Plautus
Die Kriegsgefangenen (Captivi)
Plautus

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Vierter Act.

Erste Scene.

Ergasilus. Hocherhabner Zeus, du rettest mich und mehrest meine Macht;
Denn die fettsten Bissen und die reichsten Schäze beutst du mir:
Lob und Gewinn, Spiel, frohen Scherz, Festtage, heitre Ferien,
Gastmahle, Zechgelage, Lust und Sättigung und Seligkeit!
So hat der holde, wonnige Tag mit holder Wonne mich erfüllt;
Denn sonder Abzug wurde jezt ein vollgestopftes Erbe mein.»Ein Erbe wurde mein sonder Abzug,« d. i. ohne daß ich eine besondere Auslage dabei gehabt hätte. Da jede Familie zu Rom ihren eigenen häuslichen Gottesdienst hatte, so war derjenige, an den eine Erbschaft überging, verpflichtet, auch die Opfer zu verrichten, die in der Familie gebräuchlich waren, von welcher ihm die Erbschaft zufiel, eine Verpflichtung, die oft sehr kostspielig werden konnte. Wer also eine Erbschaft ohne solche Opfer antrat, durfte sich mit Recht freuen.
Nun steht es fest, ich gebe keinem Menschen mehr ein gutes Wort;
Denn nüzen kann ich meinem Freund, Verderben bringen meinem Feind.
Jezt wend' ich hierher meinen Schritt, zum alten Hegio, bring' ihm Glück,
So viel er von den Göttern selbst sich wünschen kann, und auch noch mehr.
Nun thu' ich, was die Sklaven auf der Bühne thun, ich werfe mir
Den Mantel um die Schulter, daß er's ja von mir zuerst erfährt,
Und hoffe, dafür hab' ich dann für ewige Zeiten freien Tisch.

Zweite Scene.

Hegio. Ergasilus.

Hegio. (ohne den Ergasilus zu bemerken)
Je mehr ich das Ding da herumwälz' im Kopfe,
Je mehr schwillt die Gall' auf und steigt mir der Aerger,
Daß heute so derb mir das Maul angeschmiert ward,
Und ich es nicht durchschaute.
Erfährt man's, so werd' ich ein Spott vor der Stadt sein.
Ich tret' auf den Markt kaum, und gleich zischelt Alles:
»Der Schlaukopf, der Graukopf, der jüngst so genarrt ward!«
Doch – ist das Ergasilus, der dort in der Ferne?
Er hat seinen Mantel geschürzt! Was hat der vor?

Ergasilus. (tritt auf von der anderen Seite)
Hier gilt keine Säumniß, Ergasilus! An's Werk jezt!Ergasilus kommt von der anderen Seite in voller Hast gelaufen, und spricht mit sich selbst, ohne den Hegio gewahr zu werden.
Ich verwarn' euch, ich bedroh' euch, komme Keiner mir daher,
Als wer etwa glauben sollte, daß er lang genug gelebt!
Wer mich hemmt, den werf' ich auf die Nase.

Hegio. (für sich)                                                     Der will boxen, scheint's.

Ergasilus. (immer fortschreiend)
Das geschieht, ja, ja! Nun stelle Jeder seine Reisen ein!
Daß kein Mensch in dieser Straße sein Geschäft zu treiben wagt!
Meine Faust ist mein Geschoß, mein Ellenbogen mein Geschüz,
Meine Schulter ist ein Sturmbock: wen mein Knie trifft, liegt im Sand.
Wer es sei, der mir dahertritt, sammle seine Zähn' im Staub!

Hegio. Was bedeutet solche Drohung? Götter! Ich begreif' es nicht.

Ergasilus. Diesen Tag und diesen Ort und mich vergißt er nimmermehr!
Wer mich hemmt in meinem Laufe, hemmt den eignen Lebenslauf.

Hegio. Was bezweckt der tolle Mensch mit seinen tollen Drohungen?

Ergasilus. Daß ihr euch durch eigne Schuld nicht Schaden thut, verkünd' ich euch:
Haltet euch fein still zu Hause! Hütet euch vor meiner Wuth!

Hegio. Traun, ein Wunder, wenn die Keckheit diesem nicht im Bauche sizt!
Weh dem Armen, dessen Tisch ihn aufgenährt zu solchem Muth!

Ergasilus. Und ihr Bäcker, Schweinemäster, die mit Klei'n die Schweine zieh'n,
Deren Mahlstatt keine Nase vor Gestank sich nahen kann,
Werd' ich jemals auf der Straße solch ein Vieh von euch gewahr,
Klopf' ich auf den Herren selbst mit meiner Faust die Kleien aus.

Hegio. Wie ein König, wie ein Feldherr, läßt er ausgeh'n sein Gebot;
Tüchtig satt wohl ist der Mensch; ihm sizt der Uebermuth im Bauch.

Ergasilus. Und ihr Fischer, die den Leuten faule Fische zum Verkauf
Bieten auf der hagern Mähre, die sich auf drei Beinen schleppt,
Daß ihr Dunst die Pflastertreter alle wegtreibt auf den Markt:
Euer Maul werd' ich mit Reusen eurer Fische so zerbläu'n,
Daß ihr wisset, welche Qual ihr andrer Leute Nasen schafft.
Dann ihr Fleischer, die ihr alte Schafe reißt vom Lamm und sie
Hinterher als Lämmerfleisch und um den Doppelpreis verkauft,
Die ihr abgelebte Böcke zugeschnittne Hämmel nennt:
Werd' ich jemals auf der Straße solchen alten Bock gewahr,
Leiden Bock und Herr zusammen mir den jämmerlichsten Tod.

Hegio. Wahrlich, der erläßt Gebote, gleich der hohen Polizei!
Wunder, daß ihn die Aetoler nicht zur Marktaufsicht bestellt.

Ergasilus. Jezt bin ich kein Parasit mehr, nein, der Fürsten fürstlichster:
Solche Zufuhr ist im Hafen angelangt für meinen Bauch.
Doch was säum' ich, meinem alten Hegio die Wonnelast
Aufzuladen? Ist doch er auf Erden jezt der Glücklichste.

Hegio. Was ist das für eine Wonne, die er wonnig mir verheißt?

Ergasilus. (pocht an die Hausthüre desHegio)
He! Wo seid ihr? Oeffnet Niemand mir die Thüre?

Hegio.                                                                             Traun, der Mensch
Will zu mir zum Abendessen.

Ergasilus.                                       Schließt die beiden Flügel auf,
Eh ich euch mit meiner Faust die Thür in tausend Splitter schlug.

Hegio. Auf! Ich red' ihn an. Ergasilus!

Ergasilus.                                             Wer ruft: Ergasilus?

Hegio. Sieh dich um nach mir!

Ergasilus. (ohne sich umzusehen)   Was dir das Glück nie that, noch künftig thut,
Soll ich thun?Ergasilus will sagen: »du verlangst von mir, daß ich thun soll, was dir das Glück niemals thut? Das Glück sieht sich niemals um nach dir, sieht dich niemals an.« Der Blick der Götter, auf Sterbliche geworfen, galt als ein Zeichen ihrer Gunst. Wer bist du?

Hegio. Sieh dich um nach mir, nach Hegio.

Ergasilus.                                                     Sieh da!
Du, der besten Menschen Bester, kommst mir da gerade recht.

Hegio. Irgendwen am Hafen trafst du, der dich lud. Nun thust du stolz.

Ergasilus. Gib mir deine Hand.

Hegio.                                       Die Hand?

Ergasilus.                                                   Ja, deine Hand, und gleich.

Hegio.                                                                                                     Wohlan!
    (er gibt ihm die Hand.)

Ergasilus. Freue dich!

Hegio.                         Warum mich freuen?

Ergasilus.                                                     Weil ich's will. Auf, freue dich!

Hegio. Ach, die Trübsal steht mir näher, als die Freude.

Ergasilus.                                                                         Sorge nicht:
Denn die Trübsalsflecken alle treib' ich aus dem Leibe dir.
Freu dich keck!

Hegio.                       Ich will mich freuen, ob ich gleich nicht weiß warum.

Ergasilus. Recht! Befiehl!

Hegio.                               Und was befehlen?

Ergasilus.                                                         Daß man großes Feuer macht.

Hegio. Großes Feuer?

Ergasilus.                   Wohl, ein großes!

Hegio.                                                     Geierhals, was denkst du denn?
Soll ich deinethalb mein Haus anstecken?

Ergasilus.                                                         Sei nicht gleich so barsch!
Willst du nicht, daß man die Töpf' an's Feuer stellt, die Schüsseln spühlt,
Daß man Speck und Zwiebeln schneidet und in heißer Pfanne brät,
Daß ein Andrer auf den Fischmarkt geht –

Hegio.                                                               Der träumt mit wachem Aug.

Ergasilus. Einer Schweinfleisch, Einer Lammfleisch, Einer junge Hühner holt –

Hegio. Essen kannst du, wenn du weißt woher.

Ergasilus.                                                           Makrelen, Schinken auch,
Jungen Thun, Neunaugen, Zander, Störe, süßen Käse dann?

Hegio. Dies zu nennen, steht dir frei, doch essen kannst du's nicht bei mir,
Freund Ergasilus.

Ergasilus.                     Du denkst wohl, meinetwegen sprech' ich so?

Hegio. Weder nichts an meinem Tische kriegst du, noch viel mehr als nichts.
Darum bringe nur den Magen deiner Alltagskost zu mir.

Ergasilus. Nun, so mach' ich, daß du draufgeh'n lässest, und verböt' ich's auch.

Hegio. Ich?

Ergasilus.   Ja, du!

Hegio.                   So bist du denn mein Herr?

Ergasilus.                                                         Und gar ein gütiger.
Soll ich nun dich glücklich machen?

Hegio.                                                       Lieber als das Gegentheil.

Ergasilus. Gib die Hand!

Hegio.                             Hier.

Ergasilus.                                 Alle Götter helfen dir.

Hegio.                                                                           Ich merke nichts.

Ergasilus. Nun, du bist kein Märker; darum merkst du nichts. Indeß befiehl
Rein Geschirr zum heiligen Dienste dir zu bringen, doch geschwind,
Auch ein fettes Lamm zu holen – schnell!

Hegio.                                                               Wozu?

Ergasilus.                                                                     Zur Opferung.

Hegio. Welchem Gotte?

Ergasilus.                       Mir, ja mir; denn jezt bin ich dein höchster Gott,
Deines Glück's und Heiles Schöpfer, deine Sonne, Wonne, Lust;
Mache du denn diese Gottheit (auf seinen Bauch deutend)
                                                dir geneigt durch Sättigung!

Hegio. Hunger hast du, will mich's dünken.

Ergasilus.                                                     Nun, ich hungre mir, nicht dir.

Hegio. Wie du willst, ich leid' es gerne.

Ergasilus.                                               Kennst du's doch von Jugend auf.

Hegio. Gott verdamme dich!

Ergasilus.                               Und doch verdient' ich für die Kunde wohl
Deinen Dank: so vieles Gute heb' ich aus dem Hafen dir.

Hegio. Du gefällst mir nicht; entweiche, Thor! Du kommst für mich zu spät.

Ergasilus. Wär' ich eher angekommen, sprächst du so mit größ'rem Recht.
Jezt vernimm die Freudenbotschaft: eben sah ich deinen Sohn
Philopolemus im Hafen, lebend, munter und gesund,
Auf dem öffentlichen Jachtschiff, auch den andern jungen Mann
Ebendort, auch den Stalagmus, deinen Knecht, der dir entlief,
Und dein erst vierjährig Knäblein, deinen jüngsten Sohn, dir stahl.

Hegio. Daß der Henker dich –! Du foppst mich.

Ergasilus.                                                           Bei der heiligen Sättigung,
Die mich stets mit ihrem Namen schmücken soll, beschwör' ich dir:
Ja, ich sah ihn.

Hegio.                     Meinen Sohn?

Ergasilus.                                       Ja, meinen Schuzgott, deinen Sohn.

Hegio. Auch den elischen Gefangnen?

Ergasilus.                                             Bei'm Apoll!

Hegio.                                                                         Auch meinen Knecht,
Der mein Söhnchen stahl, Stalagmus?

Ergasilus.                                                   Bei der Kora schwör' ich dir's.Nachdem der Parasit bei dem Apollo geschworen, schwört er bei der Kora, welche sowohl die Göttin Proserpina, als auch eine römische Colonie und Stadt in Campanien sein kann. Diese doppelte Bedeutung des Namens scheint den Wiz herbeizuführen, noch vier andere campanische Städte folgen zu lassen, bei denen er gleichfalls schwört, ohne daß zugleich eine Gottheit dabei verstanden werden könnte. Ob es Zweck des Dichters war, den Einwohnern dieser Städte einen Seitenhieb zu versezen, da sie als barbarische Städte wegen ihrer Rauhheit aufgeführt werden, oder ob jene Städte wirklich unfreundlich, klein und schmuzig waren, und eben deßwegen in Rom zum Sprichworte geworden, oder ob sie vielleicht in dem zweiten punischen Kriege als Bundesgenossinnen des Hannibal und der Karthager den Römern widerwärtig geworden waren, läßt sich jezt nicht mehr mit Sicherheit ausmitteln. Genug, das rauhe Mahl des Alten wird mit ihnen verglichen. Sie heißen barbarische (fremde) Städte, entweder nach der Sitte derjenigen römischen Dichter, die als griechische Nachbildner alles Italische barbarisch nennen, wiewohl sie eigentlich griechische Colonieen waren, oder auch wegen der Unfreundlichkeit ihrer Bewohner und Umgebungen. Köpke.

Hegio. Schon vorlängst –?

Ergasilus.                           Ja, bei Präneste!

Hegio.                                                           Kam er?

Ergasilus.                                                                   Ja, bei Signia!

Hegio. Auch gewiß?

Ergasilus.                 Bei Phrusinon!

Hegio.                                               Im Ernste?

Ergasilus.                                                           Bei Aletrion!

Hegio. Warum schwörst du bei den fremden Städten?

Ergasilus.                                                                     Nun, sie sind so rauh,
Wie du mir dein Mahl beschrieben.

Hegio.                                                     Weh und Jammer über dich!

Ergasilus. Freilich, wenn du meinem wahren Worte keinen Glauben schenkst.
Doch von welchem Volke war Stalagmus, als er dir entlief?

Hegio. Ein Sicilier.

Ergasilus.               Jezt nicht mehr; er ist ein Katte, denn er schleppt
An der Kette, die man, glaub' ich, ihm als Gattin angetraut.

Hegio. Sprachst du das in vollem Ernste, was du da gesagt?

Ergasilus.                                                                               Ja wohl.

Hegio. Große Götter! Wenn du Wahrheit sprichst, so bin ich neu verjüngt.

Ergasilus. Wie? Du willst noch immer zweifeln, nun ichs heilig dir beschwor?
Doch am Ende, Hegio, wenn du meinem Schwur nicht glauben willst,
Geh zum Hafen.

Hegio.                       Gut! Besorge du im Haus, was nöthig ist.
Fordre, nimm dir, was du willst; zum Kellermeister mach' ich dich.Der Kellermeister hatte die Oberaufsicht über die ganze Küche, er war Oberspeisemeister: vgl. Scen. 3, V. 1.

Ergasilus. Wenn ich den (auf seinen Bauch deutend)
                                nicht wacker fülle, bläue mich mit Kolben durch.

Hegio. Wenn du Wahrheit sprichst, so hast du ewig freien Tisch bei mir.

Ergasilus. Wie? Bei wem?

Hegio.                                 Bei mir und meinem Sohn.

Ergasilus.                                                                       Gelobst du das?

Hegio.                                                                                                       Gewiß.

Ergasilus. Ich gelobe dir dagegen, daß dein Sohn zurückgekehrt.

Hegio. Ordne Alles möglichst gut.

Ergasilus.                                       Geh glücklich hin und glücklich her!
    (Hegio geht ab.)

Dritte Scene.

Ergasilus allein.

Ergasilus. (dem Hegio nachblickend)
Der ist fort: er hat zum Oberspeisemeister mich ernannt.
Großer Gott! Wie will ich nun die Hälse von den Rümpfen hau'n!
Wie die Schinken schwinden sollen! Wie viel speck' ich ab vom Speck!
Wie die Wampen flammen sollen! Ha, der Schwarten schwere Noth!
Wie die Schlächter schwizen sollen! Wie die Schweinehändler gar!
Nennt' ich Alles, was dem Bauche winkt, es würde mir zu lang.
Jezt enteil' ich in mein Amthaus, halte da dem Speck Gericht,
Helfe dann den Schinken, die noch unverurtheilt hängen dort.

(er eilt in die Küche, und wühlt unter den Vorräthen, wo man ihn noch eine Zeit lang wirthschaften sieht.)

Vierte Scene.

Ein Sklave des Hegio kommt aus der Küche.

Der Sklave. Zeus und die Götter mögen dich und deinen Bauch, Ergasilus,
Und euch, Schmarozer, strafen all' und wer Schmarozer künftig nährt!
Unwetter, Unheil, Hagelschlag nahm jezt in unserm Hause Plaz.
Er that vor Hunger, wie ein Wolf; mir bangte schon, er packe mich.
Gewaltig hatt' ich Angst vor ihm: so wies er alle Zähne mir.
Eintretend wühlt' er samt dem Fleisch die ganze Speisekammer um,
Ergriff ein Beil, und hieb die fettsten Stücke von drei Rümpfen ab,
Schlug Töpfe, Flaschen, wenn sie nicht zwei Mezen hielten, all' entzwei.
Er fragt den Koch dann, ob man nicht in ganzen Tonnen kochen kann,
Bricht alle Vorrathskammern auf, und öffnet jeden Speiseschrank.
Ihr Knechte, habt wohl Acht auf ihn; ich will den Herrn jezt suchen geh'n,
Auf daß er neuen Vorrath schafft, wenn er davon genießen will.
Denn so wie der wirthschaftet, bleibt nichts oder bald nichts mehr zurück.
    (er geht ab.)


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