Plautus
Die Kriegsgefangenen (Captivi)
Plautus

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Fünfter Act.

Erste Scene.

Hegio. Philopolemus. Philokrates. Stalagmus wird in Ketten nachgeführt.

Hegio. Dem Zeus und den Göttern verdank' ich's von Herzen,
Die dich, meinen Sohn, wieder heimwärts geleitet,
Aus Noth, Angst und Trübsal mich huldreich gerettet,
Von der ich gebeugt ward, so lang du mir fern warst,
Und daß der (auf Stalagmus deutend)
                    in unserer Gewalt wieder hier ist,
Und der (auf Philokrates zeigend)
              seine Treu uns so standhaft bewährt hat.

Philopolemus. Schon genug zerriß es mir das Herz mit Schmerz und Sorg' und Thränen,
Schon genug von deinem Leide klagtest du mir dort am Hafen:
Jezt zur Sache.

Philokrates.           Nun – was ist es? Treulich hielt ich dir mein Wort,
Habe den (auf Philopolemus deutend)
                dir in die Freiheit heimgeführt.

Hegio.                                                               Du thatst an mir,
Daß ich niemals dir genug vergelten kann, Philokrates,
So wie du's um mich und meinen Sohn verdient.

Philopolemus.                                                             Wohl kannst du das,
Und wie du, werd' ich es können, Vater. Uns vergönnt ein Gott,
Daß du Jedem, der uns wohlthat, nach Gebühr vergelten kannst,
Wie du nun auch diesen, Vater, nach Gebühr belohnen wirst.

Hegio. Laß doch dies: mir fehlt die Zunge, dir zu weigern, was du willst.

Philokrates. Nun, so gib mir meinen Sklaven, den ich als mein Unterpfand
Hier zurückließ, der für mich stets besser als für sich gesorgt,
Daß ich ihn für seine Wohlthat nach Verdienst belohnen kann.

Hegio. Was du Gutes mir gethan, das lohn' ich dir; und nicht allein
Dies, auch alles Andre, was du fordern magst, sei dir gewährt.
Zürne nur nicht, daß ich ihm in meinem Unmuth Böses that.

Philokrates. Böses? Was?

Hegio.                                 In Fesseln hab' ich nach dem Steinbruch ihn geschickt,
Als ich hörte, daß er mich betrogen.

Philokrates.                                             Weh dann über mich,
Daß der beste Mensch um meinetwillen solches Leid erfuhr!

Hegio. Aber deßhalb will ich keinen Deut für ihn als Lösegeld;
Ganz umsonst führ' ihn als Freien fort.

Philokrates.                                                 Da thust du schön, fürwahr,
Hegio; nun aber bitt' ich, laß den Menschen holen.

Hegio.                                                                             Gleich!
    (zu den Knechten)
He! Wo steckt ihr? Geht geschwind, und holt den Tyndarus hieher! –
    (zu Philopolemus und Philokrates)
Tretet ein! Indessen will ich bei der PrügelsäuleHegio nennt den Stalagmus eine Säule, weil er stumm dasteht, eine Prügelsäule als den Sklaven, der Schläge verdient, und sie zu voller Genüge einnimmt. hier
    (auf Stalagmus deutend)
Mich befragen, was mit meinem jüngsten Sohn geschehen ist.
Nehmet ihr indeß ein Bad.

Philopolemus. (zu Philokrates)   Komm mit hinein.

Philokrates.                                                           Ich folge dir
    (Beide ab in's Haus.)

Zweite Scene.

Hegio. Stalagmus.

Hegio. He du, komm doch näher her, du wackrer Mann, du feiner Knecht!

Stalagmus. Was soll ich beginnen, wenn ein Mann, wie du, zum Lügner wird?
War ich doch nie wacker, fein und artig, taugte niemals viel;
Daß ich jemals etwas taugen werde, darauf rechne nicht.

Hegio. Endlich geht dir wohl ein Licht auf, wie's mit deinen Sachen steht.
Wenn du wahr bist, wird es dir statt schlimm ein bischen besser geh'n.
Sprich gerad' und offen; freilich – offen und gerade warst
Du noch niemals.

Stalagmus.                 Glaubst du wohl, ich schäme mich, das zu gesteh'n?

Hegio. Wart, du sollst dich schämen; schamroth mach' ich dich am ganzen Leib.

Stalagmus. Ho! Mit Schlägen drohst du, meinst wohl, daß ich die nicht kenne? Laß
Das beiseit' und sprich, was bringst du? daß du kriegst, was du verlangst.

Hegio. Wie beredt du bist! Doch hab' ich jezt die vielen Worte satt.

Stalagmus. Wie du willst.

Hegio. (bei Seite)               Als Knabe war er folgsam; jezt ist's nicht am Ort.
Doch zu Anderm! (laut)
                            Höre jezt und sage, was ich wissen will.
Sprichst du wahr, wird dir's in deiner schlimmen Lage besser sein.

Stalagmus. Possen das! Du glaubst vielleicht, ich wisse nicht, was ich verdient?

Hegio. Kannst du Allem nicht entgehen, so doch etwas Wenigem.

Stalagmus. Wenigem, ich weiß; denn Vieles wird mich treffen, und mit Recht,
Weil ich fortlief, weil ich dir den Sohn gestohlen und verkauft.

Hegio. Wem?

Stalagmus.   Dem reichen Theodoromedes, der in Elis wohnt,
Um sechs Minen.

Hegio.                         Ewige Götter! Das ist ja Philokrates'
Vater.

Stalagmus.   Ja; den kenn' ich besser noch, als dich, und sah ihn oft.

Hegio. Großer Zeus, o laß mich nicht verderben, mich und meinen Sohn!
Komm heraus, Philokrates! Bei deinem Schuzgeist fleh' ich dir.

Dritte Scene.

Hegio. Stalagmus. Philokrates (kommt aus dem Hause).

Philokrates. (zu Hegio)
Hier bin ich; was befiehlst du mir?

Hegio.                                                     Der hier behauptet, daß er einst
In Elis deinem Vater für sechs Minen meinen Sohn verkauft.

Philokrates. Wie lange wäre das gescheh'n?

Stalagmus.                                                     Es werden zwanzig Jahre sein.

Philokrates. Da lügt er.

Stalagmus.                     Ja, du oder ich. Du warst es, dem dein Vater einst
Den Knaben von vier Jahren zum Gespielen gab als Eigenthum.

Philokrates. Wie hieß er? Wenn du Wahres sprichst, so sagst du mir den Namen wohl.

Stalagmus. Man hieß ihn Pägnium; später gabt ihr ihm den Namen Tyndarus.

Philokrates. Warum erkenn' ich dein Gesicht nicht mehr?

Stalagmus.                                                                         Es ist der Menschen Art,
Den nicht zu kennen, dessen Gunst uns nicht besonders wichtig ist.

Philokrates. So sage mir: ist jener, den du meinem Vater einst verkauft,
Derselbe, der als eigen mir gegeben ward?

Stalagmus.                                                         Des Mannes Sohn.
    (auf Hegio deutend)

Hegio. Und lebt der Mensch noch?

Stalagmus.                                     Ich empfing mein Geld, und sorgt' um weiter nichts.

Hegio. (zu Philokrates)
Was sagst du?

Philokrates.          Wenn sich Alles so verhält, wie der es vorgebracht,
Ist jener Tyndarus dein Sohn; denn dieser ward von Kindheit auf
In Zucht und Ehrbarkeit mit mir erzogen bis zur Jünglingszeit.

Hegio. Wenn ihr die Wahrheit sagtet, bin ich glücklich und elend zugleich,
Deßwegen elend, weil ich an dem eignen Sohne Böses that.
O Gott! Warum auch that ich mehr und minder ihm, als billig war?
Mich quält das Unrecht, das ich that: o macht' ich's doch nur ungescheh'n!
Da kommt er, ach, in einem Schmuck, den seine Tugend nicht verdient!

Vierte Scene.

Tyndarus, in Ketten geschmidet, mit einer Steinaxt in der Hand. Hegio. Philokrates. Stalagmus.

Tyndarus. (für sich)
Manche Marter sah ich schon gemalt, die man vom Acheron
Sich erzählt; doch solche Höll' ist keine mehr in dieser Welt,
Als ich sie bestand im Steinbruch. Dort, ja dort ist recht der Ort,
Wo die Mattigkeit durch Arbeit ausgepeitscht wird aus dem Leib.
Denn man gab mir, als ich ankam, wie man Kindern von Geburt
Kleine Dohlen, Enten, Wachteln, um damit zu spielen, gibt,
Diesen Hämmerling (auf die Steinaxt deutend)
                                  zu meiner Unterhaltung in die Hand.
    (er erblickt denHegio)
Doch der Herr steht vor der Thür, und auch der andre kam zurück.

Hegio. Sei willkommen, mein ersehnter Sohn!

Tyndarus.                                                         Wie? Was? Ersehnter Sohn?
Ach, ich weiß, du nennst dich meinen Vater und mich deinen Sohn,
Weil du heute, gleich den Eltern, mich an's Licht des Tages bringst.

Philokrates. Gruß dir, Tyndarus!

Tyndarus.                                     Auch dir, um den ich solches Leid erlitt.

Philokrates. Dafür wird dir jezt die Freiheit, wird dir Reichthum. Dieser hier
Ist dein Vater, hier der Sklave, der dich als vierjährig Kind
Stahl, und meinem Vater um sechs Minen dich verkaufte: der
Schenkte dich dann, noch ein Kind, mir, seinem Kind, als Eigenthum.
So gestand uns der: wir brachten ihn von Elis mit hieher.

Tyndarus. Was? Ich wäre dessen Sohn hier?

Philokrates.                                                   Drinnen ist dein Bruder auch.

Tyndarus. Was du sagst! Du brachtest auch den kriegsgefangnen Sohn zurück?

Philokrates. Drinnen ist er, sag' ich.

Tyndarus.                                         Nun, das hast du schön und brav gemacht.

Philokrates. So ist dies dein Vater, dies dein Dieb, der dich als Kind geraubt.

Tyndarus. Und ich liefr' ihn, Mann den Mann, für seinen Raub dem Henker aus.

Philokrates. Er verdient's.

Tyndarus.                           Drum eben wird ihm nach Verdienst verdienter Lohn.
    (zu Hegio)
Doch ich bitte, bist du denn mein Vater?

Hegio.                                                             Ja, ich bin's, mein Sohn.

Tyndarus. Nun erst kann ich mich entsinnen, denk' ich so bei mir zurück,
Nun erst dämmert mir's von ferne, wie ein Nebel, wieder auf,
Daß ich einst einmal gehört, mein Vater heiße Hegio.

Hegio. Ja, der bin ich.

Philokrates. (zu Hegio)   Auf, erleichtre deinen Sohn um diese Last,
Und beschwere dort den Sklaven.

Hegio.                                                   Ja, dies soll mein Erstes sein!
Kommt hinein! Man soll den Schmid uns holen, um die Kettenlast
Dir zu nehmen, ihm zu geben.

Stalagmus.                                     Recht! So komm' ich doch zu was.

Epilog der Schauspieler

Werthe Bürger, dieses Stück ist züchtig und von keuscher Art.
Keine Buhlschaft, keine Liebeleien finden sich darin,
Nichts von unterschobnen Kindern, nichts von abgelocktem Geld;
Kein Verliebter kauft ein Mädchen hinter seinem Vater los.
Selten nur erfinden Dichter solcher Art Comödien,
Wo die Guten besser werden. Aber nun, wenn's euch gefällt,
Wenn wir euch gefielen, nicht langweilten, gebt ein Zeichen uns:
Ist die Sittsamkeit noch eines Kranzes werth, so klatschet brav!


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