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Schlußbemerkungen zu dem Epos »Die Hohenstaufen«.

In der bisherigen Ausgabe unter dem Titel: »Ueber verschiedene Gegenstände der Dichtkunst und Sprache«.

Fragment.

1829.

Epos.

Die Vorzüge der homerischen Dichtung sind nicht die Vorzüge unserer Zeit, dafür aber andere, von denen sich Homer nichts hat träumen lassen. Da schon dem Virgil das größte Unrecht geschieht, wenn man ihm den homerischen Maßstab anpaßt, um wie viel mehr einem neueren Dichter! Die größten und vollendetsten Dichter der neueren Zeit, Dante und Ariost, haben den Virgil gekannt und geliebt, sind aber nicht in die mindeste Versuchung geraten, ihre eigentümlichen epischen Schöpfungen seiner Musterhaftigkeit aufzuopfern. Ein Aehnliches gilt von Milton, wiewohl die urzeitliche Einfachheit seines Gegenstandes ihn den Alten annäherte. Wenn Tasso zu schwach war, um auf eigenen Füßen zu stehen, wenn selbst Camoens, der das Größte wollte, sich virgilianische Ketten anlegte, so ist es desto schlimmer für sie.

Drama.

Vor allen Dingen werden die Shakespearianer fragen, warum der Verfasser die Geschichte der Hohenstaufen nicht lieber dramatisch behandelt habe? Er hat es nicht gethan, weil ihm bloß die Alternative geblieben wäre, entweder verfehlte, halbepische, weitschweifige Dramen daraus zu bilden, die nicht einmal für die jetzige Bühne taugen würden, oder zwar vollkommene Trauerspiele zu schreiben, aber die Geschichte zu verdrehen und nach seinen Zwecken zuzustutzen, wie so viele gethan haben. Zu keiner von beiden Hantierungen hat er Lust gehabt. Shakespeare ist höchstens in den erstgenannten Fehler verfallen, da ihm die Geschichte heilig war; seine deutschen Nachahmer jedoch in alle beide, und zwar auf das allerplumpste. Sie tischen historische Lügen in der ungeschicktesten Form auf.

Rechtschreibung.

Unsere Altvordern erfreuten sich einer richtigen und der deutschen Aussprache vollkommen angemessenen Rechtschreibung. Wir haben uns in barbarischen Jahrhunderten eine Last von Verkehrtheiten aufgebürdet, die sich freilich nicht mit einemmale abschütteln lassen, wenn dem Auge nicht zu viel Gewalt angethan werden soll. Der Verfasser des vorliegenden Gedichts, der es nun einmal auf seine Schultern genommen, der deutschen Sprache und Dichtkunst Reformator zu sein, glaubt sich wenigstens befugt, vollkommenen Unsinn auszumerzen.

Wir schreiben todt, als ob das o kurz und wie das a in Stadt ausgesprochen würde: es ist aber im Gegenteile gedehnt und reimt auf bot u. s. w. Es muß also tot wie im Altdeutschen geschrieben werden.

Wie das p in das Wort Haupt gekommen, ist auch nicht abzusehen, da es in der alten Sprache Houbet heißt und auch in allen verwandten Dialekten, wie in Hoved, Hafoad und dergleichen keine Spur von einem p ist. Der Verfasser schreibt also Haubt und reimt es auf raubt, belaubt u. s. w. Das y ist kein eigentümlicher deutscher Buchstabe und kann bloß in den griechischen Worten gebraucht werden. Es könnte höchstens als verlängertes i, als kalligraphischer Schnörkel am Ende der Wörter gelten. Man könnte allenfalls frey, sey u. s. w. schreiben; aber zu beyde, Freyer u. s. w. ist nicht der geringste etymologische Grund vorhanden.

Ich komme nun zu einem Buchstaben, der so oft und fast immer vergeblich in der Mitte der Worte vorkommt, unsern Druck entstellt und für das Auge so häßlich macht, zum h. Natürlich ist nicht von den Füllen die Rede, wo das h ausgesprochen wird, oder doch als etymologisches Ueberbleibsel dasteht. Aber es soll, sagen die Grammatiker, zum Dehnungszeichen dienen. Dann müßte es aber wenigstens mit Konsequenz gebraucht werden. Das o in schonen ist ebensolang als in wohnen, warum muß gerade in wohnen ein h stehen? Vermöge des Grundgesetzes der deutschen Aussprache ist nicht die geringste Besorgnis vorhanden, daß jemand wonen wie Wonnen ausspräche, wenn es auch wirklich ohne h geschrieben würde. Um nicht durch Neuerung aufzufallen, hat man das Dehnungs-h stehen lassen; wo es aber nicht einmal als Dehnungszeichen gelten kann und wie in dem Worte Roth ganz ohne Not steht, ist es weggeblieben, und der Verfasser fürchtet nicht, daß man es deswegen so geschärft wie Gott aussprechen möchte, obwohl es die Pfuscher mitsamt dem h auf unsern Herrgott reimen. So hatten auch die Alten recht, wenn sie hastu, bistu u. s. w. schrieben, weil es wirklich so ausgesprochen wird, sobald das du nicht besonders betont ist. Denn was für eine Zunge gehörte dazu, um ein st und d in der schnellsten Folge hintereinander herauszuquirlen!

Lizenzen.

Alle gebildete Sprachen, vorzüglich die griechische und italienische, haben ihren Dichtern von jeher zum Behufe des Metrums oder des Reims gewisse Freiheiten erlaubt, vermöge deren sie eine oder die andere Schreib- und Sprachform zu ihrem jedesmaligen Zwecke wählen konnten. Unser Dichter hat in bekannten Fällen, wo ein Wort zwei Formen hat, bald diese, bald jene nach seinem Bedürfnisse des Reims gewählt.

Der nationelle Vorzug des Nibelungenverses zeigt sich auch darin, daß es fast keine Worte gibt, die nicht in demselben gereimt werden können, da selbst spondäische Reime, wenn beide Silben betont sind, sogar eine schöne Wirkung hervorbringen und noch eine schönere diejenigen, die aus einem Spondäus und einer kurzen Silbe bestehen, wie auftreten, Worte, die in keinem der monotonen jambischen oder trochäischen Versmaße für den Reim gebraucht werden können.

Man wird dem Dichter eine Freiheit, die er mäßig gebraucht, um so mehr gestatten, wenn er in seinen Werken immer die strengste Reinheit des Reims beobachtet, weshalb es auch künftig kein wirklicher Dichter mehr wagen wird, die verschiedensten Töne, ä auf ö, i auf ü u. dgl. zu reimen, eine Barbarei, wovon in den alten Helden- und Minneliedern keine Spur ist und die wir den Meistersängern und dem in den ästhetischen Handbüchern an die Spitze unserer Litteratur erhobenen Opitz, der sich wahrscheinlich einer korrupten schlesischen Aussprache befliß, zu danken haben.

Da schon früher durch Rückert in seinen lyrischen Werken Formen behandelt wurden, die einen kunstvollen, vielfachen Reim erfordern, so fällt die bekannte Ausrede von der Reimarmut der deutschen Sprache ohnedem, wenigstens was den Reim betrifft, weg, und bloß die Armut bleibt als Prädikat für ungeschickte Dichter übrig.

Der Verfasser lebt, nebenher gesagt, der Ueberzeugung, daß es für den wahren Künstler keine Kleinigkeiten gibt, daß ein falscher Vers seiner Natur so widrig sein wird als ein falscher Gedanke: und er überläßt es unsern jungen genialen Geistern, sich alles zu erlauben, um ja recht bald von allen vergessen zu werden.

Schluß.

Liebe deutsche Nation! Laß dir von deinen falschen Propheten nicht so entsetzlich viel weismachen! Willst du dir Rat erholen über eine Sache, so frage nicht diejenigen, die davon träumen, sondern diejenigen, die sie gelernt haben und die dir in wenigen Worten mehr Wahrheit sagen können, als die Unwissenden oder Talentlosen in tausend Bänden! Vertrau auf die Schöpferkraft der Natur, halte geistvolle poetische Versuche nicht für vollendete Kunstwerke und glaube nicht, daß die Zeiten erfüllt sind, du möchtest sonst allzufrüh die Hände in den Schoß legen!


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