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V

Louis Buisson bewohnte im fünften Stock, Quai du Louvre, ein kleines viereckiges Zimmer. Man sah darin ein Eisenbett mit vier Messingkugeln, ein Büchergestell aus weichem Holz, einen Waschtisch, einen Tisch mit roter Decke, einen Stuhl und zwei »armenische Fauteuils«, die im Rathausbazar zwölf Francs gekostet hatten. Linoleum bedeckte den Fußboden, zwei Plakate und mehrere Stiche schmückten die Wände. Das war das wohlgeordnete Leben eines Junggesellen, der sein Zimmer selbst aufräumt und es einfach herrichtet, ein Abbild seines Geistes. Das Fenster ging auf einen großen Flußarm hinaus neben dem Pont Neuf und seiner kleinen Parkanlage, wo die Luft, das Licht und das Wasser ein bewegtes und erfrischendes Schauspiel boten. Sind wir in Paris? Wir sind hoch in den Lüften, in einem Land am Wasser, dessen Luft aber tost wie rollende Wagen.

Diesen Abend kochte sich Louis Buisson einen Kaffee; die einfachen Verrichtungen, das Zimmer machen oder den Kaffee zubereiten, beruhigen unsern Geist und ordnen unsre Gedanken wie Möbel jeden an seinen Platz ... Übrigens hatte er seine Grundsätze für die Zubereitung des Kaffees. Er benützte nicht den Satz und schüttete das kochende Wasser Tropfen für Tropfen auf den frisch gemahlenen Kaffee. Es dauert ein wenig länger, aber um etwas Gutes zu haben, muß man sich Mühe geben.

Als Pierre Hardy an die Tür klopfte, wartete er nur auf ihn, um den Kaffee einzugießen. Louis Buisson sagte:

»Ich kenne mich nicht mehr aus. Ich hatte Dir von einer kleinen Bonne gesprochen, mit der ich einen Briefwechsel unterhielt, und ich hoffte, bei ihr meine Wünsche zu stillen. Die Frauen aus dem Volke sind einfach, und alle Frauen lassen sich bilden. Ich lieh ihr ein paar Bücher, um sie nach meinem Geschmack zu erziehen. Sie las gern. Ich sagte mir: ›Sie wird die delikaten Dinge verstehen lernen, die die Ordnung und das Glück eines Haushaltes ausmachen. Abends werde ich zu Hause arbeiten. Sie wird nähen und sich ausruhen, und ich werde sie an meiner Seite wie eine kleine Flamme spüren, die brennt.‹ Hör, was geschehen ist: vorgestern und gestern sind wir zusammen ausgegangen, da ihre Herrin verreist ist. Meine kleine Bonne liebt alle Vergnügungen und leidet darunter, daß sie sich im Cafékonzert nicht unterhalten, auf Bällen nicht tanzen und die Lichter auf den Straßen nicht sehen kann. Ich mußte sie überall ein wenig herumführen und dann wollte sie nach dem Bal Bullier gehen. Da habe ich eingesehen, ich, der ein Mann des Volkes sein wollte, daß das Volk allzusehr die schlechten Vergnügungen liebt. Ich mag wohl nicht aus demselben Volk sein wie die andern, darum kann mich niemand verstehen und Freude empfinden, wenn er sein Leben dem meinen anpaßt. Ich habe mit ihr gebrochen. Ich habe geglaubt, mein Weib gefunden zu haben, und bin jetzt ganz allein.«

Louis Buisson war ein wenig lehrhaft und redete lang. Man pflegte ihm im Bureau zu sagen: »Oh! Sie, Sie wollen immer recht haben. Sie halten Vorträge.«

Sie tranken ihren Kaffee, rauchten eine schlechte Zigarre, und jeder von ihnen glich, wie er so im »armenischen Fauteuil« da saß, einem schüchternen und ungeschickten jungen Bureaukraten. Weder den einen noch den andern beglückten die Liebe, die zwanzigjährige Menschen bewegt, und Paris, das gegen Arme hart ist. Pierre Hardy sagte:

»Ich habe angefangen, mich an meine kleine Freundin Berthe und ihre hundert Sous zu gewöhnen. Jetzt liegt sie krank im Spital.«

Louis Buisson sagte:

»Ich habe Straßenmädchen gekannt, als ich im Hotel garni wohnte. Ihre Ausgelassenheit bricht aus wie bei Kindern, die schreien, um sich nicht zu fürchten.«

Pierre Hardy hatte bei seinem Freunde viel zu lernen. Sie lebten ein gemeinsames Leben, zu dem Louis Buisson die Erklärungen lieferte. Er untersuchte mächtig die Ereignisse und oft, wenn er irgend einen alten Irrtum oder eine neue Wahrheit entdeckte, war er in Verlegenheit, wie er seine Lebensführung mit seinen Ideen in Einklang bringen sollte. Die Analyse ist keine kalte Wissenschaft, sie, die durch unser Herz geht und es aufrührt. Die Erregungen Louis lösten Erregungen in Pierre aus, weil ihr Leben gemeinsam und weil ihre Seelen aufrichtig waren. Pierre sagte sich: »Es ist komisch, wie er immer recht hat!« Er dachte wie sein Freund, aber er dachte viel niedriger.

Pierre Hardy fügte hinzu:

»Ich liebe sie viel mehr, seit sie krank ist. Sie schreibt mir ungeschickte Briefe, aus denen man aber errät, daß sie leidet und daß sie zartfühlender wird. Sie sagt: ›Ich küsse dich vom ganzen Herzen eines kranken Kindes.‹ Ich schicke ihr ein wenig Geld. Mir ist, als würden wir uns nähergekommen sein, wenn sie geheilt sein wird.«

Louis Buisson legte mit seinen langen Geschichten los. Er lächelte, indem er dachte: Ich will einen Vortrag halten. Dann sagte er:

»Man muß die Mädchen lieben, die dulden. Ich war immer davon überzeugt, daß wir sie darum nicht retten können, weil wir sie nicht genug zu lieben verstehen. Ich habe einmal eine Anfängerin gekannt. Sie machte mit vierzehn Jahren bei ihrer Mutter, die wiederverheiratet war und deren zweiter Mann einen Weinhandel hatte, die Bekanntschaft eines Burschen mit wilden Augen. Sein Blick beherrschte sie wie eine Gewalt. Eines Tages ging sie in ein Hotel mit ihm, wo sie, gelehrig wie sie war, sein wurde. Sie hat mir erzählt, daß er sie, nachdem sie sich ganz nackt ausgezogen hatte, in seine Arme nahm und mitten auf das Federbett legte. Sie war so klein, daß sie in dem Bett versank; sie rührte sich nicht mehr und schlief, völlig erschöpft, in ihrer verlorenen Jungfrauschaft hier ein. Ich weiß nicht, warum ihre Eltern sie nicht suchen ließen. Die beiden lebten vier Monate, ohne daß sie arbeitete, doch nach und nach brachte er sie von der Ehrbarkeit ab. Er führte sie selbst auf die großen Boulevards und suchte ihr die Kundschaft aus. Sie verdiente fünfzehn Francs und darüber zeigte sie eine Art naiver Freude. Als ich sie kennen lernte, war sie kaum sechzehn Jahre alt. Ich habe niemals ein gleich mutiges Weib gesehen. Sie hatte schließlich Arbeit gefunden und nähte Flitter. Mein lieber Freund, sie nähte bei Tage, dann nähte sie bei Nacht. Sie war kaum sechzehn Jahre alt. Sie konnte niemals fünfzig Sous täglich verdienen. Und der andere stand da, hinter ihr, mit seinen zwei Fäusten und mit seinen zwei Kinnladen. Sehr oft geschah es, daß sie auf die Straße hinabsteigen mußte, wenn sie ihr Zimmer bezahlen sollte. Ich lernte sie kennen. Es gab Morgen, an denen sie mich um zwei Sous bitten kam. Die Zeit verstrich für sie, indem sie ihr immer neues Unglück brachte. Ihre Mutter wurde endlich unruhig, entdeckte sie und ließ sie ein Jahr lang im Kloster der Nonnen vom heiligen Michael einsperren, wo man junge Mädchen mit schlechten Anlagen unterbringt. Als sie es verließ, hielt ihr Geliebter um ihre Hand an und ihre Mutter gab die Einwilligung dazu. Der Irrsinn herrscht auf der Welt. Da fing die alte Geschichte von neuem an. Er betrog sie, er belustigte sich damit, sie zu betrügen. Eines Tages im Fasching promenierten sie zusammen in der Menge, als ein Frauenzimmer vorüberkam. Er ging ihr nach und blieb drei Tage fort, ohne zurückzukehren. Später trennten sie sich, doch kam er von Zeit zu Zeit auf Besuch, er brauchte Geld. Damals hatte sie einen jungen Mann von neunzehn Jahren zum Freund. ›Wenn ich ganz alt werden sollte‹, sagte sie zu mir, ›diesen Jungen werde ich niemals vergessen. Nicht weil er reich war, sondern weil er soviel für mich getan hat.‹ Er liebte sie mit einem guten Jünglingsherzen. Eines Nachts, als sie erschöpft war, trug er sie in seinen Armen vom Bastilleplatz bis ans Ende der Avenue Daumesnil. Er ging gern in ihre Wohnung, wenn sie abwesend war, um irgend eine hübsche Überraschung auf den Tisch zu legen und ihren freudigen Ausruf hören zu können, wenn sie heimkam. Mein lieber Freund, dieser Junge, der zu Hause von Bedienten umgeben war und dessen Mutter eine Kammerzofe hatte, besuchte seine kleine Freundin, und räumte, wenn sie nicht da war, ihr Zimmer auf und putzte ihre Schuhe. Ihre Geschichte nahm ein trauriges Ende, denn der Gatte verprügelte den jungen Mann, daß er sechs Wochen das Bett hüten mußte. Es ist nicht lang her, daß ich diese Dinge weiß, aber täglich verstehe ich sie besser. Der junge Mann bewies so viel Liebe, daß er in das Herz eines armen Mädchens eindrang. Und auch ich hätte in dieses Herz dringen sollen. Als der junge Mann kam, war es viel zu spät, aber für mich wäre es die richtige Zeit gewesen. Es ist drei Jahre her. Sie war nicht verheiratet, und ich hätte sie aus den Armen eines Zuhälters befreien können. Ich hätte sie nehmen und sie zu mir bringen und mich um sie schlagen sollen. Ich hätte sie retten sollen. Versteh das: Ich hätte sie retten können! Ach, warum habe ich sie nicht genug geliebt? Ich hätte ihr das Zimmer aufräumen sollen und ihre Schuhe putzen, ich hätte damit einverstanden sein sollen, sechs Wochen das Bett zu hüten. In der Welt gibt es eine Frau, die ich hätte retten können!«

Als Louis Buisson seine Geschichte beendet hatte, legte er den Kopf zwischen die Hände, und es entstand eine Stille, während der beide bemerkten, daß sie keinen Kaffee in der Tasse hatten. Man hörte fünf Stockwerke tief die Wagen rollen. Louis Buisson nahm das Gespräch wieder auf:

»Du sprachst mir von deiner Freundin Berthe, aber du hast mir nicht gesagt, in welchem Krankenhause sie ...«

Pierre antwortete:

»Im Brocaspital.«

Louis Buisson zuckte zusammen.

»Aber, mein lieber Freund, du kennst nicht das Brocaspital. Ich habe das alles gesehen und ich sage dir, daß man im Brocaspital Mädchen sieht, die sehr krank sind. Sie haben Syphilis.«

Da fühlte Pierre Hardy die Geschichte Louis Buissons wie ein Feuer in seinem Herzen. Wahrhaftig, er fühlte die Dinge, tausend Dinge auf einmal auf ihn einstürmen, ihre Stimme sich heben und senken wie eine Flut von Unglück. Dann hatte er die Empfindung stillen Glücks, daß er sich aus Liebe eines Abends auf den armseligen Tanz eingelassen hatte, der jetzt das Aussehen der Syphilis und des Brocaspitals hatte. Er hatte diese Empfindung stillen Glücks, sah die Fassade seines kleinen Provinzhauses wieder und nun die Syphilis auf seiner Schwelle. Er begriff, daß ihm das Leben bisher allzu leicht erschienen war.

Louis Buisson hielt seinen Vortrag:

»Ich pflegte ehemals in das Brocaspital zu gehen, wo einer meiner früheren Gymnasialkameraden als Arzt assistierte. Ich habe gesehen, wie die Mädchen alle auf ihre Krankheiten mit dem Spiegel untersucht wurden. Ich habe die kleinen Frauen des Viertels gesehen, die Schanker hatten und lachten, weil man ihnen sagte: ›Die Syphilis ist nichts. Man nimmt drei Jahre Pillen ein.‹ Ich habe Frauen gesehen, die anderthalb Jahre Syphilis hatten und die weinten. Sie legten ihren Kopf unter die Arme, weinten und sagten: ›Ich werde nie gesund werden.‹ Die Ärzte trösteten sie, indem sie in Lachen ausbrachen. Ich sah die Alten. Wie Tiere spreizen sie die Beine. Sie sind ein armes Wild, das man verwundet hat und das mit sich alles geschehen läßt, ohne Klage, da es gewöhnt ist, verwundet zu sein.«

So sprach Louis Buisson, ohne an Pierre zu denken. Dann fiel es ihm ein wie ein Blitz: aber Berthe, Pierre und Berthe! ... Er blickte auf seinen Freund, der, die beiden Hände auf den Knien, nicht daran dachte, auch Vorträge zu halten. Er sah das arme verseuchte Mädchen in Tränen gebadet, in Tränen der Verseuchten, und das war so traurig, daß er keinen Vorwurf gegen sie erheben konnte. Den Charakter der Männer von zwanzig Jahren bilden ebenso die Worte ihrer Freunde wie die Regungen ihres Herzens. Pierre überdachte all die Gedanken über Liebe, die Louis ausgesprochen hatte, und da noch sein natürlicher Edelmut hinzukam, empfand er Mitleid mit Berthes Krankheit und zugleich Furcht vor der seinen. Er fürchtete sich sehr. Er kannte die Krankheit nicht genug, als daß er gewagt hätte, ihr ins Gesicht zu schauen, er wußte, daß man von ihr spricht wie von der Schande und vom Unglück.

Da erhob sich Louis Buisson, näherte sich Pierre, ergriff seine beiden Hände und drückte sie. Gewöhnlich war er mit seiner Zärtlichkeit zurückhaltend. Aber ich habe, Herrgott, Unheil angerichtet mit meinen Reden. Er revoltierte gegen sich selbst, gegen seine Worte, gegen die Wahrheit, gegen das Brocaspital. Es kann nicht sein, denn es tut weh und mein Herz ist gut. Er erhob sich, trat auf Pierre zu und sagte:

»Aber nein, Pierre. Aber nein, aber nein ...«

Er schrie und er hatte Lust, es über die Dächer zu schreien:

»Aber nein, aber nein, aber nein ...«

 

Nach Hause zurückgekehrt, schrieb Pierre an Berthe:

»Meine liebe kleine Freundin!

Es schmerzt mich, dir diesen Brief zu schreiben, weil es dich schmerzen wird, ihn zu lesen. Du bist krank, meine kleine Berthe, ich möchte bei dir sein, um dich zu trösten und dir zu beweisen, daß ich um deiner Leiden willen leide. Dennoch gibt es Dinge, die ich dir sagen muß.

Bis heute abend kannte ich das Brocaspital nicht. Ich weiß jetzt, von welcher Krankheit man dich dort kuriert. Du wirst sehr traurig sein, aber glaube nicht, daß ich dich verlasse. Ich verlasse die Meinen nie und du gehörst zu den Meinen, denn es sind schon drei Monate her, daß wir uns kennen. Ich schicke dir eine Postanweisung auf drei Francs.

Das wollte ich dir sagen: unsre Beziehungen müssen sich ändern, denn ich will nicht deine Krankheit bekommen. Ich zögere niemals ein Opfer darzubringen, aber hier würde mir das Opfer ein Übel zuziehen, ohne dir zu nützen. Wir werden uns weiter sehen, nicht wahr? Wir werden zusammen spazierengehen, wenn du wollen wirst, und wir werden zwei Freunde sein, Freund Pierre und Freundin Berthe.

Du verstehst wohl, daß ich deiner Krankheit nicht nachlaufen kann. Ich glaube, ihr entwischt zu sein, denn ich sehe keinerlei Anzeichen, aber ich bin noch nicht außer Gefahr. Einer meiner Freunde, der Mediziner ist, hat es mir gesagt. Man muß vierzehn Tage abwarten.

Berthe, wenn ich krank wäre, würde ich dir verzeihen. Ich bin aus einer Familie, in der man nie solche Krankheiten gehabt hat. Ich möchte sie nicht auf andre übertragen. Übrigens wollen wir uns schreiben wie früher. Ich hoffe, niemals zu bedauern, dich kennengelernt zu haben.

Ich schließe, meine liebe kleine Freundin, in Gedanken an dich. Ich erwarte deine Antwort mit großer Ungeduld, um zu erfahren, ob du nicht zu traurig darüber warst, was ich dir schreibe. Ich liebe dich immer, und liebe dich noch mehr, weil du krank bist!

Dein dich küssender Freund
Pierre.«

Zwei Tage später erhielt er den folgenden Brief:

»Pierre!

Ich habe deinen Brief bekomen, er hat mich krank gemacht dise Keckheit hab ich erwartet daß du das auf mich schübst und du glaubst fielleicht daß das so gehen wird aber du ihrst dich ich hab niemals nicht aufgehört zu glauben daß du es bist, von dem ich dise schrökliche Krankheit habe. Und du hast recht ich hab niemals was gsagt weil du mich unterstüzt hast aber jezt gibst du zu daß ich gnug hab aber ich leide und bin schröklich traurig und dir ist es noch recht, was du angestellt hast und noch andern Mädeln denen du bisl Gelt gibst und für die Mühe, die sie sich mit dir geben ansteckst. Fielleicht haben sich dise Mädeln umgebracht denn ich wenn ich nicht an meine Familli gedacht hät und ich hab gedacht, daß mein Vater genug gelihten hat durch den Tot meiner Mutter, um jezt von meinem Tot zu erfaren. Dann hab ich nicht glaubt daß ich eines Tags meinen Henker begegne am 15. Juli auf dem Boulevard Sebastopol. Was hab ich seit disem Tag geweint aber es ist zu spät ich muß es tragen das alles sage ich dir weil ich sicher bin daß du mich angsteckt hast du wirst mich unglückli gemacht fürs ganze Leben. Dann komen noch schwere Täge für mich und noch für andre die leiden die tun mir leid daß dise Leute deinwegn leiden denn meiner Treu die Leute, die wissen daß du dran schult bist sind noch böser auf dich als ich aber ich hör auf niemant und leide, ohne mich zu beklahgen. Du solst wissen, daß ich kein gmeines Mädel bin denn wenn ich wolte könnte ich auch andre Männer anstecken aber ich laß mich lieber kurihren bis ich gsund bin werde ich mich umsehn ferzeihen aber werde ich dir niemals. Du ferdiehnst es nicht ein Mensch der mir so vüll angetan hat was ich nicht ferdiehnt hab, und ich hofte nicht eines Tags gemordet zu werden. wie du weißt habe ich augenblüklich jezt große Halsschmerzen. Ich weiß ja daß du dich drüber lustik machst aber ich erleichter mich und dann wirst du besser wissen als ich wie es einem get, in diesem Zustand und mit der Watte die ich kürzlich von der Erd aufghoben hab würdest du dir nicht die Füse waschen woln und dann die Salbe, die auf dem Waschtisch unter der Schüssel steht reibst du dich ein für die Krankheit ist es gut sonst weniger ... aber die Krankheit erfohrdert es oder du bekomst noch mehr Geschichten und dann würde das Weib das mit dir geht es sofort krigen. Ferdrieslich ist daß es sich verschlimmert, wenn man sich aufrehgt und man steckt die andern an, dann versezt man sie und nimt wider eine andre dann bist du neidisch daß die andern es nicht haben wie du. Aber ich bitte dich Pierre kurihr dich wie ich damit du nicht imer mehr anstekst denn einmal könnte es dir schlecht ergöhn und dir nicht gut bekomen das rat ich dir. Dein Freund der Arzt ist ein reiner Schwindel denn du hast mich satt und sonst nix.

Ich hoffe daß du auf mich nicht zu bös bist aber merke dir daß ich nicht so schlim bin ich wünsche mir nur eins daß ich dir niemals nicht begegne denn du bist nicht ein Freund wie du sagst du bist für mich weniger als nix oder das Trotoar wo ich alle Täge geh aber du behalt mich in Erinerrung wie ich dich aber als einen Menschen der nicht wert ist ein Mädel wie ich gehabt zu haben denn ich bin entschihden das beste Mädchen das man in Paris finden kan und das ist doch wahr. Ich beantworte deinen Brief freundlichst und sag dir meine Meinung troz dem Abscheu die ich vor dir hab.

Fräulein Berthe,
das Mädchen und die Unglükliche, die nur Abscheu hat vor dem der sie angstekt hat.«

Vierzehn Tage später erkannte der Arzt, daß Pierre die Syphilis hatte.


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