der aus das Gefängnis in blauen Schimmer beleuchtet wird.

Casperl. Schon wieder eine Buleuchtung! Vorher roth und jetzt blau . Das ist doch wenigstens eine Unterhaltung.

In der Nische erscheint Capricerl.

Capricerl. Casperl! Casperl! Casperl!

Casperl. Ei du nettes Buberl, wie kommst denn du da herein?

Capricerl. Frau Fortuna schickt mich zu dir. Sie laßt sich bestens empfehlen und du sollst ein wenig zu ihr hinauskommen.

Casperl. Frau Fortuna? Wer ist denn die Madam?

Capricerl. Du wirst schon sehen, wer sie ist. Komm' nur! Sie will dich unter ihren Schutz nehmen. '

Casperl. Was? sie will mich unter ihren Schurz nehmen? Ja, aber durch die geschlossene Thür kann ich nicht hinaus.

Capricerl. Fortuna's Macht vermag es, alle geschlossenen Thüren zu öffnen.

Donnerschlag. Die Thüre springt auf. Casperl fällt aus Schrecken zu Boden

(Der Vorhang fällt rasch.)

II. Aufzug.

Ländliche Gegend mit dem Häuschen wie im ersten Aufzuge. Bios, Genius des Lebens, Jüngling in kurzem Florgewande mit goldenen Flügeln, einen goldenen Scepter in der Hand. Sein Haupt ist mit Blumen bekränzt.

Bios.

Fortuna! du des Glückes blinde Göttin,
Wie herrschest du in unbedachter Willkür,
Aus deinem Füllhorn Gaben freundlich spendend,
Die oft zum Unheil werden dem Beschenkten;
Und wieder – bringst du Schlimmes – wendet sich
Nicht selten deine Spende doch zum Guten
Für den, der deiner Gunst sich nicht erfreut.
Des Schicksals Göttinnen, auf daß ihr Walten
Frei bleibe, haben deiner Augen Sterne
Verhüllt; denn gäbst du offnen Blickes schauend,
Wär' ihre Macht gelähmt; so aber lenken
Sie weise noch der Götter Rath des Lebens
Und senden mich aus, ihren treuen Boten.
Hier, in der Hütte dieses armen Alten,
Hat wieder sich die Holde nur getäuscht,
Gold spendend, in dem blinden Wahn zu retten .
Nun eilt sie her, im Glauben sich zu freu'n,
Und wird enttäuscht, da die geneigte Spende
Ein Leben raubte, statt es zu erhalten!
Sie naht! – doch soll sie hier mich noch nicht finden.

(Bios tritt hinter die Coulisse. Fortuna und Capricerl treten ein.)

Capricerl. Nun sind wir hier an der Stelle, wie du befohlen.

Fortuna. An dem Häuschen des armen Alten, den meine Gabe beglückt hat?

Capricerl. Dort steht es ja.

Fortuna. Nun, so eile hinein, um zu sehen, was der Alte macht und wie er mein Geschenk verwendet hat.

Capricerl läuft in das Haus. Aus dem Hause ertönt Männergesang.

Chor.

Bedenk', o Mensch: du bist nur Staub,
Dein Leib wird bald der Würmer Raub.
Wie du gelebt,
Was du erstrebt
In dieser kurzen Zeit auf Erden,
Darnach wirst du gerichtet werden.
Requiescat in pace!

Zugleich wird, von Wenigen begleitet, ein Sarg aus dem Hause getragen und der Leichenzug bewegt sich in die Coulissen hinein.

Fortuna. Was hör' ich? Ist dies nicht ein Leichengesang?

Bios (hereintretend.) Allerdings. Der, den du vor Kurzem zu beglücken glaubtest, er wird begraben.

Fortuna. Unmöglich! wer spricht zu mir?

Bios. Kennst du Bios' Stimme nicht mehr?

Fortuna. Trittst du mir wieder in den Weg? Wo ich beglücken will – wie oft zerstörst du mein Werk!

Capricerl (kommt Weinend aus dem Hause.) Der Alte ist gestorben; ach, wie kurz war sein kaum errungenes Lebensglück!

Bios. Das Gold, wodurch du, blinde Glücksgöttin, ihm eine Wohlthat zu erzeigen glaubest, hat ihn getödtet.

Fortuna. Nimmermehr!

Bios. Es ist nur zu wahr. Geblendet von der glänzenden Gabe hat der nur an Entsagung Gewöhnte seine Lebensart geändert. Er, der sich nur kümmerlich genährt hatte, fing ein üppiges Leben an und dieser Wechsel hat ihn getödtet. Die Schicksalsgöttinnen sandten mich, seine Lebensfackel auszulöschen.

Fortuna.

Weh ihnen, die des Menschen Lebensfaden
Grausam verkürzen, wenn der Sonne Schein
Noch mild erwärmend und erleuchtend glüht!
Weh ihnen, die dem mütterlichen Herzen
Das Kind entreißen, die der Braut, der Gattin
Mit grauser Lust entführen den Geliebten!
Weh ihnen – –

Bios.

Ende, Göttermacht zu schmähen;
Du änderst nicht des Schicksals mächtig Walten.
Versuch's nur, irgend Einen zu beglücken,
Der nicht mißbrauchend deine holden Gaben
Sich nicht in's Unheil stürzt, wie dieser Arme,
Den sie nach kurzem Glücke nun begraben.

Fortuna

Nun wohl! Wenn dieser auch als Opfer fiel,
Laß einen Zweiten mir, daß ich's versuche,
Ob meine Gunst dem Sterblichen nicht fromme.

Bios.

Es sei. Zeigst Einen du, der nicht verblendet
Von deines Füllhorns Gunst, sich selbst nicht stürzet.
Der Maß halt im Genusse, den du botest.
Und der sein Glück nicht endlich selbst verwünscht,
So neig' ich meinen Scepter und besiegt
Erklär' ich selber mich von deiner Macht!
Wenn nicht – magst du beschämt dem Schicksal huld'gen.
Dem du im blinden Wahne oft getrotzt.

Fortuna Es gilt. Mein Knabe, komm' und führe mich.

Bios. Leb' wohl du kühnes Weib. Auf Wiedersehen.

(Beide zu verschiedenen Seiten ab.)

Verwandlung.

Wald mit einer Einsiedelei, die in einer Felsenhöhle angebracht ist.

Casperl (läuft herein und einigemale um die Bühne herum, dann setzt er sich erschöpft in der Mitte nieder.) (Ausschnaufend.) Ah! – da muß ich bitten! Jetzt halt' ich's nimmer aus. – Ich hoff', daß ich doch hier vor meinen Verfolgern sicher bin, denn weit genug ist es. Kaum war ich durch die Macht jenes Wesens, das mich unter seinen Schurz genommen hat, befreit und der modernden Kerkerluft entsprungen – steht gleich vor der Höllenpforte draußen mit zwei Polizeidienern der Wirth Krügler, um mich in Empfang zu nehmen. In meiner Todesangst schlag ich die zwei maliziösen Häscher um und lauf', was ich kann. Der dicke Krügler verfolgt mich, fallt aber gleich auf'n Bauch. Jetzt kommen's aus allen Gaßen her und wollen mich fangen. Eine ganze Compagnie ist mir nachgerennt. »Halts'n auf! halts'n auf!« war das allgemeine Feldgeschrei, »den Schuldenmacher!« – Ich hätt' gar nicht geglaubt, daß ich einen so allgemeinen Credit gehabt hab'; denn die Schaar der nachfolgenden Gläubiger war eine Legion. Kurz und gut und gut und kurz: Der Geläufigkeit meines Piedestals hab' ich's zu verdanken, daß sie mich nit wieder eing'fangen haben; und jetzt – wo bin ich denn eigentlich Hingerathen in meiner Verzweiflung? (Sieht sich nach allen Seiten um). Die Decoration ist ein mir gänzlich unbekannter Wald. Den muß der Herr Direktor ganz neu haben malen lassen, damit ich mich wieder nicht auskenn'. Schau'! Dahinten ist eine Art Loschi (Logie) angebracht. Diesem stillen Bewohner gratulir' ich, wenn's Einer in dem Loch aushalten kann. (Geht gegen die Einsiedelei.)

Klaus. (tritt ihm entgegen.)

NB. Der Einsiedler muß immer sehr langweilig pathetisch sprechen, in einem weinerlichen Tone.)

Wer bist du, Fremdling? Wie kamst du in diese Einsamkeit?

Casperl. Ja, was ist denn das für ein altes Möbel der Schöpfung?

Klaus. Wie? was sprichst du da? Sage mir, wer du bist.

Casperl. Wenn du, der du, die, das – denn ich weiß nicht was für einen Lebenszwöck hier erfüllendes Subjekt von einem Individuum waldbewohnenden Geschlechtes, wildsprossender Urabkommling einer unbekannten Nation auf eine Portion menschlicher Vernunft Anspruch machen kannst, so wirst du begreifen, daß ich nicht aus Vergnügen in diese Baumpflanzung spaziert bin, sondern daß ich ein vornehmer Reisender bin, der sich durch das Verhängniß ineinander verwurlter Verhältnisse und Umstände von rechts und links hieher verirrt zu haben dürfte, könnte, sollte, wollte.

Klaus. Deine Rede ist dunkel und unklar. Allein wenn du nichts Uebles im Sinne hast, so will ich dich gerne beherbergen, da du mir ein erschöpfter, verirrter Wanderer zu sein scheinst.

Casperl (feierlich.) Ja! ich bin ein geknöpfter, verwirrter Wanderer, der einen bedeutenden Hunger und einen noch bedeutendererereren Durst hat.

Klaus. Ich kann dir nur Wenig bieten.

Casperl. Das ist mir sehr unangenehm; umso unangenehmerererer, weil ich Viel haben möcht'.

Klaus. Du hast doch gewiß oft genug gehört, wie einfach wir Eremiten leben. Unsere Nahrung besteht aus Wurzeln und Kräutern, unser Trank ist reines Quellwasser. Damit kann ich dir dienen.

Casperl. Für diese Dienerschaft dank' ich höflichst. Ein vornehmer Mann, wie ich, ist ganz was Anderes gewöhnt.

Klaus. Wenn aber ein vornehmer Mann sich im Walde verirrt, dann wird er gewiß keine Torten und Pasteten zur Nahrung finden; auch keinen Wein oder sonstige geistige Flüssigkeiten.

Casperl. Ich brauche keine geistlichen Süßigkeiten und am allerwenigsten bin ich aufgelegt, das langweilige Gepappel von so einem alten Kraxler anzuhören. (hochpathetisch.) Ha! Ich verlange von der Natur, die mich hervorgebracht, die einem gebildeten Manne entsprechende Sustentation. Also heraus mit'm Kalbsbratl! Heraus mit der Brandweinflaschen, oder ich werde thatsächlich!

(Droht mit der Faust.)

Klaus. Fremdling, beruhige dich. Vielleicht finde ich in meiner Vorrathskammer, die ich für verirrte Wanderer immer bereit halte, doch ein paar Bissen! kaltes Fleisch – –

Casperl (ihn unterbrechend.) Und auch im Kellerloch vielleicht ein paar Bouteillen Wein. O du alter Kalfakter! Deine Wurzeln und Kräuter find auch nicht weit her und dein reines Quellenwasser scheint mir auch an dir vorbei zu fließen, statt in dich hinein. Komm nur, begeben wil uns in deine Klausen und fasten wir miteinander eremitanisch nach deiner Manier. Juhe! (Zieht den Einsiedler mit sich in die Klause.)

Klaus. Nu, nu! nur nicht so ungestüm, mein Freund. Es wird sich schon Etwas finden. (Beide ab.)

Es wird Nacht. Ein Gewitter kömmt. Blitz und Donner.

Klaus. (stürzt aus der Klause.)

Jetzt hab' ich ihn, der jüngst mir ist entkommen,
Als ich im Schuldthurn ihm erschienen war.
Er ißt und trinkt, was ich ihm vorgesetzt
Und weiß nicht, daß er in des Teufels Schenke.
Weg mit der Kutte und dem falschen Barte!
Der Teufel will sich, wie er ist, nun zeigen!
Was der Versuchung nicht gelang, wird jetzt Gewalt
Wohl leicht erringen. Casperl ist nun mein!

Verwandelt sich in den Teufel des ersten Aufzuges.

Furchtbare Donnerschläge. Oben wird es hell. Auf rosigen Wolken erscheint Fortuna.

Fortuna.

Nein, nein! er ist nicht dein . Des Glückes Göttin
Will ihn bewahren. Weiche Satanas!
Ihm ist Fortuna hold.

Teufel. Verflucht Geschick! Dir muß ich weichen nun zum zweiten Mal.

(Versinkt.)

Die Klausnerhöhle verwandelt sich in eine von rothem Schimmer erleuchtete Rosenlaube, in welcher Casperl zwischen einer Geniengruppe schlummernd ruht.

Unter sanfter Musik fällt der Vorhang.

III. Aufzug.

Wolkensaal. Fortuna ruht auf einem Canapee von Rosawolken, an welchem das Füllhorn lehnt, ein Tischchen vor sich mit Gefäßen antiker Form. Alles rosenfarbig, Capricerl sitzt zu ihren Füssen, eine große Bretzel in der Hand.

Fortuna. Ich bin noch ganz fatigirt von dem gestrigen Tage. Ich habe so viel Glück gespendet, mein Füllhorn so oft ausgeleert und so häufig in schönen Versen gesprochen. Es thut mir wirklich wohl, daß ich in meinem Wolkencabinette in Prosa reden kann.

Capricerl. Meinst du, daß ich etwa nicht auch müde sei? Glaubst du, es sei ein Spaß, die Segel deines Flügelschiffes hundertmal auf- und abzuziehen und dann noch immer auf der Erde mit dir hin und her zu rennen?

Fortuna. Darum hab' ich dir heute die große Frühstücksbretzel gegeben und vielleicht lasse ich dich heute noch in's Marionettentheater gehen. – Apropos! Ich möchte doch wissen, wie es mit meinem Protegé steht, den ich neulich aus den Klauen des Teufels gerettet habe?

Capricerl. Ei! der Casperl Larifari, für den du mit Bios gewettet, daß er deine Gaben ertragen könne?

Fortuna. Allerdings, der ist es. Ich habe so ein bischen unter meiner Binde hervorgeblinselt und der Bursche gefiel mir.

Capricerl. Er ist ein lustiger, leichtsinniger Patron, wie mir meine Spielkameraden, der kleine Bacchant Tyrseus und der Amorl, erzählt haben, die ihn sehr genau kennen.

Fortuna. Eben deßhalb setzte ich auf ihn das Vertrauen, daß er meine Gunst zu würdigen wisse und ich dadurch Bios die Wette abgewinnen würde. Darum möchte ich aber auch gar zu gerne wissen, wie es um ihn steht. Ich will heute in meinem Wolken-Cabinette ruhen und keine Beglückungsfahrten unternehmen. Da könntest du ein bißchen speculiren. Nimm von einem Glücksgenius in meinem Vorzimmer ein paar Flügel zu leihen und stiege auf die Erde.

Capricerl. Ich mag aber nicht. Ich will auch ausruhen, wie du.

Fortuna. Du bist ein recht capriciöser kleiner Kerl.

Capricerl. (weint und schluchzt.) Auch nicht einen Tag kann ich Ruhe haben! Das wird mir zu arg.

Fortuna. Wenn du mir nicht folgst, so werde ich einen andern kleinen Genius zu meinem Specialdienste wählen und du kannst dann den gewöhnlichen Lataiendienst versehen.

Capricerl. (etwar beschwichtigt, aber immer noch schluchzend.) Nun ja, ich will's schon thun.

Fortuna. Wenn es zur Beobachtung nöthig wäre, könntest du dich auch verwandeln. Hole dir nur zu diesem Zwecke den Talisman, der rechts in der Schublade meiner Toilette liegt. Also adieu! Mache deine Sache gut und bringe mir Nachricht.

Capricerl. Adieu! Ich denke bald wieder zu kommen.

(Beide zu zwei Seiten ab.)

Verwandlung.

Reichmeublirter Salon. An der Rückwand eine große Wanduhr, Spiegel. Johann und Peter, Bediente.

Johann. Aber gestern war's wieder nicht zum aushalten mit'm gnädigen Herrn. Nichts hab' ich ihm recht machen können.

Peter. Nun, und am Abend erst, wo ich den Dienst gehabt hab'! Da hättst'n sehen sollen.

Johann. Ja, wenn wir nicht so gut bezahlt wären und nebenbei unsern Schnitt machen könnten, da wär' ich schon längst fort.

Peter. So beiläufig 600 Gulden hab' ich mir schon erspart.

Johann. Ich ungefähr auch. (Es klingelt stark.)

Peter. Jetzt ist er aufgewacht.

Man hört Casperls Stimme:

»Mein Frühstück, Caffee!«

Johann. Ja, Caffee! – Gestern Chocolat – heut Caffee – morgen Bratwürstl! Einen guten Magen muß er haben. Komm, sonst wird er grob. (Beide ab)

Capricerl. (fliegt durch's Fenster herein.) So, da bin ich. Jetzt wollen wir sehen, wie sich Monsieur Casperl aufführt. Wo kann ich mich wohl am Besten verbergen? (Schwebt im Zimmer herum.) Ah! da in der Wanduhr ist der beste Platz. Schnell hinein! (Versteckt sich in der Wanduhr.)

Casperl (kommt aus dem Nebenzimmer und singt.)

Das Glück ist bei mir eingeflogen,
Ich bin ein ganz gemachter Mann;
Denn meine Nummern hab'n's gezogen,
Reich bin ich, wie man's nur sein kann.

Geregnet hat es mir Dukaten –
Ein Terno ist halt etwas werth;
Jetzt speise ich Fasanenbraten
Und trink', was nur das Herz begehrt.

Grad vor man's Lotto aufgehoben,
Hab' ich die rechten Nummern g'setzt
Und gleich mein Quantum eingeschoben,
Das war der letzte Cassarest.

Casperl. Ja das war ein Glück! – ein Glück, wie es nur mir zu Theil werden konnte und mußte; denn ich bin der Mann für so Was. (Hochtragisch.) Nach jener fürchterlichen Nacht war es, als ich in jener eremitanischen Felsenhöhle von jenem röthselhaftigen Einsiedler in jener Stunde bei Donner und Blitz eben jenen Kalbsbraten zu verschlingen, jenen ausgezeichneten Deidesheimer zu schlürfen im Begriffe war, – in jener Nacht – oder nach jener Nacht war es, daß ich plötzlich von unsichtbaren Hausknechtshänden, wenn es nicht zarte Genien meiner unbekannten Schutzgöttin waren, getragen in Flug gesetzt taumelnd in der Stadt niedergelassen wurde, wo ich nicht weit von einem Lotterieladl erwachte. Eine unbekannte, grobe, aber süsse Stimme flüsterte mir in die Ohren:

»Setze, setze unverdrossen,
»In vier Wochen wird geschlossen!
» Zwei, sechs, fünfzig bau'n die Brücke
»Dir zu deinem Lebensglücke.«

Zwei und sechs und fünfzig hallte es nach in meinen Ohren – als ich von der eremitanischen Betäubung erwachte. Ich griff in meine Taschen und fand eine mir bisher ganz unbekannte Fünfguldenbanknote in dem hintersten rechten Winkel meiner vordersten linken Hosentaschen in der liederlichen Gesellschaft einiger kränkender unbezahlter Rechnungen. Mit großartigem Selbstbewußtsein trat ich zum Lotteriecollecteur, warf mit Herablassung die Banknoten hin und bekam meine Lotterienummerzettel. Düsterhoffnungsbrütend erwartete ich in bangem schwellendem Gefühle mit leerem Magen die Ziehung. Ein Trompetenstoß und der Ruf: Nummero

2. 6. 50.

erschallte von der Altane des noch nicht erbauten neuen Rathhauses. Die Ueberraschung und der freudige Schrecken schlugen mich zu Boden. Vier Männer trugen mich als Leiche nach Hause. Nach wenigen, aber furchtbaren Stunden erwachte ich im Kreise der Meinigen, umgeben von meiner Familie, die ich nicht busitze. Kurz! – denn mein Monolog wird schon etwas langweilig – ich bin der reichste Mann der Stadt und lebe nun ein Wonneleben. Wenn ich mich nur nicht über Alles gleich so ärgern müßt'. Aber Nichts macht man mir so, wie ich's haben will. Wo ist jetzt z. B. wieder mein zweites Gabelfruhstück; das sollt schon längst dastehen. Das Löffelfruhstück hab ich schon zu mir genommen. Peter! Johann! Wo seid ihr Faullenzer? Johann! Peter!

Johann und Peter (laufen von beiden Seiten herein.) Was schaffen Euer Gnaden?

Casperl. Was ich schaff'? Ihr Esel? Wo ist mein Gabelfrühstück? Wo sind die Bratwürst? Wo ist die Pasteten? Wo ist der Wein? (Gibt jedem ein paar Ohrfeigen, daß beide umfallen.) So – damit Ihr's euch nur merkt, daß ihr einen Herrn habt! Allo! Allo! – Marsch!

Die Bedienten laufen hinaus.

Casperl (im größten Zorne.) Es ist nicht zum Aushalten, wie schlecht ich bedient bin! Es ist infam!

Die Bedienten schieben von der Seite einen mit Speisen und Bouteillen besetzten Tisch herein.

Casperl. (besieht Alles und schnufelt daran.) Wo ist denn die Gansleberpasteten? Wo ist der Champagner, den ich bestellt hab'? Nix ist da! Man laßt mich verhungern um mein eigenes Geld! Man betrügt mich von allen Seiten! (Im furchbarsten Zorne.) Man will mich umbringen! Schändlich! (Schlägt wie närrisch auf die Bedienten, zerbricht Teller und Flaschen, wirft den Tisch um und fällt aus Zorn selbst um.

Nach einer kleinen Pause steht er wieder auf. Mit schwacher Stimme.)

Wenn ich nur keinen solchen Zorn hätt! Das greift mich immer so an. (Die Wanduhr schlägt rasch viele Glockenschläge nacheinander.) Ja was ist denn das wieder? Will sogar die Uhr widerspenstig werden? (geht gegen die Uhr hin.) Willst du's Maul halten?

Capricerl's Stimme aus der Uhr, drohend und warnend. Casperl! Casperl! Casperl!

Casperl. Oho! Oho! – wer red't denn da? Die Stimm' hab' ich ja schon amal gehört. – Wenn du die Stimme des Schicksals bist, so schweige, denn ich will Ruh haben und laß' mir in mein Hauswesen keine Eingriffe thun. Verstanden?

Capricerl lacht ungeheuer

Casperl Was? lachen auch noch? Mich auslachen? Schlipperment! Wer erlaubt sich so was? (Geräth wieder in Zorn. Die Uhr schlägt in einem fort.) Johann! Peter! – G'schwind! Tragt's mir die dumme Uhr hinaus; die ärgert mich. (Johann und Peter versuchen die Uhr wegzuheben.)

Johann. Gnädiger Herr, die Uhr ist zu schwer, wir können's nit derheben.

Casperl. Dummheit! Nur probiren.

Peter. Es ist unmöglich, Euer Gnaden. Sie ist wie eingemauert.

Casperl. Da werd' ich wieder helfen müssen. (Indem er mithilft die Uhr wegzuheben, fällt er und geräth wieder in Zorn.) Muß denn Alles gegen mich verschworen sein? So einem dummen Meubel werd' ich doch noch Herr werden?

(Schlägt mit den Fäusten die Uhr zusammen. Unter kreischendem Gelächter fliegt Capricerl, in einen großen bunten Vogel verwandelt, aus der Uhr, ein paar Mal im Zimmer herum und dann zum Fenster hinaus.)

Zauberei! Teufelei! Bin ich denn ein Narr oder hat man mich zum Narren? Hab' ich meinen Kopf noch? – Da muß ich gleich in den Spiegel schauen.

(Indem er an den großen Wandspiegel tritt, schaut ein Eselskopf heraus und schreit: »Na, Na, Na.«)

Wie? was? – Ein Esel? – Soll das mein Spiegelportrait sein? Ein Esel in goldenem Rahmen. Soll das vielleicht gar eine Anspielung auf mich sein? – (In wüthendem Zustande.) Da her! ihr zwei bortirte Esel! Sagt mir, sagt mir, ob die Welt aus den Fugen getreten ist. Sagt mir sagt mir –

(er fährt wüthend auf den Spiegel und zertrümmert ihn, dann fällt er ohnmächtig zu Boden.)

Johann. Da liegt er!

Peter. Ist er todt? Hat'n vielleicht der Schlag getroffen vor lauter Zorn?

Johann. Legen wir ihn halt in's Bett und holen wir den Doktor. Komm!

Peter. Tragen wir ihn hinein.

(Sie heben Casperl auf und tragen ihn seitwärts hinaus.)

Verwandlung.

Fortunas Wolkensaal, wie Anfangs des Aufzuges.

Geisterchor (hinter der Szene.)

Heil euch Unsterblichen,
Euch unverderblichen
Ewigen Mächten!

Heil Euch, ihr Wonnigen,
Immerdar Sonnigen,
Stets Ungeschwächten!

Ihr seid dem wandelnden
Leben die handelnden
Weisen Gewalten!

Ihr, die Beschließenden,
Nimmer Zerfließenden
Ihr nur sollt walten.

(Fortuna tritt ein.)

Fortuna. Mein kleiner Bote bleibt ziemlich lang aus. Ist es ein gutes oder schlimmes Zeichen? Sollte ich meine Gaben wieder vergeudet haben? Sollte ich Bios unterliegen müssen?

Capricerl (schwebt herein.) Hier bin ich, holde Göttin.

Fortuna. Was bringst du für Nachrichten? Was macht mein Günstling?

Capricerl. Was soll ich dir sagen, Beglückende? Ich möchte lieber schweigen. Nach meinen Beobachtungen, die ich aus dem Verstecke eines Uhrkastens zu machen Gelegenheit genommen, darfst du mit deinem Günstling nicht ganz zufrieden sein. Ich verließ ihn, als er eben im größten Zorne um sich schlug und es mir selbst unmöglich machte, länger in meinem Versteck zu bleiben.

Fortuna. Weh mir, wenn Bios dieß erfährt.

Bios (erscheint aus der Versenkung.) Bios weiß Alles. Dein Günstling ist deiner Gaben unwürdig. Allein überzeuge dich, daß er selbst vielleicht sein Glück verwünschen wird.

Donner. Im Hintergrunde theilen sich die Wolken. Casperl erscheint in einer Himmelbettstatt liegend.

Bios. Und nun, holde Göttin, lüfte deine Binde. Jetzt darfst du sehen. Im Geben sollst du blind sein, allein den Erfolg deiner Gunst mit offenen Augen schauen. Laß' uns aber bei Seite treten.

(Bios, Fortuna und Capricerl treten hinter die Seitencoulissen.)

Casperl. (im Bette aufwachend, gähnt unbehaglich.) Auweh! wie ist mir miserabel! Jetzt weiß ich nicht, hat mich der Schlag wirklich getroffen, oder bin ich nur leise berührt worden. – (Er steht auf; hochdeutsch.) Sollte dieses die unverdiente Strafe meines Zornes sein? – Ha! und warum war ich zornig? Warum war ich wüthend und habe Alles zusammengeschlagen – wenn mich mein Gedächtniß nicht toischt? (gerührt.) Ich war so glücklich! Alles, Alles, was ich mir nur gewünscht habe, hat mir mein Reichthum verschafft. Wie? ob? warum? woher? wohin? wieso? – lauter Fragen an das Schicksal. (geht nachdenkend auf und ab.) Mir scheint, daß mir das Geld den Kopf verruckt hat. O Casperl! Du hast vielleicht selbst beobachten können, daß du durch deinen Reichthum ein Narr geworden bist. Oh! Oh! Oh! – War ich denn als ein armer Teufel nicht immer ein guter allgemein beliebter Kerl? Und jetzt? was war ich anders, als ein wüthender Kerl, ein Zornnickel, allen Leuten zuwider? Fluch dem Glück, wenn es die Menschen zu Narren macht!

Donnerschlag. Casperl fallt um.

Fortuna und Bios treten ein.

Fortuna (sich vor Bios neigend.) Ich bin besiegt, ich gestehe meine Blindheit.

Bios (zu Casperl.) Erhebe dich! Sei ein Mann!

Casperl. Ich war seit meiner Geburt männlichen Geschlechtes und habe durchaus keine Lust, ein Weibsgebild zu werden. – Aber wo bin ich denn eigentlich?

Fortuna. Du bist in dem Palaste der Göttin des Glücks.

Casperl. Auweh! – da könnt mich wieder der Schlag treffen. Ich bitt' um Gotteswillen – nur kein besonderes Glück! Nur kein großes Lotterieloos! – Ich will der alte, gute Casperl bleiben.

Fortuna. Sei es und bleib' es! (auf Bios zeigend.) An der Hand dieses göttlichen Jünglings wandle durch das Leben.

Casperl. O Jüngling! umarmen Sie mich! Ich bin ungeheuer gerührt und habe auch einen ungeheuren Durst. Göttlicher Jüngling! wenn ich an Ihrer Hand durch das Löben wandeln soll, o so beschwöre ich Sie: vermeiden Sie alle Löbenspfade, an welchen keine Wirthshäuser sind.

Bios. Die Götter werden dich beschützen und ich werde dir unsichtbar stets zur Seite sein. (Versinkt.)

Casperl (eine Verbeugung machend.) Gehorsamer Diener.

Fortuna. Auch ich verlasse dich jetzt, aber ich werde dich immer in treuem Andenken bewahren, denn du bist es ja, der mir wieder gezeigt hat, wer ich bin: Die blinde Göttin! (Verschwindet.)

Casperl. Leben Sie wohl! – Jetzt sind's alle zwei fort und ich weiß nicht einmal, wer der schöne Jüngling ist, mit dem ich durch's Löben wandeln soll. Das ist mir aber ganz toute même chose . Ich wandle jetzt mit oder ohne schönen Jüngling in's Wirthshaus, in den »blauen Bock« hinüber, da haben's, glaub' ich, heut a gut's Bier.

Hochansehnliches Publikum!
Ich wünsch' Ihnen einen recht guten Abend und wünsche Ihnen alles mögliche Glück; aber jedenfalls nur so viel, als Sie vertragen können.

(Der Vorhang fällt.)

Ende des Stückes.


 << zurück weiter >>