Adolf Pichler
Der Flüchtling
Adolf Pichler

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Zu Schwaz waren alle Wirtshäuser voll, überall Jauchzen und Becherklang, durch die Gassen taumelten trunkene Rekruten, oder tänzelten und schnalzten, während ihnen das Weinen nahe war und zeitweilig vorbrechend wieder ausgelassener Lustigkeit wich. Das dichteste Gedränge wogte vor dem Landgericht auf und ab, wo etliche Gendarmen nur mit Mühe die Ordnung aufrecht erhielten.

»Jetzt spielen die Schwazer!« drang der Ruf über die Treppe hinunter.

»Wen hat's getroffen?« erscholl die laute Frage; verworrene Stimmen nannten verschiedene Namen.

»Jetzt die Jenbacher!« Neue Bewegung unter den aufgestauten Massen. Da fuhren die Achentaler vor. Der Gemeindevorsteher stieg ab und wurde mit seinen Burschen von einem Gendarmen über die Stiege in den Saal geleitet. Dieser war durch eine Barre in zwei Räume geteilt. Im kleineren befand sich ein leerer Tisch mit einer Urne darauf. Hinter diesem thronte in blauer Uniform der Landrichter mit zwei Gendarmen, nach Laune den Bauern grobe Schimpfwörter entgegenschleudernd, wie es die Vasallen Napoleons von dessen Schergen schnell gelernt hatten. Am schmalen Ende rechts saß ein Schreiber mit dem Protokolle, links verlas der Vorsteher jener Gemeinde, welche die Reihe traf, die Namen der Burschen, diese traten einer nach dem andern mit Armesündergesichtern vor und griffen in den verhängnisvollen Topf: stürmischer Jubel, wenn eine hohe Zahl gezogen wurde, meist lautes Jammergeheul im entgegengesetzten Falle.

Der Gemeindevorsteher von Achental trat an die Schranke, der Landrichter warf ihm einen verächtlichen Blick zu: »Kerl soll warten.«

»Das waren wir früher nicht gewohnt!« flüsterte dieser dem Vorsteher einer benachbarten Gemeinde zu; der Landrichter hatte es gehört. Wütend schrie er: »Was, ihr Hunde, räsonieren? Ich will euch dressieren, ihr bigotten Canaillen; das sind die Pfaffen, die euch gegen die Obrigkeit aufwiegeln, man wird aber diesen Kujons die Krallen stutzen.«

Die Männer hielten seine wütenden Blicke ruhig aus, dunkle Röte flog über ihr Gesicht, keiner erwiderte.

Endlich kam die Reihe an die Achentaler. Das Los traf unter anderen den jungen Angerer, Tränen schwammen in seinen Augen, die Träume einer schönen Zukunft versanken schonungslos. Von den Burschen, die an die Urne traten, verfielen zwölf dem Regimente, zehn derselben können Sie auf der Holzpyramide im Friedhof rechts an der Wand lesen; keiner sah die Heimat wieder, sie gingen 1812 schmählich zugrunde. Die Achentaler verließen den Saal, unten an der Treppe stand Klaus, der sich bei der Ziehung für Schwaz freigespielt hatte. Er musterte mit scharfem Auge den Zug. »Hat es dich getroffen?« redete er den Sixten Anderl an, der leichenblaß neben seinem Vater herging.

»Ja freilich!« erwiderte dieser weinend. »Ich ließ' es mich wohl was kosten, wenn ich den Buben freibrächte.«

»Schau dir um einen Einstandsmann!«

»Wo? Jetzt gibt es bald wieder Krieg, wer verkauft da sein Leben?«

»Was tät'st geben?«

»Tausendfünfhundert Gulden auf der Stelle!«

»Dafür kriegt man ein kleines Gütl im Achental. Das Geld her, ich geh'!«

Sixt maß ihn wie einen Halbverrückten mit großen Augen.

»Das Geld her! ich geh'!« rief Klaus noch einmal.

»Wenn das ist,« sprach der alte Sixt freudig, »so lassen wir uns beim Mohrenwirt eine leere Stube aufsperren und machen den Handel ab!«

»Gut! Der Anderl muß aber noch eine Bedingung erfüllen.«

»Durchs Feuer geh' ich dir!« rief der junge Bursch!

»Brauchst dich nicht zu verbrennen. Du gibst Nidingers Wallburg einen Brief, den ich dir durch die Botin schick', aber heimlich. Willst du?«

»Zehn, nicht bloß einen!« antwortete Anderl.

Sie gingen in das Wirtshaus.

* * *

Am Allerseelentag schmückte Wallburg die Gräber ihrer früh verstorbenen Mutter und Geschwister mit einfachen Laubgewinden und Kränzen. »Hast ein trauriges Geschäft,« unterbrach sie Anderl, der sie eine Zeitlang beobachtet hatte, »aber ich will dir eine Freud' machen und gewiß keine kleine.« Er schaute sich sorgfältig um, ob niemand in der Nähe sei, und überreichte ihr den Brief von Klaus. Sie ließ die Schürze mit den Blumen fallen, griff hastig danach und erbrach das Siegel.

»Mein herzliebes Madel!

Wie es mir im Achental ergangen ist, kannst Dir leicht vorstellen, denn Dein Vater wird Dir wohl alles gesagt haben. Wenn er etwa über mich geschimpft hat, was ich ihm nicht zutrau', denn er ist sonst ehrlich, so hat er gewiß nicht recht getan. Was Du derweil getan haben wirst, weiß ich wohl selber, es ist Dir auch so herzschlachtig gewesen wie mir. Ich hab' mir zuerst um ein Dienstl g'schaut und ist recht gut gangen, daß ich bereits einige Gröscheln zurücklegen konnte. Das ergibt aber nicht viel. Dann ist das Spielen auskommen und es hat mich nicht getroffen, wär' mir aber fast gleich gewesen; denn du bist doch nur ein armseliges Knechtl und kriegst das Burgele nicht, hab' ich mir denkt. Nachher ist mir aber etwas eingefallen, wenn mir's nicht etwa gar die Mutter Gottes eingegeben hat. Der Sixt und sein Bub' haben zusammen geweint auf der Stiegen, weil er schlecht zogen hat und der Alte gäb' wohl etwas für einen Einständler. Ich hab' eingeschlagen und tausendfünfhundert Gulden gekriegt. Und ist mein Gedanken g'wesen, dafür kaufst, wenn du ausdient hast, ein Gütl und heiratest das Burgele, denn Dein Wille steht gewiß auch aufs Treubleiben. Es wird jetzt Krieg und weiß nicht, was geschehen kann, aber wir müssen halt ein festes Vertrauen zu den armen Seelen und den vierzehn Nothelfern haben. Dann wird es schon werden. Freilich könnt' ich zu einem Krüppel geschossen werden. Aber das nimmst nicht übel, denn ich hab' Dich, wenn ich auch dann nicht mehr schön und stark bin, mit meinem Blut gekauft. Bin ich tot, so werd' ich im Himmel warten, bis Du nachkommst, und Gott Vater hat gewiß nichts dagegen, wenn wir uns droben als rechtschaffene Liebhaber gern haben. So ist's und jetzt weißt alles. Ich bin zu Innsbruck schon in die Kasern eingeruckt und einen blauen Kittel haben sie mir auch schon angelegt, Freud' macht es mir just keine, aber ich trag' es Dir zulieb. Die andern weinen noch immer und sind Buben aus dem ganzen Land beieinander.

Wenn Du meinst, so gib diesen Brief Deinem Vater, er soll ihn lesen, damit er sieht, daß ich kein schlechter Kerl bin und nichts heimlich hinter seinem Rücken will.

Das Geld werd' ich fest hinterlegen und ein Testament dazu, daß Du es kriegst, wenn ich tot bin.

Abmarschieren tun wir morgen nach München, wo wir exerzieren sollen.

Bet für mich und denk zu Weihnachten, wenn Du den Zelten anschneidest, an mich; wir können es nicht miteinander tun, wie es der Brauch ist.

Also behüt' Dich Gott!

Dein aufrichtig treuer Nicolaus Mayr,
bayrischer Soldat.«             

»Vergelt dir's Gott,« sagte Wallburg zu Anderl, »jetzt weiß ich, wie ich darin bin, und ist alles recht.«

Von diesem Tage an kehrte die alte Fröhlichkeit in ihr Herz zurück, sie fand sich wieder bei Tanz und Kirchweih ein, wenn sie auch jede Bewerbung ablehnte. Er war ihr ja treu! Dies genügte ihr, dem Vater gegenüber schwieg sie, nicht aus Furcht oder weil sie etwas verheimlichen wollte, sondern in der Überzeugung, daß bei ihm ebensowenig etwas zu ändern sei, als bei ihr.

Zu Weihnachten überreichte der Korporal unserem Klaus ein Kistchen; ein Tiroler habe es für ihn der Wache übergeben. Er setzte sich aufs Bett und sprengte den Deckel. Da duftete ihm ein Zelten entgegen; auf der braunen Kruste von Teig, welche getrocknete Birnen, Nüsse, Weinbeeren und Zibeben einschloß, waren zwei Herzen eingedrückt. Ehe er ihn anschnitt, küßte er vor Freuden diesen Brief seiner Wallburg. Dann zog er das Messer, allein die Klinge stieß auf etwas Hartes, er brach den Laib auseinander, ein alter Leopoldtaler rollte auf seinen Schoß. »Du lieber Gott,« dachte er, »schickt mir Burgele gar vom Schatzgeld, das sie bei der Taufe oder Firmung geschenkt erhielt.« Den Taler wickelte er sorgfältig in Papier; eher, als dafür etwas gekauft, hätte er Stroh gegessen!

* * *

Der Frühlingssturm von 1809 brauste über das Land: welch ein Jubel, als die französischen Adler aus diesen Tälern flohen! Bald jedoch sollte der Gegenschlag folgen. Von allen Seiten rückten an die Pässe Tirols die feindlichen Scharen, mit einem unwiderstehlichen Stoße drang der Herzog von Danzig und Wrede durch das Unterinntal vor. Klaus diente unter diesem in einem Bataillon leichter Jäger. Tapfer kämpfte er bei Wörgl gegen die Österreicher und hatte sogar Aussicht auf eine Medaille; als er aber den Tirolerschützen bei Kropfsberg gegenübertrat, zitterte sein Arm und irrte die Kugel, obwohl man ihm gelehrt hatte, seine Landsleute als nichtsnutzige Rebellen zu betrachten.

Unwillig sah er zu, wie elf derselben an die Eschen vor der Zillerbrücke gehängt wurden; beim Mordbrande von Schwaz rief er aus: »Wenn es einen Gott im Himmel gibt, so muß er diese Unmenschlichkeit strafen.« Die Kameraden verhöhnten ihn. Da begann seine Überzeugung zu wanken, er wußte nimmer, wo Recht sei, wo Unrecht, und beschloß einen Geistlichen um Rat zu bitten. Es war der Pater Augustin, ein versprengter Mönch von Ficht; wohlwollend nahm er ihn auf und begann, nachdem er sorgfältig umgeschaut, zu fragen: »Was meinst du, warst du zuerst ein Tiroler oder ein Soldat?«

»Ein Tiroler!«

»Gab es ein Tirol eher als einen Napoleon?«

»Freilich!«

»Gilt ein Volk mehr als ein fremder Würgengel?«

Klaus stutzte, nach einigem Besinnen sagte er: »Ja!«

»Kann man die Pflichten gegen sein Volk abschwören, wenn man diesem zugehört?«

»Nein!«

»Nun, dann weißt du, was du als Tiroler zu tun hast! Überdies bist du nicht bloß ein Tiroler, sondern auch ein Katholik. Da solltest du wissen, daß der Papst Napoleon und seinen Anhang verflucht hat; willst du an diesem Fluche teil haben und in die Hölle fahren?«

»Mögen mich die armen Seelen davor bewahren!«

»Nun weißt du auch, was du als Katholik zu tun hast. Wenn dich noch ein Zweifel plagt, so schau hinaus auf die rauchenden Trümmer von Schwaz und erinnere dich an all die scheußlichen Greuel und Todsünden, von denen du Zeuge warst.«

Klaus erhob den Blick. »Macht ein Kreuz über mich, ich hab' genug!«

Der Geistliche segnete ihn und schenkte ihm ein geweihtes Skapulier.

Als er zu seiner Kompagnie zurückgekehrt war, erzählte er den Tirolern in derselben, was er gesehen und gehört, mit dem vollsten Tone der Überzeugung. Er dachte an keinen Lauscher; die Bayern waren jedoch mißtrauisch, einer hatte dem Gespräche zugehört und berichtete dem Hauptmann. Der schöpfte Verdacht, als wolle Klaus die Kameraden zum Treubruch verführen, und befahl ihn festzunehmen. Glücklicherweise befand sich dieser gerade nicht auf dem Platze; ein Tiroler konnte ihn warnen, er lehnte das Gewehr an die Mauer, warf den Tornister weg und entrann in rascher Flucht über das Vomperfeld in den Wald, wo ihn der anbrechende Abend vor Verfolgung schützte.

Am nächsten Morgen legte ein altes Weiblein dem Hauptmann ein Bündel zu Füßen.

»Das schickt Euch der Klaus, es ist die ganze Montur drein vom Stiefel bis zur Kappe, damit Ihr ihn nicht für einen Dieb haltet.«

Sie wollte gehen.

Der Hauptmann befahl ihr, zu sagen, wo der Deserteur stecke.

»Das weiß ich nicht,« erwiderte sie unwillig, »und wüßte ich's auch, würd' ich's Euch nicht auf die Nase binden!«

»Packt sie!« befahl er den Soldaten.

»Habt Ihr Schneid' auf ein altes Weiblein?« rief sie spöttisch, »Ihr werdet sie vielleicht recht bald gegen die Schützen brauchen!«

Der Offizier kehrte ihr beschämt den Rücken und ließ sie laufen.

* * *

Über das Achental sollte ein Bataillon Franzosen mit zwei Kompagnien bayerischer Jäger vorrücken – unter letzteren Angerers Naz. Am Paß hinter der Glashütte, die dazumal noch von einer Mauer quer über die Straße gesperrt war, erwartete sie der tapfere Schützenmajor Anton Aschbacher, Zolleinnehmer am See; früher in Österreichs Diensten, hatte er dem Hause Lothringen die Treue bewahrt und, einer der ersten, sich an die Spitze des Landsturmes gestellt. Scholastika, seine Nichte, kann noch die Medaille an der goldenen Kette zeigen, mit welcher der Kaiser später seine Dienste belohnte, auch Briefe und Zeugnisse besitzt sie von ihm. Porträt ist leider keines vorhanden; er starb 1812 im Spital zu Langres am Nervenfieber. Das Porträt seines Vaters, dem er sehr ähnlich gewesen sein soll, hängt im Schlafzimmer der Wirtin. Er war ein Ehrenmann, das kann noch ganz Achental bestätigen, beim Seelenamte für ihn haben viele Leute geweint. Aus Frankreich ist gar nichts zurückgekommen, nicht einmal seine Tabaksdose, man kennt ja die unselige Wirtschaft jener Zeit! Der Aschbacher stand also an der Grenze, zu seinen Schützen hatte sich Klaus gesellt. Die Franzosen zappelten bis Nachmittag vor dem Passe und verloren durch die Kugeln der Tiroler viele Leute; sie wären auch gar nicht hereingekommen, da wußte aber Naz, in dem bereits der militärische Korpsdusel rappelte, einen Steig, der von Kreuth über den Schiltenstein zum Hagen in den Rücken der Tiroler führte.

Das Gebirge ist hier überhaupt schwer zu verteidigen, Felsenwände hindern nicht den Zugang und die Höhen sind heimlich gar leicht zu ersteigen. Einige Achentaler beobachteten freilich die Wälder vor dem Mamos, schossen auch einen französischen Offizier und einen Soldaten zusammen, den Naz erkannten sie zu spät, sonst hätt' er Reu' und Leid machen können! – aber sie mußten vor der Übermacht davonlaufen und konnten dem Anton gerade noch rechtzeitig Bericht erstatten, daß er nicht abgeschnitten wurde. Wie eine schlammige Mur ergossen sich die Franzosen in das Tal, Weiber und Mädchen hatten sich mit den besten Sachen auf die Almen geflüchtet, nur alte Männer waren zurückgeblieben, um von den Häusern das Ärgste abzuwenden. Gesindel gibt es jedoch überall, auch im Achental, und so gesellten sich zu den Franzosen bald solche, die ihnen gegen das Versprechen eines Anteiles die reichsten Güter, wo etwas zu stehlen oder zu erpressen war, zeigten. Es läßt sich nicht beschreiben, wie sie die Leute marterten, an den Wehrlosen wollten sie die tapfere Verteidigung des Tales rächen.

Klaus hatte, wie er an den Paß eilte, nicht mehr Zeit gehabt, beim Nidinger nachzuschauen, jetzt vor Abend schlich er durch den dichten Wald zum Stadel vor, um zu spähen. Schon von weitem hörte er ein jämmerliches Geschrei. Dem Zaun nach kroch er auf allen Vieren zur Hintertür. Sie war offen. Er eilte, den Stutzen gespannt, zur Stube. Sie war leer, doch lehnten vor der Bank sechs französische Gewehre. Vorsichtig guckte er durch das Fenster. Drei Soldaten hielten den alten Nidinger auf dem Boden, einer kniete ihm auf der Brust, ein anderer hielt ihn mit der Linken beim Haar, mit dem Bajonett in der Rechten versuchte er ihm das Gebiß aufzubrechen, damit ihm der sechste Mistjauche in den Hals gießen könne. So wollten sie ihn zwingen, sein verstecktes Geld auszuliefern. Klaus hätte mit den Gewehren alle sechs erschießen können, da wäre aber der große Haufe dahergestürmt; er wußte eine bessere Waffe. Hinten im Gange lag der Stampfel, das ist ein schweres Eisen, mit dem man in den Boden Löcher stößt, um die Bohnenstangen einzustecken. Diesen ergriff er, ein Sprung, jeder Schlag ein Tod, die Franzosen hatten gar nicht einmal Zeit aufzustehen. Er lehnte sich veratmend auf die Keule, langsam erhob sich der alte Nidinger und starrte den unverhofften Retter an. »Der Mann tut selbst!« sagte Klaus ernst zu ihm, »doch jetzt ist zu derlei nicht Zeit.« Er ließ das Eisen fallen, riß die Bretter von der Mistgrube und schob mit dem Fuß die Franzosen hinein, einen nach dem andern, Mist zu Miste. Darauf wendete er sich zum Alten: »Wirf Kalk darauf und schlag das Luck gut zu, die reden nimmer, jetzt bist sicher. Vorher haben wir aber schnell etwas anderes abzutun, gehen wir in die Stube.«

Dort zog Klaus einen kleinen Beutel aus der Brusttasche.

»Ich übergeb' dir hier tausendfünfhundert Gulden in Gold als mein Einstandsgeld, dazu hundertneununddreißig. die ich nach und nach erspart. Das Sauregger Gütl ist feil, es kostet zweitausend Gulden, kauf es für mich vorläufig auf deinen Namen; was über mein Geld ist, bleibst derweil schuldig.«

»Ich streck' dir's indes vor. Es trifft ohnehin auf Burgele einmal um etliche Hundert Gulden mehr.«

»Willst du das Geld zählen?«

»Gescheiter ist es, geschieht mir und dir kein Unrecht.«

Sie setzten sich nieder, die Summe war richtig.

»Burgele ist auf der Dalfazzer Alm?«

»Ja!«

»Behüt' dich Gott!«

»Vergelt' dir's Gott!«

Klaus eilte nach dieser trockenen Auseinandersetzung rasch davon; immer dem Waldsaume folgend schlich er am Fuße des Unutz den See entlang, zu den Schützen ober dem Einfang, wo jetzt ein Haus auf dem Vorsprung den See überschaut. Diese hatten sich hier, wo die Straße zwischen dem Wasser und den Wänden hinläuft, gesammelt. Hinter der Brücke, welche von einem Felsenvorsprunge zum andern leitet, jetzt aber bis auf einige Balken abgetragen war, sperrte ein kleiner Festungsturm den Weg. Dort bin ich geboren, jetzt ist freilich nichts mehr davon übrig als ein viereckiger Stein, den man als Andenken neben die Straße legte. Als nämlich Tirol wieder kaiserlich wurde, kauften die Kohlenbauern, denen die Durchfahrt sehr beschwerlich war, einen Zentner Pulver und sprengten den Turm in die Luft. Damals stand er noch; am Felsen hängt ganz unbeachtet ein Holztäfelchen zur Erinnerung an den Wopfner Jörg, der hier in das Wasser fiel und ertrank. Auf dieser Tafel können Sie noch eine Abbildung desselben sehen.

Im Stäbchen des oberen Stockes saß Anton Aschbacher, er konnte von hier alle Bewegungen des Feindes gut überblicken und seine Befehle erteilen. Da erhellte plötzlich ein roter Schein den engen Raum, er sprang zum Fenster und mußte sehen, wie sein Haus am Zoll aufloderte, die Franzosen hatten es aus Rache angezündet. Schweigend stieg er die Treppe hinunter und trat zu den Schützen. »Zwölf von euch,« rief er, »die am besten mit den Stutzen hantieren und Lust zu einem Streich gegen die Mordbrenner haben, sollen mich begleiten.« Alsogleich sammelte sich eine auserlesene Schar, Klaus darunter. Anton führte sie oben durch den Wald und ließ den feindlichen Vorposten ganz unbehelligt auf der Straße stehen. Sehen Sie dort die abgebrochene Lärche, einen Büchsenschuß vor uns? Dort ließ er Halt machen; er sah den Franzosen, die wie die Teufel um den Brand tanzten, einen Augenblick zu, dann verteilte er die Schützen, klatschte in die Hände und zwölf Feinde zappelten auf dem Boden, wie Fische, die man auf den Sand wirft. Nun wirbelte die Lärmtrommel; noch einmal ließ er laden und feuern, dann zog er sich zurück.

Schon in aller Frühe befahl General Martineau den Franzosen den Sturm; dort in der Wiese des Einfangs stellte er seine zwei Kanonen auf. Aber die Schützen ließen sich nicht irre machen, sondern zielten ruhig wie auf dem Schießstande, so daß Straße und Anger bald wie ein Leinfeld blau blühte. Vorwärts ging es nicht, man mußte also zurück. Da ließ der General das aus dicken Bohlen gezimmerte große Frachtschiff aus der Hütte ziehen, eine Kanone und die erfahrensten Jäger darauf stellen, um über den See zu fahren und so die Schützen auf der Seite zu packen. Die schauten erst verwundert drein, als das Schiff langsam und schwerfällig daherkam, bald jedoch begriffen sie, was gemeint war, und zerstreuten sich schleunig an den Felsen, so daß nur etliche zwanzig, teils auf dem Boden liegend, teils hinter die Pfeiler geduckt, zurückblieben. Als die Franzosen sich auf Schußweite näherten, ließen sie es krachen, wobei sie natürlich die Ruderer faßten. Es entstand eine solche Verwirrung, daß das Schiff zu tanzen begann. Die Feinde schossen zwar die Kanone los, allein die Kugel schlug hoch oben in die Felsen, daß die Tiroler laut auflachten. Mittlerweile fing auch der Wind an zu blasen, er trieb das Schiff dort im Winkel an und die Franzosen hatten die größte Mühe, über das Geschröf zu klettern und die Kanone wieder auf das Land zu bringen. Der General fluchte, daß die Sterne hätten herabfallen mögen, aber was nützte es? Er wäre wahrscheinlich mit Schimpf und Schande abgefahren, hätte nicht der Hauptmann den Naz zu ihm geführt, der sich erbot, die Feinde auf die Kögelalm zu führen, von wo sie in breiten Scharen gegen das Niederleger der Kothalm, das bereits hoch oben im Rücken des Turmes liegt, vordringen könnten. Um die Aufmerksamkeit der Schützen abzulenken, beschäftigte sie Martineau durch leeres Geplänkel. Da begann es plötzlich von der Höhe zu krachen. Anton hatte allerdings den Klaus als Feldwebel mit vierzig Mann hinaufgeschickt, aber diese Zahl war viel zu klein, um alles zu decken, und der Turm mußte ja auch gegen die Hauptmacht besetzt bleiben. Klaus hat seine Schuldigkeit ehrlich getan, noch lange sah man von einer Felsenwand einen toten Franzosen herabhängen, den er beim Handgemenge in die Tiefe geschleudert. Der Naz hielt sich hübsch hinter den Stauden, Klaus erblickte ihn, hatte sich aber bereits verschossen. Wütend hob er einen schweren Stein auf, denn er wußte schon, daß er versucht hatte, ihm bei Burgele über den Zaun zu steigen, er warf mit aller Anstrengung und traf ihn an der Schulter, daß der Arm aus dem Gelenke ging. »So, du Hund,« schrie er noch, »jetzt hast du ein Trinkgeld für deinen Verrat.« Dann rannte auch er davon.

So ging der Paß verloren.

Sie fragen, was Wallburg unterdes tat. Die war auf Dalfazz und schaute von einem Felsen dem Gefechte zu; bittere Tränen hätte sie weinen mögen, als sie sah, was es für ein Ende nahm. Von Klaus hatte sie noch keine Nachricht; so sehr er es gewünscht, konnte er sie nicht aufsuchen. Er entrann mit Aschbacher und den besten Schützen in die Riß, wo sie sich aufhielten, bis die Schlacht am Bergisel geschlagen wurde und der Herzog von Danzig die Flucht ergriff. Da stellten sie sich – das kleine Häuflein! – bei Tratzberg der ganzen französischen Armee auf dem Rückzug entgegen; sie wurden freilich auf die Seite geworfen, schossen jedoch von den Felsen, auf die man sie versprengte, noch manchen Rothösler zusammen. Dort haben es die Tiroler versäumt: wäre der Landsturm losgebrochen und hätte sich an Aschbachers Seite gestellt, die Franzosen wären zugrunde gegangen mit Mann und Maus.

Was das Gewitter von 1809 für einen schrecklichen Verlauf und traurigen Ausgang genommen, wissen Sie so gut als irgend jemand. Klaus hat bei allen Schlachten redlich mitgeholfen und oft davon erzählt. Das steht aber auch in Büchern noch viel ausführlicher und genauer. Das letzte Mal war er am zweiten November beim Handkuß, wo der versoffene Firler bei Kranewitten alles verspielte. Ober Büchsenhausen steht das Sprengerkreuz auf dem Bühel, nachts zündet man immer eine Lampe zu seinen Füßen an, dort fielen die letzten Schüsse. Die Franzosen, die unterdes was gelernt, drangen zerstreut rasch durch das Gebüsch vor und vertrieben die Schützen. Klaus hatte gar nicht Zeit, seinen Stutzen noch einmal zu laden; als er sah, daß nichts mehr zu gewinnen sei, lief er bergauf bis zum Steinbruch. Nun war aber guter Rat teuer, wohin und wo aus? Erwischte man ihn, so kriegte er eine Pille, und zwar keine vergoldete. Alle Wege waren von den Franzosen abgeschnitten, er kletterte daher zur Frauhitt empor, fest entschlossen, eher in der Wildnis zu verderben, als sich wie ein Stier abschlachten zu lassen. Drüben im Gleirschtale fand er eine Schäferhütte, freilich war der Hirt längst abgezogen; er trug Moos zusammen und übernachtete dort. Tags darauf schlug er sich durch Karwendl über Laliders und das Plumferjoch in die Pertisau, wagte jedoch aus Furcht, verraten zu werden, in keinem Hause einzukehren. Seine Kost waren etliche Brosamen, die er aus den Falten des Schnappsackes zusammenklaubte, und überreife Mehlbeeren, welche die Amseln nicht verzehrt hatten. Als es dunkel geworden, schlich er an das Ufer des Sees und löste dort ein Schiff ab. Obwohl der Wind stark zu brausen anfing und das Wasser gar unheimlich im Dunkel rauschte, stieg er doch ein und fuhr bis zum Zoll, wo er das Schiff an das Ufer zog und rasch über die Straße in den Wald eilte. Vorsicht zwang ihn, den offenen Weg, wo vielleicht eine Patrouille streifte, zu meiden, er wagte sich gar nicht einmal in den Friedhof, so gern er seinen besten Freunden in der Not, den armen Seelen, ein Vaterunser gebetet hätte. So gelangte er von Baum zu Baum vor Nidingers Haus. Er legte das Ohr an die Tür, nichts regte sich. An der hinteren Mauer hing eine kleine Leiter, er holte sie und lehnte sie, nachdem er vorher Stutzen und Schnappsack unter der Bank verborgen und die schweren Schuhe abgezogen, an das Gelände des Söllers. Rasch stieg er empor und lauschte wieder am Fenster Wallburgs; es war nur von einem Vorhange, der sich leise im Winde regte, verschlossen, er hörte die ruhigen Atemzüge der Schlummernden. »Burgl!« rief er – sie regte sich. »Burgl!« Langsam fuhr sie mit der Hand über Stirn und Augen und richtete sich auf, ungewiß, ob sie ein Traum täusche oder wirklich jemand sie anredete. »Burgl!« Er war's, sie stürzte aus dem Bett an das Fenster, ein inniger Kuß verschmolz die Langgetrennten. Er flüsterte: »Weck den Vater, Burgele! wir haben noch gar viel miteinander auszumachen.« Das Mädchen holte den Alten. Er sperrte die Tür des Söllers auf und begrüßte den Eintretenden mit einem Händedruck. Ohne ein Wort zu reden, schlichen sie in die hinterste Kammer, wo Nidinger Licht schlug; endlich kam auch Wallburg verschämt dahergeschlichen. Klaus sah sie lächelnd an.

»Setz dich nur neben ihn,« sprach Nidinger, »ihr gehört jetzt doch zusammen.«

»Burgele,« sagte Klaus, »eh' wir reden, schaust doch nach, daß ich etwas zu essen krieg', es ist fast nimmer auszuhalten vor Hunger.«

Das Mädchen eilte mit einem glimmenden Span in die Küche und brachte auf einer großen Holzschüssel Butter, Brot, Käse und Selchfleisch, während der Alte eine großbäuchige mit Stroh umwundene Flasche Kirschengeist herbeischleppte.

Klaus schlug mit beiden Händen drein wie mit Dreschflegeln, und erst als er seinem Magen genug getan, begann er, die Schüssel auf die Seite schiebend, zu erzählen, was alles geschehen sei und wie es stehe. »Aus dem Landl kann ich jetzt freilich nicht fortschlüpfen und bei euch nicht bleiben, sonst fangen sie mich ab. Aber ich habe schon einen Entschluß gefaßt, dazu müßt ihr mir helfen.«

»Gern, wenn es etwas Gescheites ist,« sagte Nidinger, »verdankt sonst der Sohn das Leben dem Vater, so verdank' ich es dir, und du hast mich von jenen sechs« – er wies durch das Fenster auf die Mordstätte – »zum Vater gekauft, und das Diendl gehört jetzt ohnedem dein, weil du's erhalten kannst.«

Wallburg sah Klaus mit einem innigen, dankbaren Blick an.

»Das ist alles recht,« erwiderte dieser, »gehört sich auch nicht anders, jetzt aber merk auf. Bist einmal beim Unutz durch die Runse gestiegen? Beim Wildern hab' ich dort ein Plätzchen ausgespürt, – noch hält das Wetter einige Tage, ich bau' mir eine Hütte und überwintere; fein wird es gerade nicht sein, aber in Gottes Namen! Apert der Schnee, so entrinn' ich über das Pinzgau ins Österreich!«

»Ja, wie willst du es mit der Heirat halten?« fragte Nidinger.

»Heiraten will ich das Burgele; mit Tirol, so gern ich es hab' und so ungern ich ihm den Rücken kehr', bin ich nicht verlobt. Der Aschbacher Toni hat mir ein prächtiges Zeugnis ausgestellt, wo alle meine Geschichten aufgeschrieben sind, da wird wohl der Kaiser Franz, für den ich so viel gewagt, mir ein Brodl geben. Ein paar Jährlein wartet das Burgele noch, derweil erspar' ich wieder etwas und dann führst du mir sie zu, denn selber holen darf ich's nicht, weißt schon!«

»Wenn's so ist, kann ich nicht einreden, aber mit deiner Einsiedelei im Wald – das will mir noch nicht recht in den Kopf.«

»Kennst den Berg nicht so gut wie ich, da klettert kein Bayer hinauf. Noch heut' gibst mir Säge, Stemmeisen, Nägel und Richtbeil mit, Burgele steckt mir etwas in den Schnappsack und morgen wird gearbeitet, daß die Späne fliegen. Mit dem Essen, da hab' ich den Stutzen und hol' mir wie früher hie und da ein Gemserl. Alle Samstag' steig' ich nachts zum Schafbachl« – dort steht jetzt das Kreuz, welches Klaus später errichtete – »da kommst mit dem Diendl und ihr bringt mir ein bißchen Schmalz und Mehl, oder, wenn ich es brauch', Pulver. Schreib alles auf, damit wir dann gegenseitig abrechnen können. Übrigens reden wir das alles noch aus.«

»Wenn es dich einschneit!«

»Da heißt es: Vogel friß oder stirb! Mit dem ›Wennen‹ ist mir nicht geholfen.«

»Sie könnten dich aber erwischen!«

»Die armen Seelen verlassen uns nicht, gelt, Diendl?«

Wallburg nickte zustimmend.

»Teufel! ist das nicht der erste Kraht?« rief Klaus horchend.

Der Hahn krähte noch einmal, er sprang auf. Der Alte ging mit ihm in die Kammer, wo die Werkzeuge lagen, die der Landmann zu seinem schlichten Geschäft bedarf. Wallburg leuchtete, Klaus suchte aus, was ihm brauchbar schien, und warf es in die Kraxe. Als er fertig war, hängte er sie an dem Weidengurt über die Achsel und schlich zur Küche. Dort legte ihm das Mädchen noch einen Laib Käs, Brot, Mehl, Salz und Schmalz hinein. Mit einem leisen B'hüt Gott! trat er vor die Tür, deckte die Kraxe mit dem leeren Schnappsack zu, ergriff den Stutzen und schlich über den Bach zum Knüppelweg, der nach Steinberg führt. Der Mond brach klar aus den Wolken, als er das Schafbachl erreichte, das unter der Schlucht, wo er sich ansiedeln wollte, entsprang. Etwa tausend Schritte einwärts tief im Wald lag eine Hütte, wo das abgefallene Laub für den Winter gesammelt wurde, er kroch hinein und bald ließ ihn der tiefe Schlaf Not und Elend vergessen.

Der Alte kramte noch eine Weile im Hause umher, plötzlich wendete er sich zu Wallburg: »Sakra! eine Flasche Kirscheler hätt' ich ihm doch auch mitgeben sollen, ja und den Tabak hab' ich gar vergessen, das ist das Beste, was so ein einfacher Mensch haben kann. Mahne mich morgen, daß wir's ihm bringen können.«

* * *

Die kalte Morgenluft weckte Klaus aus dem Schlafe; er mußte sich eine Weile besinnen, wo er sei, dann wanderte er entschlossen bergauf. Nach einer Stunde hatte er den Platz erreicht, wo er wohnen sollte. Sorgfältig alles erwägend, wählte er eine kleine Felsenwand, die etwas überhängend die wütenden Nordstürme abhielt und den Bau durch ihre Vertiefung erleichterte. Weil sich noch höhere Felsen dahinter erhoben, so konnte man im Tal den aufsteigenden Rauch nicht sehen, zugleich lag die Stelle außer der Richtung der schrecklichen Lawinen. Er fing nun an Bäume zu fällen, maß mit dem Bindfaden die Länge, schlichtete sie dann mit dem Beil zu vierkantigen Balken und schleppte diese Stück für Stück mit einem Stricke über den Rücken den Felsen empor, wo er sie auf der andern Seite hinunterwarf. Da er nur einen kleinen Raum einzuschließen brauchte, – die Rückwand und zum Teil die Seiten schuf der Schrofen, so rammte er schon nachmittags die Pfähle ein, welche das niedrige Dach tragen sollten, und fügte die Balken zusammen. Die Fugen verstopfte er sorgfältig mit Moos, nur eine Lücke ließ er offen, gerade weit genug, um ein Fensterglas anzubringen. Den kleinen Herd baute er in einen Winkel aus Steinplatten. Nun nahte jedoch die Dämmerung, er stieg zum Bache hinab und lauerte im Gebüsch, bis Nidinger mit seiner Tochter kam. Mit größter Freude erzählte er ihnen, was er bereits zustande gebracht, er verabredete, daß ihm der Alte Bretter liefern sollte. Dies war um so leichter möglich, da er bei einem Bauern in Steinberg Lärchenläden gekauft hatte, die noch immer nicht abgeholt waren. Schon am nächsten Morgen wollte Nidinger mit zwei Ochsen hineinfahren, er konnte dabei manches mitbringen, ohne Aufsehen zu erregen. Wallburg hatte vorsorglich einen Wollenkotzen und einige Leintücher bereits mitgebracht, er bat sie noch, ihm einen kupfernen Sonnenring, um bei schönem Wetter die Stunden zu messen, und ein Kruzifix zu verschaffen, endlich bei einem Maler auf einem hölzernen Brettchen die armen Seelen im Fegefeuer zu bestellen, damit er sie immer vor Augen habe. Als dieses ausgemacht war, drückte Klaus einen herzhaften Kuß auf ihre Lippen, dann wandte er sich zum Vater: »Nichts für ungut! Ich seh' ja das Diendl erst in acht Tagen wieder.«

Dieser schüttelte den Kopf und brummte endlich: »Hab's eigentlich als junger Bursch' auch nicht anders gemacht!«

Sie trennten sich. Klaus suchte sein Lager im Laub. In der Frühe legte er sich abermals auf die Lauer. Bald hörte er die Peitsche des Alten durch den Wald knallen. Während die Ochsen aus dem Bächlein tranken, übernahm er die erbetenen Sachen, der Alte hatte eine Flasche Branntwein und eine Rolle Tabak beigefügt. Sie verabredeten noch die Stelle, wo jener die Bretter hinwerfen sollte, dann stieg Klaus den Berg hinauf und begann seine Arbeit wieder. Er fällte die Legföhren in der Nähe seiner Hütte, um den Holzbedarf des Winters zu decken, dann sammelte er zur Ergänzung des Mundvorrates Schlehen und Preißelbeeren, die bereits vom Reif versengt, mild und schmackhaft waren. Auch Schwämme, soviel eben im Spätherbst zu brauchen waren, trug er ein und legte sie in Schnittchen zerspalten an einen sonnigen Platz zum Trocknen. Nichts entging seiner Aufmerksamkeit, was nützlich und brauchbar sein konnte. Tags darauf holte er die Bretter, er zersägte sie nach Bedarf, zimmerte das Dach und eine Tür, die in Stricken statt in Angeln hing. Einige Bretter nagelte er zu einer Bettstelle zusammen, die er sorglich mit weichem Moos und Baumblättern anfüllte. Als für die Wohnung gesorgt war, schlich er über die Zemm in die Bachen und erlegte dort einen feisten Rehbock, den er nachts darauf fortschleppte. Dort glänzten die Fenster von Nidingers Haus im Mondschein – er durfte nicht wagen, einen Besuch zu machen. Daheim ließ er sich den Braten gut schmecken; den Rest des Fleisches verscharrte er, um ihn frisch zu erhalten, mit Wacholderbeeren in eine Grube, worüber er Schnee warf. Später, wo er, um sich zu wärmen, beständig feuerte, hängte er es zum Räuchern an einen Querbalken. So wurde es Samstag, er wußte selbst nicht wie.


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