Plautus
Die Kriegsgefangenen (Captivi)
Plautus

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Erster Act.

Erste Scene.

Der Parasit Ergasilus.

Das junge Volk nennt mich das Liebchen, weil man mich
Bei allen Gastgelagen ungerufen sieht.Der Parasit spielt, bei der Vergleichung eines Schmarozers mit einem öffentlichen Mädchen, mit dem Worte invocatus, welches ungerufen und auch angerufen heißen kann. Das Mädchen erscheint freilich bei dem Trinkgelage ihrer Liebhaber auch ungerufen oder uneingeladen. Aber da es Sitte ist, beim Auswurf der Würfel, einem Lieblingsspiel bei Trinkgelagen, den Namen seines Mädchens zur guten Vorbedeutung auszusprechen, um den besten Wurf (den Venuswurf) zu thun, bei welchem nämlich jeder Würfel eine andere Nummer zeigt, so ist das Mädchen insofern auch angerufen oder eingeladen, und hat also ein Recht zu erscheinen. Köpke.
Ich weiß, die Spötter nennen das recht abgeschmackt;
Mir scheint der Name passend; wenn ein Liebender
Bei'm Mahle würfelt, ruft er stets sein Liebchen an.
Sprecht: ist sie nun gerufen oder nicht? Sie ist's.
Fürwahr, auf uns Schmarozer paßt dies besser noch;
Uns ruft am Mahle Keiner an, noch ruft man uns.
Wir laben uns, wie Mäuse, stets am fremden Tisch.
Steh'n die Geschäfte stille, geht's auf's Land hinaus,Zur Zeit der Ferien und der Götterfeste stehen die öffentlichen Geschäfte still, da keine Staatsangelegenheiten auf dem Forum betrieben werden und die reicheren Bürger Roms sich auf ihre Landgüter begeben.
Steh'n auch für unsre Zähne die Geschäfte still.
Wie bei der Hize sich versteckt der Schnecken Volk,
Und lebt vom eignen Safte, wenn der Thau nicht fällt;
So stecken wir Parasiten im Verborgenen
An Feiertagen, nähren uns vom eignen Saft,
Wenn auf dem Lande weilen, die wir sonst beleckt.
An Feiertagen sind wir dürr, Windhunden gleich;
Doch fängt die Arbeit wieder an, dann sind wir dick,
Wie Bullenbeißer, lästiglichst, verdrießiglichst.
Jezt wandre nur der Schmarozer, der's nicht leiden kann,
Daß er beohrfeigt, oder ihm ein Krug am Kopf
Zerbrochen werde, vor das Thor mit dem Bettelsack!Vor dem Thore (und zwar vor der porta Ostiensis oder porta trigemina, so genannt von dem Kampfe der drei Horatier mit den drei Curiatiern,) pflegten sich in Rom die Bettler aufzuhalten, mit Säcken versehen, in welche sie, was ihnen geschenkt ward, hineinsteckten.
Am Ende, fürcht' ich, wird es mir kaum besser geh'n.
Denn da mein Herr gerathen in des Feindes Hand»Mein Herr,« in der Urschrift: mein König. Könige nannten die Parasiten ihre Ernährer und Kostgeber. Gemeint ist der Sohn des Hegio, Philopolemus, der im Kriege von den Eliern gefangen ward.
In diesem Krieg der Aetoler mit den Eliern:
(Hier ist Aetolien; dort in Elis fing man ihn,
Philopolemus, den Sohn des alten Hegio,
Der wohnt in diesem Hause, das mir Klagen weckt,
Und das ich niemals ohne Thränen sehen kann;Der Anblick des Hauses preßt dem Parasiten Thränen aus, weil er es nicht mehr betreten kann, um sich gütlich zu thun. )
Fing der, dem Sohn zuliebe, jezt ein schlimm Gewerb,
Das nicht zu seinem Sinne paßt, zu treiben an.
Er kauft Gefang'ne zusammen, ob er nicht vielleicht
Wo findet Einen, der den Sohn einbringen kann.
Ich wünsche recht von Herzen, daß ihm das gelingt;
Denn wenn er ihn nicht wiederkriegt, wo krieg' ich was?
Vom jungen Volke hoff' ich nichts, das liebt nur sich;
Der war der einzige Junge noch von altem Schlag;
Ihm hab' ich seine Grillen nie umsonst verjagt.
Und dem entspricht auch seines Vaters Sinnesart.
Ihn such' ich eben; doch es öffnet sich die Thür,
Aus der ich satt und trunken oft nach Hause ging.
    (er tritt auf die Seite.)

Zweite Scene.

Hegio tritt aus dem Hause. Ein Sklave als Gefangenwärter. Ergasilus.

Hegio. (zu dem Sklaven)
Nun wohl gemerkt, Freund! Diesen zwei Gefangenen,
Die gestern ich vom Quästor aus der Beut' erstand,
Leg' ihnen leichtere Fesseln an: die schwereren,
Womit sie noch gebunden sind, nimm ihnen ab.
Laß sie herumgeh'n, draußen und im Hause, wie
Sie wollen: aber daß du sie genau bewachst!
Ein freier Sklav' ist einem wilden Vogel gleich;
Erhält er Einmal nur Gelegenheit zu flieh'n,
Dann ist's genug; du fängst ihn nie zum zweiten Mal.

Der Sklave. Wir Alle wollen lieber frei als Knechte sein.

Hegio. Das scheint mir eben nicht der Fall bei dir.

Der Sklave.                                                             Ich kann
Kein Silbergeld dir geben»Ich kann kein Silbergeld dir geben,« um mich von der Knechtschaft frei zu kaufen: willst du, daß ich entfliehen soll? : willst du Fersengeld?

Hegio. Ei, wenn du das gibst, geb' ich bald was Andres dir.

Der Sklave. Ich will ein wilder Vogel sein, so wie du sagst.

Hegio. Ganz wie du willst; dann geb' ich dich in den Käfig ab.
Doch – g'nug der Worte! Was ich sagte, thu und geh!
Ich muß zum Bruder, wo die andern Sklaven sind,
Will sehen, ob sie heute Nacht nichts angestellt.
Wenn das gethan ist, komm' ich gleich nach Haus zurück.
    (der Sklave geht ab.)

Ergasilus. (bei Seite, ohne von Hegio bemerkt zu werden)
Mich jammert's, daß der Alte da dies SchergenamtUnter dem Schergenamt ist der Sklavenkauf gemeint, zu dem sich Hegio seines Sohnes wegen herbeiließ.
Des armen Sohnes wegen treibt, der arme Mann!
Doch schafft er ihn nur irgendwie nach Haus zurück,
So treib' er meinethalben gar das Henkeramt!

Hegio. Wer spricht denn hier?

Ergasilus.                                 Ich, der um deinen Harm sich härmt:
Ich werde hager, mager, alt, verdorre ganz.
Vor lauter Schwindsucht bin ich Haut und Knochen nur.
Was ich daheim auch essen mag, das hilft mir nichts;
Der kleinste Bissen außerhalb bekommt mir gut.

Hegio. Ergasilus, willkommen!

Ergasilus.                                   Herr, Gott segne dich!
    (er fängt an zu weinen.)

Hegio. Du weinst?

Ergasilus.               Ich soll nicht weinen, nicht todt weinen mich
Um solchen Jungen?

Hegio.                             Immer merkt' ich's doch, du warst
Freund meines Sohnes, wie er stets der deine war.

Ergasilus. Wir Menschen, wir erkennen dann erst unser Glück,
Wenn wir verloren haben, was einst unser war.
So fühl' ich, seit in Feindes Hand dein Sohn gerieth,
Erst, was er mir gewesen, jezt betraur' ich ihn.

Hegio. Wenn du, der Fremde, sein Geschick so schmerzlich fühlst,
Was soll der Vater, dessen einziger Sohn er ist?

Ergasilus. Ein Fremder ich? Ein Fremder ihm? Ach, Hegio!
Das solltest du nie sagen; so was denke nicht.
Dir ist er einzig, mir der einzig einzigste.

Hegio. Ich lob' es, daß dir Freundes Noth als eigne gilt.
Jezt sei nur gutes Muthes!

Ergasilus.                                 Ach!
(auf seinen Bauch deutend)           Den schmerzt es tief,
Daß jezt des Essens leckres Heer entlassen ist.

Hegio. Wie? Fandst du Keinen unterdeß, der dir das Heer,
Das jezt entlass'ne, wieder auf die Beine bringt?

Ergasilus. Was denkst du? Scheu'n sich Alle doch, wer's je versucht,
Vor diesem Dienste, seit dein Sohn gefangen ist.

Hegio. Kein Wunder wahrlich, daß sie vor dem Dienst sich scheu'n.
Bedarfst du doch gar vieler und gar vielerlei
Soldaten; erstens brauchst du die von Bäckersdorf;
Der Bäckersdorfer gibt es dann viel Arten noch.
Da brauchst du denn Brodheimer, Kuchenberger auch,
Brauchst Lerchenfelder, brauchst das Volk aus Schnepfenthal,
Dann brauchst du noch Seetruppen aller Art für dich.

Ergasilus. Wie oft die größten Geister ungekannt verblüh'n!
Welch großer Feldherr ohne Heerstab hier verdirbt!Welch ein großer Feldherr, meint der Parasit, wäre ich an der Spize solcher Völker, und jezt muß ich in einem unrühmlichen Privatstande untergehen!

Hegio. Sei nur getrostes Muthes; denn ich hoffe fest,
In diesen Tagen bring' ich ihn nach Haus zurück.
Hier steht ein Jüngling, ein gefangner Elier,
Von hohem Geschlechte stammend, unermeßlich reich;
Für diesen, hoff' ich, tausch' ich meinen Sohn mir ein.

Ergasilus. O gäbe das der Himmel!

Hegio.                                             Bist du nirgendwo
Zu Tisch geladen?

Ergasilus.                     Nirgendwo, so viel ich weiß.
Doch wie? Was fragst du?

Hegio.                                       Mein Geburtstag ist, und da
Wünscht' ich zu Mittag dich an meinem Tisch zu seh'n –

Ergasilus. Ein feiner Einfall!

Hegio.                                   Wenn du nur mit Wenigem
Zufrieden sein kannst.

Ergasilus.                           Mit dem Allerwenigsten!
Von dieser Speise zehr' ich Tag für Tag daheim.

Hegio. So bitt' ich dich.

Ergasilus.                     Ich komme, wenn nichts Bess'res kommt,
Das mir und meinen Freunden mehr behagt; ich selbst
Verkaufe mich wie einen Grund, so nimm mich hin!

Hegio. Als einen Ungrund, nicht als Grund, erständ' ich dich.Ich verkaufe mich dir, sagt Ergasilus, als einen liegenden Grund; worauf Hegio erwiedert: nicht als Grund, vielmehr als Ungrund, der nicht auszufüllen, nicht zu sättigen ist.
Doch kommst du, komm bei Zeiten.

Ergasilus.                                               Bin gleich jezt bereit.

Hegio. Geh, jage nach dem Hasen; hier hast du den Hund;Da der Parasit nur mit dem Vorbehalte, wenn er nichts Besseres finde, mit dem Tische des Hegio vorlieb nehmen will, erwiedert Hegio: sieh dich nach einem besseren Mahle um; das meinige, das schlechtere, bleibt dir immer noch, wenn du nichts Besseres aufzutreiben vermagst. Statt des Hundes nennt die Urschrift ictim, eine Art Wiesel, von welcher Plinius spricht H. N. 29, 4. Mustelarum duo genera sunt: alterum sylvestre, distans magnitudine; Graeci vocant ictidas.
Denn rauhen Weg muß gehen, wer mein Mahl genießt.

Ergasilus. Du schreckst mich dadurch nicht zurück, das glaube nicht;
Ich sehe mich mit wohlbeschuhten Zähnen vor.

Hegio. Rauh wahrlich ist mein Essen –

Ergasilus.                                               Ißt du Dorne, Herr?

Hegio. Recht ländlich.

Ergasilus.                   Auch ein Ferkel ist ein ländlich Thier.

Hegio. Mit viel Gemüse.

Ergasilus.                       Gib den Kranken dies daheim.
Sonst Etwas?

Hegio.                     Komm bei Zeiten.

Ergasilus.                                             Daran denk' ich selbst.
    (geht ab.)

Hegio. Ich will hineingeh'n, rechne dort ein Bischen nach,
Wie viel an Geld mir bei dem Wechsler stehen bleibt.
Zu meinem Bruder geh' ich dann, wie ich gesagt.
    (ab.)


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