Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein – Viertes Bändchen
Franz Pocci

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Die sieben Raben.

Märchendrama in drei Aufzügen mit einem Vorspiel.
Vorsathblatt

Personen.

Herzogin Kunigunde, Wittwe.

Albert, ihr Sohn.

Graf Wolfram, ihr Schwager.

Elsbeth

Die Fee Hulda

Casperl Larifari

Etzel, Wolframs Diener.

Ralf, Knappe.

Ein Scharfrichter .

Knappen und Reisige. Volk.

Personen des Vorspiels:

Ritter Eckart.

Siglind, dessen Gemahlin.

Die Fee Hulda.

Vorspiel.

Gemach auf Ritter Eckart's Burg. Morgendämmerung. Siglind liegt auf einem Ruhebette. Eine Lampe brennt neben ihr. Man hört die Thurmwächter den Morgengruß blasen.

Siglind (fährt vom Schlafe auf.)

Es graut der Tag, der Wächter grüßt den Morgen.
Weh mir, daß ich erwach' zu Leid und Sorgen!
War auch gebannt der Schmerz durch Schlummers Nacht,
Des Tages Grau'n hat wieder ihn geweckt.

Allmählig wird die Bühne vom Morgenroth erhellt. Die Lampe erlischt.

Was glüh'st du mir in mein Gemach herein
Verhaßtes Licht? Dein Schimmer ist mir Pein;
Du kündest des Bewußtseins klare Helle,
Daß immer ströme meines Unheils Quelle.

(Wirft sich wieder auf's Lager.)

Ritter Eckart tritt ein,

Eckart.

Noch schläft sie. Ihr zur Ruhe, mir zum Trost
Denn wahrlich kaum ertrag' ich ihren Wahn.

Sieglind (auffahrend.)

Nein! sie schläft nicht! Vermöchte sie's für immer!
Dann wäre aller Gram mit ihr begraben.

Eckart.

Der Gram? O sage lieber doch Verblendung.

Siglind.

Dir freilich scheint Verblendung Weibes Leid.
Wie sollte auch in Männerbrust ein Herz
Sich regen zarter Art und feinen Sinnes?
Dem Mann genügt's, sieht er sein eigen Leben
Erneut in Söhnen, die ihn rings umgeben.
Was kümmert's ihn, daß seinem treuen Weibe
Die Tochter fehlt, in der sie sich erkennt?

Eckart.

Wie? also sollt' ich mich der sieben Söhne,
Die Gott durch dich mir hat geschickt, nicht freu'n?
Ich sollte schmählich jammern, daß nicht auch
Ein Mägdlein mir geboren ward? Ei was!
Gott wollt' es so, drum laß' dein ewig Klagen,
Das mir die Lust vergällt am eig'nen Leben.

Siglind.

Ich lasse gern die Lust dir an den Söhnen;
Wie lange währet die? sie stürmen fort!
Leer wird das Haus. Jetzt sind sie wohl noch Kinder;
Der Jahre rascher Flug macht sie zu Männern.
Dir mag's gefallen; aber ich, dein Weib,
Soll leben alle Zeit in Einsamkeit?
Mir gönnest du kein Kind, das mir verbleibe –
Kein Wesen, daß sich innig an mich ranket –
Die Tochter nicht, der Mutter Herzensfreude?

Eckart.

Was sollt' ich's nicht? Doch habe nur Geduld;
Wer weiß, ob nicht dein Wunsch sich noch erfülle?

Siglind.

Nein! nimmermehr! Schon längst wär's Zeit gewesen,
Daß ich von einem Töchterlein genesen;
Ein bös Geschick verfolgt mich –

Eckart.

Laß die Thorheit!

Der Himmel könnte, deines Jammers müde,
Wohl dich und mich in uns'ren Söhnen strafen,
Die er uns gnädig gab. Drum danke lieber,
Statt durch der Klage Ungestüm zu freveln.

Sieglind (immer heftiger.)

Und Spott noch, Hohn des armen Weibes Kummer
Dieß ist so Mannes Art! O könnt' ich Alle
Verwünschen, die doch nur an Frauenschwäche
Sich weiden.

Eckart.

Schweige thöricht Weib!
Genug Hab ich an deinem Wahn.

Siglind.

Und ich genug

An deines Herzens Härte und der Selbstsucht,
Die deiner Söhne Mutter von sich stoßt.
Fürwahr – Gott hör' es! – Diese sieben Buben
Gäb' ich um Eine Tochter hin. In Raben
Verwandelt dürften sie des Schlosses Zinnen
Umschwirren, läg' ein Mägdlein in der Wiege,
Das mir mit holden Aeuglein lieblich winkte.
Ich sag's: in Raben seien sie verwünscht, Wenn – –

Donnerschlag. Die Fee Hulda erscheint.

Hulda.

Sie sind es! Mutterfluch ist Zaubermacht.
Sie sind's! Blick' auf: Dein Wort ist dir erfüllt.
Aus ihren Bettlein schweben sie, nun höre
Den Flügelschlag der sieben schwarzen Vögel:
Die eig'nen Kinder sind's die du verwünscht!

Sieben Raben fliegen in's Gemach, kreisen einige Male umher und verschwinden. Siglind und Eckart sinken zu Boden.

Hulda.

Doch wie dein Fluch erfüllt, sei auch gewährt
Dein Wunsch und binnen eines Jahres Frist
Wird dir ein Töchterlein am Busen liegen.
O pfleg' es gut und wahr' es wohl! Die Brüder
Vielleicht vermag's einmal durch Schwesterliebe
Vom bösen Zauber wieder zu befrei'n.
Du aber trage zur erfüllten Lust
Den Schmerz auch in zerfleischter Mutterbrust,
Daß du die eig'nen Söhne Preis gegeben
Um eines Töchterleins ersehntes Leben. (Verschwinden.)

Eckart.

Weh dir, o Weib!

Siglind.

Weh mir! Mein kühnes Wort
Hat sich erfüllt. O meine theuren Söhne!
Dort seid ihr! fort! Nun bin ich ja fürwahr
Nie Rabenmutter, die sich selbst verflucht!

(Der Vorhang fällt.)

Ende des Vorspieles.

I. Aufzug.

Waldestiefe. Im Hintergrund eine schlechte Holzhütte.

Casperl liegt auf einem Sitze im Vordergrund, reckt und dehnt sich gähnend aus dem Schlafe.

Casperl. Das heißt einmal g'schlafen! aus lauter Müdigkeit vom Faulenzen. Aber nein. Ist das nicht eine bedeutende Arbeit? In der Fruh spät aufstehen, bis man sich bald wieder legt zum Mittagsschlummer, aus dem man sich wieder erhebt, um sich Abends abermals niederzulegen, damit man Nachts besser schlaft? Ist das kein Geschäft, ein schönes junges Fräulein zu bewachen, damit ihm nichts Uebles geschieht in dieser langweiligen Wildniß, in der man sich zwischen Nachteulen und Bären bufindet und in der wir nun einsiedlerisch oder vielmehr zweisiedlerisch schon einige Zeit hausen? (Geht an die Hütte und schaut durch's Fensterchen hinein.) Da sitzt sie wieder und spinnt und näht drauf los, wie eine Nahderin auf der Stör. Ich muß sie nur ein bißl aufhören machen. Sie wird mir ja noch ganz krum und bukelt vor lauter Näh'n. (Klopft an's Fenster.) Lieb's Fräulein! setzen S' doch a bißl aus. Pressirt's denn gar so? Kommen S' a wenig heraus an die frische Luft. Es wird ohnedieß schon Abend und 's ist Zeit, daß Sie Feierabend machen. Es ist außerordentlich kühl und angenehm.

Elsbeth (von Innen.) Ich komme schon. Nur noch ein paar Stiche am siebenten Hemdlein. Gleich, gleich komm ich!

Casperl. Am siebenten Hemd! Jetzt hat sie schon sechs Hemdeln gesponnen und genäht. Kein Mensch weiß warum und für wen . Für mich können's nicht gehören; ich bin etwas zu corpulent für das Maas. Für den schönen Jäger, der bisweilen vorbeikommt und immer zuspricht, werden's wohl auch nicht gehören – oder vielleicht hat er's doch bei ihr bestellt? Ueberhaupt, die ganze Geschicht ist sehr curios: die Raben, die alleweil aus- und einfliegen und die das Fräulein herzt und streichelt. Kurz, ich kenn mich gar nicht aus. Ah, jetzt kommt sie heraus.

Elsbeth in einfach grauem Gewande tritt aus dem Hüttchen. Zugleich schweben sieben Raben uns dem Fenster.

Elsbeth. Welch' schöner Abend! Wie herrlich dort die Abendsonne die Bäume vergoldet.

Kasperl. Vergoldet? Das muß eine galvanische Vergoldung sein. Das Gold wird über Nacht immer wieder weggewischt und ich hab' noch nicht Einen Ducaten g'funden von dem Abendgold.

Elsbeth. Wie du wieder schwatzest, Casperl!

Casperl. Da heißt's immer, ich schwatz dummes Zeug. Was hätt' ich denn in der Waldwildniß, wo man sich bei jedem Schritt die Nasen an en Baum anrennt, für einen Diskurs, wenn ich nicht mit mir selbst a bißl reden könnt? Sie reden ja manchen Tag kein Sterbenswörtl, höchstens nur was grad sein muß: (mit feiner Stimme ein Frauenorgan nachäffend) »Casperl, hol' mir Wasser an der Quelle!« – »Casperl, putz' mir die Schuhe!« – »Casperl sei still!« (Mit gewöhnlicher Stimme.) Anders hör' ich Nichts aus Ihrem holden Munde; bisweilen machen S' en rechten Herzensseufzer, und nachher steh' ich halt da und kann Fliegen fangen. Bin ich denn nicht Ihr getreuer Leibknappe, der mit Ihnen in die Einsamkeit geflohen ist?

Elsbeth. Ich weiß es wohl, guter Casperl. Sollt' ich je vergessen, daß du es warst, der mich aus der brennenden Burg gerettet hat, in deren Flammen meine unglücklichen Eltern, mein guter Vater Eckart und meine liebe Mutter Siglind ihren Tod gefunden haben.

Casperl. Ja, damals, als der Blitz eingeschlagen hat und Alles zu Grund gegangen ist, waren Sie ein kleines Wuzerl von 10 Jahren.

Elsbeth. Bist nicht du mir treu hiehergefolgt? Du bist es, der mich hier bewacht und kümmerlich mit mir lebt. Ich werde dir mein Leben lang dankbar sein.

Casperl. Was das kümmerliche Leben anbelangt, so kann ich mich wirklich nicht darüber beschweren, denn das Hungerleiden hab' ich gelernt. Mich wundert's nur, daß ich nicht die Abzehrung krieg'. Gebratene Nußhäher sind noch unsere delikatesten Bissen. Hätt' ich nicht aus dem brennenden Schlosse mit Lebensgefahr noch ein Kastl voll Goldstückeln gerettet, so wären wir schon lang alle zwei verhungert. Und da muß ich zwei Stunden weit ganz heimlich in die Stadt laufen und Brod und Eier holen. Nächstens sperren s' mich aber doch amal ein, weil die Polizei mich als ein verdächtiges Subjekt, als ein verloffenes Weisel oder einen Vagabunden ansieht. Ich muß immer meinen rothen Spenser umgekehrt tragen, damit ich in einer Art Verkleidung die Commissionen mach'; denn der Casperl Larifari ist ja überall bekannt, wie's schlechte Geld.

Elsbeth. Geduld, Geduld, Casperl! Der Tag ist vielleicht nicht mehr ferne, daß wir beide erlöst werden.

Casperl. Aha! Ich merk' was. (In erhabenem Tone.) Sollte dieser oder jöner ruthselhafte Jägersmann etwa als Befreier auftröten? Sollte unsere Oinsamkeit durch eine brillante Entführungsscene mit Dschindschin Pumdadara ihr Ende finden? Ha! – (In Positur.) Welche Idee! Sollte die Vurwirkelung zwoier Herzen sich in der stillen Oinsamkeit dieser Waldparzelle – –

Elsbeth. Ich bitte dich, schweige. Sprich' nicht so tolles Zeug.

Casperl. Was? tolles Zeug? Bin ich nicht Ihr Wächter? Ihr Buschützer? Wenn sich der unbekannte Forstgehilfe, und wenn er auch Revierförster ist, nicht bald erklärt, so werde ich mir diese Visiten, im bayerischen Alpenlande »Fensterln« genannt, ernstlich verbieten und mit einem Prügel Schildwacht stehen.

Elsbeth. Beruhige dich, Casperl. Du hast Nichts zu fürchten und bald wird dir Alles klar werden.

Casperl. (hat in die Coulisse geblickt.) Da haben wir ihn schon wieder! Wird der Wolf genennt, so kommt er gerennt. G'rad steigt er ab von seinem schönen Schimmel und bind't die Zügel an die große Buche. Er kommt schon.

Albert. (in ritterlicher Jägertracht, eilt herein.) Meine Elsbeth!

Elsbeth. Mein Albert! (Sie reichen sich die Hände.)

Casperl. Jetzt kommt das bekannte Duett, bei dem ein Dritter immer unnöthig ist. Also entferne ich mich und schlaf' zur Abwechslung ein halbes Stünd'l in meinem Kammerl. (Ab in die Hütte.)

Albert (zu Elsbeth.)

Gott grüße dich! heut ist's das letzte Mal,
Daß ich dir nahe hier im Waldesthal.

Elsbeth.

Das letzte Mal? Ach, wie mag mir gescheh'n?
Dich, Theuren, soll ich nimmer wieder sehen?!

Albert.

Nicht treulos bin ich. Nein! es kam die Stunde,
In der ich heim dich führ' zum heiligen Bunde.

Elsbeth.

O liebe Seele! Mich, die arme Maid
Soll zieren nun das bräutliche Geschmeid?
Du willst mich mit dem Blumenkranze schmücken?
O nein! mir nicht gebühret solch' Beglücken.
Wie du mir hast bekannt, in diesen Gauen
Herrscht deine Mutter. Sollte ich vertrauen,
Daß du, der Herzogssohn, sich sein Gemahl
Erwähl' aus dunklen Waldes stillem Thal?

Albert.

Frei bin ich, glaub' es. Du, nur du allein
Sollst die Gefährtin meines Lebens sein.
Doch, da ich dich gewählt und dich gefreit,
O sage: naht nicht heute doch die Zeit,
Daß du dein Schweigen brächst, mit holdem Mund
Mir endlich Stamm und Abkunft gäbest kund?

Elsbeth.

O frage nimmer! Noch ist nicht gekommen
Der Tag, an dem den Lippen wird genommen
Des Eides herbe Pflicht. Noch muß ich schweigen.

Albert.

Und dennoch muß mein Herz sich treu dir neigen.
Wer du auch sei'st, du bist der Engel mein
Und deine Heimath muß der Himmel sein! (Umarmt sie.)

Elsbeth.

Noch kurze Zeit – und ich darf dir mich nennen,
Weß' Stammes ich. Dann magst du mich erkennen.

Albert.

So schweige immerhin. – Doch fort! Besteige
Mein Rößlein nun, daß wir bei Tages Neige
In Sternenpracht und Mondensilberschein
Ins herzogliche Schloß noch ziehen ein.

Casperl (der, aus der Thüre tretend, die letzten Worte gehört hat.) Wie? was? Herzogliches Schloß! hab' ich recht gehört?

Albert. Du hast recht gehört. Folge deiner Herrin.

(Albert führt Elsbeth hinaus.)

Es ist mittlerweile Nacht geworden, Sterne und Mond stehen am Himmel.

Casperl (auf- und ablaufend.) Da möcht' Einer ja närrisch werden. Der Jäger ist also ein Herzog. Ah, natürlich, er ist ja alleweil hergezogen . Das ist aber so viel, wie ein Prinz, eine sogenannte Durchlaucht. Und mein liebes Fräulein wird Prinzessin. Und ich bei dieser Gelegenheit nicht viel mehr und nicht viel weniger als Hoflakai! Da heißt's aufpacken! G'schwind hinein! (Ab in die Hütte.)

Albert tritt ein, am Zügel den Schimmel führend, auf welchen Elsbeth sitzt.

Elsbeth.

Leb wohl nun, liebe Einsamkeit,
Wo ich gelebt in stillem Leid!
Lebt wohl, all ihr Waldvögelein,
Ich laß' euch hier im Grün allein.
Ich ziehe fort. Mög' allerwegen
Mich schützen Gottes heil'ger Segen!

(Albert und Elsbeth ziehen hinaus.)

Casperl mit einem Schiebkarren, auf welchen verschiedene Gegenstände geladen sind: Caffemaschine, Kessel etc.

Leb wohl, du stille Einsamkeit;
Ich ziehe fort, weiß nicht wie weit!
Leb wohl, o du Langweiligkeit,
Ich hoff' 's kommt eine bess're Zeit!

(Ab)

Nun wird der Wald magisch erleuchtet; Waldblüthen und Blumen in Transparentlicht.

(Die Fee Hulda erscheint.)

Hulda

So fahre hin, du holde Maid!
Es harret dein so manches Leid.
Nur kurze Zeit bleib noch verschwiegen
Und dann wird deine Treue siegen.
Die sieben Jahr' sind bald zu Ende,
Gesponnen haben deine Hände
Die Hemdlein all' mit Liebesfleiß
Wie es des Zaubers war Geheiß.
Bald sollen deine Brüderlein
Nicht mehr die schwarzen Raben sein!
Sie werden in die Hemdlein weiß
Sich kleiden dir zum Siegespreis.
Sie werden ihr lieb' Schwesterlein
Aus Noth und Jammer dann befrei'n.
Drum ziehe hin, du holde Maid
Bald ist vergangen alles Leid!

(Der Vorhang fällt langsam.)

ll. Aufzug.

Festlich geschmückter Saal in der herzoglichen Burg. Herzogin Kunigunde, Albert (im kurzen Herzogsmantel), Elsbeth (im Brautgewande) treten ein, während hinter der Scene Trompetenfanfaren erschallen und das Geläute der Kirchenglocke allmählig verhallt.

Herzogin Kunigunde.

Nun, Elsbeth, bist du meinem Sohne angetraut
und Tochter bist du mir; komm' an mein Herz!

Elsbeth (vor Kunigunde niederknieend.)

Es ist der Gruß der Liebe und der Demuth.
Sieh' mich zu deinen Füßen, Herzogin!

Kunigunde. Steh' auf, mein Kind!

Elsbeth Wie könnt' ich dir es danken, edle Frau, daß du mich so huldreich aufgenommen hast? Mich die Unbekannte, die dein Sohn wie ein einsam stillblühend Blümlein im Walde gefunden. Mich die Arme, Verlassene!

Kunigunde. Ich weiß es, daß mein Albert nicht im Stande wäre, ungefüge Wahl zu treffen, eine Gemahlin heimzuführen. Sein Herz, sein edler Sinn bürgen dafür. Aus deinem Wesen aber, Elisabeth, spricht nur Edles und Gutes. Und darum auch kamst du mir willkommen.

Elsbeth. Wahrlich, du sollst in deinem Vertrauen nicht getäuscht werden. Nicht gereuen soll es dich, daß du also gehandelt.

Albert. O dessen bin ich gewiß. Wie ein Sternblümlein habe ich dich in grüner Heimath gefunden und als mein Lebensstern bist du, mein Weib, hier eingezogen.

Elsbeth. Noch schließt ein wunderbar Verhängniß meine Lippen. Verzeiht mir! Aber mein Mund wird sich aufthun, wenn ein Gelöbniß erfüllt ist. Verkünden werd' ich meines Stammes Reinheit. Gott gebe, daß es bald geschehen darf.

Kunigunde. Wohl hatte ich vor eurer Trauung viel der herben Worte zu hören von meinem Schwager, dem Grafen Wolfram. Allein mein Mutterherz war gewappnet gegen alle Einsprüche. Sollte ich denn grausam dem Glücke meines Sohnes entgegentreten? Nimmermehr! (zu Albert) Ist es nicht deine eigene Sache, Albert, zu deinem Glücke dir ein Eh'gemahl zu wählen. Ebenso aber wäre es auch deine eigene Sache, hättest du nicht so gewählt, wie es sich geziemt. Du trügest zunächst die Folgen, mir bliebe alle Verantwortung, fern.

Elsbeth. Mein Herz ist reinen Bewußtseins; mein fester Wille, Albert glücklich zu machen.

Albert. Theure Elsbeth! wie könnt' ich jemals daran zweifeln? Eine Seele und ein Herz sind wir.

Kunigunde. Dort kommt mein Schwager durch den Säulengang herauf. Entfernt Euch Beide. In Zornesmuth wollte er Eurer Trauung nicht anwohnen. Geh't; zuvor soll er mich allein treffen.

(Elsbeth und Albert ab.)

Graf Wolfram tritt heftigen Schrittes ein.

Wolfram. (höhnisch.) Nun denn! so ist das Glück begründet. Bund ist geschloßen.

Kunigunde. Allerdings. Elsbeth ist meines Sohnes Gemahl.

Wolfram. (spottend) Glück auf! Jetzt tragt eine fahrende Dirne, eine unbekannte Magd den herzoglichen Purpur.

Kunigunde. Die Frage bleibt immer, ob der Purpur den Menschen schmückt, oder ob nicht der Mensch den Purpur ziert.

Wolfram. Auf solchen Schultern könnte der weiße reine Hermelin, den Eure Ahnen trugen, doch vergilben. Wer kennt denn die holde Unbekannte? Kam sie etwa aus einem Zauberlande? Ward sie von Silberschwänen hergetragen? – Vielleicht eine Waldfei? Nein, nein! Sie ist wohl eines Köhlers Kind. Das junge Herrlein fand sie ja im tiefen Walde? Gut, daß sie sich noch vor der Hochzeit den Ruß des Kohlenmeilers abgewaschen. Nun hat sie wohl eine schöne weiße Haut? ha, ha, ha! (lacht höhnisch.) Es ist ein wahrer Jammer, diese Herzogshochzeit!

Kunigunde. Kein Spott! kein Hohn, Graf Wolfram! Elsbeth ist nun meines Sohnes Weib, sie ist meine Tochter. Vor des jungen Herzogs Gemahl habt Ihr Eure Knie zu beugen.

Wolfram. Das werd' ich nicht thun; denn sie wird mich nie erblicken. Doch – um ihretwillen, um der fremden Dirne willen – – (die Herzogin macht eine strafende Bewegung.) verzeiht, sie war es, jetzt ist sie freilich Herzogin – um ihretwillen habt Ihr euer Wort gebrochen ; das Versprechen habt Ihr mir gegeben, daß Euer Sohn, Herzog Albert, meine Tochter heimführen sollte. So war's beschlossen unter uns Beiden, so war's abgemacht! Habt Ihr das vergessen, Frau Herzogin?

Kunigunde. Nein, Graf Wolfram. Nicht vergessen hab, ich's. Allein das Gelöbniß;, daß mein Sohn Eure Tochter als Gemahl heimführe, galt nur die Zeit seiner Minderjährigkeit und da Ihr noch sein Vormund gewesen. Da konnt' ich Einsprache thun gegen jedes andere Verlöbniß; jetzt aber, da Albert seit zwei Monden mündig, ist er sein eigener Herr in allen Dingen. Er ist der regierende Herzog und ich habe keine Macht, kein Recht gegen seine Wahl Einspruch zu thun.

Wolfram. Wahrlich, an Euch ist eine Anwalt verloren. Ihr sprechet trefflich für eine schlechte Sache. Immer wär' es noch an Euch, der Mutter gewesen, den Sohn durch mütterlichen Rath zu recht zu weisen; Euch hätt's geziemt, Alles aufzubieten, daß Albert das Versprechen erfülle, welches Ihr für ihn gegeben hattet.

Kunigunde. Des Mannes Herz ist frei; frei die Wahl der Gemahlin.

Wolfram. Frei, sagt Ihr? Dießmal nicht, mein' ich; denn er ward behext : das nennt Ihr eine freie Wahl, wenn Liebeszauber des Mannes Sinne fesselt?

Kunigunde. Verläumdung! schmachvolle Lüge! Aus Euch, Graf Wolfram, sprechen nur Unmuth und Haß.

Wolfram. Nun denn! mög' das Ehebündniß Euch zu Nutz und Frommen sein. Ich lache dazu, wie's noch kommen mag.

Kunigunde. (in edlem Zorne.) Lebt wohl, Graf Wolfram! Ich habe Nichts mehr mit Euch zu reden. Wir streiten um Nichts; drum laßt uns enden. (Geht rasch ab.)

Wolfram. (allein.) Um Nichts? Das wird sich zeigen. Geh' nur, bethörtes Weib! Die Strafe bleibt nicht aus und dazu soll meine Rache das Feuer schüren. (ruft hinaus.) Heda, Etzel, herein!

Etzel tritt ein.

Wolfram. Sind die Rosse gesattelt? Ich will aufbrechen; Gleich, gleich will ich heimreiten.

Etzel. Die Gäule steh'n bereit. Aber ich möcht Euch rathen, noch zu verweilen. Hab' Allerhand schon erlauscht und gehört.

Wolfram. Was gibt's? Ich will aber fort. Mein ist des Bleibens hier nicht länger.

Etzel. Wartet, wartet nur eine kleine Frist noch. Hört: Kaum ist die schöne junge Herzogin im Schloße, munkelt's schon mancher Seiten, es sei nicht richtig mit ihr.

Wolfram (überrascht.) Still, daß dich Niemand höre! sprich leise.

Etzel (geheimnisvoll.) Laßt Euch nur sagen, gnädiger Herr Graf: Primo oder zum Ersten: Der Burgwart, dem ich einen Trunk bezahlt, erzählte mir ganz insgeheim: Als die Braut auf dem Schimmel des jungen Herzogs, der ihn säuberlich am Zügel führte, über die Zugbrücke stattlich einritt, sei eine Schaar kohlschwarzer Raben hinter ihr drein geschwebt und alsbald in ihr Kemenat durch's offene Fenster eingeflogen.

Wolfram. Wie? was? eine Schaar Raben, sagst du? hinter Elsbeth geflogen? Mit ihr eingezogen?

Etzel. So war's, Der Burgwart hat's mit eigenen Augen geseh'n.

Wolfram. Galgenvögel? Unglücksvögel? Hexengethier?

Etzel. Ein paar Söldner, die am Thore Wache standen haben's auch geseh'n. Sie schwören darauf, wenn Ihr wollt.

Wolfram. Wichtige Botschaft. Aber, weiter, weiter – –

Etzel. Secundus oder zum Zweiten: Ist ein verdächtiger Bursch, angeblich der Knapp und Diener der jungen Herzogin, mit eingefahren. Ein Schalk, wie ich noch keinen sah; ein feiger Hund, ein schlauer Hallunk absonderlicher Art, so ein Teufelskerl. Wie gesagt, 's ist nicht richtig mit der jungen Herzogin. Mit Verlaub gesprochen: es sieht verdammt hexenhaft her. Wär's denn unmöglich, daß sie den guten jungen Herrn bezaubert hat?

Wolfram. Er ritt oft in den Wald – ohne Zweifel zu ihr; denn er wollte nie einen Waidknecht mitnehmen oder wenn er Jäger bei sich hatte, entfernte er sich vom Troß und kehrte oft spät in der Nacht allein zurück, wie sinnverwirrt. Das weiß ich von seinen Knappen.

Etzel. Wie wär's, wenn Ihr – ich sag' das Alles um Euer verlassen lieb Fräulein willen – wie wär's, wenn Ihr dem tollen Burschen etwas auf den Zahn fühlen wolltet? Ich bring ihn Euch herein. Er trinkt gleich da draußen auf der Türnitz mit den Knechten.

Wolfram. Du bist ein kluger Diener. Thu' das, ruf' ihn herein.

Etzel. Soll gleich gescheh'n. (Ab.)

Wolfram. (allein). So scheint der Rache Weg gebahnt. Meine verlassene Tochter! du sollst gerächt werden. Elsbeth muß fallen.

(Casperl tritt unter Verbeugungen mit Etzel ein.)

Wolfram. Da bist du ja. Ich muß doch mit den Leibknappen der jungen Frau Herzogin, meines theuren Neffen geliebter Gemahlin, Bekanntschaft machen. Du gehörst jetzt in's Haus.

Casperl. (als ob er taub wäre.) Ja, unterthänigst zu melden, ich bin wirklich wie eine Maus daherein gekommen.

Wolfram. Wie lange bist du schon bei deiner Gebieterin Knappe?

Casperl. Mit Vergunst gehorsamst aufzuwarten, es war kein Rappe, ein Schimmel war's, auf dem wir eingeritten sind und zwar der Schimmel des jungen Herzogs.

Wolfram. Verstehe recht: Ich fragte um deine Dienstzeit: wie lange du – –?

Casperl (ihn unterbrechend.) O ich bitte, eigentlich ist mir gar nicht bang um mich; ich hab hier mein gut's Essen, und trinken kann ich, so viel ich mag. Das ist bei mir immer die Hauptsach'.

Wolfram (zu Etzel bei Seite.) Ist er taub, der Bursch? oder thut er nur so? Er scheint mir ein arger Schalk.

Casperl. Ja, einen Talken hat mich mein Fräulein – jetzt uns're Frau Herzogin – schon oft genannt.

Etzel. Mit etwas Geld wird's mit dem Hören besser gehen.

Wolfram. (zu Casperl.) Armer Bursch! Du bist ja taub.

Casperl. Ja, wenn das Laub abfallt, da wird's bald Winter werden.

Wolfram. Nun, es soll mich freuen, wenn der Winter Gutes bringt. Vor der Hand macht der Sommer die Kehlen trocken. (Wirft ihm eine Börse zu.) Da hast du Etwas zu einem guten Trunk auf das Wohl des jungen Ehepaares. Magst nach Herzenslust deinen Durst löschen.

Casperl. Unterthänigst aufzuwarten – eine Wurst ist immerhin gern mitzunehmen, wenn sie nur vorn und hinten zugebunden ist. Mach meine gehorsamste Danksagung.

Wolfram (zu Etzel.) Der Kerl ist unerträglich. (Laut zu Casperl.) Nun, im Vertrauen, ich gehöre ja zur Sippschaft; denn ich bin der alten Frau Herzogin leiblicher Bruder – im Vertrauen: wo ist denn eigentlich der Herzogin Elsbeth Heimath?

Casperl (großartig.) Ha! woher? – Dieses Gehoimniß ist öben die Frage, die in dem Dunkel des Waldes neben jöner stillen Hütte bei der Dämmerung des blinkenden letzten Mondviertels nach dem Aufgang der untergehenden Sonne des ersten halben Jahres in dem Busen der Natur begraben bloiben muß; kurz: ich woiß es nicht, und wenn ich es woißte, so – –

Wolfram. Du bist ein Narr! (rasch ab.)

Etzel Du hast meinen Ritter durch dein Benehmen sehr aufgebracht und beleidigt.

Casperl. Beleidigt oder beluidigt – ich bin und bleib' der Casperl Larifari und laß' mich nicht ausfratscheln.

Etzel. Aber du kannst dir doch denken, daß meinem Herrn daran liegt, zu erfahren, wer die junge Herzogin ist.

Casperl. Ob's ihm daranliegt, ober ob sie ihm nicht daranliegt, mir ist es einerlei. Jetzt bin ich amal da und bleib da und weißt was, Bruder? Jetzt gehen wir zum Imbiß, wie die Herren Ritter zu sagen pflegen, wenn sie in Etwas beißen wollen. (Trollt lachend ab.)

Etzel (allein.)

Was ist da zu machen? Mit dem Schalk läßt sich Nichts anfangen. (Ab.)

Verwandlung.

Burghof in Mondbeleuchtung. An dem Fenster eines von Innen erleuchteten Erkers, welches offensteht, ist Elsbeth. Unten geht, Wache haltend, der Knappe Ralf, einen Spieß in der Hand, auf und ab.

Elsbeth (singt oder spricht.)

Sei gegrüßt du stille Nacht,
Seid gegrüßet Mond und Sterne!
Leuchtend schaut ihr aus der Ferne,
Elsbeth harrend, hoffend wacht.

Kommt, ihr lieben Brüderlein!
Eure Hemdlein sind gesponnen,
Sind gebleichet an der Sonnen;
Kommet, holt sie euch; fliegt ein!

Ralf. Ei, die junge Herzogin wacht noch. Was doch die bösen Leute schwatzen! Die schöne, liebe Frau sollt' eine Zauberin sein, die den Herzog behext habe? Das kann nicht sein; für die stünd' ich ein.

Elsbeth (fährt fort.)

Bald vorbei sind sieben Jahr,
Schwesterlein hat treu geschwiegen.
Brüder, nicht als Raben fliegen
Sollt ihr mehr. Komm' liebe Schaar!

Ralf. Was singt (spricht) sie da? Was hör ich von Raben? Wär's doch so, wie sie mir sagten, daß sie mit solchen Galgenvögeln heimlich verkehrt? Da muß ich aufpassen. Und wenn ich so was säh', wär's ja meine Schuldigkeit, es zu melden.

Rauschen in der Luft; die sieben Raben schweben herbei und fliegen in Elsbeths Fenster hinein, das sich schließt.

Ei, die Pest! da haben wir's. Da darf ich nicht mehr schweigen. Der Etzel sitzt noch da drinnen bei den andern Knechten in der Trinkstube. (Klopft an ein Fenster im Hofe.) Heda! heraus! – Macht aber keinen Lärm. Da gibt's was zu seh'n.

Etzel (der durch eine kleine Pforte herauskommt.) Was gibt's? Sind Diebe im Schloß?

Ralf. Die Raben! die Raben!

Etzel. Hast du sie gesehen?

Ralf. Mit eig'nen Augen im Mondenlicht. Da oben sind sie eingeflogen.

Etzel. Wie? zur jungen Herzogin?

Ralf. Freilich, freilich.

Etzel. So? – Da muß ich gleich meinen Herren holen. (Ab.)

Ralf. Das ist wohl Teufelszeug. Gott sei bei uns! Mich jammert nur der gute Herzog. Eine Zauberin zum Weib zu haben! eine Dirne, die ihn behext hat!

(Graf Wolfram und Etzel eilen herein.)

Wolfram (zu Ralf.) Ist's wirklich so? Hast du's gesehen?

Ralf. Wahrhaftig, es ist so, gnädiger Graf. Teufelsraben! Ich kann's beschwören. Wartet nur, sie werden wohl wieder herausfliegen.

Wolfram. Nur still! ruhig!

Sie ziehen sich unter den Erker zurück und lauschen. Nach einer kleinen Pause öffnet sich das Erkerfenster. Elsbeth zeigt sich.

Elsbeth. Nun flieget aus, zu bergen euch im nahen Flieder; Der Zauber ist gelöst, seh' ich euch morgen wieder. Lebt wohl! lebt wohl! Auf Wiederseh'n! Nun laßt die weißen Hemdlein weh'n!

Die sieben Raben fliegen aus dem Fenster, jeder ein Hemdlein im Schnabel, kreisen einmal umher und schweben hinaus. Elsbeth hat sich zurückgezogen und im Erker wird es dunkel.

(Wolfram, Etzel und Ralf treten vor.)

Wolfram. Bei Gott! sie ist eine Hexe. Ihr habt's geseh'n! Ihr könnt einen Eid darauf leisten. Nicht wahr? Ihr seid mir Zeugen in der Sache.

Etzel und Ralf. Ja! wir können's beschwören.

Wolfram. Nun, Lärm gemacht! (Ruft.) Hallo! hallo! aus den Betten! Licht herbei! – Wacht auf! Wacht Alle auf in der Herzogsburg! Hört's Alle: Die Herzogin Elzbeth ist eine Hexe!

Die Fenster erhellen sich; der Hof belebt sich.

Wolfram. Folgt mir zum Herzog und zur Herzogin Mutter! Auf und Elsbeth nehmt gefangen. Legt die Zauberin in Fesseln. (Stürzt ab.)

(Der Vorhang fällt rasch)

III. Aufzug.

Kerker. Strohlager.

Elsbeth (in schwarzem Gewande und gefesselt.)

Nun lieg' ich im Kerker und sie werden mich zum Tode führen. In jener fürchterlichen Nacht, als der Blitz meine väterliche Burg vernichtete und meine unglücklichen Eltern untergingen, floh ich, gerettet und beschützt von dem treuen Knappen Caspar. Als ich erschöpft in dem Walde auf Moos hinsank und in Verzweiflung in die Nacht hinausschaute, da erschienst du mir, Hulda und gabst dich mir als meine Beschützerin zu erkennen. Durch dich erfuhr ich den unseligen Fluch, den meine Mutter über ihre Söhne ausgestoßen hatte; du sagtest mir, daß ich meine armen Brüder aus dem Zauber zu erlösen im Stande wäre durch siebenjahrelanges Schweigen über meine Herkunft und wenn ich sieben Hemdlein spänne, die meine Schwesternliebe gesegnet. Heute lauft die Zeit ab. Heute ist der letzte Tag des verhängnißvollen Jahres – und heute soll ich als fälschlich angeklagte Zauberin sterben?! – O mein theurer Albert! Auch du, auch du willst meine Unschuld nicht glauben? Und du, meine Beschützerin! Hulda, du hast mich verlassen!

Harfenklänge. Geisterchor von weiblichen Stimmen hinter der Scene.

Geduld, Geduld in deiner Noth!
Noch nahte nicht das Abendroth.
Harr' aus und schweige, schweige still,
Wie das Gebot der Fee es will.
Geduld, Geduld! Die Liebe siegt
Und aller Jammer bald entfliegt.

Elsbeth. Möget ihr wahr sprechen, ihr geheimnißvollen Stimmen! Ich will treu ausharren.

Die Kerkerpforte wird von Außen geöffnet; Albert tritt ein und stürzt auf Elsbeth.

Albert. Meine Elsbeth! mein armes Weib!

Elsbeth. Mein Albert! – (Pause.) So glaubst denn auch du das Verbrechen, dessen sie mich zeihen?

Albert. Mein Herz ist zerrissen, zerfleischt. Alle sind gegen dich. Sie sagen, du hättest mich mit Zaubermitteln freventlich an dich gefeßelt. Die schwarzen Raben, mit welchen du Umgang pflegst, seien böse Geister. Ach! was sagen sie nicht noch Alles?! Und ich – ich will, ich kann es nicht glauben; aber ich beschwöre dich: Löse mir das geheimnißvolle Räthsel! Mir, mir deinem Gatten vertraue dich an und ich trete im Kampfe des Gottesgerichtes auf Leben und Tod gegen deine Ankläger für deine Unschuld in die Schranken.

Elsbeth. Ein einzig Wort würde mich befreien, ein einzig Wort meine Reinheit beweisen. Aber noch muß ich schweigen – nur wenige Stunden; denn zu dieser Stunde ist die Frist noch nicht abgelaufen, bis zu der ich Schweigen gelobt habe. O mein theurer Gemahl! Hättest du mich in meiner stillen Waldeinsamkeit gelassen! Jetzt – es ist fürchterlich – jetzt werden sie mich tödten, ehe ich zu meiner Befreiung reden darf.

Albert. Nur mir eröffne dich, ich beschwöre dich!

Elsbeth. Ich darf nicht, ich kann nicht. Aber Gott weiß es, schuldlos bin ich!

Albert. Ich glaube es; ich zweifle nicht an deiner Unschuld, aber das Gericht hat gesprochen. Du bist verurtheilt.

Elsbeth. So möge mich der Himmel beschützen! Gehe, mein theurer Albert; verlasse mich. Was willst du noch bei mir? Willst du deine und meine Schmerzensstunde verlängern? Es muß sein. Laß uns scheiden.

Albert (ihr zu Füssen stürzend.) Meine Elsbeth!

Elsbeth. Lebe wohl! Auch im Tode bin und bleib ich dein! (Man pocht dreimal an die Kerkerthüre.) Hörst du? sie nahen.

Albert. Leb wohl! Gott mag mir beistehen! (Stürzt ab.)

Der Scharfrichter in blutrother Kleidung tritt mit zwei Knechten ein.

Scharfrichter. Elsbeth, seid Ihr bereit? Der Stab ist gebrochen.

Elsbeth. Ich bin bereit.

Scharfrichter. Meines Amtes ist's, Euch nun auf den Holzstoß zu führen. Also will's das Gesetz und der Spruch der Richter.

Elsbeth. Das Gesetz soll seinen Lauf haben.

(Trauermarsch hinter der Scene.)

Scharfrichter. Man erwartet Euch; folgt mir.

Elsbeth. Ich folg' Euch und vertraue dem Himmel.

(Alle ab.)

Verwandlung.

Freier Platz. Im Hintergrunde ein Scheiterhaufen. Reisige und Knechte umgeben ihn.

Casperl (mit einem großen, weißen Sacktuche tritt schluchzend und heulend ein.) Jetzt ist Alles aus! Alles ist aus! Sie wollen meine gute, schöne liebe Elsbeth verbrennen. Aus den Flammen der brennenden Burg hab' ich sie gerettet und jetzt soll ich zusehen, wie man sie auf einem elenden Schoiterhaufen verbrennt. Die verdammten Raben sind aber ihr Unglück! Hätt' sie sich lieber a Zeiserl oder einen Gimpel gezogen. Mich hat's ja ohnehin gehabt. Der Teufel weiß aber auch, was dahinter steckt. Wenn sie reden wollt', wenn sie sich nur declamiren wollt! – Aber nein! Sonst können die Frauenzimmer 's Maul nit halten; wenn's aber sein soll, nacher machen sie's extra nit auf.

Etzel (tritt mit zwei Knechten ein.) Aha! Da ist der Bursch. Packt ihn nur gleich.

Casperl. Oho! was wär' denn das? Was wollt ihr denn von mir?

Etzel. Du bist der Hexe Elsbeth Diener und Gehilfe, hast also auch den Tod verdient.

Casperl. (zitternd.) Wa–wa–wa–was hab' ich verdient?

Etzel. Das Gericht hat über dich als Hexenlehrling gesprochen.

Casperl. Ueber mich – als, als – Lexenhäring? Da weiß ich aber gar nichts davon.

Etzel. Du wirst zwar nicht verbrannt – –

Casperl. Also nicht verbrannt?

Etzel. Du wirst in ein Faß gesteckt –

Casperl. In ein Bierfaß oder in ein Weinfaß?

Etzel. In ein leeres Faß, zugenagelt, den Berg hinunter bis in den Fluß gerollt, wo du dann eingesperrt bis ins Meer fortschwimmen kannst. Also fort! Mache nur keine Umstände. Wachen, führt ihn ab.

Casperl. Was? abführen auch noch? Ich brauch' keine Medizin. Ich bin ein kerngesunder junger Mensch.

Etzel. Nur nicht Spaß gemacht. Packt ihn!

Casperl. Laßt's mich aus! (Wehrt sich. Balgerei. Er macht sich frei; läuft fort; die Andern hinter ihm drein, einigemal um die Bühne herum, dann hinaus. Alle ab.)

Trompetenstoß, dann Trauermarsch.

Reisige und Knappen eröffnen den Zug. Der Scharfrichter. Frauen in Trauerkleidern, brennende Fackeln tragend. Elsbeth; ihr zur Seite ein Mönch. Herzog Albert, Herzogin Kunigunde, Graf Wolfram. Knappen und Gefolge. Der Scharfrichter führt Elsbeth auf den Scheiterhaufen. Drei Trompetenstöße.

Graf Wolfram. (feierlich.) Also hat das Gesetz durch Richterspruch gesprochen, daß Elsbeth, des Herzogs Albert Gemahl, als Zauberin auf dem Scheiterhaufen sterben soll, zur wohlverdienten Strafe. (Trompetenstoß.) Wir müssen es beklagen, vermögen aber den Vollzug des gerechten Urtheils nicht zu hemmen.

Albert (vortretend.) Und also rede ich, als der Verurtheilten Herr und Gemahl, daß ich Einsprache thue und eintrete für ihre Unschuld in heiligem Gottesgerichtskampfe. Euch, Graf Wolfram, meiner Frau Mutter Bruder und meinem Ohm, Euch dem Ankläger meiner Gemahlin werfe ich den Handschuh hin zum Kampfe mit mir auf Leben und Tod!

Wolfram. Was sollte ich mit Euch auf Leben und Tod kämpfen um eine Hexe?! Dafür ist mir mein Schwert zu heilig. Das Urtheil ist gesprochen und mit Fug und Recht ist Elsbeth verurtheilt. Fiat justitia.

Albert. Ihr müßt mit mir kämpfen, wenn Ihr ein ehrenhafter Ritter seid.

Wolfram. Ja! wenn ich ein Narr wäre!

Kunigunde. Mein Sohn! zieh' dein Schwert nicht für die Unselige, die dich bethört hat! Sie ist's nicht werth.

Wolfram. Im Namen des Gerichtes, dessen Vorsitzender ich bin: Zündet den Holzstoß an!

Der Scheiterhaufen flammt auf.

Donnerschlag. Die sieben Raben fliegen herbei, verschwinden hinter dem Holzstoße und es tauchen sieben in weiße Hemden gekleidete Knaben und Jünglinge hervor, welche Elsbeth befreien. Zugleich erlöschen die Flammen und der Holzstoß stürzt zusammen.

Elsbeth. Meine Brüder! Meine lieben Brüder!

Die Fee Hulda erscheint.

Hulda.

Erlöschet ihr Flammen
Und brechet zusammen!
Unschuldig ist Elsbeth und rein;
Albert, die Befreite ist nun dein.
Verschindet Lug und Trug,
Gesühnt ist Mutterfluch. (Verschwindet.)

Elsbeth eilt herab und stürzt Albert in die Arme.

Elsbeth. Jetzt darf ich reden. Der Zauber ist gelöst. Meine Brüder sind es, die durch unseligen Mutterfluch in Rabengestalt gebannt waren. Sieben Jahre mußt' ich schweigen und ihnen sieben weiße Hemdlein weben. Unschuldig bin ich, kein Mackel befleckt mich.

Albert. Ich wußt' es ja! Mein Herz hatte mich nicht getäuscht.

Alle. Heil Elsbeth unserer Herzogin! Heil der edlen reinen Frau!

(Wolfram stürzt hinaus.)

Kunigunde. Gesegnet seist du, theure Tochter.

Casperl (stürzt herein.) Jetzt darf auch ich reden, aber ich hab' zuvor eigentlich Nichts g'wußt! Und jetzt ist die Comödi aus, denn die Tugend ward bulohnt.

(An das Publikum:)

Sie haben nun geseh'n das Mährlein der sieben Raben, Ein andersmal führen wir auf die G'schicht von den sieben Schwaben.

(Der Vorhang fällt.)

Ende des Stückes.


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