Franz von Pocci
Das Eulenschloß
Franz von Pocci

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Zweiter Aufzug

Reichmöblierter Salon. Im Vordergrund großer Arbeitstisch, Akten darauf.

Kasperl (über seine rote Jacke einen schwarzen Frack mit Ordenssternen, tritt mit vornehmen Schritten ein). Nun hat mich die Zauberfeder zum wirklichen Mann der Feder gemacht. Ich bin Staatsminister! Ich kann sagen, daß ich mich federleicht emporgeschwungen habe. Ja es ist wahr, was das Sprichwort sagt. »Mit dem Amt kommt auch der Verstand.« Ich darf es gestehen: ich leite mein Ministerium mit Umsicht, Vorsicht, Nachsicht, Durchsicht, Einsicht, Kurzsicht und noch verschiedenen anderen Sichten. Weiß ich nichts und fallt mir nichts ein, was eigentlich immer der Fall ist, so darf ich nur meine Ministerzauberfeder hinters Ohr stecken oder ins Tintenfaßl eintauchen, und meine Beschlüsse sind von salomonischer Weisheit. Leider nützt sich so eine Feder im Drange der Geschäfte bald ab; zum Glück habe ich meinen treuen Geheimsekretär Eulert stets bei der Hand, dem ich immer gleich wieder eine neue ausrupfen kann. Er ist wirklich ein trefflicher Referent. Ich werde für ihn demnächst den Geheimen Rats-Titel beantragen; denn wenn mir seine Federn ausgehen, so bin ich ein verlorener Mann.

Bedienter (tritt ein). Euer Exzellenz, gehorsamst zu melden.

Kasperl. Was gibt's wieder? Man hat doch nicht einen Augenblick Ruhe.

Bedienter. Eine Deputation der Gemeinde Simpelsdorf bittet vorgelassen zu werden.

Kasperl. Meinetwegen. Lasse Er die Simpel herein. (Bedienter ab.) Schlipperment! Jetzt hab ich meine Ministerfeder auf'm Nachttischel liegen lassen. Nun, für die Bauern tut's es so auch. Da reicht mein gewöhnlicher Verstand schon aus.

(Hutzlpeter, Hubermartl und Knöpflbauer, unter ungeheuren Bücklingen, treten ein.)

Kasperl (ungeheuer vornehm). Ich hab euch schon im Audienzvormerkungsbrotikoll gelösen. Was habt ihr zu suplixifizieren bei mir?

Hutzlpeter. Röxzellenz, ich bin der Gmoanvorsteher von Simpelsdorf und die zwoa da san Gemeindemitglieder. Der oan ist der Hubermartl und der ander ist der Knöpflbauer, alleruntertänigst aufz'warten, Röxzellenz.

Kasperl. Nun, was gibt's? Warum kommt ihr zum Minister selbst?

Hubermartl. Ja, Röxzellenz, wir möchten halt unser Recht b'haupten.

Knöpflbauer. Halt's Maul, Martl! laß'n Vorsteher reden.

Kasperl. Zur Sache, zur Sache! Ich habe koine Zoit, mich mit solchen Pappalien lang abzugeben.

Hutzlpeter. Röxzellenz, Durchlaucht, wir san halt von der Regierung abgewiesen wor'n und jetzt möchten wir rappelieren wegen der Eisenbahn.

Kasperl. Was? Eisenbahn? Ihr wollt sagen Kegelbahn.

Hutzlpeter. Nein, Röxzellenz. Kegelbahn hab'n wir schon, aber wir möchten halt auch an Eisenbahn wegen unsere Krautköpf' und der Lehrer moant's auch, als Gmoanschreiber.

Kasperl. Ja, Eselsköpf! – Ein Lehrer soll nicht auch Gemoindeschreiber sein; das ist eine Herabwertigung seiner staatsbürgerlichen Stellung.

Hubermartl. Ja, Röxzellenz; die Sach' ist so: Wir haben so viele Krautgarten im Dorf und da kunnten wir halt auch eine Kammunikaution von am Verkehrsmittel brauchen, wie's die Heudorfer, unsere Nachbarn, wegen ihrem Dorfstich kriegt haben.

Kasperl. Da müßt ihr halt aus euren Krautgärten Torfstiche machen.

Hutzlpeter. Wir ham aber kein Dorflager.

Kasperl. Was Lager, Lager? In Friedenszeiten braucht man ohnedies kein Lager. Das macht nur Unkosten. Ich kenn mich überhaupt in eurer verzwickelten Sach' gar nicht aus. Geht nur aufs Büro Nr. 6, gleich rechts aufm Gang draußen, zum Ministerialrat Schrollmaier; der kann euch Aufschluß geben und wird mir nachher schon berichten. Adieu! packt euch!

Hutzlpeter. Wir bedanken uns untertänigst, Röxzellenz, für die gnädige Auskunft.

(Die Bauern unter Reverenzen ab.)

Knöpflbauer (im Abgehen zu den andern beiden). Das ist aber ein gescheiter, feiner Herr.

Hubermartl. Das will ich meinen. Und so niederträchtig ist er, so herablassend!

Kasperl (allein). Dieses dumme Bauernvolk will alle Augenblick etwas anderes. (Zwei Bediente tragen eine ungeheure, rote Amtstasche herein.) Ah! das Portufeuille aus dem fürstlichen Kabinett. Legt es nur auf den Schreibtisch hin. Aber vorsichtig, damit nichts daran verdorben wird.

(Die Bedienten tun es und gehen ab. Kasperl stürzt auf das Portefeuille.)

Rezitativ.

(Rascher Eintritt des Orchesters mit einigen mächtigen Akkorden.)

Kasperl.

Sei mir willkommen, o Wonne!
Du, meines Lebensglückes Sonne!
(Prestissimo unisono, Lauf der Bässe und
Violoncelle durch zwei Oktaven hinauf,
Fortissimo. Sanfter Übergang der Violinen,
wobei die Flöte einen Triller auf dem
hohen Cis macht.)

Wie lieb ich dich! wie bist du teuer mir!
Verlaß mich nie; o blieb' ich stets bei dir!
(Bässe und Violoncelle pizzicato:)
        Pim pum, pim pim pim,
        Pim pam – pum pum pam.

Ritornell. Violinsolo, während Kasperl mit ausdrucksvollen Schritten auf- und abgeht.)

Arie.

(Melodie aus der »Weißen Frau«.)

Ha, welche Lust, Minister zu sein
Und ein Portefeuille zu tragen;
Die Besoldung ist nicht klein,
Goldgestickt sind Rock und Kragen.

Sechstausend Taler sind nicht schlecht
Und dabei auch noch Diäten;
Zum Leben ist dies grad so recht,
Den Posten zu vertreten.

Wer klug ist, der braucht kein System,
Hängt nach dem Wind den Mantel;
So dirigiert er ganz bequem,
Hat alles gleich am Bandel.

Ha, welche Lust, Minister sein
Und ein Portefeuille zu tragen,
Doch wer es ist, der habe fein
Stets einen guten Magen.

Und dem Himmel sei's gedankt; einen guten Magen hab ich. Die Verdauung ist die Hauptsache für einen Minister, schon wegen alle die Diners und Festessen, die einer mitmachen muß. (Bedienter tritt ein.) Was will Er?

Bedienter. Ich soll ein Frauenzimmer melden, welches Eurer Exzellenz Aufwartung zu machen wünscht.

Kasperl. Mit was oder womit will mir dieses Frauenzimmer aufwarten?

Bedienter. Das hat sie nicht gesagt.

Kasperl. Ist dieses aufwartenwollende Wösen anderen Geschlechtes hübsch? Hat es aufwartungsfähige Gesichtszüge?

Bedienter. Gar nicht übel. Scheint vom Lande zu sein.

Kasperl. Man lasse diese ländliche Einfalt herein.

(Bedienter ab. Gretl tritt unter Knixen ein.)

Kasperl (vornehm, herablassend). Sie hat also Audienz verlangt? Wer ist Sie? Woher Sie? Warum Sie? Wozu Sie?

Gretl (für sich). Schändlich! Er will mich nicht mehr kennen. (Zu Kasperl.) Ja, Ihro Exzellenz; ich habe wegen eines Anliegens untertänigst aufwarten wollen.

Kasperl. Und was ist dieses Anliegen für eine Angelegenheit, Kleine? Nur schnell; man hat mehr zu tun, als sich mit solchen Spagatellen abzugeben.

Gretl. Für Sie mag es ein Bagatell sein, für mich aber nicht. Kennen Sie mich wirklich nicht?

Kasperl (beiseite). Schlipperment! Das ist die Gretl. (Zu Gretl.) Nein, mein Kind. Woher sollte ich Sie können können?

Gretl. Oh, Sie Nichtkenner! Sie! Sie kennen die Gretl nicht mehr?

Kasperl (tut, als ob er sich besänne). Gretl? – Gretl? – Wie? wo? was? –

Gretl. O verstellen Sie sich nicht so. Sie kennen mich recht gut. Sie wissen recht gut, daß Sie mir im Wirtshaus zur »Goldenen Eule«, wo Sie noch Ihre Zech' schuldig sind, das Heiraten versprochen haben.

Kasperl. Welche Unverschämtheit! – Ich – Minister!

Gretl. Ja, damals waren Sie freilich kein Minister, aber ein Vielfrißter und jetzt sind Sie der Vielvergißter.

Kasperl. Schweige Sie mit Ihren ungebührlichen Deprensionen.

Gretl. Ich schweige nicht. Ich will meine gerechten Ansprüche geltend machen. Was ein Mann versprochen hat, das soll er auch halten. Wie ich Ihnen damals in der Früh den Kaffee aufs Zimmer gebracht habe – –

Kasperl. Auweh! Kaffee!

Gretl. Ja, damals haben Sie's geschworen; »Gretl«, haben Sie gesagt, »Gretl, du gefallst mir, du wirst mein Weib, ich bleibe dir ewig treu. Ich hole dich ab, sobald ich eine feste Stellung hab« – ja und lauter so Sachen haben S' gesagt. (Weint und schluchzt.)

Kasperl. Ha! Alles verlogen. Und wenn ich es auch gesagt haben hätte, was nicht wahr ist, habe ich denn eine feste Stellung als Minister? Ha, du scheinst mir wenig eingeweiht zu sein in die Verhältnisse des konstitutionellen Staatslöbens.

Gretl. Schändlich, schändlich! Mich so zu hintergehen! Ein armes Mädchen so zu verlassen!

Kasperl (feierlich). Und wenn auch! – die Polutik steht zwischen uns. Du dauerst mich; allein höhere Zwöcke bilden eine unübersteigbare Kluft zwischen uns beiden. Löbe wohl! (Geht ab.)

Gretl (allein). So geh nur, du Ungeheuer! Eine Kluft ist zwischen ihm und mir. O wär's nur eine 10 000 Klafter tiefe Felsenkluft, in die ich mich hinabstürzen könnt'! (Stürzt weinend ab.)

(Der Vorhang fällt rasch.)


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