August von Platen
Gedichte
August von Platen

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Ode an Napoleon

(1825)

                Ihr kennt das alte, große Naturgesetz,
Das stets den Dichter neben den Helden stellt?
    O wohl dem Dichter, wenn die Zeit ihm
        Einen unsterblichen Helden vorführt!

Doch ehrt die Welt das Ewige? Liebt sie es?
Erkennt sie es demütigen Sinns? O nein!
    Wenn anders du das Große singest,
        O so besingst du das Unterdrückte!

Dich preis ich, ruhmgegürteter Völkerhirt,
Der nie für sich, der stets für die Welt gedacht:
    Wenn du geruht auf trägem Polster
        Würde der Pöbel vielleicht dich preisen.

Regier in Frieden, rieten die Menschen dir,
Ein Rat, wie wenn am Morgen des ersten Tags
    Das Nichts dem Schöpfer raten wollte:
        Schlaf und erschaffe die Welt doch ja nicht!

Es haßten dich die Völker, es haßte dich
Wer herrscht im Volk, die Könige haßten dich:
    O nicht der Völker, doch mit Recht wohl
        Hast du der Könige Haß verschuldet.

O sprich, von wem verblendet, von wem betäubt
Verstand so schlecht dein glühendes Herz die Welt?
    Du wolltest, ja, du wolltest Freiheit
        Deiner eroberten Erde schenken!

Dich, den die Zeit so schnöde Tyrann gehöhnt,
Dich rühmt der Dichter einen Tyrannenfeind,
    Du bist ihm seines Lieds Harmodius,
        Seines Gesanges Aristogiton!

Du ein Tyrann? Du waltetest selbst so frei,
Und frei geworden wäre die Welt durch dich:
    Frei sind Despoten nie, sie frönen
        Listigen Räten und Buhlerinnen.

Du ein Tyrann? Du, welcher vernichtete
Was in Europa drohte mit altem Zwang!
    Du stürmtest Englands Inselhochmut,
        Und das sarmatische Teufelsbollwerk.

Bluthund und Wütrich schalten sie dich, doch wärst
Du's je geworden, hätten sie's nie gesagt!
    Nie fiel durch dich ein Held, wie Ney war,
        Auf dem Schafott, noch ein Held wie Riego.

Wärst du Tyrann gewesen, du wärst es noch:
Die kleinen Feinde, die in die Ferse dich
    Gestochen, hättest längst zermalmt du,
        Ihre Gebeine zerstreut als Asche.

Du warst Tyrann, du schienst es der Welt fürwahr!
Sie mußte folgen jedem Gedankenblitz,
    Der aus der kühnen Jovisstirn dir
        Göttlich und waffengeziert hervorsprang.

Es herrscht der Geist, auch wider den eignen Wunsch:
Da gilt es kein Gewinsel um Menschenblut,
    Wenn eine freie Heldenseele
        Riesengedanken ans Licht der Welt bringt.

Nun seufzt nach dir der Grieche, der Pole seufzt,
- Bald trägt die Welt dasselbige Joch, wie er -
    Ganz Spanien winselt laut, die Deutschen
        Flehen zurücke den Tag von Tilsit.

Weissagen laß dir baldigen Untergang
Der Staaten Abfaum! Als der Gewalt'ge dich
    Zerstörte, hat er aus der Bosheit
        Giftigem Rachen den Zahn gebrochen.

Du Pest Europas! Jener gekrönte Witz
Ging dir den Weg zur Hölle so schön voran!
    Herzlos und kalt war er, die Staatskunst,
        Die er dich lehrete, kalt und herzlos!

Ihr sagt, er teilte Polen? Er teilte mehr,
Er teilte Deutschland. Herrliches Austrien,
    Du fester Eichstamm, um dich her schlingt
        Zehrende Ranken ein böser Efeu!

Vergaßest du Maria Theresien?
Theresien? O Himmel, noch mehr als sie
    Vergaßest du, da tief in Schmach du
        Deine Maria Luise stürztest!

O Nacht des Ruhms - Jahrhunderte freuten sich,
Dir längst entgegen! - als das erlauchte Bett
    Bestieg die blonde Tochter Habsburgs
        Mit dem unsterblichen Sohn der Freiheit!

O König Roms, der einst der erlösten Welt
Vorleuchten sollte, funkelnder Morgenstern!
    Die Waffen deines Ältervaters
        Lullten dir schreckliche Wiegenlieder!

Da brannte Moskau, widernatürlich warf
Ins eigne Haus die Fackel das schnöde Volk!
    Eisfelder starrten dir entgegen,
        Ja, da besiegte den Geist die Schneekraft.

Zum letztenmal noch ehrte die falsche Zeit
Des Triumphators heiliges Lorbeerhaupt,
    Da er, an milder Küste landend,
        Als ein Umjubelter flog durch Frankreich!

O schnöder Wechsel! Erde, wo ist dein Held?
Wo peitscht ihn hin das Ruder? Der weiße Schaum
    Einsamer Brandung netzt die Ferse
        Mitten im brausenden Ozean ihm!

Und nächtlich hört man über dem Uferfels
Hohlstimmig schrein die gräßliche Nemesis:
    Dein letzter Atemzug, o Heros,
        Werde der Sterbemoment der Freiheit!

Doch mildre Stimmen tönen ein mildres Lied,
Sei's, daß das Meer verborgene Nymphen hegt,
    Wie alte Völker fabeln, oder
        Ist es die leise Musik des Wassers?

Sie locken oft den Schiffer der wilden Bucht
Mit süßer Wehmut Klagegetön heran:
    O kommt mit uns, und wandelt schweigend
        Über dem Grabe der wüsten Insel!

Europa stand nicht neben dem Katafalk,
Der deine Leiche trug, die Gestirne nur
    Entloderten als Kandelaber,
        Während wie Waffen erklang das Weltmeer.

Wenn du die Rätsel deines Berufs erkannt,
Du wärst des Lobs nie sterbender Dichter wert:
    Du wärest ihres Lieds Harmodius,
        Ihres Gesanges Aristogiton.

 


 


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