Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein – Viertes Bändchen
Franz Pocci

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Kalasiris, die Lotosblume,
oder
Kasperl in Aegypten.

Vorsatzblatt
Zauberdrama in vier Aufzügen.

Personen.

Abuzabel, König von Memphis.

Kalasiris, seine Tochter.

Amru, Hofastrolog und Staatsrath.

Marvan, Vertrauter des Königs.

Hakem, Obergärtner.

Leonardo, ein deutscher Maler.

Casperl Larifari, sein Diener.

Hölzlmaier, Dolmetsch und Lohndiener.

Nephtis, Göttin der Nacht.

Typhon, der Böse, ihr Gemahl.

Ein Beduinenhäuptling .

Ein Mohr, Kameelführer.

Sklaven des Königs.

Beduinen.

Ein Kameel.

Ein Krokodil.

I. Aufzug.

Oase in der Wüste. Die Lotosblume in der Mitte, von Palmbäumen umgeben. Morgendämmerung.

Geisterchor (hinter der Bühne).

Einsam in dem Wüstenlande
Auf dem rothen, heißen Sande
Stehst du, Arme, hergebannt;
Sollst als Blume einsam blühen
Bei der Sonnenstrahlen Glühen,
Unbeachtet, unerkannt.

Kalasiris, du die Krone
Auf der Jugend goldnem Throne,
Kalasiris, Königskind!
Nun gebannet und in Kummer
Schmachtest du im Zauberschlummer,
Schwankest hier im Morgenwind!

Typhon

(erhebt sich aus der Tiefe unter Flammen).

Eh' noch dem Meer Osiris goldner Wagen
Entsteigt, in früher Dämm'rungsstunde nah' ich
Nach dreißig Nächten wieder, dich zu wecken
Aus tiefem Wehmuthsschlummer, stolze Schönheit.
Mit meinem Götterstabe dich berührend
Ruf ich dich wach: Entfaltet euch, ihr Blätter!
Erhebe nun dich, Kalasiris! Oeffne
Dein dunkles Auge und der Haare Wellen
Laß' weh'n im Morgenlüftchen. Typhon weckt dich.

(Er berührt mit seinem Stabe die Blume, deren Krone sich öffnet. Kalasiris erhebt sich daraus.)

Kalasiris. Wer weckt mich aus des Schlafes dumpfer Nacht? Wer ruft mich?

Typhon. Typhon ist's, den du verschmähtest.

Kalasiris. Weh' mir! Zu neuer Qual soll ich dich schau'n!

Typhon Warum zur Qual? Ich hab' dir Glück geboten – Der Erdentochter meine Königshand. Ich wollte dich zu jenen Bräuten reihen, Die ich in meinem Reich um mich geschaart.

Kalasiris. Verschmäht hab' ich dich, ja, weil dies dein Reich Der Ort der Nacht ist und des ew'gen Fluches, Weil du des Zwiespalts und des Hasses Träger! Verschmachten will ich lieber hier, gebannt In diesem duft'gen Grab, als dir gehören!

Typhon. Wohlan denn! Bleibe, denn du willst es selber. Nur Horos, der Beglücker, kann dich retten, Der Schmachtende, der gern an Blumen nippt. Doch ob er dich in sand'ger Wüste finde? Hier sucht er nicht nach Blüthen oder Küssen. Doch immerhin! Du magst Erlösung hoffen Und mich verachten. Jener Tag wird kommen, An dem du gerne sinkst in Thyphons Anne,

(Versinkt.)

(Leiser Donner in der Ferne.)

Das Morgenroth steigt am Horizont auf. Osiris zieht auf einem goldnen van weißen Rossen gezogenen Wagen vorüber.

Kalasiris. Osiris naht. Es rauscht des Ostens Donner, Den Mächt'gen zu verkünden, doch ich Arme Muß bei dem ersten süßen Hauch des Morgens In's Dunkel sinken dieser Blätternacht!

(Während es heller Tag wird, sinkt Kalasiris in den Kelch der Blume, deren Blätter sich schließen.)

(Maler Leonardo, Lohndiener Hölzlmaier und Casperl, alle drei, auf dem Rücken eines Kameeles, das ein Mohr führt, reiten herein.)

Casperl indem er hinten über den Rücken des Kameels herabrutscht und auf den Boden zu sitzen kömmt. Halt! Mir scheint, das ist's Wirthshaus.

Leonardo. Die Oase! Laßt uns Halt machen und im Schatten der Palmen ruhen.

Steigt vom Kamele mit Hölzlmaier ab.

Hölzlmaier. Allerdings, Herr Leonardo. Nachdem wir die ganze Nacht geritten sind, ist es zweckmäßig, die heißen Stunden des Tages hier zuzubringen.

Casperl. Das ist eine saubere Wirtschaft! Alleweil im Streusand reiten, da fehlt nur noch die Tinten dazu. Jetzt heißt es wieder im Schatten der Palmen ruhen. Ja, wir sind wirklich die wahren Palmesel. Wenn wir nur einmal in ein eigentliches Wirthshaus kämen! Mir ist mein Bauch schon wie eine türkische Trommel aufgeschwollen von lauter Cocusnußmilch trinken. Das ist ein infames Getränk; wenn wir nit a paar Tröpfeln Schnaps hineinthäten, so wären wir schon alle drei an der Milchruhr hin!

Leonardo. Gedulde dich Casperl. Bedenke nur, welch ein Genuß für mich, den Maler! Diese Licht- und Farbeneffekte der Wüste, diese Eigentümlichkeit des Orients, diese malerischen Oasen!

Casperl. Ja, das ist mir ein sauberer Genuß, von dem Sie immer schwärmen, von dem man nichts hat und bei dem Ei'm der Magen alleweil leer bleibt, wie ein ägyptischer Weinschlauch, in dem nix drin ist.

Hölzlmaier In drei Tagen sind wir in Memphis, der herrlichsten Stadt Aegyptens.

Casperl. Wenn nur Sie 's Maul halten wollten, Herr Hölzlmaier! Sie hab'n gut reden mit ihre zwei Gulden dreißig Kreuzer täglich. Ueberhaupt – –

Leonardo Still, Casperl! Das immerwährende Lamentiren wird mir endlich widerwärtig.

Casperl. Ja, glaub's gern. Sie, mit ihrer Künstlernatur, haben gut reden. Sie leben vom Kunstgenuß der Naturschönheiten; aber mich bringen Sie mit der Künstlerfahrt noch dahin, daß ich aus Hunger und Durst einmal auf Ihr Farbenkastl einen wüthenden Angriff mach' und zum Frühstück alle Ihre sogenannten englischen Honigfarben verschluck'.

Leonardo. Die würden dir schlecht bekommen. – Aber wie? was seh' ich? Diese prächtige, eigenthümliche Blume unter den Palmen. Ich will sie malen, denn ihr Anblick begeistert mich.

Hölzlmaier. Diese Blume – eine Lotosblume, die fast nur am Nilflusse vorkömmt, ist von großer Merkwürdigkeit. Sie blüht erst seit kurzer Zeit hier und alle Naturforscher zerbrechen sich darüber die Köpfe, wie es nur möglich, daß sie an einem solchen Platze fortkommen könne.

Casperl. So? – Da kann ich Ihnen gleich Aufschluß geben, gescheiter Herr Lohndiener. Wissen Sie denn nicht, daß die Nußkratscher, Eichkatzeln und andere Vögel den Samen vertragen? Haben Sie bei uns zu Haus, wie Sie noch Kellner im rothen Ochsen in Schweinfurt waren, niemals zu beobachten Gelegenheit gehabt, gescheiter Herr Hölzlmaier, daß oft ein Tannenbaum mitten in einem Buchenwald steht, oder eine Haselnußstauden mitten unter die Birkenbäum'? So hat halt den Samen zu dieser Blum' auch irgend ein Löw' oder ein Krokodil in Schnabel hergetragen.

Leonardo. Die Erklärung ist wirklich nicht übel. Ich möchte aber eher vermuthen, daß der Samenstaub durch den Wind hieher geweht wurde.

Casperl. Da haben Sie wieder recht; das kann auch sein. Aber mir wär's eigentlich lieber, wenn der Wind ein halbes Dutzend Bratwürsteln und eine Bouteille Deidesheimer herg'weht hätt'.

Leonardo. Wie dem auch sei, ich werde dort im Schatten der großen Palme mich niederlassen, um diese Wunderblume zu conterfeien.

Casperl. Gut. Machen Sie ihre Farbenspritze; ich leg' mich mit 'm Hölzlmaier nieder und schlaf' meinen Hunger und Durst aus. Geltn's Hölzlmaier, das thun wir?

Hölzlmaier. Ich kann Ihnen auch einige Feigen und Datteln anbieten zur Erfrischung.

Casperl. Lassen S' mich aus mit der Kost. Da hab' ich noch a Stückl Kameelkäs im Sack, der ist mir lieber, und glücklicher Weis' noch ein paar Schluck Franzbranntwein in meiner Wüstenflaschen; denn in diesem Terrain kann man's keine Feldflaschen nennen, weil's keine Felder gibt.– Der Kameelmohr wird aber Durst haben. Heda! Mohr! magst en Schluck?

Mohr. Kaki mocki bucki muki.

Casperl. Was heißt jetzt das wieder? Das ist doch a Teufelssprach, das Mohrische!

Hölzlmaier. Das heißt, daß er gehorsamst dankt, weil er keinen Durst hat.

Casperl. Die Eigenschaft kenn' ich nicht. Bei mir heißt's nicht buki muki – aber alleweil »schlucki, schlucki!« – Nun, legen wir uns halt nieder. (Er legt sich mit Hölzlmaier)

Das muß ich aber sagen: allen Respekt, was so ein Mohr und so ein Kameel Hunger und Durst ertragen können! Die Zwei haben jetzt schon beinah' acht Tag nichts gegessen und getrunken. Der Mohr, hat, glaub' ich, kaum ein Quartl Cocusnußmilch täglich zu sich genommen und ist noch alleweil beim Zeug. Aber sagen Sie mir doch, gescheiter Herr Hölzlmaier: warum sind denn die Mohren eigentlich schwarz?

Hölzlmaier. Das kommt daher, Herr Casperl, weil sie eben Mohren sind.

Casperl. Ah so! Das ist eine ungemein sinnreiche Erklärung. – Sie, Hölzlmaier, wie haben denn Sie eigentlich die mohrische Sprach glernt?

Hölzlmaier. Durch Hebung während meines mehrjährigen Aufenthaltes im Orient. Und so bin ich denn Dolmetsch für die reisenden Fremden geworden.

Casperl. No, Herr Hölzlmaier, so a Dollpatsch hätten's z' Haus bei uns auch bleiben können.

Mohr (schaut plötzlich unruhig zwischen die Coulissen hinaus)

Casperl. Sie, Hölzlmaier! Was schaut denn der Mohr so?

Hölzlmaier. Ja, ich bemerk' es auch.

Mohr (zu Hölzlmaier hastig und ängstlich) Oru, gru, grugru! molimani batschti kratschki!

Hözlmaier. Wie? – Was sagt er? Wär's möglich?

Mohr (immer lebhafter) Gru, gru, gru! Holi, holi, holi Pips!

Hölzlmaier. Auf! Auf! Herr Leonardo! Fliehen wir! Vielleicht können wir noch entkommen.

Leonardo. (eilt herbei). Was gibt's?

Hölzlmaier. Unser Kameelführer hat mit seinem scharfen Blicke eine verdächtige Rotte in der Ferne entdeckt. Es könnten Räuber oder Sklavenfänger sein.

Leonardo. Was fangen wir an?

Casperl. Das auch noch! Hunger und Durst, und auf d' Letzt werden wir noch als Gschlaven gefangen. Schlipperment! Ich steig' auf einen Palmbaum 'nauf, da sehn's mich nit. (Er klettert auf einen Palmbaum.)

Mohr. Morotschi, morotschi! Kalu, kalu, moribarilari buribubu!

Hölzlmaier. Er sagt, sie kommen immer näher.Rasch vorwärts! Auf's Kameel!

(Leonardo und Hölzlmaier beide gen das Kamel)

Leonardo. Komm', Casperl! Vom Baum herunter!

Hölzlmaier. Es ist keine Zeit zu verlieren!

Casperl. (auf der Palme) Auweh, auweh! Meine Hosen hat sich an einem Palmzweig eingehakelt; auweh, ich kann nicht 'runter!

Hölzlmaier. Da läßt sich nichts machen; wir sind alle verloren. Fort! Fort!

(Der Mohr springt auf's Kameel und sie reiten schnell hinaus.)

Casperl. (schreit). Halt! Halt! Laßt's mich auch mit! Halt! Die Räuber kommen schon! Auweh!

In Beduinentracht treten einige Männer auf.

Der Führer. Dort seh' ich das Kameel mit den Männern; wir können sie nicht mehr erreichen, das Thier lauft zu gut. Aber da oben auf der Palme sitzt ein Vogel, den wir brauchen können. Herab da, oder wir schießen dich herunter.

Casperl. (auf der Palme). Pardon! Pardon bitt' ich! Ich kann ja nit 'runter steigen.

Führer. Wart' Bursch, wir kriegen dich schon. Spannt eure Bogen und laßt ein paar Pfeile fliegen.

Ein paar Beduinen spannen ihre Bogen und zielen auf Casperl.

Casperl. Halt! Halt! Nicht schießen! Ich komm' schon!

Will herabspringen und bleibt an der Hose in der Luft zappelnd oben hängen.

Führer (lacht). Das ist ein kurioser Papagei! Wart, wir holen dich. Klettere Einer hinauf.

Man nähert sich dem Baume, zugleich zerreißt Casperls Hose und er fällt unter großem Gelächter der Beduinen herab.

(Der Vorhang fällt rasch.)

II. Aufzug.

Saal in der Residenz des Königs Abuzabel zu Memphis.

Abuzabel sitzt trauernd auf einem Thronsessel. Vor ihm steht der Hofmagier Amru.

Abuzabel.

Was hast du aus den Sternen nun gelesen?
Hat kein Planet sich günstig dir gezeigt?

Amru

Auch diese Nacht ist mir nicht hold gewesen
Und hat sich nicht des Blickes Müh'n geneigt.

Abuzabel.

Wo ist die theure Tochter? Wo mein Kind?
Du weisester aus meinem Hofgesind,
Du sollst es wissen, der du sonder Gleichen
Entzifferst der Gestirne goldne Zeichen.
Wo weilet Kalasiris, die entschwand
Auf so geheime Weise? Nenn' das Land,
Den Räuber nenne! Sieh des Vaters Leid,
Die Thränen sieh!

Amru

O Herr, gewähre Zeit!
Gewiß, sie ward entführt; auf schwarzem Roß
Sah sie mit einem Mann der Wachen Troß
In Blitzeseile und in Weheklagen
Aus Memphis Thoren unaufhaltsam jagen.

Abuzabel.

Und alles Forschen einer Königsmacht
Verlieh kein Licht in dieses Räthsels Nacht?

Amru

Darum die Wahrheit, daß kein menschlich Wesen
Der Räuber deiner Tochter ist gewesen.
Ein Dämon war's und keiner von den guten.
Denn jenes Roß, es schnaubte Feuerfluthen,
Und von den Hufen sprüht' es hell empor.
Als bräch' der Urnacht Funkengluth hervor.

Abuzabel.

Und war's ein Dämon – weh mir! Denn verloren,
Zum Untergang erkohren ist mein Kind!

Amru

Noch lebt sie auf der Oberwelt. Ihr Stern
Des Lebens schimmert ja, doch scheint er fern.
Drum laß' nicht ab, die Opfer darzubringen
Den Göttern! Diese Nacht schon mag's gelingen,
Der Lösung Daß mir des Himmels Zeichen endlich sagen
günstig Wort auf meine Fragen. (ab.)

Abuzabel sinkt, das Gesicht mit einem Mantel umhüllend, in seinen Stuhl zurück.

Marvan. (tritt ein.) Mein König!

Abuzabel. Wer stört mich in meinem Schmerze?

Marvan. Ich bin es. O Herr! Vertiefe dich nicht allzusehr in dein Leid. Gedenke deines Volkes, gedenke deines eigenen Lebens und schone dich.

Abuzabel. Wozu? – Ich habe keine Tochter mehr! Sie war der Stern meines Lebens; sie war die Blume, deren Duft mich belebte und entzückte.

Marvan. Wenn es dir zum Troste sein kann, großer König, so wisse, daß ganz Memphis mit dir trauert, daß Tausende in die Tempel wandern und, Osiris opfernd, für dich um Hülfe zu flehen. Von den vielen Fremden aber, die hier verweilen, muß ich dir einen Maler nennen, welcher Aegypten durchzogen und die Schönheiten der Natur des Landes in reizenden Bildern aufgenommen hat. Er möchte dir seine Kunstwerke zeigen dürfen und bittet dich, ihm Zutritt zu gewähren. Er harrt bereits in einem der Vorgemächer, deiner Verfügung gewärtig.

Abuzabel. Wenn ich nicht einsähe, daß es meine Pflicht ist, mich nicht vom Schmerze verzehren zu lassen, und meinem Volke zu lieb dem Leben und meiner Thätigkeit als König anzugehören, so würde ich auch derlei von mir weisen. Allein der Götter heiligen Willen zu ehren, mag es sein, wie sie es fügen. Laßt den Künstler eintreten.

Marvan. Sei gepriesen mein König. Wie du befiehlst, so soll es geschehen. (Ab.)

Abuzabel. Ihr Götter schützet mich vor Verzweiflung! Laßt mich in meinem Leid nicht untergehen!

Leonardo. (tritt ein) Heil dir, König Abuzabel! Du hast gestattet, daß ich mich dir vorstellen darf. Vielleicht kann dir meine Kunst dienen.

Abuzabel. Sei mir gegrüßt. Die Kunst ist ein Geschenk der Götter. Sie veredelt die Menschheit und mildert die Gemüther. Es wird mich freuen, wenn du mir Proben deiner Geschicklichkeit zeigen willst.

Leonardo. Ich habe Vieles gemalt in deinem herrlichen Lande, um in meinem Vaterlande diese Bilder zur Beschaulichkeit zu bieten. Die Wunderwerke der Natur wie der Kunst habe ich getreu abgebildet. Die Reize der Nilgegenden, die Majestät der Pyramiden und Tempel sollen meinen Landsleuten im europäischen Westlande zur Bewunderung dargestellt sein. Gestatte, daß ich dir die Gemälde in deinen Palast bringen lasse. Hier aber möchte ich zuerst eine herrliche Blume dir vorstellen, deren wunderbare Schönheit mich zur Abbildung veranlaßte.

Abuzabel. Es sei. Lasse das Bild hereinbringen.

Leonardo geht an die Thüre und läßt zwei Mohrensklaven ein, die das Gemälde, die Lotosblüte darstellend, vor den König bringen und dann wieder abtreten.

Leonardo. In einer Oase, drei Tagreisen von hier, blüht diese herrliche Blume und ihr Duft breitet sich weit umher.

Abuzabel. (überrascht und begeistert) Welch herrliches Bild!

Leonardo. Das Volk nennt sie die Wunderblume, denn sie steht allein in der ganzen Wüste unter Palmen.

Abuzabel. Wahrhaftig ein Wunder! Denn wie sollte die Wüste derlei hervorbringen? Laß' mir das Gemälde. Um jeden Preis will ich es besitzen; denn wie mit magisch bezaubernder Gewalt wirkt es auf mich.

Leonardo. Ganz nach deinem Willen steht mein Werk dir zur Verfügung, großer König. Bestimme selbst den Preis.

Abuzabel. Begib dich zu meinem Schatzmeister und begehre was du immer willst. Auch kannst du in meinem Palaste wohnen. Gehe! Der Abend sinkt – ich will ruhen, und vorher noch mich an dem Anblick deines Werkes erquicken.

Leonardo. Wie du befiehlst, mein König. Ich erwarte deine weiteren Befehle. (Ab.)

Abuzabel betrachtet, seine Begeisterung mimisch ausdrückend, das Gemälde einige Zeit; dann sinkt er auf seinen Thronsessel und schlummert ein. Allmählich ist es Nacht geworden.

Von Harfenklängen begleitet wird hinter der Szene der Chor gesungen:

Chor (leise und feierlich).

Sieh die Tochter, die Gefang'ne,
Kalasiris die Befang'ne!
Nur im Traum darf sie sich zeigen
Und sich deinen Sinnen neigen.

In der Lotosblume Grüften
Ruht sie in den Blätterdüften;
Möge Typhons Zauber schwinden,
Mögest du sie wieder finden!

Während des Chores tritt in magischer Beleuchtung Kalasiris aus dem Gemälde hervor, nähert sich dem Könige, den sie auf die Stirne küßt. Typhon erscheint aus der Tiefe und weisst sie in die gemalte Blume zürnend zurück .

(Der Vorhang fällt.)

III. Aufzug.

Garten in Abuzabels Palaste. In der Mitte unter großen Blattpflanzen steht ein goldener Käfig, in welchem Casperl eingesperrt ist.

Casperl. Schlipperment! Da bin ich wieder schön eingangen. Die vermaledeiten, ägyptischen Banditen haben mich als einen Paperl gefangen, an den Hofgärtner des Königs verkauft und dieser infame Kerl hat mich trotz aller Demonstrationen und Vorweisung meiner Paßkarte da hereingesperrt. – – Mich in einen Käfig, wie einen Gimpel! – In den verschiedentlich heimatlichen Polizeiarrestlokalitäten habe ich doch meistens eine angenehme Gesellschaft gefunden – aber in diesem ägyptischen vergitterten Sommerhäusl! möcht' ich verzweifeln. Und einen Hunger hab' ich und einen Durst! – (schreit) Heda, heda! Was z'essen möcht' ich! A Bratl oder ein Voressen! Heda!

Ein paar Affen springen herein und necken den Casperl, indem sie mit ihren Tatzen in den Käfig greifen, ihn kratzen ec.

Casperl. Das ist doch ein miserables Gesindel! Marsch! Ruh' will ich haben. Auweh, kratzt's mich nit so. Marsch! (Er sucht sich auf alle Weise zu wehren.) Die Affen springen hinaus.

Gärtner Hakem und Hölzlmaier treten ein, ohne anfangs Casperl zu beachten.

Hölzlmaier. Aber das freut mich ungemein, Herr Moosbauer, daß ich mit Ihnen hier so ganz überraschender Weise zusammengekommen bin.

Hakem. Und mich erst! Denken Sie sich nur, wie man sich verlassen fühlt im Ausland, unter lauter Fremden, so ganz allein; und bis ich nur diese Hieroglyphensprach gelernt hab'! Das war eine Müh', da haben Sie keinen Begriff, Herr Hölzlmaicr!

Hölzlmaier. Ja, aber sagen 'S nur, Herr Moosbauer, wie sind Sie denn eigentlich nach Memphis gerathen?

Hakem. Auf die einfachste Art. Sie wissen ja noch, wie ich den großen Gemüsgarten gehabt hab'. Nun denken Sie sich: da hat sich auf einmal der Spekulationsgeist in mir gerührt und ich hab' mir zu meinen Pomeranzenbäumen auch eine Dattelpalmenpflanzung anlegen wollen. Zu diesem Zwecke hab' ich meinem Vetter, dem Nazi, mein Geschäft übergeben, bin über Wien nach Constantinopel, und nachher mit dem Postomnibus nach Aegypten gefahren, um mir Dattelpalmen zu holen. Hier angekommen bin ich aber gleich in die Dienste Seiner Majestät des Königs Abuzabel eingetreten, der grad einen Obergärtner gebraucht hat, und führe nun den ägyptischen Namen Hakem, das heißt so viel wie »Mann der Blumen.« Jetzt bleib ich halt so lang's mir gefallt, und wenn's mir nimmer g'fallt, so kehr' ich wieder in die deutsche Heimath zurück und begründe eine Dattelkultur-Versuchsstation.

Casperl (ruft aus dem Käfig) Sie, Herr Hofgärtner, mir gefällt's aber schon lang nimmer in mei'm Käfig da!

Hakem (leise zu Hölzlmaier). Auweh! Jetzt Hab' ich mich verrathen. Der da hinten hat bisher geglaubt, ich wär' ein eingeborner Memphianer.

Hölzlmaier. Potz tausend! Das ist ja der Bediente des Malers Leonhard. Ja, der Casperl Larifari. Wissen's, ich hab'n auch schon gekannt und hab' mir jetzt den Spaß gemacht, ihn als Papagei zu tractiren. Als solchen hat ihn der König von einem Beduinen gekauft, der ihn in der Wüste gefangen und hieher gebracht hat.

Hölzlmaier. Das freut mich aber. Lassen Sie ihn nur noch ein bißl zappeln da drin; denn der hat mich elend schikanirt auf der Reise durch die Wüste mit dem Herrn Leonhard.

Hakem (zu Casperl). Pappolo, Pappolo! Kakelaki?

Casperl. O mein! – Verstellen's Ihnen nit, Herr Moosbauer; mit ihrer ägyptischen Abkunft ist's auch nit weit her. Lassen's mich lieber 'raus. Wir sind ja alle drei ehrliche Deutsche.

Hakem. Ja! Vivat das Vaterland! Kommen's halt 'raus, Herr Casperl. (Sperrt den Käfig auf.)

Casperl springt heraus, tanzt wüthend herum und wirft Hölzlmaier und Hakem um.

Hakem, Hölzlmaier (zugleich.) Oho, oho! – Sie sind ja ein Narr! Werfen S' uns gar um.

Casperl. Vivat hoch! Tres faciunt collegium, sagt der Franzos. – Jetzt geh'n wir aber gleich in's Wirthshaus miteinander: zum »rosenfarbnen Kameel« oder zum »himmelblauen Elephanten.« Vivat hoch!

Hakem. Halt, meine Herren! Zuvor noch ein Wort. König Abuzabel hat mich heute in aller früh schon holen lassen und hat mir befohlen, mich sogleich mit dem ganzen Hofgartenpersonale in die Wüste zu begeben zur Oase Nro. 3 im Distrikt 2045, littera A, Polizeibezirk 11.000. Dort steht eine wunderschöne Lotosblume und die soll ich ihm in den Hofgarten hieher versetzen.

Casperl. Ha! Versetzen? Dieses Wort ist mir sehr unangenehm, denn es erinnert mich erstens: An meine Gefangennehmung, und zweitens: An jenes Institut unseres gemeinsamen Vaterlandes, in welchem noch einige mir gehörige Gegenstände aufbewahrt werden. Ich hab' noch wenigstens zwanzig Versatzzettel in meiner Hosentaschen.

Hölzlmaier. Herr Hakem-Moosbauer! Diese wunderschöne Blume kenne ich ja. Ein Prachtexemplar! Herr Leonhard hat sie auf der Durchreise in Lebensgröße abgemalt. Ich begreife, daß König Abuzabel sie in seinen Hofgarten verpflanzen will.

Casperl. Lassen wir diese botanischen Betrachtungen und begeben wir uns lieber in einen Gasthof. Ich hätt' einen ungeheuren Appetit auf das Voressen von einem Krokodilsjungen oder auf einen gespickten Elephantenrüssel in der sauren Schildkrötensauce.

Hakem. Nein, das ist Alles nichts gegen die Nilpferdleberspatzeln.

Hölzlmaier. Mir ist Alles recht. Aber ein guter Wein bleibt mir immer die Hauptsache.

Terzett.

Kommt ihr Brüder, kommt geschwind!
Hier weht gar ein heißer Wind.
Da heißt's löschen, löschen, löschen,
Sonst verbrennt uns Leib und Seel'.

Kommt, ihr Brüder, kommt geschwind!
Weil wir grad beisammen sind,
Da heißt's trinken, trinken, trinken,
Daß der Durst uns nicht so quäl'!

Löschen, Löschen!
Trinken, trinken!
Lölölölölölölöschen!
Tritritritntritritrinken!

Tanzen, mit den Armen sich umschlingend, ab.

König Abuzabel mit dem Astrolog Amru tritt ein.

Amru. Weise und gut ist es, mein König, daß du dich endlich entschlossen hast, deine Gemächer wieder einmal zu verlassen und in den Garten zu geh'n, wo die aromatische, milde Luft dich erquicken wird.

Abuzabel. In der That, ich fühle mich leichter und athme freier. Sieh auch, Amru, hier ist der Platz, wo die Blume zu stehen kommen soll. Mein Gärtner Hakem ist bereits auf dem Wege in die Wüste, um die Pflanze mit größter Kunst und Vorsicht hieher zu bringen. Bei ihrem Anblicke will ich mich in den tröstenden Gedanken vertiefen, daß Kalasiris mir nahe sei. Oder glaubst du, daß der Traum in dieser heutigen Nacht, welchen ich dir erzählt habe, nur Täuschung gewesen?

Amru. O gewiß nicht, mein König. Die Begeisterung, mit welcher der fremde Künstler die Schönheit der Blume erfaßte, die Wahrheit, mit welcher er ihre Abbildung vollendet hat, ist nur durch die magische Kraft geschehen, welche des Künstlers Imagination in sich trägt. Ja, auch die Künstler sind – unbewußt ihrer selbst – Magier, denn sie schaffen mit der ihnen von den Göttern gnädig verliehenen Zeugungskraft, und was dir im Traume sich zeigte, war nur das Ausströmen der dem Gemälde innewohnenden Wahrheit.

Abuzabel. Aber Typhon? jener böse Dämon? jener Gott, den ich nur zu gut erkannte an seiner flammenglühenden rothen Gestalt? – –

Amru. Er war nothwendig auch von der magischen Gewalt der Darstellung der geheimnißvollen Blume angezogen und mußte erscheinen. – Nun wissen wir aber auch, daß er es gewesen, der deine Tochter auf feuerschnaubendem Rosse entführt und sie in die Lotosblume gebannt hat. Es handelt sich nur darum, ihn zu vermögen, daß er Kalasiris aus ihrer Verzauberung frei geben wolle oder durch höhere Mächte dazu gezwungen werde. Flehe zu Typhons Gattin, der nächtlichen Nephtis. Sie soll dir helfen, ihren ungetreuen Gemahl zu bewältigen.

Abuzabel. Ich will deinem Rathe folgen. Komm in den Tempel mit mir, Opfer zu bringen,

(Beide ab.)

Verwandlung.

Einsamer Platz von der Stadt Memphis, am schilfigen Ufer des Nils.

Casperl (etwas benebelt) tritt ein. Das war ein Göttermahl! Eine Suppen von Nilschnecken. Ein Voressen von jungen Krokodilschwanzeln. Gefüllte Straußeneier. Ausgezeichnet! Und erst die gespickte Löwenzunge mit ägyptischem Karifiolsalat! Einzig! Und diese Rosenbiskoten! Das laß' ich mir gefallen. Und der Wein! Den Pyramidenwein haben's 'n g'heissen. Der wachst um die Pyramiden herum; an lauter Spalier hängen die ungeheuersten Trauben, wo eine jede einen Zentner wiegt, und jede Weinbeer ist so groß wie eine Sechspfünder-Kanonenkugel. Ja, das Aegypten ist ein gesegnetes Land! – (Gähnt.) Aber der Wein hat mir a bißl zug'setzt; ich bin wirklich schläfrig und will mich da ein kleines wenig niederlegen. So – da ist ein kühles Platzl an dem Schilfposchen. (Legt sich und schläft unter Schnarchen und Gähnen ein.)

Ein Krokodil taucht aus dem Schilfe, beschnüffelt ihn, packt ihn an der Hose und trägt ihn fort.

Casperl (erwachend). Auweh! Auweh! – Das Krokodil! Auweh! Zu Hülfe, zu Hülfe! Ich bin verloren! Auweh! Auweh!

(Der Vorhang fällt.)

IV. Aufzug.

Garten, wie im dritten Aufzuge. Der Käfig steht nicht mehr da, an dessen Stelle die Lotosblume des ersten Aufzuges. Nacht und Mondschein.

Nephtis in schwarzem mit Sternen durchwebtem, wallendem Gewande schwebt auf Wolken nieder und steigt von den Wolken herab, welche dann fortfliegen.

Nephtis.

In meines Reiches Schatten schweb' ich nieder,
Durch Abuzabels Opfer hergerufen.
Des Königs Leid auch kenn' ich; denn ich weiß.
Daß des treulosen Gatten wild Begehren,
Dem Kalasiris widerstrebt, aus Rache
Die Schöne in die Blume hat gebannt.
Verfolgen wird auch hier er die Bedrängte,
Doch kam ich ihm zuvor; den Schlummernden
Beraubt' ich des gefeiten Götterstabes
Und mit ihm der Gewalt geheimen Zaubers.
In meiner Hand ist nun die Macht; befrei'n
Aus duft'gem Blumenschacht will ich die Jungfrau,
Hervor denn, Kalasiris, aus dem Grabe
Der Blätter, die den schönen Leib umschließen!

(Sie berührt die Blume mit dem Stabe.)

Erhebe dich!

(Die Blume öffnet sich und Kalasiris erscheint.)

Kalasiris. Wer ruft mich Unglücksel'ge? Bist du es wieder, Typhon, mich zu quälen?

Nephtis. Nicht Typhon ist's, mein ungetreuer Gatte. Vertraue mir, mein Schleier soll dich decken, Und meine Hand wird dich zum Vater führen.

Kalasiris (aus der Blume herabsteigend).

Gepriesen sei die Macht, die mich errettet!
Wer bist du? sag' es. Soll ich dir vertrau'n?

Nephtis.

Ich bin es, Nephtis, Spenderin des Trostes,
Die milden Schlummer bringt und süßen Traum.

Kalasiris (ihr zu Füßen fallend).

So sei gesegnet, Göttin! Rettungsengel
Und Trösterin, die du mich willst befrei'n.

Nephtis.

In meine Arme komme! Laß' uns eilen;
Ich räche dich und mich zugleich; drum folge.

(Sie umschließt Kalasiris und schwebt mit ihr fort.)

Casperl (tritt auf). Das ist doch eine wunderschöne Mondnacht; ein wahres Vergnügen in dem Garten herum zu spazieren. Zum Glück ist meine Hosen z'rissen, so daß mich das Teufelsvieh von einem Krokodil hat fallen lassen, über mich hinausgeschossen ist und ich dann durch einen kühnen Seitensprung dem Tode der Verschlingung glücklich entkommen bin. Im nächstgelegenen Wirthshaus bin ich nachher aus lauter Angst und Schrecken umg'fallen und hab' mich erst durch den Genuß einer halben Maß Palmenschnapses wieder einigermaßen erholt. Allein ich bin von der Katastrophe so angegriffen, daß ich mich veranlaßt sehe, meine erschöpften Gliedmaßen irgendwo unterzubringen. Auf'm Heu bin ich schon öfter gelegen, warum sollte ich es nicht einmal probiren in einer Blume zu schlummern?

(Betrachtet die geöftnete Lotosblume.)

Ha! In diesen Blättern will ich ruhen, die mich hier zum süßen Lager einladen. Ja, ich will in diesem ägyptischen Krautkopf mein Nachtquartier aufschlagen. (Steigt in die Lotosblume.) Ah! Da liegt man ja prächtig, wie auf einem sammtenen Kanape. Ausgezeichnet, vortrefflich! – Da kann mich's Kro – kro – dril – auch nicht er – wischen.

(Schläft schnarchend ein.)

Typhon (stürzt herein). Hier ist sie! Mir entrückt. Aber auch hier weiß ich sie zu finden. Das mit Begeisterung geschaffene Bild ist Abuzabel zur Vision geworden. In ihr glaubte er die Wahrheit zu schauen. Gut, du hast Kalasiris, deine Tochter, gesehen; aber auch Typhon ist dir erschienen. Was frommt dir, die gebannte Tochter in deiner Nähe zu wissen? Sie bleibt dir die Blume . Nun denn, komme hervor, du verzauberte Stolze! Mein mächtiger Scepter ward mir zwar entführt, aber Typhons Wort ist von gleicher Gewalt. Hervor, Kalasiris! – Wie? Sie erscheint nicht? Und was muß ich sehen? Die Blätter der Blume geöffnet? Fluch und Verderben! (Er sieht in der Blume den schlafenden Casperl liegen.) Ihr Götter, was ist hier vorgegangen? Welche Macht war im Stande, Kalasiris zu entführen? Was für ein Scheusal füllt den Kelch der Blume aus.

Casperl. Schlipperment! Wer weckt mich denn so grob auf? – Oho! Was ist das für eine Figur aus rothem Petschierwachs?

Typhon. Erbärmlicher Wicht, wie kamst du da hinein?

Casperl. Hineing' stiegen bin ich und jetzt bin ich heraus g'fallen.

Typhon. Nun denn! so magst du dein Lager wieder einnehmen und darin verschmachten!

(Er wirft ihn wieder nach einiger Balgerei in die Blume)

Typyon.

Schließt euch, Blätter, zu der Zelle,
Undurchdringlich jeder Helle!

Nun fort, fort, Kalasiris aufzusuchen! (Verschwindet.)

Die Blume schließt sich. Man hört Casperls dumpfe Stimme.

Schlipperment! Aufmachen, ich erstick'! Aufmachen!

Verwandlung.

Saal wie im II. Aufzug.

Das Gemälde der Blume steht noch da.

Nephtis (Typhons Zauberstab in der Hand, tritt, Kalasiris führend, ein).

Hier bleibe, in des Vaters Haus geschützt;
Mir soll nun Typhons Zauberscepter dienen,
Um dich vor des Verfolgers Zorn zu wahren.

Kalasiris.

O, Dank dir, holde Göttin heil'ger Nacht,
Die unter deinen Schleier mich genommen!

Nephtis

Sieh hier das Bild der schönen Lotosblume,
Von ihm gedeckt bist Allen du verborgen;
Gebannt bleibst du in des Gemäldes Hülle,
So lang du selber willst. An's Tageslicht
Magst eilen du, wenn dein Erretter naht.
Dein eigen Herz wird den Erwecker kennen;
In seinem Arm, von seiner Macht beschützt,
Muß Typhon weichen, denn er ist besiegt.
Tritt in das Bild nun. Wieder bist Du Blume,
Vielleicht weckt dich der Morgensonne Gruß.

Kalasiris. Wie du befiehlst, dein Wille ist mir heilig.

(Sie tritt gegen das Gemälde, in welchem sie, von Nephtis mit dem Stabe herührt, verschwindet. Nephtis sinkt in die Versenkung; zugleich schwindet das Dunkel und heller Morgen erleuchtet den Saal.)

Chor (hinter der Scene).

Da Nephtis entflogen,
Kömmt Horos gezogen,
Der freundlich uns lacht;
Ihr Schläfer erwacht!

Gegrüßt sei der Morgen!
Entschwebet ihr Sorgen
Der menschlichen Brust;
Die Sonne bringt Lust!

Leonardo (tritt ein). Noch schlummert Alles im Palaste; aber mich trieb es vom Lager empor bei den ersten Strahlen des Morgens. Zu meiner holden Blume eilte ich, die gestern im Garten des Königs noch blühte. Aber wie erstaunt war ich? Sie war verwelkt, ihre Blätter abgefallen und verdorrt auf dem Boden umher, und mein närrischer Diener Casperl lag in tiefem Schlafe mitten darinnen. So komme ich denn zu dir, theures Bild, das ich mit Begeisterung schuf, um mich in der Erinnerung an die Wirklichkeit in deinen Anblick zu vertiefen. Es ist so wunderbar, daß mir diese Blume, schon als ich sie das erstemal in der Oase sah, wie ein Wesen vorkam, das von einem menschlichen Geiste durchweht ist. Aus ihrem weißen, reinen Blatte wehte es mich wie süßer Hauch an. Es war, als ob die Blume meine Geliebte, meine Braut wäre.

(Sanfter Harfenklang läßt sich vernehmen.)

Welch' zauberischer Klang!

Kalasiris (spricht aus der Blume).

Bist du von mir angezogen,
Hat dein Herz dir nicht gelogen,
Denn auch meines muß sich regen
Dir dem Sehnenden entgegen.

Leonardo. Wie? Was höre ich? Zu mir spricht eine holde Stimme aus der Blume? Ist es Traum, ist es Zauber? Ich will ihr antworten:

Wunderbar geheimes Wesen,
Soll ich aus den Blättern lesen.
Daß sie Schönheit nur umhüllen,
Sehnsuchtsträume zu erfüllen?

Kalasiris.

Will mich zeigen deinen Blicken,
Weil die Götter es so schicken;
Ja, der Hoffnung zu vertrauen,
Sollst du Kalasiris schauen.

Leonardo (ihr zu Füßen fallend). Wunderbare Erscheinung! Göttliches Bild!

Kalasiris. Du hast den Bann gebrochen. In deinem Arme bin ich gerettet!.

Leonardo. Gerettet! – Und ich beseligt!

(Sie fallen sich in die Arme.)

Zugleich tritt König Abuzabel ein.

Abuzabel. Ja, Leonardo, du hast sie befreit; denn des Künstlers edelste Begeisterung besiegt die Gewalt der bösen Dämonen.

Donner. Unter Flammen taucht Typhon auf.

Alle. Wehe uns, Typhon!

Typhon. Fürchtet euch nicht! Ich bin besiegt. Gegen ideale Mächte hab' ich keine Gewalt. Kalasiris, lebe wohl! (Versinkt unter Donner.)

Abuzabel. So hat jener Traum nicht gelogen, und eine Wahrheit ist es, daß die bösen Dämonen fliehen müssen vor der edelsten und schönsten Macht. Leonardo! Sei mein Sohn! Kalasiris werde deine Gattin. Ich segne euch.

Leonardo und Kalllsiris knieen vor dem König nieder, Rothe Beleuchtung. Aus dem Gemälde der Blume tritt Casperl in erhabener, tragikomischer Positur. Das Gemälde verschwindet.

Casperl. Vivat hoch! Die Geschicht' ist doch noch gut ausgegangen.

(Der Vorhang fällt.)

Ende des Stückes.


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