Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Zweifach ist die Absicht, welche mich zur Herausgabe dieser Schrift bestimmte; doppelt der Zweck, welcher durch sie erreicht werden soll. Sie soll nämlich von der einen Seite die gespannte, nicht tadelnswerthe Neugierde derjenigen befriedigen, welche die Einfangung so mancher Räuber und Gauner in hiesiger Gegend theils selbst mit ansahen, theils davon hörten, welche die Veranlassung dieser Einfangungen zwar im Allgemeinen kennen, sie aber doch auch gerne in ihren Details kennen und von ihren Folgen unterrichtet seyn möchten; sie soll aber, von der andern Seite, auch zugleich dazu dienen: das Publikum von der Verfahrungsweise dieser Räuber zu unterrichten, die noch freien Glieder der Bande kenntlich zu machen, dadurch ihre Verfangung zu erleichtern und so die öffentliche Sicherheit zu vermehren.
Der Stoff dieser Schrift ist zwar bei weitem nicht so vielseitig und darum auch nicht so interessant, wie jener der aktenmäßigen Geschichte der Räuberbanden an den Ufern des Rheins, dahingegen hatten die Räuber am Main zu Verübung ihrer Vergehen auch keine so geräumige, keine so günstige Periode wie die Räuber am Rheine; und doch übertrifft ihre Bande, sowohl an Menge der entdeckten Mitglieder, als der einbekannten Verbrechen, jene des Schinderhannes bei weitem; (ohne die Weiber und Diebshehler in Anschlag zu bringen, welche in dem Verzeichniß der Mitglieder der Mainbande gar nicht aufgenommen wurden) obschon auf die hiesige Untersuchung nur 5 Monate, auf jene gegen Schinderhannes aber, nur vom Tage seiner Arretirung bis zur Eröffnung der öffentlichen Audienz gerechnet, 17 Monate verwendet wurden; vielleicht aber kann an Nützlichkeit diese gegenwärtige Schrift jener einigermaßen gleich kommen; und dann ist meine Absicht erreicht. Ohne die aktenmäßige Geschichte der Räuberbanden an den beiden Rheinufern wären gar manche nun durch sie entdeckte Glieder derselben, welche bisher fortgeraubt hatten, unentdeckt geblieben, und hätten noch manche neue Banden begründet, noch manchen Jammer gestiftet. Daß man einst ein Gleiches von dieser Schrift sagen möge, ist mein eifrigster heisester Wunsch. Nur um seine Erfüllung zu erleichtern, habe ich ihr die praktische Form gegeben, welche man darin finden wird.
Um den angegebenen doppelten Zweck, besonders aber den zuletzt gedachten, früher zu erreichen, erscheint die Schrift schon jetzt, da der zu Einfangung der Gauner günstigere Winter herannaht. Sollten sich in der Folge noch weitere interessante Entdeckungen ergeben, so werde ich sie vielleicht, nebst dem erfolgenden Urtheile, wenn es das Publikum wünscht, in einem Nachtrage liefern.
Heidelberg im Oktober 1811.
L. Pfister.
Schon im Spätjahre 1810, noch mehr aber während des darauf gefolgten Winters, hatten sich auf dem oberen Theile der ihrer paradiesischen Lage wegen so hochgepriesenen, und so vielbereisten Bergstraße mancherlei Spuren von Unsicherheit gezeigt, – welche endlich sogar in wirkliche wiederhohlte Angriffe des Postwagens und verschiedener Reisenden übergegangen waren. Die Regierungen in den Großherzogthümern Hessen und Baaden, hatten früher schon Alles gethan, was zu Erhaltung der Sicherheit ihrer Landeseinwohner und einer so bedeutenden Kommerzialstraße nöthig ist; – und verdoppelten, durch vorgedachte Vorfälle veranlaßt, ihre Aufmerksamkeit, ihren Eifer und ihre geschärfteren polizeilichen Maaßregeln. Dessen ungeachtet spukten nach kurzer Ruhe, welche nur dazu diente, den Eifer der Streifer zu vermindern, und die Wachsamkeit der verdoppelten Patrouillen einzuschläfern, auf der Bergstraße, von Zeit zu Zeit jene nächtlichen Unholde wieder, deren Schlupfwinkel man vergebens zu entdecken gesucht hatte. – Man mußte daher endlich, da man alle so mühsame Vorkehre vereitelt, alle Anstrengung der Regierungen und der Unterthanen verhöhnt sahe, auf die Idee kommen: es seyen keine fremde, nur momentan sich zeigende und dann wieder in entfernte Gegenden sich zurückziehende Räuberhorden, welche das Unheil verübten, sondern: eigene Landesunterthanen, Bewohner der nächsten Orte an oder auf der Bergstraße, seyen dessen Urheber, und könnten es um so leichter seyn und bleiben, weil sie, von allen polizeilichen Vorkehrungen, Streifungen, Patrouillen u. d. gl. Wissenschaft erhielten, und hiernach ihre eigenen Maaßregeln zum Unentdecktbleiben, am leichtesten treffen könnten. Auch diese öffentliche Meinung blieb, von Seiten desfallsige besonderen Verfügungen keinen besonderen Erfolg: so fielen doch wenigstens keine weiteren Angriffe vor, daher die Spuren der Unsicherheit der Bergstraße verschwanden, und man sich schmeichelte, das wahre Mittel gefunden zu haben. Bei eingetretenem Frühjahr, und minderlangen Nächten, war es bereits so weit gediehen, daß man, wie das im menschlichen Leben so oft zu geschehen pflegt, die Vorfälle des Winters vergessen hatte und an wieder eingetretene volle Sicherheit glaubte, als die Polizei, durch den Vorfall, welcher den Stoff zu dieser Schrift gab, fürchterlich aufgeschreckt und die Einwohnerschaft der ganzen Gegend sowohl, als das ganze kommerzirende Publikum, neuerdings in die höchste Unsicherheit und in die größte Bangigkeit versetzt wurde.
In der Nacht vom letzten April auf den ersten May 1811, Morgens gegen 2 Uhr, machte ein junger Pursch, welcher eine Estaffette von Weinheim nach Heppenheim hatte befördern sollen, dem Schultheißen zu Hemsbach (auf dem Wege von Weinheim nach Heppenheim) die Anzeige, er habe, als er von Hemsbach gegen das nahe Laudenbach zugekommen sey, eine männliche Stimme rufen hören:
»Ach Gott! Ach Gott! – und Ach! Wehe!
Er habe geglaubt, es hätten Reisende das Unglück gehabt, mit der Chaise umgeworfen zu werden, und sey auf den Rufenden zugeeilt. Bald aber habe er ein neues Lamentiren derselben Stimme und den Ausruf gehöret:
»Ach! laßt mir nur mein Leben, ich will euch ja alles geben, was ich habe.«
während dem andere Stimmen gerufen hätten:
»Gebe dein Geld her – oder ich schieße! – Schlagt ihn »todt! – Visitire ihn aus!« u. d. gl.
Zugleich habe er ein fürchterliches Gepolter fallender Schläge vernommen.
Dieses habe ihn mit solcher Angst erfüllt, daß er seine Reise nicht habe fortsetzen können. Er sey also zurückgekehrt, um diese Anzeige zu machen. Der Schultheiß traf sogleich alle in solchen Fällen zweckmäßigen Anstalten; bis aber die zum Streifen aufgebotene Mannschaft nur vor den Ort Hemsbach gelangte, kam ihr schon ein Postillon mit leerer Chaise entgegen, welcher erzählte, daß die Reisenden, welche er gefahren habe, von Räubern überfallen und so wie er selbst, gemißhandelt worden seyen. Er wußte nicht, wo die Reisenden geblieben waren, ob sie noch lebten oder todt seyen. Die Streifmannschaft setzte ihren Weg fort, – stieß aber nicht weit hinter der Chaise, auf die beiden gemißhandelten Reisenden, welche einander führend, langsamen Schrittes die Chaussee her, gegen Hemsbach zu, kamen. Sie wurden nach Hemsbach in das Wirthshaus gebracht, dort verbunden und dem Amte Weinheim, zu dessen Bezirk Hemsbach gehört, die Anzeige gemacht.
Das Amt Weinheim traf, nach seiner gewohnten Thätigkeit, sogleich alle angemessen scheinende Anstalten zur Verfolgung und Einfangung der Räuber, und eilte dann mit dem Physikate unverzüglich zu den Verwundeten.
Es fand sich, daß diese zwei von der Frankfurter Ostermesse zurückkehrende Schweizer Kaufleute:
Herr Jacob Rieder, aus Winterthur, 45 Jahre alt, verheurathet, Vater von sechs Kindern, und
Herr Rudolph Hanhart, aus Zürch, 32 Jahre alt, verheurathet,
waren. Der erste, Herr Rieder, hatte zehn, meistens sehr bedeutende Kopfwunden, wovon die eine die Nasenbeine aus ihrer Verbindung unter sich und mit dem Stirnbeine gebracht hatte, überdieß aber auch noch andere, minder bedeutende Verletzungen an sich. Der zweite, Herr Hanhart, war mit einer leichten Contusion an der rechten obern Stirngegend, davon gekommen. Der Postillon hatte nur leichte Verletzungen. Beide Reisende konnten über die Art ihrer Mißhandlung und Beraubung nur sehr wenig, über die Thäter selbst aber gar nichts angeben. Er habe, so erzählte Herr Hanhart, mit seinem Gefährten in der Chaise geschlafen, als sie plötzlich durch ein starkes Gepolter an der Chaise, welche in demselben Augenblicke stillgestanden habe, aufgeschreckt worden, und in der ersten Bestürzung aus der Chaise gesprungen seyen. Er habe in dem Augenblicke des Herausspringens einen Schlag auf den Kopf erhalten, welcher ihn besinnungslos niedergeschmettert habe, so daß er durchaus von dem, was weiter vorgefallen sey, nichts anzugeben wisse; denn, als er wieder zu sich selbst gekommen sey, habe er nichts weiter mehr gehört, als das Winseln seines Reisegefährten, der, so wie er selbst, nicht auf der Chaussee, sondern unterhalb derselben, gelegen seyn. Er habe diesen aufzurichten und fortzubringen gesucht und so seyen sie nach Hemsbach gekommen. Herr Rieder stimmte mit dieser Angabe überein, fügte jedoch bei: auch er habe sogleich beim Herausspringen aus der Chaise einen Schlag auf den Kopf erhalten, der ihn zu Boden gestürzt habe; – er habe aber noch mehrere Schläge erhalten und obschon er den Räubern zugerufen habe: er wolle ihnen ja gerne Alles überlassen, was er besitze, so hätte doch die Mishandlung so lange fortgewährt, bis er sein Bewußtseyn verlohren habe, – zu welchem er erst, durch die Bemühungen seines Reisegefährten, wieder gekommen seye. Der Postillon wußte weiter nichts anzugeben, als daß sogleich oberhalb Laudenbach zwei Kerle seinen Pferden in die Zügel gefallen seyen, während ein anderer ihn durch Schläge vom Kutschbock heruntergebracht habe. Andere hätten die Reisenden gemishandelt, beraubt, und seyen dann mit dem Geraubten entflohen. Er konnte so wenig als die Herren Rieder und Hanhart, die Räuber beschreiben.
Alle weitere Bemühungen des Amtes Weinheim, den Räubern auf die Spur zu kommen, waren ebenfalls fruchtlos, – man fand zwar auf der Stelle der Chaussee, auf welcher, der Angabe nach, der Angriff und die Beraubung der Reisenden Statt gefunden hatte, noch den erbrochenen Koffer, einige zerstreute Kleidungsstücke, und einen großen, starken, mit Blut befleckten Prügel; man überzeugte sich, daß der Koffer die Spuren gewaltsamer Erbrechung an sich trage; – man fand auf dem von der Chaussee über Oberlaudenbach in den Odenwald führenden Gebürgswege eine frische Feuerstätte und einen andern Prügel mit Blut befleckt, nebst einer Kopfbinde, gezeichnet J. R., und einem Strumpfe; – allein alle weitere Spur der Räuber war verschwunden. Doch schien durch den ebengedachten letzten Erfund die Meinung, als hätten Bewohner der Bergstraße die That verübt, widerlegt, indem nun offen zu Tage lag, daß die Räuber ihren Rückweg in den hessischen Odenwald genommen hatten. Weder der die Kaufleute geführt habende Postillon, noch der die Estaffette zu besorgen gehabt habende junge Pursch von Weinheim konnten nähere Aufschlüsse über die Thäter ertheilen. Es blieb also dem Amte Weinheim nichts anders übrig, als den Vorfall und das Verzeichniß der den beiden Kaufleuten geraubten Sachen, den benachbarten Aemtern, und durch die öffentlichen Blätter auch den entfernteren Behörden bekannt zu machen, und an seine vorgesetzte höhere Behörde Anzeigsbericht zu erstatten; – das Uebrige aber von der Zeit und der Gunst des Zufalls zu erwarten.
Inzwischen wurde der schwer verwundete Handelsmann Rieder in das katholische Pfarrhaus zu Hemsbach und von da, auf sein ausdrückliches Verlangen, nach deshalb eingehohlter Weisung des Großherzoglich Badischen Hofgerichts zu Mannheim, mit aller nur erdenklichen Vorsicht, nach Heidelberg gebracht und dort der Behandlung mehrerer geschickten und allgemein verehrten Aerzte übergeben. Es geschähe an ihm alles, was Wissenschaft und Kunst räthlich machten; – seine Freunde und Bekannte wetteiferten, Alles, was nur möglich war, zu seiner und Herrn Hanharts Erleichterung und Zerstreuung anzuwenden, – allein es war zu spät, – es war Alles – Alles vergebens. – Der verwundete Rieder starb schon am 5ten May Morgens 11 Uhr und die vorgenommene Section und legale Inspektion seines Leichnams erzeugte und begründete das ärztliche Gutachten,
»daß die Verletzung des großen und kleinen Gehirns, welche sich an Herrn Rieder fanden, wesentliche Verletzungen waren, und daß es um so weniger in der Gewalt der Kunst lag, bei so vielen bedeutenden Wunden, die Entzündung des Gehirnorgans mit deren tödtlichen Folgen abzuhalten, als unaufhebliche Ursachen zum Grunde lagen; – daß sohin die körperlichen Verletzungen des Jacob Rieder von Winterthur, als schlechterdings tödtliche Verwundung ( Vulneratio absolute lethalis) zu achten seyen.«
Kurz nach der Beerdigung des Verblichenen, welcher zum Troste und zur Beruhigung seiner Anverwandten und Freunde, die in Heidelberg studirenden Schweizer, die meisten der dasigen Handelsleute und mehrere obrigkeitliche Personen und sonstige Honoratioren beiwohnten, traf der älteste Sohn des Ermordeten in Heidelberg ein. Sein Jammer war gränzenlos und unbeschreiblich, als er den Vater nicht mehr fand, zu dessen Pflege er in der Ueberzeugung nach Heidelberg geeilt war, es seye noch Hülfe für den ihm Unersetzlichen möglich.
Während dem man in der Nähe von Weinheim und in den oberen Gegenden der Bergstraße den Raubmördern bei aller nur erdenklichen Mühe, vergebens nachspürte, hatte der Zufall einen derselben, – und gleich nach ihm, zwar keinen Theilhaber an diesem Raube, aber dennoch einen höchstberüchtigten Gauner, Mörder, Räuber und Dieb, in obrigkeitliche Hände geliefert. Es wurden nämlich schon am 4ten May in dem Walde bei Sickenhofen, Großherzoglich Hessischen Amtes Babenhausen, verschiedene verdächtige Pursche mit Weibsleuten, von einigen Kindern, welche aus dem Walde heimkehrten, bemerkt, und durch mehrere Sickenhofer Einwohner, die der Schultheiß hiezu hatte aufbieten lassen, angegriffen. Allein die Pursche hatten schon aus der Ziegelhütte bei Sickenhofen, die Ankunft der Bauern bemerkt und suchten denselben zu entfliehen; die Bauern aber griffen rasch an, schlugen tapfer zu und nöthigten dadurch die Pursche, ihre Bündel abzuwerfen und dann wiederholt ihr Heil in der Flucht zu suchen. Sie entkamen bis auf einen, welcher gefangen und an das Amt Babenhausen, von da aber, nebst den Bündeln, an das Großherzoglich Hessische peinliche Gericht zu Darmstadt abgeliefert wurde. Am 5ten May wurde ein anderer Vagant gleichfalls von Sickenhöfer Einwohnern eingefangen und nebst seiner Frau und einem 7jährigen Buben, ebenmäßig nach Darmstadt eingeliefert. Der erste gab vor, er heiße Valentin Schmitt und seye aus Berlin gebürtig, der andere nannte sich Johann Wild und behauptete, zu Brünn in Mähren gebohren zu seyn. Schon das Amt Babenhausen hatte, bei Durchsicht der zurückgelassenen Bündel, Kleidungsstücke gefunden, welche mit den, den Herrn Rieder und Hanhart geraubten, deren Verzeichniß ihm bereits zugekommen war, volle Aehnlichkeit hatten. Das peinliche Gericht zu Darmstadt wiederholte die Vergleichung des Inhalts der Bündel mit dem ausgeschriebenen Verzeichnis der geraubten Sachen und überzeugte sich dadurch noch mehr davon, daß die Vorgefundenen wirklich von den Geraubten seyen. Der peinliche Richter, Herr Drill zu Darmstadt, nahm sich der Sache mit rühmlichem Eifer an und es gelang seiner Bemühung, den sogenannten Valentin Schmitt zuerst zum Bekenntnisse, daß dieser Nahme falsch seye, und er eigentlich Veit Krähmer heiße, dann aber auch zu dem weiteren allgemeinen Geständnisse zu bringen, daß er mit fünf Andern die in den Bündeln und bei ihm selbst gefundenen Sachen (unter welch letztern sich auch ein silbernes Etui und ein Doppel-Louisd'or fand) auf der Bergstraße geraubt habe, und zwar zweien Kaufleuten, welche in einer Chaise gefahren seyen. Das peinliche Gericht zu Darmstadt bot die Auslieferung der Arrestanten, gegen Kostenersatz und gewöhnliche Reversalien an; sie wurde mit höherer Bewilligung angenommen und so erfolgte den 9ten May die Auslieferung der Gefangenen an das Stadtamt Heidelberg, als die geeignete Criminal-Behörde.
Unmittelbar nach seiner Ankunft in Heidelberg, wurde Veit Krähmer, in Mitanwesenheit des Handelsmann Hanhart, welcher sich zur Beiwohnung bereit erklärt, und unter den Richtern seinen Platz genommen hatte, ins Verhör genommen. Er wiederholte umständlich sein in Darmstadt begonnenes Bekenntniß und erkannte wiederholt die mit eingelieferten Effekten als geraubt. Auch Herr Hanhart erkannte sie, nach Krähmers Abführung, für einen Theil der ihm und dem verlebten Herrn Rieder geraubten Sachen und bestätigte dieses in der Folge eidlich. Den Veit Krähmer konnte er aber weder von Ansehen, noch der Stimme nach, als einen der Räuber erkennen. Das Stadtamt Heidelberg benutzte die Rührung, in welcher es den Veit Krähmer fand, um von ihm eine genaue Angabe des Vorfalls selbst, vorzüglich aber sogleich die Benennung und genaueste Beschreibung seiner Mitschuldigen zu erhalten und eilte sodann, diese durch reitende Boten dem Großherzoglich Badischen Neckarkreis Directorio vorzulegen, welches sich mit dem regsamsten, rastlosesten Eifer der Sache annahm und allen benachbarten näheren und ferneren Regierungen die zu tausenden gedruckten Signalements der Räuber, auf dem schnellsten Wege mittheilte, auch für ihre eben so schnelle Bekanntwerdung im Badischen Lande sorgte. Da Veit Krähmer im ersten Verhöre zu Heidelberg angegeben hatte: als er mit seinen Kameraden, nach dem Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach, zurück in den Odenwald, in die Gegend von Strümpfelbronn und Eberbach, gekommen seye, seyen sie streifenden Bauern in die Hände gefallen, welche seinen Kameraden die Bündel, worin deren Antheile am Raub sich befunden, abgenommen hätten; so wurde sogleich ein reitender Bote nach Eberbach abgesendet, und die Verification dieser Angabe und die Uebersendung der den Räubern dort abgenommenen Bündel verlangt. Dieses hatte die Wirkung, daß schon des folgenden Tages von dem Amte Zwingenberg, wohin das Amt Eberbach die Requisition, als dorthin gehörig, mitgetheilt hatte, ein großer Pack übersendet wurde, worin sich die, den vier Mitschuldigen des Veit Krähmer, welche den Streifern bei Strümpfelbronn in die Hände gefallen waren, abgenommenen Sachen befanden. Sowohl Veit Krähmer, als Handelsmann Hanhart, erkannten sie für weitere Theile des Geraubten, und so wurden sie diesem Letztern und des verlebten Herrn Rieders Sohne zugestellt. Zugleich meldete das Amt Zwingenberg: es seye einer der vier Pursche, welchen die Bündel abgenommen wurden, eingefangen gewesen, habe aber nach einigen Tagen schon Gelegenheit gefunden, aus dem Gefängnisse zu entweichen.
Die Untersuchung wurde nun unausgesetzt gegen Veit Krähmer fortgesetzt. Er nannte wiederholt und beharrlich als seine Mitschuldigen:
den
Hölzerlips,
den
Manne Friederich,
den
Köhlers Andres,
den
langen Andres,
den
Basti,
gab Verschiedenes über die Verhältnisse derselben an und unter andern, daß sein Mit-Arrestant, Johann Wild, der Vater des Köhlers Andres und Schwiegervater des Basti sey. In den mit diesem Johann Wild und seiner Frau vorgenommenen Verhören zeigten sich beide im höchsten Grade verschmitzt, verriethen so viele Gewandheit und wußten dem Untersuchungsrichter so sehr alle Anlehnungs- und Verbindungspunkte in der Inquisition zu erschweren, daß es ein Leichtes war, in ihnen alte, völlig eingeweihte Gauner zu erkennen, ohne ihnen jedoch von irgend einer Seite beikommen zu können. Auch der 7jährige Bub derselben Leonhard, benahm sich eben so und läugnete so hartnäckig, wie diese geläugnet hatten, einen Sohn Andreas zu haben, einen Bruder Nahmens Andres zu kennen oder gehabt zu haben. Bei Leuten dieser Art, welche keine bleibende Stätte haben, täglich in andern Hütten, oder Schöpfen, oder im Freien hausen, fällt es sehr schwer, irgend einen Beweis über ihre Familien-Verhältnisse aufzubringen. Doch gelang es endlich, nach lange vergebener Mühe und fruchtlosem Versuche, Widersprüche in den Angaben der Wildischen Eheleute zu erhalten, welche gegen sie benutzt werden konnten, und mehrere unbescholtene Männer auszukundschaften, in deren Häusern Wild mit den Seinigen gelegen hatte, deren einer bestimmt behauptete, daß derselbe einen Sohn, Nahmens Andres habe. Der alte Wild unterlag bei der, mit aller Vorsicht zwischen ihm und jenen Männern bewirkten Confrontation und bekannte, einen Sohn, Nahmens Andres zu haben, fügte aber zugleich die Entschuldigung bei, er habe um deswillen nicht von ihm wissen wollen, weil er ein unfolgsamer Bub seye, der in der Welt herum laufe. Schlechte Streiche wisse er jedoch nicht von ihm. Nach dem Vater bekannte auch der junge Leonhard Wild, einen Bruder Nahmens Andres zu haben, und entschuldigte sein früheres Läugnen lediglich mit der frechen Behauptung: er habe nicht daran gedacht. Lange kämpfte noch die Mutter; endlich jedoch bekannte auch sie, einen Sohn Andreas zu haben und suchte ihr Läugnen, so wie ihr Mann, zu entschuldigen. Beide wollten von dem Antheile ihres Sohnes Andreas an dem Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach nichts wissen. Beide beharrten bei dem, was sie von ihrer Herkunft und ihren sonstigen Verhältnissen angegeben hatten, so höchst unwahrscheinlich und offenbar falsch auch Manches darin war. Der Verdacht, daß Johann Wild ein alter Verbrecher, ein bedeutendes Mitglied einer früheren Räuberbande gewesen seye, stieg in jedem Verhör, und wurde durch seine Physiognomie und sein ganzes Betragen noch mehr bestärkt. Noch fehlte es aber an näheren Mitteln, die Wahrheit zu erforschen, denn das Urtheilen nach den Signalements alleine, fand man zu gewagt; und so mußte denn das Weitere noch ausgesetzt und von Zeit und Zufall nähere Entdeckung gehofft werden.
Kaum war Andreas Wild zum zweitenmal von seine« Eltern in Heidelberg gezeugt und geboren, so langte schon des andern Tages von dem Großherzoglich Frankfurtischen Präfekten zu Hanau, Freiherrn von der Tann, welcher sich auf die ausgezeichnetste Weise um die schnelle und glückliche Fortsetzung dieser Untersuchung verdient gemacht und so wie der Herr Oberpolizeidirector von Itzstein in Frankfurt, der Untersuchungsbehörde in Heidelberg die zuvorkommendsten Dienstgefälligkeiten erwiesen hat, die Nachricht ein, daß dort ein Pursch eingebracht worden seye, welcher der signalisirte Köhlers Andres zu seyn scheine, zugleich überbrachte der mit dem Schreiben von Hanau abgeschickte expresse Bote dessen Kleidung und sie wurde von dem arretirten Veit Krähmer für die des Köhlers Andres, zugleich aber auch für den Schweizer Kaufleuten geraubt (was später Herr Hanhart bestätigte), anerkannt. Darauf wurde sogleich dessen Auslieferung verlangt und bewilligt.
Das Großherzoglich Hessische Amt Steinheim hatte in einer dahin zum Weiterschaffen auf dem Schub von Hanau gebrachten Weibsperson, die Concubine des Hölzerlips erkannt und dieses nach Heidelberg eröffnet. Ihre Auslieferung wurde verlangt und erfolgte. Sie nannte sich Spitzin; ihr 7jähriqer bucklicher Bube nannte sich Spitz. Beide verläugneten den Hölzerlips und als Veit Krähmer dem Buben ins Gesicht behauptete, daß er ihn kenne und daß Hölzerlips sein Vater sey, hatte er zum Abscheu des Untersuchungsrichters, die unerhörte Frechheit, dem Krähmer in den schmuzigsten, pöbelhaftesten Ausdrücken zu sagen: er habe seine Mutter fleischlich brauchen wollen, und weil ihm dieses nicht gestattet worden seye, so spreche er aus Feindschaft gegen sie. Selbst der von einem Gauner gezeugte, unter Gaunern erzogene Veit Krähmer war wie versteinert ob solcher Frechheit. Nur das, was wir in der Folge von der Mutter noch hören werden, kann es begreiflich machen, daß dieser Bube zu solchem abscheulichen Benehmen, wie er in der Folge bekannte, wirklich von seiner eigenen Mutter veranlaßt, daß ihm von dieser die kalte Frechheit, die beispiellose Bosheit eingepflanzt worden seye, mit welcher er sich vor Gericht benahm.
Die erlassenen Steckbriefe, die rastlosen Bemühungen des Neckarkreis-Directorii, und die ausgezeichnet thätigen Mitwirkungen aller benachbarten höheren und niederen Behörden, hatten zur Folge, daß überall eine Menge Vagabunden eingezogen und nach Heidelberg geliefert wurden. Die Arbeit der untersuchenden Behörde wurde dadurch ganz außerordentlich vermehrt und erschwert, ohne daß dieses Einfangen für die Hauptsache selbst einen gedeihlichen Erfolg lieferte; immer aber erzeugte es das Gute, daß das Gesindel aufgeschreckt und durch Angst getrieben, gezwungen wurde, ihre bisherigen Schlupfwinkel im Odenwald, im Spessart, im Fuldischen und in der Wetterau vielleicht auf lange Zeit zu verlassen. Man umgeht hier die Aufzählung der einzelnen Auftritte, welche diese Einfangung erzeugte und die Benennung der Personen, welche sie traf; nur das will man, um die Leser durch einen einzigen Zug von der gänzlichen Verdorbenheit dieser Menschenklasse zu überzeugen, flüchtig anführen, daß sich darunter eine Mutter befand, welche mit ihrem eigenen 7jährigen Knaben im Kerker Unzucht trieb. Es war eine Periode, wo 96 solcher verworfenen Geschöpfe zugleich in Heidelberg verhaftet waren. Solch eine Menge, welche täglich noch mehr anzuwachsen drohte, mußte die Hauptsache selbst aufhalten und so dem Hauptzwecke schaden; auch war es wirklich der Arbeit zu viel. Dieses wurde höchsten Orts eingesehen und darum in der Folge verordnet, daß nur die an dem Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach Antheil habenden Verbrecher und die mit ihnen in directer Verbindung stehenden wirklichen Räuber zu Heidelberg inquirirt, alle andere eingefangen werdenden Vaganten aber einer zu diesem Ende besonders in Mannheim niedergesetzten Commission zur Untersuchung übergeben werden sollten.
Indessen war am 30ten May Abends Andreas Wild wirklich nach Heidelberg abgeliefert worden. Er wurde sogleich des folgenden Tages zum Verhöre vorgeführt und bei dieser Gelegenheit von seiner eigenen Mutter, unbemerkt von ihm, als ihr Sohn Andreas, von Veit Krähmer als Köhlers Andres anerkannt. Er selbst nannte sich Andreas Wild, läugnete aber, noch lebende Eltern zu haben. Beide, so sagte er, seyen gestorben, als er kaum zwei Jahre alt gewesen sey, er habe sie nicht gekannt, wisse nicht, wer sie gewesen seyen und wie sie geheißen hätten; er habe nur einen Bruder am Leben, welcher älter als er seye und unterm Militair, wie er von herumziehenden Leuten gehört habe, diene, ohne daß er wisse – welchem Potentaten. Die bei ihm gefundenen geraubten Kleider behauptete er, von einem ihm unbekannten Juden in Aschaffenburg gekauft zu haben. Alle Ermahnungen zur Wahrheit fruchteten nicht bei ihm, er wurde in seinen Kerker zurück gebracht. Vor dem nachmittägigen Verhöre erkannte ihn auch sein Vater für seinen Sohn und Leonhard Wild für seinen Bruder. Hatte Andreas Wild sich im vormittägigen Verhöre hartnäckig und frech benommen, so betrug er sich noch weit frecher und hartnäckiger im nachmittägigen, er beharrte bei Allem dem, was er Morgens angegeben hatte und fügte der Versicherung, daß dieses die reine Wahrheit seye, die effronte Betheuerung bei, »und wenn er ein Wort gelogen habe, so wolle er für jedes dieser Worte 25 Prügel aushatten.«
Da alle gütlichen Ermahnungen, aller Ernst des Richters, keinen Eindruck auf ihn machte, so mußte ein anderes Mittel diesen Eindruck erzeugen und erzeugte ihn wirklich. Es war nämlich die Vorrichtung getroffen worden, daß vor jede der drei zum Verhörzimmer führenden Thüren, vor die eine Wilds Vater, vor die andere seine Mutter und vor die dritte sein Bruder Leonhard, deren Anwesenheit in Heidelberg ihm unbekannt war, gestellt wurden. Da er nun immerfort läugnete, Eltern zu haben, oder einen jüngeren Bruder und dieses mit den höchsten Betheuerungen und heiligsten Schwüren bekräftigte; so öffneten sich, auf einen Schellenzug zugleich die drei Thüren – und schlossen sich einen Augenblick darauf. Andreas Wild war durch den Anblick erschüttert, faßte sich jedoch gleich wieder, und suchte der Frage: wer diese drei Menschen seyen? auszuweichen, bis die Schelle wiederholt gezogen wurde, um seinen Vater vorführen zu lassen; da erklärte er endlich, der alte Mann seye sein Vater, der Bub sein Bruder Leonhard und die Frau seine Mutter. Es wurde versucht, diese Stimmung des Inquisiten zu benutzen, um auch ein weiteres Geständniß des Straßenraubs von ihm zu erhalten; dieser Versuch mißlang aber; Veit Krähmer mußte ihm vorgestellt werden. Er verläugnete diesen nicht nur anfänglich, sondern suchte sogar ihn selbst wankend zu machen. Als aber Veit Krähmer standhaft bei seinen Angaben beharrte und ihn selbst, aus eigenem Antriebe, aufforderte, die Wahrheit anzugeben, und sich und ihn nicht länger aufzuhalten, da fing Andreas Wild an zu zagen und zu weinen, und gieng dann vom hartnäckigsten Läugnen plötzlich zum Geständnisse seines Antheils an dem Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach, über. In einem weiteren Verhöre wurde er noch offenherziger, er bekannte zwar keine weiteren, von ihm verübten Verbrechen, wohl aber gestund er seine Bekanntschaft mit vielen Gaunern, seine Kenntniß der Gauner – oder sogenannten jenischen Sprache und entdeckte, daß Manne Friederich, ein weiterer Theilhaber am Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach, unter dem angenommenen falschen Nahmen, Goldmann, zu Hanau verhaftet seye und daß die Beischläferin des Hölzerlips im Gefängnisse zu Hanau noch eine der den zwei Schweizer Kaufleuten auf der Bergstraße geraubten goldenen Uhren und eine goldene Karolin gehabt habe. Es wurde sogleich durch Estaffette dem Herrn Präfekten zu Hanau von diesen Angaben Nachricht ertheilt, die erste fand sich gegründet und auch Manne Friederich wurde später nach Heidelberg ausgeliefert. Die Uhr konnte aber noch nicht entdeckt werden. Die Hölzerlipsin läugnete und alle Visitationen waren fruchtlos.
Am 4ten Juni ließ sich Veit Krähmer zum Verhöre melden, und gab in diesem mehrere, theils von ihm selbst, theils von Andern verübte, meistens bedeutende Verbrechen, an. Auch Andreas Wild schritt am nämlichen Tage zu einem ähnlichen Bekenntnisse. Beide setzten in späteren Verhören ihre Geständnisse fort und gaben zugleich noch sehr viele Häuser im Odenwalde, im Großherzogthume Frankfurt und andern benachbarten Gegenden an, deren Einwohner Kochem seyen, das heißt: die den Räubern und Dieben Aufenthalt gestatteten und die gestohlenen Waaren aufbewahrten oder selbst kauften. Es wurde, und zwar wie die Folge zeigte, mit gutem Erfolge, sogleich von diesen Entdeckungen den betreffenden Behörden Nachricht gegeben, auch die Signalements der weiter genannten Räuber und Diebe ausgenommen und in alle benachbarten Staaten versendet.
Inzwischen war Manne Friederich mit seiner Frau und seinem 7jährigen Buben von Hanau in Heidelberg angelangt. Er wurde von dem Veit Krähmer und Andreas Wild anerkannt: er selbst nannte sich aber in seinem ersten Verhöre Johannes Goldmann und gab vor, aus Magdeburg gebürtig und ledig zu seyn, und die Gegend bei Heidelberg noch nie gesehen zu haben. Zufällig war am Tage dieses Verhörs der Beamte von Zwingenberg in Heidelberg anwesend, er erkannte in dem von ihm, unbemerkt von diesem, besichtigten Manne Friederich, eben jenen Räuber, welcher in Zwingenberg, unter dem Nahmen Philipp Friederich Schütz, eingelegen hatte und dort entflohen war. Man glaubte, der Anblick des Beamten von Zwingenberg werde den Manne Friederich erschüttern, der Beamte selbst hoffte dieses, allein man hatte sich beiderseits geirrt. Der Inquisit behauptete dem Beamten mit der beispiellosesten, muthwilligsten Frechheit in das Gesicht: er seye nie in Zwingenberg gewesen, forderte denselben im verhönendsten Tone auf, ihn ganz genau zu betrachten, indem man sich in nichts leichter irren könne, als in Menschengesichtern, und beharrte, trotz aller Vorstellungen und Ermahnungen, trotz aller Versicherungen des Beamten von Zwingenberg auf Ehre und Pflicht, daß er der dort entflohene Philipp Friederich Schütz sey, bei seinem boshaften Läugnen. Unter solchen Verhältnissen ließe sich von einer Confrontation des Manne Friederich mit Veit Krähmer und Andreas Wild, durchaus kein Erfolg versprechen. Es mußte zu andern Mitteln geschritten werden. Es wurde versucht, von dem Knaben des Manne Friederich ein Geständniß zu erhalten, allein er läugnete frech und beharrlich, den Mann, welcher mit ihm und seiner Mutter zugleich nach Heidelberg geliefert worden war, (seinen Vater) zu kennen. Veit Krähmer wurde ihm vorgestellt, der Knabe verläugnete ihn, obschon er der Pathe seines jüngsten, nur wenige Monate alten Bruders ist; endlich aber mußte er, auf Krähmers dringende Ermahnungen, zugeben, daß dieser, und nicht, wie er vorgegeben hatte, ein armer, ihm unbekannter Bube, sein jüngstes Brüderchen in Katzenbach bei Strümpfelbronn, über die Taufe gehoben habe; doch beharrte er immer noch dabei, daß er den mit ihm transportirten Mann nicht kenne. Andreas Wild wurde ihm ebenfalls unter das Gesicht gestellt; der Knabe beharrte, auch auf Wilds Aussagen und Ermahnungen an ihn, bei seinem Läugnen. Wild verdoppelte seine Aufforderungen zur Wahrheit an den Knaben, der Untersuchungsrichter that dasselbe, der Knabe verlor zwar sichtbar die Fassung, doch läugnete er fort und erst dann, als ihm, auf den Fall der Ueberweisung, mit körperlicher Züchtigung gedroht wurde, bekannte er, daß der mit ihm und seiner Mutter nach Heidelberg gebrachte Mann sein Vater seye, daß derselbe Friederich heiße und daß seine Mutter ihn angewiesen habe, dieses zu verläugnen. So kräftig, so beharrlich, wird wohl schwerlich eine Anweisung der besten Eltern, zum Guten befolgt, wie der noch so junge Leonhard Wild und der Knabe der Hölzerlipsin und der des Schütz, die Anweisung zum Bösen befolgten. Von solchen Eltern geboren, auf solche Weise in der zartesten Jugend gebildet – welche Pest drohen solche Kinder dem Lande, in dem sie geboren wurden! Des Knaben Mutter benahm sich eben so, sie wollte noch nie im Odenwald (wo sie in Katzenbach wenige Wochen zuvor entbunden worden war) gewesen seyn, den Nahmen des Orts ihrer Niederkunft, so wie jenen ihres Gevattermanns, nicht wissen u. f. w.
Am 8ten Juni erschienen, auf vorgängige Ladung, der Gefangenwärter von Zwingenberg und sieben andere Einwohner aus dortiger Gegend, wovon zwei den Manne Friederich eingefangen hatten, sämmtliche übrige aber ihn wohl zu kennen behaupteten; auch erkannten ihn wirklich sämmtliche für den in Zwingenberg eingesessenen und von dort entwichenen Philipp Friederich Schütz und behaupteten dieses auch sämmtlich dem Manne Friederich ins Angesicht. Er läugnete mit unbändiger Frechheit, und beharrte dabei, selbst als alle acht Männer in seiner Gegenwart, ihre Aussagen gegen ihn mit feierlichen Eiden bestätigten. Zeder gefühlvolle Mann, jeder rechtlich denkende Richter, welcher die Gefahr der Selbsttäuschung, der auch Er unterworfen ist, kennt, wird gewiß die zur Ehre der Menschheit abgeschaffte Folter nicht zurück wünschen; aber bedauern wird es auch jeder, wenn allzu sentimentale Gesetze dem Untersuchungsrichter alle Mittel benehmen, der Frechheit solcher verworfenen Menschen Gränzen zu setzen; bedauern wird jeder den, Richter, welcher sich von Menschen dieser Art, als Spielwerk ihrer Bosheit, mißbrauchen lassen muß. Dem Richter bleibt in solcher Lage kein Trost, als das Bewußtseyn, sich streng nach dem Gesetze geachtet zu haben. Das war auch hier der Fall. Es wurde nun der Versuch gemacht, von Manne Friederichs Frau ein näheres Geständniß zu erhalten. Veit Krähmers Concubine und Schwiegermutter erkannten sie und behaupteten ihr unter das Gesicht, sie seye die nämliche Frau, welche vor wenigen Wochen, zugleich mit der ersten, zu Katzenbach, in derselben Scheuer, niedergekommen sey; sie läugnete dieses mit unbeschreiblicher Kälte und fügte jedesmal die Bemerkung bei: solche Leute nähme sie nicht an, die seyen Arrestanten wie sie und könnten nichts gegen sie beweisen. Es wurde versucht, die Inquisitin durch Einwohner des Ortes Katzenbach, in welchem sie niedergekommen war, erkennen zu lassen; es erschienen auch wirklich, auf vorgängige Ladung, der Eigenthümer der Scheuer, in welcher die Manne Friederichin zu Katzenbach niedergekommen war, dessen Knecht und der Schulmeister von da; allein, um glücklicher Weise konnte keiner von ihnen jene Inquisitin erkennen, obschon, wenigstens der erste, den Veit Krähmer und dessen Concubine erkannten. Es konnte also von einer Konfrontation die Rede nicht seyn; doch versuchte man, ob es nicht möglich sey, auch durch den blosen Vortritt der Katzenbacher einigen Eindruck aus die Inquisitin zu machen. Jene drei traten daher als stumme Personen auf; der Inquisitin wurde bedeutet, es seyen Einwohner von Katzenbach, sie versicherte: sie kenne sie nicht und fügte bei: die drei Männer würden sie auch nicht kennen; die drei Männer schwiegen. Es wurde der Inquisitin bedeutet, unter diesen drei Männern befinde sich auch derjenige, in dessen Scheuer sie zugleich mit Krähmers Koncubine niedergekommen sey; sie beharrte bei ihrem Läugnen. Veit Krähmer wurde vorgeführt und erklärte, auf die Frage: wer die vorstehende Frau seye? »Es ist meine Gevatterin, die Ehefrau des Manne Friederich, welche zugleich mit meiner Frau in Katzenbach niedergekommen ist.«
Und nun erklärte die Inquisitin,
»Veit Krähmer sey wirklich ihr Gevattermann, und was er so eben angegeben habe, sey wahr. Der Mann, welcher mit ihr von Hanau nach Heidelberg abgeliefert worden sey, sey wirklich ihr Mann, der Manne Friederich. Sie bitte wegen ihres bisherigen Läugnens um Verzeihung, sie habe es thun müßen, denn ihr Mann habe ihr gedroht, er schlage ihr Arme und Beine entzwei, wann sie die Wahrheit rede.«
Nun wurde Manne Friederich selbst wieder verhört; er fuhr fort, zu läugnen. Es wurden ihm nach und nach Veit Krähmers Beischläferin, deren Mutter, Veit Krähmer selbst und Andreas Wild vorgestellt. Alle behaupteten, er seye Manne Friederich. Manne Friederich beschuldigte jeden auf eine frechere Weise der Lüge. Auch seine Frau trat nun vor und behauptete, er seye ihr Mann, »das ist nicht wahr! wie kommt Sie dazu?« war seine ganze Antwort. Auch den Sohn derselben verläugnete er und schloß lachend das Verhör, mit dem Ausrufe: »da bekomme ich »allerlei Leute zu sehen.«
Ihm wurmte jedoch, als er in die Einsamkeit des Kerkers zurückkam, dieser Auftritt. Er fürchtete, wie er in der Folge selbst einbekannte, seine Frau möge noch mehr gesagt haben, so daß man ihn durch unbescholtene, rechtliche Männer, (denn Mitarrestanten, setzte er bei, würde er nie als Zeugen gegen sich angenommen haben und der Amtmann von Zwingenberg und die Wächter von da hätten nicht als Zeugen gegen ihn gelten können, weil immerhin der Verdacht auf ihnen geruht hatte, als gaben sie ihn nur darum an, um den Fehler des Entlaufenlassens ihres Arrestanten wieder gut zu machen,) förmlich überweisen könne; und dieses bestimmte ihn, einige Tage später, sich zum Verhöre melden zu lassen, in welchem er dann sein bisheriges Läugnen zurücknahm, und einbekannte: der zu Zwingenberg entwichene Philipp Friederich Schütz und Theilhaber am Straßenraube zwischen Laudenbach und Hemsbach zu seyn. Er wollte zwar anfänglich immer noch nicht mit der Sprache rein heraus, sondern sein Bekenntniß von Erfüllung allerlei Prätensionen, welche er aufstellte, abhängig machen; allein als er einsahe, daß man sich darauf nicht einließ, so schritt er zum volleren Bekenntnisse nicht nur seiner Theilnahme am Raubmord zwischen Hemsbach und Laudenbach, sondern auch noch mehrerer Verbrechen. Unter jene Prätensionen gehörte unter andern die: man möge ihn mit seiner Frau zusammen lassen. Er suchte sie dadurch zu motiviren, daß er vorgab, er habe einen fürchterlichen Eid schwören müssen, keinen seiner Kameraden zu verrathen. Er wollte seiner Frau alles eröffnen, damit diese es anzeige, und er so doch seinen Schwur halte. Das ganze Vorgeben war erdichtet, und nur darauf angelegt, von seiner Frau bestimmt zu erfahren, was sie gegen ihn gesagt habe, um sich darnach richten zu können.
Inzwischen hatte sich aus den näheren Angaben des Veit Krähmer und Andreas Wild ergeben, daß ein gewisser Georg Schmitt, vulgo der große Harzbub, den Raubmördern den Weg von Oberlaudenbach nach der Chaussee gezeigt hatte. Er wurde verfolgt, ergriffen und war, wie der Verfolg zeigen wird, der That geständig.
Da man gleich anfänglich den Verdacht hatte, daß mehrere der Räuber und ihrer Genossen mit der Bande des Schinderhannes, des Damian Hessel und Andern jenseits des Rheins in Verbindung gestanden seyn möchten: so war die Einleitung getroffen worden, daß ein vertrauter Mann, dessen man sich jenseits mit sehr gutem Erfolge bedient hatte, die sämmtlichen in Heidelberg verhafteten zahlreichen Gauner und Gaunerinnen besichtigte. Allein er erkannte keinen der Männer und nur von der Concubine des Hölzerlips behauptete er, sie habe zur überrheinischen Bande des Anton Keil gehört. Es wurde desfalls geeignetes Benehmen mit der französischen Behörde eingeleitet.
Durch die eingeleitete Correspondenz mit beinahe allen auswärtigen Behörden und durch die denselben mitgetheilten Signalements, kam endlich von Giesen die Nachricht ein, daß der dort sitzende Johann Adam Steininger, vulgo Ueberrheiner Hannadam, ein Mitglied der Bande des Schinderhannes, den Andreas Wild zwar nicht unter diesem Nahmen, aber nach der ihm gemachten Beschreibung, für den Sohn des schwarzen Peters, eines Mitgliedes der Bande des Schinderhannes, zu welcher auch er, Steininger, wie oben bemerkt wurde, gehört hatte, halte. Man suchte hierüber nähere Bestätigung zu erhalten und erhielte sie auch durch Veit Krähmer, jedoch nur in der Art, daß damit eine Ueberweisung des Johannes Wild nicht möglich war, indem Krähmer seine Angabe nur von Hörensagen hatte. Nun wurde auch deshalb Communication mit den jenseitigen Behörden eröffnet und gebeten, es möge jemand nach Heidelberg gesendet werden, um den Arrestanten als schwarzen Peter zu erkennen. Diese Communication blieb, wie die obgedachte, ohne Erfolg.
Während vorgedachter weiterer Ereignisse, hatte sich gefunden, daß Hölzerlips auch unter fremdem Nahmen zu Hanau, und Basti zu Werthheim, wohin er gegangen war, um seine früher schon dort eingefangen gewesene Concubine, eine Schwester des Andreas Wild, zu befreien, arretirt seyen. Beide wurden nach Heidelberg abgeliefert; und so waren dann von sechs Verbrechern und ihrem Wegweiser, dem siebenten, welche sich gleich nach der That in ganz verschiedene Und entlegene Gegenden entfernt hatten, schon am 18ten Juni sechs in Heidelberg eingebracht und der lange Andres war der einzige, welcher noch fehlte. Hölzerlips sowohl als Basti wurden verhört, allein sie folgten ganz dem früheren Benehmen des Andreas Wild und Manne Friederich; sie läugneten mit frecher Kaltblütigkeit Alles ab und waren taub für jede Ermahnung. Am 21ten Juni erfolgte ein neues Verhör gegen Basti; die noch in Heidelberg befindlichen Reste der geraubten Sachen wurden ihm gezeigt, Andreas Wild wurde mit ihm confrontirt; er behauptete, die ersten nicht zu kennen, und läugnete fort, obschon Wild ihn wiederholt und dringend aufforderte: alles zu gestehen, und beifügte, das Läugnen nützt dich nichts mehr, es ist schon alles entdeckt. Doch scheint dieses Verhör, welches sich gegen 8 Uhr Abends schloß, sonderbar auf ihn gewirkt zu haben, denn schon am nämlichen Abende um halb 10 Uhr meldete der Gefangenwärter: so eben sey Basti aus seinem Gefängnisse entflohen, die Wache habe nach ihm geschossen, habe ihn aber gefehlt. Sogleich wurde alles zu seiner Verfolgung aufgeboten und sein Gefängniß visitirt. Es fand sich, daß er, ohne alles Verschulden des Gefangenwärters, auf eine kaum begreifliche Weise, im blosen Hemde entkommen war. Er hatte das runde Fenster seines Gefängnisses mit der ganzen Rahme ausgehoben, dadurch einen spitzen Kloben, mit welchem die Rahme befestigt war, erhalten, damit die beiden neuen, guten Schlösser der Ketten, womit er kreuzweis gefesselt war, erbrochen, die Ketten abgelegt, seinen Teppich zerrissen, daraus ein Seil, 10 bis 12 Schuhe lang, gedreht und war dann durch die auffallend enge Oeffnung des starken Fenstergitters, welche wirklich bei der angestellten Probe keinem andern Kopfe den Durchgang erlaubte, hinausgeschlüpft, hatte sich am Seil herabgelassen und war dann noch 8 bis 10 Schuhe hoch zur Erde gesprungen; der Schuß der Wache war ihm hart am Kopfe vorbei gefahren. – Er war fort und alles Streifen, alles Durchsuchen der nahen Felder mit Hunden, war vergebens. Man hatte aber noch in der Nacht an alle angränzende Aemter, durch reitende Boten, man hatte selbst an die entfernteren Behörden durch Estaffetten die Nachricht seiner Entweichung gesendet, und alle gebeten, sie sogleich eben so schnell an die rückwärtsliegenden Behörden zu senden und dem Einfanger des Basti eine Belohnung von 50 fl. zuzusichern; und so kam es, so nur konnte es kommen, daß er schon am 22ten Juni Abends im Odenwalde, Großherzoglich Hessischen Amtes Fürth, wieder eingefangen und nach Heidelberg zurückgebracht wurde. Er war unmittelbar nach seiner Entweichung in den nahen Neckarfluß gesprungen und hatte sich unter dem Boden der in demselben auf einem Kahne errichteten Schwimmschule, bis an den Mund im Wasser, mehrere Stunden verborgen gehalten. Er war Zeuge der Nachsuchungen an beiden Ufern und in der Schwimmschule selbst. Erst nach Mitternacht versuchte er es, den Neckarfluß zu durchwaten, der zu seinem Vortheile, gerade in jenem Augenblicke, sehr seicht war. Noch hatte er das jenseitige Ufer nicht erreicht, als er die auch dort ausgestellten Wachen gewahrte; er blieb noch lange Zeit auf einem Felsen im Flusse sitzen. Endlich wagt er einen neuen Versuch und gewinnt, unter Lebensgefahr, das jenseitige Ufer, und durch die hohe Frucht endlich das Gebürg und den Wald. Um sein Erscheinen im blosen Hemde minder auffallend für Leute, welche ihn etwa im Walde gewahren könnten, zu machen, schlüpft er mit den Beinen in die Hemdärmel und hält den untern Theil des Hemdes oben beim Halse mit den Händen zu. So läuft er weiter. Ihm begegnen im Walde zwei Bauern; er stellt sich närrisch und stumm, bettelt sie an und ist so glücklich, nicht nur nicht angehalten zu werden, sondern noch sogar ein Allmosen und das Bedauern der Geber zu erhalten. Mit diesem Allmosen kauft er sich in einer entlegenen Mühle im Gebürge Brod. Man fragt ihn über seinen sonderbaren Aufzug, und er ersinnt eine Lüge, welche ihm hilft. Er hatte sich, so erzählt er den Leuten in der Mühle, entkleidet, um sich von Ungeziefer zu reinigen, war darüber eingeschlafen und fand beim Erwachen eine große Schlange auf seinen Kleidern liegen. Der plötzliche Schreck bestimmt ihn zur Flucht. Als er sich erholt hatte, kehrt er zurück, kann aber nun seine Kleider nicht wieder finden. Ihm wird geglaubt, er lacht der Leichtgläubigen und flieht weiter, bis er Abends von minder leichtgläubigen Bauern, welchen seine Flucht und die auf seine Einlieferung gesetzte Belohnung von 50 fl. welche sie auch erhielten, vom Amte Fürth schon bekannt gemacht war, arretirt wurde. Am 25ten Juni ließ Basti sich zum Verhöre melden, und bekannte, mit bei dem Straßenraube zwischen Laudenbach und Hemsbach gewesen zu seyn, suchte aber seinem Antheile an dieser Thal so viele Entschuldigungen beizufügen, daß er blos als verführten, beinahe unschuldigen Mensch sich darstellte. In der Folge gieng er wol hievon ab und bekannte, thätigeren Antheil an diesem Verbrechen genommen zu haben; desto hartnäckiger läugnete er aber alle andere, bereits weiter gegen ihn zur Anzeige gekommenen und von den übrigen Mitschuldigen eingestandenen Vergehen ab. Er war, obgleich der jüngsten einer, – der letzte, welcher weitere Verbrechen einbekannte.
Nun war von den eingefangenen Theilhabern am Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach nur noch der Hölzerlips der einzige Uebrige, weicher läugnete. Er setzte dieses Läugnen bis zum 27ten Juni fort, wo er die mit ihm und verschiedenen andern Arrestanten vorgenommene Confrontation nicht aushalten konnte, und deswegen ebenfalls zum Bekenntnisse schritt: an dem oftgedachten Raubmord zwischen Laudenbach und Hemsbach Antheil gehabt zu haben. Später schritt er, freilich erst nach vieler Mühe des Untersuchungsrichters und oft wiederholtem Versuche, zu widerstehen, zum Geständnisse mehrerer Verbrechen, welche er, sobald er einmal zum Bekennen geschritten war, mit dem gleichmüthigsten Tone erzählte, ohne einige Reue, einiges Mitleid mit den von ihm und Andern Beraubten und Mishandelten zu zeigen. Sein früheres Läugnen erklärte er für eine erlaubte Nothlüge und äußerte dabei: alle wie wir einsitzen, schwören zehn falsche Eide, wann wir uns damit losmachen können.
Auch Hölzerlips hatte nun gestanden. Seine Concubine war die letzte, welche läugnete und darauf beharrte, ihn nicht zu kennen. Sie wurde ihm vorgestellt. Hölzerlips erklärte, auf die Frage: wer sie sey? »das ist meine Kathrine!« – »ich will deine Kathrine nicht seyn!« schrie sie. Hölzerlips hatte bereits eingestanden, ihr die goldene Uhr und eine Karolin in Gold zugestellt zu haben; sie läugnete dieses. Hölzerlips behauptete ihr es wiederholt unter das Angesicht; sie läugnete beides. Sie wurde mit Güte, sie wurde mit Ernst zur Wahrheit ermahnt; sie läugnete. Es wurde ihr mit körperlicher Züchtigung gedroht; sie läugnete fort. Sie empfing sechs Farrenziemerstreiche und läugnete. Sie empfing den siebenten und erklärte: sie wolle sagen, wo sie die Uhr begraben habe, aber erst solle der Hölzerlips seine Drohung zurücknehmen; Er habe ihr nämlich den Hals abzuschneiden gedroht, wenn sie die Uhr verrathe. Dieser bekannte diese Drohung, nahm sie zurück und die Hölzerlipsin bekannte nun: die Uhr zu Steinheim im Gefängniß vergraben zu haben. Sie bezeichnete den Ort. Es wurde nach Steinheim geschrieben und die Uhr fand sich nebst Kette auf der bezeichneten Stelle vergraben, wurde übersendet und kam so in die Hände des Eigenthümers zurück. Die Karolin behauptete sie, ihrem Buben auf dem Transport nach Heidelberg in Heppenheim mit dem Befehle zugestellt zu haben, sie hinweg zu werfen. Der Bub gab an: die Karolin zu Heppenheim in den Abtritt geworfen zu haben; er wurde nach Heppenheim gebracht, bezeichnete die Stelle. Die Karolin wurde aber nicht gefunden. – Später mußte die Hölzerlipsin ihre näheren Familienverhältnisse bekennen und nun wurde richtig gestellt, daß sie die zu einer überrheinischen Bande gehörige, bereits von der Kaiserlich Französischen Behörde zum Tode verurtheilte Kathrine Weis, eine Tochter des berüchtigten alten Scheerenschleifers Hannes, sey. Von diesem Eingeständnisse wurde sogleich der geeigneten K. K. Französische Behörde Nachricht ertheilt und die Auslieferung dieser Weibsperson angeboten.
Auf gleiche Weise entwickelte sich das Schicksal des durch diese Untersuchung auch entdeckten Johann Wild und bestätigte wiederholt die Wahrheit der alten Lehre: daß die Strafe, wenn gleich manchmal langsam, doch sicher dem Verbrechen folge. Es waren von den übrigen Mitschuldigen und selbst von Wilds Sohne Andreas Verbrechen einbekannt, an welchen auch er Antheil genommen hatte. Er wurde wegen dieser neuen Anzeigen wieder ins Verhör genommen. Er gerieth in sichtbare Angst und Beklemmung, welche sich zwar bei dem Geständnisse jener Verbrechen minderte, aber nicht hob; selbst als er dieses sein Geständniß vollendet hatte. Diese Stimmung des Inquisiten wurde benutzt, und mußte um so mehr benutzt werden, da in einem langen Zwischenräume von der K. K. Französischen Behörde keine Antwort erfolgt war; wahrscheinlich, weil es an Subjekten fehlte, welche zur Anerkennung des Wild als schwarzer Peter hätten benutzt werden können. Der Versuch gelang. Wilds Angst stieg mit jedem Augenblicke, seine Brust hob sich sichtbar, die Sprache entfloh ihm, er mußte abgeführt werden; kaum aber war er im Freien, so erholte er sich und verlangte, unter den Worten: »was soll ich mich lange quälen lassen, es ist doch aus!« wieder vorgeführt zu werden. Dieses geschah – und er konnte nur durch Kopfnicken bestätigen: er seye Peter Petry, vulgo der schwarze Peter, – Genosse des Schinderhannes. Nach einiger ihm gegönnten Erholung wiederholte er dieses Bekenntnis;, und gieng von diesem zu jenem der aus der aktenmäßigen Geschichte der Räuberbande dies- und jenseits des Rheines bekannten Ermordung des Juden von Seibersbach und zu dem einiger Pferdediebstähle über. Auch seine Frau gestund nun, daß ihr Mann der schwarze Peter, ein Genosse des Schinderhannes, sey. Der Sohn Andreas läugnete dieses. Er, der früher zwar gebeten hatte, ihn, wo möglich, nicht zur Ueberführung seines Vaters, hinsichtlich der mit ihm verübten Verbrechen, zu gebrauchen, – dennoch aber, auf den äußersten Fall, sich bereit erklärt hatte, auch seinem Vater alles unter die Augen zu sagen; – er allein konnte sich nicht entschließen, seines Vaters wahren Nahmen anzugeben. Selbst als man ihm die Geständnisse seines Vaters vorhielt, läugnete er, daß dieser anderst als Johann Wild heiße. Sein Vater selbst mußte ihm sagen, daß er Peter Petry heiße. Er that es, bat aber zugleich um Schonung für seinen Sohn, der nur geläugnet habe, weil er wisse, daß sein Geständniß nothwendig seines, des Vaters, Leben koste. Der Sohn schrie laut auf, aus Schmerz, warf sich zur Erde und tobte und raste so heftig, daß man ihn nur mit bei äußersten Mühe zur Beruhigung bringen konnte. Auch dieser alte Verbrecher, dem es gelungen war, sich der längst verdienten Strafe zu entziehen, und, während Schinderhannes und der größte Theil seiner Schüler und alten Genossen verhaftet und verurtheilt wurden, im Odenwalde unerkannt fortzuleben, – und selbst, nachdem sein eigener ältester Sohn mit Schinderhannes verurtheilt worden war, neue Verbrechen zu verüben und seinen zweiten Sohn Andreas zu gleichen Verbrechen anzuführen, – wurde nun der geeigneten K. K. Französischen Behörde zur Ablieferung angeboten und wird nun den langverdienten Lohn seiner höllischen Großthaten empfangen.
Gleiches Schicksal hatte mit ihm ein anderer Genosse des Schinderhannes, Martin Delis vulgo Zahnfranzen Martin, welcher eingefangen, von den Heidelberger Arrestanten erkannt wurde und nun ebenfalls der rächenden Strafe entgegen sieht. Noch einige andere Genossen des Schinderhannes und seiner Gesellen wurden durch diese Untersuchung entdeckt, nämlich:
die in Darmstadt verhafteten Johann Adam Grasmann vulgo langer Samel, und Johann Adam Heußner vulgo dicker, oder rother Hannadam;
die in Arnsberg verhafteten, Peter Heinrichs Hannadam und N. N. Gilbert.
Von diesen ist der Vorletzte, nämlich Peter Heinrichs Hannadam, eigentlich Johann Adam Hoffmann, in der aktenmäßigen Geschichte der Räuberbanden dies- und jenseits des Rheines, als einer der allergefährlichsten Genossen des Schinderhannes beschrieben. Er war wegen Pferdediebstählen zu Arnsberg verhaftet, saß dort mit einem gewissen Ludwig Luz zwei und ein halb Jahre unter dem falschen Nahmen Johann Winter und wurde als solcher zu Erstehung der ihm zuerkannten, ihrem Umlauf nahen Zuchthausstrafe nach Marienschloß in der Wetterau abgeführt. Hier saß er, als von Heidelberg aus die Angabe seines wahren Nahmens einlangte. Er wurde nach Giesen gebracht, läugnete aber dort und konnte nicht überwiesen werden. Man sendete ihn nach Heidelberg, auch hier widerstand er lange allen Versuchen; endlich aber gelang es, ihn zum Geständnisse zu bringen, daß er Peter Heinrichs Hannadam sey; – und nun steht auch ihm der lang verdiente Lohn seiner Verbrechen bevor.
Wir übergehen für jetzt die Aufzählung der weitern Entdeckungen und Verhaftungen, welche die Untersuchung herbei führte, indem wir weiter unten darauf zurückkommen werden, und wenden uns nun zur Erzählung des Raubmordes selbst, so wie ihn die übereinstimmende Erzählung der Mitschuldigen liefert.
Am 28ten April 1811 hatten sich Veit Krähmer mit den Seinigen und sein Gevattermann, Friederich Philipp Schütz mit den Seinen bei Milden unweit Strümpfelbronn im Odenwalde an einem gemeinschaftlichen Feuer aufgehalten; zu ihnen hatte sich der lange Andres auch gesellt und später kamen auch Köhlers Andres (Andreas Petri) und Basti (Sebastian Luz) an diese Stelle. Sie plauderten eine Weile untereinander und kamen dann sogleich auf ihre gewöhnliche wechselseitige Frage: ob keiner etwas zu verdienen (zu rauben oder zu stehlen) wisse? der wusste dies, ein anderer jenes. Sie wurden über keinen einzelnen der gemachten Vorschläge einig und beschlossen daher gemeinsam, ohne daß sie sich bestimmt erinnern, wer die erste Idee dazu angab, auf gut Glück hinab auf die Bergstraße zu ziehen und dort eine Charette zu malochnen (eine Chaise anzugreifen) oder sonst etwas zu unternehmen, wozu sich Gelegenheit zeige. In demselben Augenblicke dieses gemeinschaftlichen Beschlusses kam auch Hölzerlips mit seiner Beischläferin zur Stelle. Der gefasste Entschluß wurde ihm entdeckt, und er war sogleich von der Parthie. Es wurde ein Schoppen Brandwein (das Lieblingsgetränk dieser Menschen) in einem Wirthshäuschen im nahen Höllengrunde geholt, und mit diesem Labsal versehen begann die Gesellschaft ihre Reise durch die steilsten und unwegsamsten Gebürge des Odenwaldes. Köhlers Andres und Basti hatten schon vor ihrem Abgang wacker geschnapst; sie geriethen unterwegs in Streit miteinander und zerkratzten und zerbläuten sich tüchtig; doch konnte diese kleine Differenz keine Störung des gemeinschaftlichen Zweckes erzeugen. Es war tief in der Nacht, als die Gesellschaft bei Oberschönenmattenwaag vorüberzog. Dor mitgenommene Brandwein war längst alle, und Durst plagte die Räuber. Ein Keller wurde erbrochen und daraus ein Hasen voll Milch und ein Krug Wein (mehr fand sich nicht) mitgenommen und getrunken. Erst am Morgen des 29ten Aprils kam die Gesellschaft auf dem sogenannten Juchhe-Häuschen, oben auf dem Gebürge, an welchem Oberlaudenbach (auch noch im Gebürge) liegt, an. Dieses Häuschen wird von den Michael Fuhrischen Eheleuten, welche einige um dasselbe herumliegende Güterstücke besitzen, bewohnt. Beide Eheleute sind Kochem, das heißt: Vertraute der Räuber oder Diebsgenossen. Die Räuber waren hier willkommen, sie ließen sich Aepfelwein geben, Suppe kochen, Eier backen und labten sich damit für die Beschwerden des langen, mühsamen Marsches. Basti unterhielt sie dabei mit allerlei kurzweiligen Sprüngen und Späßen. Ihr Geld reichte nicht, um die Zeche zu bezahlen, allein sie fanden willig Credit, als sie die Bezahlung bei der Rückkehr zusicherten. Sie hielten sich den Tag über im nahen Walde auf und stiegen erst mit sinkendem Abend das Gebürg weiter herab, bis auf die Bergstraße, nachdem sie sich zuvor mannshohe junge Buchen abgeschnitten und zu Prügeln zugerichtet hatten. Sie waren auf der Bergstraße, im Großherzoglich Hessischen Gebiete, postirt und warteten dort der Dinge, die da kommen sollten. Nach langem Harren hörten sie das Gerassel einer kommenden Chaise. Alle stellten sich in Bereitschaft; die Chaise kam näher und schon sollte der Angriff geschehen, als sie entdeckten, daß eine zweite Chaise hart hinter der ersten nachkomme. Hölzerlips hielt sich und seine fünf Genossen nicht für zahlreich genug, die beiden Chaisen zugleich anzugreifen und untersagte den Angriff. Die beiden Chaisen passirten glücklich vorüber. Es war die Diligence mit einem Beiwagen. Es kam in dieser Nacht nichts weiter und so zogen sich die Räuber, gegen Morgen, wieder in den Wald zurück. Hier verweilten sie bis zum 30ten April Abends, wo sie in einem kochemen Bayes (vertrauten Hause) zu Oberlaudenbach, bei der Wittib Geigerin, einkehrten. Hier fanden sie den in diesem Hause einheimischen großen Harzbuben (Georg Schmitt) welcher sie mit Brandwein regalirte, auch ihnen eine Bohnensuppe selbst kochte und Eier backen ließ. Sie eröffneten ihm ihr Vorhaben und luden ihn ein, Theil daran zu nehmen. Schmitt, welcher entweder nicht beherzt genug zu einem Straßenraube war, oder Entdeckung befürchtete, weil er in dieser Gegend sehr bekannt war, schlug dieses aus, proponirte aber dagegen einen Diebstahl in der Mühle zu Mörlenbach, wozu er die Gelegenheit angab und wohin er mitziehen wollte. Der Vorschlag wurde, als zu wenig versprechend, verworfen. Nach eingebrochener Nacht verließen die Räuber Oberlaudenbach; Georg Schmitt zeigte ihnen den Weg auf den Theil der Bergstraße zwischen Hemsbach und Laudenbach, im Badischen, auf welchem sie sich nun, mit frischgeschnittenen, den vorigen gleichen, Prügeln versehen, postirten. Sie harrten lange, es kamen endlich zwei Fußgänger; einige verlangten, sie anzugreifen, andere widersetzten sich, weil sie zu geringe Beute vermutheten. Der Angriff unterblieb. Sie harrten bis nach Mitternacht, es zeigte sich nichts. Die Räuber fühlten Hunger und beschlossen daher, in die Küche des Wirthshauses zu Unterlaudenbach (auf der Chaussee) einzubrechen, um dort Eßwaaren zu holen. Schon waren sie im Hofe dieses Wirthshauses, schon hatten sie den Einbruch begonnen, als der auf der Schmier (Schildwache) stehende Räuber rief: es kommt eine Charette! Alle verließen den Hof und liefen der durch Laudenbach kommenden Chaise auf der Chaussee nach Hemsbach zuvor. Veit Krähmer und Basti sollten den Pferden in die Zügel fallen; allein sie hatten dazu den Muth nicht, und widersetzten sich standhaft dem Antrage; nun entschloß sich Hölzerlips, der stärkste, zu diesem gefährlichen Geschäfte. Mit Leichtigkeit führte er, der schon so manchem Straßenraube beiwohnte, sein übernommenes Werk aus. Die Pferde waren angehalten, der Postillon erhielt vom langen Andres und auch von Andreas Wild einige Streiche und wurde gezwungen, abzusteigen und sich vorn zu den Pferden zu stellen und diese selbst zu halten. Den beiden Reisenden war ihr Unglück im Schlafe gekommen. Sie waren schlafend bis zur Stelle des Angriffs gefahren worden und erwachten erst, nachdem Hölzerlips die Pferde gehalten hatte, während von den andern mit ihren Prügeln auf die Chaise selbst geschlagen wurde, um dadurch die Reisenden in Furcht zu setzen und zum Herausspringen zu zwingen. Dieser Zweck wurde schnell erreicht; die beiden Reisenden, aufgeschreckt aus ihrem sichern Schlummer, konnten sich im ersten Augenblicke nicht fassen, auch hätte ihnen alle Fassung wenig gefrommt, da sie unbewaffnet waren, und da auch die beste Bewaffnung, wie der weiter unten angeführt werdende Straßenraub bei Gelnhausen an zwei Französischen Officiers zeigt, die Räuber nicht gehindert haben würde, ihre Absicht zu erreichen. Sie sprangen nach einander aus der Chaise, und erhielten, jeder, so wie er die Chaussee betrat, einen so kräftigen Schlag auf den Kopf, daß sie betäubt zu Boden stürzten. Zum Glücke für ihn, war die Betäubung, in welche Herr Hanhart verfiel, von längerer Dauer. Er erhielt zwar, selbst in diesem Zustande, noch einige Streiche, aber nur auf den Rücken. Herr Rieder erholte sich, als die Räuber ihm Geld und Uhr abnahmen; sogleich erhielt er vom langen Andres neue Streiche; er bat, wie selbst die übrigen Räuber angaben, um sein Leben, erbot sich, Alles herzugeben, was er besitze, suchte durch die Angabe, daß er Vater von sechs Kindern sey, das Mitleid des Räubers rege zu machen. Umsonst, der lange Andres fuhr fort, ihn zu schlagen; – Rieder fing ihm, auf der Erde sitzend, den Stock auf; nun rief der lange Andres seine Kameraden zu Hülfe. Ehe sie aber ankamen, hatte er schon die geladene Pistole, welche er bei sich führte, hervorgezogen und schlug mit dem Kolben und Schloß derselben den armen, bejammernswerthen Rieder so lange auf Kopf und Stirne, bis dieser den aufgefangenen Stock losließ und in neue Betäubung hinsank. Er wurde nun völlig ausgeplündert. Während dieser Mishandlung hatten Veit Krähmer und Manne Friederich, welcher letzte standhaft läugnet, geschlagen zu haben, obschon Andreas Petri eben so standhaft das Gegentheil behauptet, den Koffer, welcher hinten auf die angegriffene Chaise gepackt war, mit einem dazu eigends gefertigten, von ihnen mitgebrachten Instrumente erbrochen, wozu ihnen am Ende auch Hölzerlips noch half. Alles, was sich in dem Koffer befand, wurde geraubt, die Chaise selbst durchsucht, und dann zogen die Räuber, mit ihrer Beute beladen, wieder zurück in das Gebürge. An dem schon gedachten sogenannten Juchhe-Häuschen hielten sie an, ließen sich, ohne jedoch in das Häuschen selbst zu gehen, Aepfelwein reichen, bezahlten von dem geraubten Gelde ihren vorigen Zechrückstand, schenkten dem Wirthe eines der geraubten Halstücher und setzten dann ihren Weg tiefer in den Odenwald fort. Unterwegs theilten sie im Walde die Beute in sechs gleiche Theile und verloosten diese unter sich. Was sich nicht theilen ließ, wie z. B. die Uhren, Ringe u. d. gl., wurde unter ihnen versteigt, oder wie sie es nennen, von Einzelnen herausgekauft. Schon am andern Abend waren sie wieder im Höllengrund, in der Gegend, aus welcher sie ausgegangen waren. Am 2ten May Morgens tranken sie im Wirthshause im Höllengrund Brandwein und nahmen dessen sehr viel zu sich. Einem Großherzoglich Hessischen Soldaten waren diese Kerls und ihre Bündel verdächtig; er machte deshalb einige Bewohner des Höllengrundes auf sie aufmerksam, welche den Hölzerlips, Manne Friederich, Köhlers Andres und Basti, die das Wirthshaus zuerst verließen, anhielten, aber nur des Manne Friederichs habhaft wurden, welchen sie nach Zwingenberg an das Amt lieferten. Zugleich wurden auch die Bündel, welche die Räuber abgeworfen hatten, dorthin gebracht.
Manne Friederich konnte nicht läugnen, in der Gesellschaft der drei andern gewesen zu seyn; wohl aber läugnete er, sie zu kennen, oder zu ihnen gehört zu haben. Er wollte blos zufällig auf dem Wege mit ihnen zusammengekommen seyn. Er hatte eines der geraubten feinen Hemden an, als er arretirt wurde; er fürchtete mit Recht, durch dasselbe verrathen zu werden, er riß daher im Kerker sogleich den Chapeau und jenes Stückchen des Hemdes ab, auf welchem der Nahme des Eigenthümers gezeichnet war und versteckte beides. Beide Stücke wurden entdeckt; obschon sie ihm vorgehalten und er überwiesen wurde, daß sie an sein Hemd paßten, so läugnete er dieses dennoch, gab aber wegen dem Hemde selbst an, er habe es von einem der drei Entflohenen gekauft und unterwegs, auf freiem Felde, sogleich angezogen. Alle Mühe des Beamten war vergebens, er beharrte bei seinem Läugnen; bis er endlich, wie wir bereits wissen, Gelegenheit fand, zu entfliehen. Ueber die Art seiner Flucht war von ihm kein offenes Geständniß zu erhalten; und man geräth wirklich in Versuchung, darin einen edeln Zug zu bewundern, wenn wirklich blos Dankbarkeit und nicht Furcht, in künftigen, ähnlichen Fällen auf eine Befreiung hoffen zu dürfen, ihn zurückhielt, offen zu bekennen: wer ihn befreit habe. Daß ihm das Gefängniß von außen geöffnet, daß ihm von seinem Befreier der Weg zum Ort hinausgezeigt und ihm noch etwas Brandwein mit auf den Weg gegeben worden sey, bekannte er; standhaft aber versicherte er, daß er seinen Befreier nicht kenne, und war durchaus durch keine Vorstellung von dieser Versicherung abzubringen. Seine und der Uebrigen später erfolgte Wiedereinfangung ist schon bekannt.
Die Entdeckungen, zu welchen die Geständnisse der Räuber führten, waren von großem Umfange; sie wurden allen benachbarten Behörden mitgetheilt, und alle fühlten gleich lebhaft, daß nur die energischsten Maßregeln vermögend seyen, zur völligen Entdeckung dieser so höchst gefährlichen Bande in ihrer ganzen Ramification, und zu Vertilgung ihrer Schlupfwinkel beizutragen; alle ergriffen auch mit gleicher Bereitwilligkeit, mit gleichem Eifer, diese Maßregeln; und vorzüglich diesem, sonst so seltenen, rastlos thätigen Zusammengreifen ist es zuzuschreiben, daß die Untersuchung jene Resultate liefern konnte, welche sie wirklich lieferte. Die Großherzoglich Hessische Regierung zu Darmstadt überzeugte sich, daß es all ihrer Sorgfalt nicht gelingen könne, ihren Antheil am Odenwalde von Räubern frei zu halten, wenn nicht zuvor ihre Schlupfwinkel, die Kocheme Bayes (vertraute Häuser) entdeckt und für die Folge unbrauchbar für die Räuber gemacht würden. Sie wendete daher ihr Augenmerk vorzüglich hierauf. Das Amt Heppenheim mußte sich selbst nach Heidelberg begeben, um dort die vorgedachten Fuhrischen Eheleute ihrer Theilnahme überweisen zu lassen. Diese Ueberweisung erfolgte sowohl hinsichtlich der Fuhrischen Eheleute, als hinsichtlich der Wittwe Geigerin zu Oberlaudenbach, und hatte zur Folge, daß schon im Julius die ersten zu 1½, die letzte zu 3jähriger Zuchthausstrafe, verdammt wurden; damit noch nicht zufrieden, sendete diese Regierung auch den Herrn Criminalrichter Brill von Darmstadt nach Heidelberg ab, damit er dort sich nähere Notizen sammle. Er unterzog sich mit Eifer und Fleiß diesem Auftrage, fand in Heidelberg die willigste Unterstützung, und bei den Räubern selbst die offenste Freimüthigkeit. Er kehrte mit reicher Erndte nach Darmstadt zurück und begann dort sogleich seine Untersuchungen, sowohl gegen die verschiedenen Diebshehler, als gegen die in Darmstadt verhafteten, bisher geläugnet habenden Mitschuldigen; welche keine andere als günstige Erfolge für die allgemeine Sicherheit liefern können.
Auch im Badischen Lande, nahmentlich zu Kreuzsteinach, Strümpfelbronn und Milben, wurden solche Diebshehler und Käufer geraubter Sachen entdeckt, zur Untersuchung gezogen und verhaftet. Auch sie wird die wohlverdiente Strafe treffen, und hoffentlich dazu dienen, sie von ferneren Vergehen und Andere von Nachahmung abzuhalten.
Die Verfügung, welche das Großherzoglich Badische Ministerium traf, daß alle und jede im Lande eingefangen werdende Vaganten nach Heidelberg und Mannheim eingeliefert werden sollten, um den dort bereits Verhafteten vorgestellt zu werden, hatte die heilsamsten Folgen, indem dadurch eine Menge sogenannter Fallenmacher (falsche Spieler) Stappler (Steifbettler und falsche Collectanten) auch wirkliche Schupper (Diebe) entdeckt und zur Bestrafung reif gemacht wurden. So wurde unter andern der sogenannte stumpfarmige Zimmermann, Philipp Müller, und nach und nach seine ganze zahlreiche Familie verhaftet, welche sich, ohne festen Wohnsitz, ohne einen bestimmten, ergiebigen Nahrungszweig, im Badischen und Darmstädtischen Odenwalde schon seit langen Jahren herumtrieb. Der Alte hatte früher unterm Pfälzischen Militär, als Pionnier gedient, hatte später seinen Arm durch einen unglücklichen Fall, beim Arbeiten auf seiner Profession, strupirt erhalten und zog nun, seit langen Jahren, von Ort zu Ort, mit einem Kasten voll Meerschweinchen umher, welche er ums Geld sehen ließ, während dem seine Frau und Töchter durch Verfertigung von Tragringen etwas Weniges zu verdienen suchten. Ein Verbrechen war von ihm nicht bekannt; die verhafteten Räuber versicherten einstimmig, daß er weder Räuber, noch Dieb, noch Baldowerer (Ausspäher und Angeber der Gelegenheiten zu Raub und Diebstahl) seye. Ihm lag also damals nichts zur Last, als sein Vagantenleben. Er wußte für dieses manche Entschuldigung anzuführen. Geboren in einem Darmstädtischen rein lutherischen Orte, war er als kleiner Knabe seinem Vater, angeblich wegen der Härte seiner Stiefmutter gegen ihn, entlaufen; er diente als Schweinhirtenjunge in verschiedenen Orten. Ein bemittelter Zimmermann aus Mannheim fand ihn in diesem Zustande, nahm sich seiner an, ließ ihn im Waisenhause zu Mannheim erziehen und lernte ihn seine Profession. Nun war er aber in jenem Waisenhause katholisch erzogen worden; dieses und sein nachheriger langer Dienst unterm Pfälzischen Militär hinderten ihn, nachdem er strupirt war, in seinem Geburtsorte Unterkunft zu finden; auch fehlte es ihm, da er nicht mehr arbeiten konnte, an Mitteln, sich in einem festen Wohnsitze zu ernähren. Wenn man einmal meine Meerschweinchen in einem Orte gesehen hat, so ist dort auf geraume Zeit kein Verdienst mehr für mich, und haben meine Weibsleule, so sagte er, einmal ein Dorf mit neuen Tragringen versehen, so ist dort auf lange Zeit für uns nichts zu thun. Unser Gewerb macht also einen steten Wandel unumgänglich nöthig. Wollten wir es von einem festen Punkt aus betreiben, so würden die Reisen zu groß werden, auch jener feste Sitz allen Zweck für uns verlieren; denn wer sollte die Kinder besorgen, wann ich mit meinen Schweinchen, meine Frau mit den Ringen umherzöge? In einem festen Wohnsitze müßte ich herrschaftliche Abgaben geben, Wachen und Frohnden leisten, Hausmiethe bezahlen; alles dieses fällt bei meinem wandernden Leben hinweg. Und meine Kinder würde ich in stetem Wohnsitze überdies auch nicht ernähren können; so aber fehlt dieses nicht. Klagt eines Hunger, so hänge ich ihm ein Bandelier Tragringe um und schicke ihn in das nächste Dorf; kauft man ihm nichts ab, so giebt man doch dem Kinde ein Stück Brod, und handelt man ihm den Kreuzer, welchen es mehr zu fordern angewiesen ist, ab, so bedingt es sich dagegen ein Stück Brod, welches man ihm willig giebt, und sein Hunger ist gestillt, oft auch der seiner Geschwister und Eltern, wenn es gut geht. Also der stumpfarrnige Zimmermann; – und was läßt sich wol gegen seine praktische Lebensphilosophie einwenden, so lange für Menschen seiner Art nicht auf andere Weise gesorgt ist? – und seiner Art Menschen giebt es so viele!
Seine Unbescholtenheit und seine selbst angegebene Kenntniß der Schlupfwinkel der Räuber, unter welche er selbst seinen eigenen Tochtermann Stephan Heußner, vulgo langbeiniger Steffen, zählte, welche er bei seinem steten Umherziehen, auf den Feuerplätzen, in den Herbergen, auf den Kirmsen und Märkten, erlangen mußte, schienen es nicht zu mißrathen, den Versuch zu machen: ob er nicht, nach seinem Erbieten, zum Einfangen der Gauner gebraucht werden könne. Höheren Orts wurde diese Idee genehmigt, und jedoch mit vieler Vorsicht ausgeführt, da es eine erprobte Wahrheit ist, daß dergleichen sogenannte Fleischmänner zwar Bettler und sonstiges Gesindel einfangen, dagegen aber die wahren Räuber und Diebe nicht nur laufen lassen, sondern ihnen sogar noch die Maasregeln der Polizei verrathen, entweder aus Furcht für ihre eigene Sicherheit, oder aus Furcht, daß dann auch frühere, von ihnen verübte, noch unentdeckte Verbrechen verrathen werden möchten, oder um für ihr Schweigen gegen die Obrigkeit und ihren Verrath an die Räuber von diesen Belohnung zu erhalten. Müller brachte zwar von verschiedenen Orten vielerlei Menschen ein, die alle Vaganten, aber auch weiter nichts waren. Er ließ dann mehrere Wochen über nichts von sich hören, obschon er große Versprechungen gemacht hatte. Nun erfolgte aber plötzlich von einem andern sogenannten Fleischmann, (welchen man von jenseits Rheins hatte kommen lassen, um durch ihn zu erforschen, ob sich unter den Verhafteten keine Glieder der jüngsten überrheinischen Anton Keilischen Räuberbande befänden;) die Angabe, daß Müller, wenigstens die Seinigen, mehrere Verbrechen verübt hätten; und so wurde er dann wieder eingezogen und eine besondere Untersuchung gegen ihn und seine Familie vorgekehrt, welche jedoch nur wenig bedeutende Resultate lieferte.
Philipp Müller hatte selbst seinen Tochtermann, Stephan Heußner, als einen höchstgefährlichen Räuber denuncirt; er selbst hatte dessen Frau, seine eigene Tochter, in Eberbach, wohin er gesendet worden war, recognoscirt. Nun wurde dieser Stephan Heußner selbst eingebracht. Er war schon in den ersten Tagen des Monats May, kurz nach dem Dürrsteischdiebstahle zu Igelsbach, wovon weiter unten die Rede seyn wird, mit dem kleinen Johann zu Hüngheim, wohin beide ihren Antheil gestohlenen Fleisches verkauft hatten, arretirt worden. Er nannte sich in seinen Verhören Stephan Müller, und gab vor, aus dem Kaiserlichen zu seyn. Bei allem dem aber hatte er die Unvorsichtigkeit, den Nahmen seiner Frau und die Familienverhältnisse derselben und den Ort seiner Trauung richtig anzugeben. Der kleine Johann hatte seinen Nahmen Johann Adam Treber, (wenn es anders sein wahrer Nahme ist) richtig angegeben, und stimmte auch hinsichtlich seiner sonstigen Verhältnisse mit dem überein, was seine in Heidelberg verhaftete Frau, Caroline, geborne Höhnin, davon angegeben hatte. Einzig der, höhern Orts auch scharf gerügten, Oberflächlichkeit der gegen diese beide schweren Verbrecher geführten Untersuchung, ist es zuzuschreiben, daß beiden es gelang, trotz aller Ausschreibung ihrer richtigen Signalements, unentdeckt zu bleiben und daß sie bloß als Vaganten zu sechsmonatlicher Arbeitshausstrafe verurtheilt wurden. So oberflächlich die gegen beide geführte Untersuchung war, so nachlässig war auch die Art, womit ihr Transport nach Bruchsal in das Arbeitshaus bewerkstelligt wurde. Ein einziger Begleiter wurde dem Bauern, welcher beide auf seinem Karren führte, mitgegeben. Die Folge war, daß beide Arrestanten zwischen Schefflenz und Moßbach, während eines heftigen Hagelwetters, den Augenblick benutzten, in welchem ihr Begleiter seine Flinte in dem Büchsenranzen gegen die Nässe zu schützen suchte, um diesen selbst anzugreifen. Sie sprangen zugleich vom Karren und schlugen den Begleiter mit ihren Handschellen zu Boden. Er war bereits ohne Besinnung, als der Fuhrmann sich ermannte, mit einem Steine dem langbeinigen Steffen neun Kopfwunden schlug, von welchen er, ohne Bewußtseyn, niedersank, dann dem kleinen Johann das Gewehr, welches er dem Begleiter abgenommen hatte, entwand und es auf ihn selbst losdrückte. Es versagte. So entkam der kleine Johann. Der Stephan Heußner wurde, nachdem er in Moßbach verbunden worden war, nach Bruchsal abgeliefert. Dort saß er ruhig und spann geduldig, als Stephan Müller, seine Wolle, bis man in Heidelberg, durch das Amt Eberbach, Nachricht von jenem Transporte erhielt, Verdacht schöpfte und ihn nach Heidelberg kommen ließ. Er wurde sogleich von allen seinen Consorten und der Familie seiner Frau anerkannt. Er selbst beharrte, dessen unbewußt, bei seinem angenommenen Nahmen Müller und seinen sonstigen Angaben. Als ihm aber schnell nach einander, alle seine in Heidelberg verhafteten Consorten und Verwandten vorgestellt wurden, verlor er die Fassung so sehr, daß er in demselben Verhöre alle seine Verbrechen, wenigstens alle bekannte, deren Zahl bedeutend war, und noch darüber einbekannte. Seine Geständnisse hatten wesentlichen Einfluß auf das Ganze der Untersuchung, indem sie dazu dienten, seinen schon seit langer Zeit in Darmstadt verhafteten Bruder Johann Adam Heußner, vulgo dicken oder rothen Hannadam, ebenfalls zum Geständnisse zu bringen, wozu ihn bisher nichts bewegen konnte. Stephan Heußner wurde, so wie sein Bekenntniß abgelegt war, auch in seinem ganzen übrigen Benehmen offener und freundlicher; er verrieth zwar bei den Zusammenstellungen mit den Uebrigen, nicht die Frechheit, nicht jenen Muthwillen, womit diese jede Nachsicht des untersuchenden Richters benutzten, um sich an alte Späße zu erinnern, einander zu necken oder zu ängstigen; aber er wurde doch manchmal auch ganz munter und launig. Zu dieser guten Stimmung hatte er am 30ten August Abends spät das Verhör verlassen. In dieser guten Stimmung hatte ihn der Gefangenwärter noch am 31ten August Vormittags 10 Uhr gefunden; als ihm aber einige Stunden später das Mittagessen gebracht werden sollte, wurde er erhängt gefunden. Er hatte sich mit seinem Halstuche an das Gitter seines Kerkerfensters gehängt. Es wurden alle nur mögliche Wiederbelebungsversuche angestellt, aber es war zu spät.
Wenn ihn nicht die Furcht: zur Ueberweisung seines Bruders gebraucht zu werden, und von diesem Vorwürfe über seine Geständnisse zu erhalten; oder die Furcht, seine wieder zu Haften gekommene Frau werde noch weitere Verbrechen gegen ihn angeben, zum Selbstmorde bestimmt hat; so kann derselbe lediglich in folgendem vorhergegangenen Ereignisse seinen Grund haben: der mit den bereits verhafteten Verbrechern auch mehrere Diebstähle verübt habende Peter Eichler, vulgo Hainstadter Peter, ein äußerst gefährlicher Gauner, welcher in der Gegend von Boxberg so bekannt und gefürchtet war, wie der schwarze Peter im Sohnwalde, und wirklich auch zu seinem Verdrusse, in jener Gegend der schwarze Peter genannt wurde, war, wegen eines mit Mord verknüpften Straßenraubs, welchen er gemeinschaftlich mit einem jungen Weibsbilde verübt hatte, zu Boxberg eingefangen worden. Die Kunde davon kam nach Heidelberg, und seine Ablieferung dahin wurde verlangt; ehe diese ankam, war aber Eichler schon nach Mannheim abgeliefert, weil er mit einigen, schon in früheren Jahren dorthin gelieferten, Verbrechern zusammenhieng. Dieser Peter Eichler, aus Hainstadt unweit Boxberg, hatte sich in Boxberg Anton König aus Wien genannt, und war, trotz allen gegen ihn aufgebrachten Beweisen, bei dieser Behauptung geblieben. Er erhielt, da nichts seine Frechheit beugen konnte, Schläge, er widerstand, – er wurde enger und enger geschlossen, er hielt es aus; es wurden ihm Daumenschrauben angelegt, er blieb bei seiner Behauptung: er heiße Anton König und seye aus Wien gebürtig, welches er erst vor wenigen Monaten verlassen habe. Auch in Mannheim beharrte dieser Bösewicht bei diesem seinem Vorgeben; weder die Konfrontation der mit ihm verhafteten Weibsperson, welche seinen wahren Nahmen angab, noch die Vorstellungen und Ermahnungen des untersuchenden Beamten konnten seinen Starrsinn beugen. Es sollte daher ein anderer Versuch gegen ihn gemacht; er sollte mit seinen in Heidelberg einsitzenden Raubgenossen; er sollte demnächst mit acht Einwohnern von Neckarschwarzach, wo er vor kurzer Zeit noch anderthalb Jahr lang als Peter Eichler im Arrest war, confrontirt; – es sollte ihm noch sogar das Amt Neckarschwarzach selbst vorgestellt werden, um ihn, wenn er es soweit kommen ließ, als Peter Eichler anzuerkennen. Zu diesem Ende wurden den 28ten August mehrere Heidelberger Arrestanten und unter diesen auch Stephan Heußner, nach Mannheim gebracht. Die Konfrontation mit Peter Eichler erfolgte, blieb aber fruchtlos. Er trotzte den ihm entgegengestellten Verbrechern mit frecher Stirne. Er verhöhnte durch unbeschreibliche Kälte die acht Neckarschwarzacher Einwohner, welche ihm unter das Gesicht sagten, daß er Peter Eichler seye, und worunter sich der Gefangenwärter, welcher ihn achtzehn Monate lang täglich im Gefängnisse gesehen; der Amtsdiener, welcher ihn so oft zum Verhöre geführt; der Amtschirurg, welcher ihn bei neun Monate lang als krank im Kerker behandelt hatte, befanden. Sie beschworen in seiner Gegenwart, in der Zuchthauskirche, daß er Peter Eichler und anderthalb Jahr zu Neckarschwarzach verhaftet gewesen seye; er läugnete beides. Eben so trotzte er dem Beamten von Neckarschwarzach und seinem Actuar, welche ihn gleichmäßig als Peter Eichler erkannten. Als ihn der Beamte daran erinnerte, daß er auch in Neckarschwarzach im Anfange, Peter Eichler zu seyn, geläugnet, es aber endlich dennoch einbekannt, zugleich aber im Verhöre sich den kleinen Zahn, welcher ihm zwischen den zwei obern vordern Schneidezähnen saß, ausgebrochen und ihn in die Stube geworfen habe, damit er durch diesen Zahn nicht mehr signalisirt und verrathen werde: schlich sich, gleich einem vorübergleitenden Traumgesichte, ein kaum merkbares selbstgefälliges Lächeln über den äußersten Rand seiner Unterlippe; doch zog sich diese sogleich wieder in tiefen Ernst zusammen, und er erklärte: er wisse von allem dem nichts, er wisse nicht, wo Neckarschwarzach liege; er heiße Anton König und seye aus Wien. Er mußte den Mund öffnen, – die Lücke von dem ausgebrochenen kleinen Zahne zeigte sich. Auf die ihm darüber gemachte Bemerkung erklärte er, wenn alle Leute, welche Zahnlücken hätten, Spitzbuben seyn müßten, dann gäbe es viele Spitzbuben in der Welt. Er äußerte dabei, was man praktisch schon gar oft erfahren, vielleicht aber noch nie so offen und deutlich aus dem Munde eines Gauners gehört hat, und die höchste Rücksicht verdient, indem es den klarsten Beweis liefert, daß, so barbarisch es auch in den Ohren sentimentaler Criminalisten klingen mag, – nur die Todesstrafe allein diese Menschenklasse von Verbrechen abschrecken könne, das Zuchthaus aber nichts anderes für sie sey, als das zwar gefürchtete, aber wenn es seyn muß, doch willkommene und erwartete Asyl für ihre alten Tage. Er äußerte nämlich dabei, man solle nicht glauben, daß er läugne, Peter Eichler zu seyn, um aus dem Zuchthause zu kommen; das wolle er keineswegs, es könne sich bei ihm niemand einen größeren Undank verdienen, als der, welcher ihn aus dem Zuchthaus entlasse. Er erkläre freimüthig, daß er lebenslänglich darin bleiben wolle. Was hat das Leben im freien, fuhr er zu reden fort, für mich für einen Werth, bei den jetzigen strengen Anstalten? – In keinem Orte werde ich geduldet, als höchstens über Nacht und das kaum über den dritten oder vierten Tag einmal, je nachdem die Ortsvorstände strenger oder nachsichtiger sind. Ich muß also täglich wandern, ohne zu wissen, wo ich Abends meinen Kopf hinlege; ich kann, eben weil ich täglich wandern muß, nichts verdienen; ich habe also auch weder etwas zum Leben, noch Geld um mich kleiden zu können; ich muß also betteln oder stehlen; beim ersten bekomme ich oft kaum einen Bissen alten Brodes, um mich gegen den Hungertod zu schützen; und wann ich mich zu letzterem entschlossen hätte, so würde ich durch innere Angst und äußere Verfolgung noch mehr gelitten haben. Diesem allem bin ich im Zuchthaus überhoben. Ich bin zwar gefesselt, allein daran gewöhnt man sich; ich darf nicht umherlaufen, das ist mir gerade recht, ich bin des Laufens müde; die Kost ist, sagt man, schlecht, allein sie ist immer besser, als ich sie, wenige Fälle ausgenommen, im Freien hatte, und ich brauche sie so wenig, als meinen Trunk, zu suchen oder zu erbetteln; man bringt mir beides täglich zu richtiger Zeit; ich liege zwar auf Stroh, aber lag ich in der Freiheit weicher? Oft hatte ich nicht einmal Stroh oder Heu zum Liegen; oft, sehr oft mußte ich unter freiem Himmel auf harter Erde, bei Regen und Kälte liegen. Hier bin ich gegen beides geschützt, und darf mir meine Lagerstätte nicht erst erbetteln, die Nacht nicht in Angst, aufgegriffen, mishandelt und von Kerker zu Kerker geschleppt zu werden, zubringen.
Diese Philosophie des Peter Eichler scheint nicht ganz nach dem Geschmacke des noch jungen und rüstigen Stephan Heußner gewesen zu seyn; vielmehr scheint gerade die gemachte Bekanntschaft mit dem Innern des Mannheimer Zuchthauses ihn zum Selbstmord bestimmt, wenigstens zu dieser Bestimmung nebst den obgedachten andern Motiven mitgewirkt zu haben. Er konnte nachdem, was er von seinen Mitgefangenen hörte, und nach dem, was er sich selbst bewußt war, auf nichts anderes rechnen, als, im glücklichsten Falle, auf lebenslängliche, oder doch langjährige Zuchthausstrafe in Mannheim. Er hatte sich, da er nicht wie Peter Eichler mit allen Leiden eines harten und langwierigen Arrestes schon vertraut, sondern noch ein Neuling in allem diesem und zum erstenmale im längeren schweren Arreste war, wahrscheinlich das Zuchthaus mit leichteren Farben gemahlt und sich dasselbe wenigstens nicht schlimmer, als das Arbeitshaus zu Bruchsal gedacht; nun war er aber mit dem Innern jenes Hauses bekannt geworden, er hatte die Blockzimmer, die festen Geschließe, die vielen Ketten, Sprenger und Kugeln gesehen; und sich dabei höchstwahrscheinlich die Idee gemacht, jeder Züchtling bleibe in Mannheim beständig eingesperrt, so wie er es am Tage seines Dortseyns war; wodurch begreiflicher Weise das Bild der seiner harrenden Zukunft im schwärzesten Schatten vor seiner Seele erscheinen mußte. Daß der Anblick des Innern des Mannheimer Zuchthauses einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht habe, verrieth er selbst theils durch die dringende ängstliche Bitte an den in Mannheim anwesenden Heidelberger Richter, ihn doch ja wieder nach Heidelberg mitzunehmen, theils durch das Vergnügen, welches er am folgenden Tage, sowohl gegen diesen Richter, als gegen seine Mitschuldigen, über die erhaltene Gewährung jener Bitte äußerte. Doch scheint, wie schon gesagt, zugleich auch die Furcht weiterer Entdeckungen gegen ihn mitgewirkt zu haben, indem er dem Andreas Petri, wie dieser jedoch erst nach Heußners Tod angab, auf dem Rückwege von Mannheim eröffnete: er habe noch sieben bis jetzt unentdeckte Straßenräubereien auf sich. Er hatte sich in seinem Gefängnisse ruhig betragen und besonders in den letzten Tagen vor seinem Tode anhaltend, laut und bis spät in die Nacht gebetet. Sein Leichnam wurde, auf Befehl des Großherzoglichen Hofgerichtes zu Mannheim, in das anatomische Theater abgeliefert.
Schon früher als Stephan Heußner, war der auch zu der Räuberbande gehörige, berüchtigte Matheus Oesterlein von Sindelfingen vulgo Krämermathes, von dem Amte Buchen, wo er zu Haften gekommen war, nach Heidelberg eingeliefert worden. Auch er versuchte zwar, seine Verbrechen zu verschweigen, doch leistete er nur schwachen Widerstand, indem er sogleich im ersten Verhöre zu einem beinahe ganz vollständigen Einbekenntnisse aller gegen ihn angegebenen Verbrechen übergieng; und dieser Freimüthigkeit blieb er auch in der Folge getreu.
Hartnäckiger zeigten sich und blieben auch in der Folge die vier sogenannten Frankfurter Karlsbuben, Söhne eines zu der vor achtzehn Jahren die Gegend von Heidelberg, Speier, Grünstadt, Worms u. s. w. unsicher gemacht habenden Johann Rangischen Diebsrotte gehört habenden Gauners, gewöhnlich der Frankfurter Karl genannt. Hier zeigt sich der offenste Beweis, daß sich unter dieser Menschenklasse die Verbrechen von Generation zu Generation fortpflanzen, und daß folglich die Gefahr für das Allgemeine sich in eben der Progression vervielfältigt, in welcher die ohnedies wuchernde Generation in der Gaunerwelt zunimmt; insoferne nicht durch energische, nicht blos für den jedesmaligen Augenblick, sondern für eine längere Reihenfolge von Jahren berechnete, zusammengreifende Maaßregeln mehrerer Staaten Mittel angewendet werden, welche, sobald man ernstlich will, gar leicht gefunden werden können, deren Aufzählung aber nicht in den Plan der gegenwärtigen Schrift gehört. So wie in den Kindern der Gauner der Keim neuer Räuberbanden fortgepflanzt und entwickelt wird; eben so erhalten diese sich neu bildenden Banden durch den Zutritt versprengter Glieder älterer Banden mehr Consistenz, und größere Praktik. Ohne den Zutritt der versprengten Glieder der Niederländer Räuberbanden, der Consorten von Schinderhannes und Damian Hessel würden unter den diesseits Rheinischen Gaunern, welche sich vorher gewöhnlich nur auf nächtliche Einbrüche und Marktdiebstähle beschränkt hatten, das Strahlen kehren (Straßenrauben) Laatschen fezen (Plündern der Güterwagen) und Kassne-malochnen (Einbrechen mit offener, lauter Gewalt, durch den Drohn- oder Rennbaum) nie an die Tagesordnung gekommen seyn. Selbst Schinderhannes würde ohne den schwarzen Peter und andere alte Räuber seine verruchte Celebrität nicht erreicht haben. Der zu seiner Bande gehört habende, mit ihm guillotinirte Franz Bayer, vulgo Scheeler Franz, war schon vor achtzehn Jahren eines der gefährlichsten Mitglieder der Rangischen Bande, wozu auch der unter der jüngsten Anton Keilischen Bande paradirende Theodor Daniel Mayer, vulgo Schwabendaniel, gehört hat.
Die vier Frankfurter Karlsbuben erscheinen um deswillen als gefährlichere Räuber, weil sie mit Beinahme ihrer Schwäger, des rothen Christian und Franz Vetter, eine eigene Räuberfamilie bildeten, welche kräftig genug war, ohne fremde Beihülfe Verbrechen auszuführen; wodurch sie gegen Verrath um so gesicherter waren, da sie gemeinschaftliche Familienverhältnisse banden, und also ihr öfteres Beisammenseyn keinen Verdacht gegen sie erregen konnte. Ueberdies hatten sich zwei von ihnen als Feldhüter feste Wohnsitze erworben, in welchen sie, da sie tief im Odenwäldischen Gebürge isolirt lagen, nicht beobachtet werden konnten, und auf welchen sie, selbst wenn ihre nächtliche Abwesenheit bemerkt worden wäre, sich ganz füglich damit entschuldigen konnten, daß sie ihrem Dienste, als Hüter der Haidekornfelder gegen das Wild, nachgegangen seyen.
Der älteste von ihnen Joseph Jacobi, Stiefbruder der übrigen wurde vom Amte Zwingenberg, der zweite Balthasar gleichfalls vom Amte Zwingenberg, der dritte Bernhard vom Amte Reichelsheim und der jüngste Friederich vom Amte Neckarschwarzach nach Heidelberg eingeliefert. Joseph hatte, so wie Friederich seine Brüder abgeläugnet, Bernhard nur den Joseph, Balthasar hingegen hatte sie alle anerkannt. Die hieraus sich bildenden Widersprüche dienten zwar freilich dazu, sie sämtlich noch verdächtiger zu machen, als sie durch die übrigen gegen sie vorliegenden Angaben schon waren, allein zu einem offenen Geständnisse ihrer Vergehen waren sämtliche nicht zu bewegen. Nur dann bekannten sie, wenn keine weitere Ausflucht mehr möglich schien. Hatte aber auch der eine Bruder bekannt, so läugneten die Andern wieder und waren nur dann zum Geständnisse zu bringen, wenn sie aus dem eigenen Munde des bekannt habenden Bruders dessen Eingeständniß vernahmen; weder die Versicherungen das Richters, daß der Bruder gestanden habe, noch die Aussagen der andern mit ihnen confrontirten Räuber vermochten etwas über sie.
Nun war auch Johann Bauer, vulgo der Schefflenzer Bube, von Aschaffenburg nach Heidelberg geliefert worden und die Untersuchung richtete sich nun auch gegen diesen. Sie war um so leichter und schneller beendigt, weil Bauer schon in Aschaffenburg frühere Vergehen, wegen welcher er zu Haften gekommen war, eingestanden hatte, und in Heidelberg nicht zögerte, auch das, was weiter gegen ihn angezeigt war, einzubekennen.
Mit nicht ganz gleicher Ergebenheit in sein Schicksal bekannte auch der später noch von dem Amte Buchen nebst seinem 13jährigen, auch schon zum Marktdiebe gebildeten, Sohne eingelieferte Johann Adam Karr, vulgo strobelicher Adel, jene Vergehen, welche in Heidelberg gegen ihn angezeigt waren. Seinem Beispiele folgte der vom Amte Landen später auch noch eingelieferte Johann Schulz, vulgo Vogelhannes. Der Verbrechen dieser beiden sind freilich nur wenige; wahrscheinlich aber nicht darum, weil sie nur wenige begangen haben, denn sie scheinen, besonders der erste, alte praktische Gauner zu seyn; sondern nur darum, weil sie mit den andern in Heidelberg einsitzenden Gaunern nur ganz kurze Zeit in Berührung gestanden hatten. Sie gehörten nämlich nie zu der Bande, welche in den Gegenden des Odenwaldes hauste, sondern zu einer andern, welche an der Gränze des vormals fränkischen Kreises ihr Wesen oder vielmehr ihr Unwesen trieb; und die Berührung und Geschäftsverbindung einzelner Mitglieder der Odenwälder Bande mit jener, wozu sie gehörten, war nur die Folge einer momentanen Versprengung der Odenwälder aus ihrem gewöhnlichen Sprengel; auch war es gegen die Absicht jener Nomaden an der fränkischen Gränze, die versprengten Odenwälder in bleibende Verbindung mit sich zu ziehen; vielmehr kündigten sie denselben nach ganz kurzer Zeit, die Gesellschaft auf und wiesen sie ernstlich an, dahin zurück zu kehren, woher sie gekommen seyen, mit dem Beifügen: »was hieroben zu machen ist, ist unser, und wir können es machen ohne Euch« und bestätigten damit die frühere Wahrnehmung des Verfassers, daß diese Menschen, so wie einst die verschiedenen Orden der Bettelmönche ihre eigene Provinz-Eintheilungen zur Besteuerung der frommen Gläubigen hatten, ebenfalls ihre eigenen Sprengel gebildet haben, in welchen sie das ausschließende Recht zu Treibung ihres Räubergewerbes zu haben vermeinen, und in welchen sie den zu andern Sprengeln gehörigen Raubgenossen keinen oder doch nur kurzen Aufenthalt für besondere Nothfälle gestatten. Wollten sich Räuber eines fremden Bezirks in einem andern Sprengel gegen den ausdrücklichen Willen der darauf ein erworbenes Recht ausübenden Räuber, zu halten suchen, so würde ihnen dieses schon wegen der ihnen von allen Seiten und von allen Gliedern der einheimischen Bande bevorstehenden Gefahr wiederholter Mishandlungen und Angriffe auf ihr Leben beinahe unmöglich seyn; wollten sie aber auch diesen Gefahren trotzen, oder wollten, oder könnten die einheimischen Räuber durch eigene Angriffe auf das Leben der Eingedrungenen jene nicht vertreiben, so finden sie gar leicht andere Mittel, sie zu verscheuchen. Es ist schon um deswillen solchen Eingedrungenen beinahe unmöglich, sich ohne den Willen der Einheimischen in einem fremden Sprengel zu halten, weil sie der Gegend unkundig sind, die Seitenwege, die Fußpfäde, Waldungen, Gebürgsschluchten u. s. w. nicht kennen, weil sie keine kocheme Bayes (vertraute Häuser) haben, in welchen sie für sich und das Geraubte Unterkunft finden, und weil es ihnen eben so an Kenntniß solcher Leute gebricht, an welche sie das Geraubte schnell und sicher absetzen können; wenn nun zu diesen ihnen schon im Wege stehenden Hindernissen sich noch die Gegenwirkungen der einheimischen Räuber gesellen, so sind jene offenbar verloren. Solche Gegenwirkungen sind den einheimischen Räubern gar leicht ausführbar. Sie machen die ohnehin noch kein Vertrauen besitzenden fremden Räuber in den kochemen Bayes, und bei den Käufern gestohlener Waaren, als Zikmer (Pursche, welche, wenn sie eingefangen werden, sogleich alles bekennen und verrathen) verdächtig; sie spüren jenen Fremden nach, und wann diese im Begriffe sind, einen Raub oder Einbruch auszuführen, so kommen sie ihnen in demselben Locale oder in einem sehr nahen um eine oder einige Stunden zuvor, so daß, wann jene eben auf dem Marsche nach ihrem gesteckten Ziele sind, schon Lärm in der Gegend ist, und sie so den Streifern und Wachen in die Hände fallen müssen; oder sie verüben in der Nähe des Ortes, in welchem die Fremden mit ihren Familien herbergen oder in diesem Orte selbst einen Diebstahl, und zerstreuen einige gestohlene Effekten in der Nähe der Scheuer oder des Schopfen, worin jene liegen, oder wissen sie wohl gar selbst in diese Lagerstätte zu bringen, entfernen sich dann schnell wieder; und so sind jene am folgenden Morgen gewiß arretirt oder versprengt und auf jeden Fall auf lange Zeit aus dem Sprengel vertrieben. Alle diese Handwerksvortheile und ihre gefährlichen Folgen kennen sämtliche Räuber und darum wagt es auch nur selten einer, sich in einen fremden Sprengel einzudringen.
Ehe ich zu Beschreibung des Thun und Treibens dieser Menschen im Allgemeinen übergehe, finde ich es für zweckmäßiger, die von den in Heidelberg eingefangenen Räubern eingestandenen Verbrechen aufzuzählen, weil sich hieraus gar manche Notiz über ihre Taktik und ihre Lebensweise von selbst ergibt; um aber auch diese leichter begreiflich, und beurtheilbarer zu liefern, sende ich eine kurze Schilderung der eingefangenen Räuber voraus. Ihre Biographien liefern wenig Interessantes, da sie sich meistens darauf reduciren: sie wurden von Gaunern geboren, zu Gaunern erzogen und lebten als Gauner.
Er ist 22 Jahre alt, zu Ramsthal im Fuldischen gebürtig. Sein Vater ist Albert Krähmer, vulgo Zunderalbert, ein alter Gauner, welcher schon seit mehreren Jahren zu Würzburg im Gefängnisse sitzt und auch dort der wohlverdienten Strafe entgegen sieht. Seine rechte Mutter ist todt; seine dermahlige Stiefmutter, oder vielmehr die zweite Beischläferin seines Vaters ist die sogenannte Fulder-Ließ, vorher an einen sichern Selser, auch einen herumziehenden Krämer, verheurathet, oder dessen Concubine. Sie ist mit Veits jüngstem Bruder auch in Heidelberg verhaftet und zugleich die rechte Mutter der Beischläferin des Veit Krähmer, Eva gebornen Selserin. Beide Weibsleute sind lebhafte, stets muntere Geschöpfe, welche als Bänkelsängerinnen die Märkte besuchten und so das zu verdienen strebten, was Veit entweder nicht verdienen konnte, oder wenn er es verdient hatte, nicht abgab, weil er es ganz oder größtentheils zu vertrinken pflegte. Veit wurde ganz im Gaunerleben und zu diesem erzogen. Er hat nie eine feste Wohnstätte gehabt. Schon in seinem 15 bis 16ten Jahre wurde er von seinem Vater zu Einbrüchen mitgenommen und theilte mit ihm die Beute. Wenn er nicht ganz als der verworfenste, ausgemachteste Bösewicht erscheint, so ist dieses weniger seiner Erziehung und der Mühe, welche sich sein Vater gab, ihn zum vollendeten Räuber zu bilden, zuzuschreiben, als der Eigenthümlichkeit seines Charakters, welcher zwar ein Uebermaaß von unendlichem Leichtsinn, aber auch eine große Gabe Gutmüthigkeit, oder wenn man lieber will, Schwäche zu enthalten scheint. Er kann einer ernstlichen Ermahnung nicht lange, einer gütigen, freundlichen Behandlung aber noch weit weniger widerstehen. Seine Geständnisse waren nicht die Folge der Furcht, von Andern verrathen zu werden, denn er war, als er bekannte, noch keiner weitern Vergehen beschuldigt und alleine verhaftet; sie waren nicht die Folge der Rachsucht gegen Andere, denn er hat nichts Falsches angegeben und es hat sich gezeigt, daß er von keinem beleidigt war, mit keinem in Feindschaft lebte; sie waren auch nicht eine Erzeugniß der Hoffnung, durch sie seine Strafe zu mindern, denn er glaubt den Tod verdient zu haben, und damit bestraft zu werden; auch hat er bei seinen Geständnissen nie daran gedacht, sich eine gelindere Strafe darum zu erbitten. – Sie wurden vielmehr einzig dadurch hervorgebracht, weil Veit nicht schweigen kann, sobald man sich mit ihm in ein Gespräch über seine Lebensweise und seine Diebsgenossen einläßt; und weil ihn, sobald er nur nach einem Verbrechen, welches er mit verüben half, gefragt wird, sein unwillkührliches Lächeln verräth, welches während dem Geständnisse in wirkliches volles Lachen übergeht. Nicht aber, als ob er aus teuflischer Bosheit sich seiner Thaten freute, sondern weil er in jedem Bekenntnisse die Bestätigung der Vorhersagung seiner Kameraden, daß er nichts verschweigen könne, findet, und im Voraus das Vergnügen genießt, welches ihm daraus erwächst, wenn er in der Folge hören oder sehen kann, wie seine Kameraden sich die Köpfe zerbrechen, um zu errathen, wer wohl das von ihm Angegebene gesagt haben möge? Er weiß, daß er gegen die Gesetze gefehlt hat, er glaubt sogar, daß er des Todes schuldig seye; er ist aber nicht im Stande, das Abscheuliche seines Räuberlebens einzusehen, und zeigt darum auch weder Reue, noch Vorsatz zur Besserung. Dieses erklärt sich, ohne den Veit in einem häßlicheren Lichte darzustellen, leicht, wenn man bedenkt, daß das, was der Mensch von Jugend auf und immer treibt, ihm zur Gewohnheit werde, so daß ihm selbst das Häßlichste und Eckelhafteste bei solcher Beschäftigung nicht mehr auffällt, und wenn man weiter erwägt, daß Veit nicht wohl einen Vorsatz zur Besserung fassen könne, da es ihm an den Mitteln und an der Kraft zur Ausführung gebricht. Was sollte er, der nie etwas gelernt hat, der nie zu Arbeiten angehalten wurde, ergreifen, wann er wieder los käme, und wo würde er, wenn er arbeiten wollte, geduldet? Er müßte wieder stehlen, und wenn er nicht wollte, so brächten ihn die alten Kameraden wieder dazu. Er selbst hat bei einer Confrontation dem Hölzerlips, welcher erklärte, wenn er je wieder frei würde, wolle er ein ehrlicher Mann werden, ganz offen entgegnet: »wie ist das denn möglich? Wenn du heute los kommst, so schuppst (stiehlst) du wieder, ehe drei Tage vergehen.« Er liebt übrigens sehr den Brandwein, und hat gewöhnlich das, was er durch Straßenraub und Einbruch erwarb, mit seinen Genossen versoffen, ohne den Seinigen etwas Bedeutendes davon zu geben; obschon er für seine Beischläferin sowohl, als für sein jüngstes Kind sehr viele Liebe zu haben scheint.
Er ist erst 17 bis 18 Jahre alt, ledig, ein Sohn des Peter Petry, vulgo schwarzen Peters. Dieses wird in Verbindung mit dem, was schon von dem Vater gesagt ist, hinreichen, um sich einen Begriff von der Erziehung zu machen, welche Andreas Petry erhielte. Er ist heute noch nicht confirmirt. Doch hat sein Vater in politischer Hinsicht mehr für seine Erziehung gethan, als der Zunderalbert für die seines Veit. Er ließ ihn nämlich verschiedene musikalische Instrumente lernen. Andreas Petry spielt mit vieler Fertigkeit die Clarinette, auch die Flöte und das Flageolett spielt er nicht ungeschickt. Diese Kunstfertigkeit sollte dem Andreas Petry zu einem ehrlichen Erwerbe helfen; wie war aber dieses möglich, da ihn die Ausübung seiner Kunst von Ort zu Ort, unter der niedersten Volksklasse herumtrieb, ihn immer mit Räubern und Dieben in Berührung brachte, welche er schon von Kindesbeinen an kannte; da sie ihm manche freie Stunden übrig ließ, ihn nicht vollkommen ernährte, und da sein eigener Vater ihn schon als Buben auf Straßenräubereien und Diebstähle mitnahm, ihm von seinen Großthaten jenseits Rheins, von dem erhabenen Schinderhannes und dessen und seinen eigenen alten würdigen Kämpen erzählte, und so seinen Geist eben so erhizte und zu Nachahmung der großen Vorbilder anspornte, wie einst die Phantasie des edlen Ritters von Mancha exaltirt, und sein Nachstreben rege gemacht wurde! Er ist von lebhaftem, munterem Temperamente, besitzt aber zugleich einen hohen Grad von Verschlossenheit, Verschlagenheit, Falschheit und Rachsucht. Sein Blick ist immer unstät, wie der eines Verfolgten, welcher ängstlich nach der Nacheile umschaut. Er fühlt, daß die Menge seiner Verbrechen eine Folge seiner schlechten Erziehung, die Schuld seiner Eltern ist. Er hat zwar, wie oben gesagt wurde, den wahren Nahmen seines Vaters bis auf den letzten Augenblick verläugnet; später aber hat er noch gar manche Vergehen seines Vaters freiwillig angegeben. Eben so hat er unaufgefordert Verschiedenes gegen seine Mutter, gegen seine Schwester und deren beide Zuhälter, Lüttich und Luz, angegeben.
Auch er ist der Sohn herumziehender Eltern, auch erst 17 bis 18 Jahre alt, von Neckargerach gebürtig. Von seinen Eltern sind keine Vergehen bekannt. Auch er ist musikalisch, und die Kultivirung dieses Talentes brachte ihn mit Andreas Petry zusammen und durch diesen mit der Räuberbande in Verbindung. Er ist von Allen der munterste, aufgeweckteste, muthwilligste, und, den Mangel an Erfahrung abgerechnet, der gescheideste; aber auch der ausdauerndste. Hölzerlips selbst, der ungerne einem Andern den Vorrang in irgend etwas zugesteht, erklärte während einer Confrontation, bei welcher Basti nicht zugegen war: »Basti ist der härteste von uns allen. Wenn der, als Räuber bis zu seinem 30ten Jahre fortgelebt hätte, so wäre Schinderhannes nichts gegen ihn gewesen.« Er wurde als Schulknabe, eben seiner ausgezeichneten Fähigkeiten wegen besonders geschätzt und eine vornehme Person nahm sich eben darum seiner an und wollte ihn ein Handwerk lernen lassen. Sein Vater verließ aber damals gerade die Gegend des Odenwaldes, in welcher Basti zur Lehre kommen sollte, und beharrte darauf, daß er mit ihm ziehen sollte. Er folgte, blieb aber nicht lange bei seinem Vater, sondern verließ ihn und trieb sich nun bei englischen Reitern, Marionettenspielern und Leuten, welche Lappländer ums Geld sehen ließen, herum, bis er sich endlich auch von diesen wieder losmachte und mit seinem Saitenspiele allein umherzog. Auf diesen Zügen kam er mit andern Purschen seines Gelichters und unter diesen auch mit Andreas Petry zusammen. Jugend, Frohsinn und gleiche Beschäftigung knüpfte das Band ihrer Freundschaft enger. Durch Andreas Petry wurde Basti in den Familienzirkel des schwarzen Peters eingeführt. Dieser hatte seine Tochter Margaretha bei sich, welche früher mit einem gewissen Lüttich als dessen Beischläferin verbunden war und von ihm zwei Kinder hatte. Dieser Lüttich war jenseits Rheins beim Forstwesen angestellt und hatte dort Frau und Kinder. Er war aber vom linken Rheinufer mit deren Zurücklassung, wegen eines verübten Mordes entflohen und hatte in den Gebürgen des Odenwaldes Schutz gefunden. Hier traf er Margaretha Petry und verband sich, seine früheren Verhältnisse verschweigend, mit ihr. Seine Frau erfuhr endlich seinen Aufenthalt und suchte und fand ihn mit ihren Kindern; er wußte sie aber durch die fürchterlichsten Drohungen zurückzuschrecken. Margaretha Petry erfuhr zwar nun die wahren Verhältnisse Lüttichs, allein sie hatte schon ein Kind von ihm gezeugt und blieb daher mit ihm in fortgesetzter Verbindung, deren Folge bald ein zweites Kind hervorbrachte. Lüttichs vorzüglichste Beschäftigung war die Wilderei, und sie war es auch, welche ihn auf zwei Jahre in das Zuchthaus nach Mannheim brachte. Margaretha Petry hatte, der Verhältnisse Lüttichs, ihrer Eltern und ihrer eigenen bewußt, dennoch die Frechheit, öffentlich als seine Frau aufzutreten und als solche bei Sr. Königlichen Hoheit dem Herrn Großherzoge von Baden, schriftlich um Begnadigung Lüttichs zu bitten. Sie wurde ihr abgeschlagen, und nun war auch ihre Liebe erkaltet. Sie suchte nun als feile Dirne jeden an sich zu locken, bis es ihr endlich gelang, den Basti auf längere Zeit mit sich zu verbinden.
Er ist etliche und dreißig Jahre alt, von Roth am Berg im Nassauischen gebürtig, und ebenfalls der Sohn herumziehender, übrigens aber keiner Verbrechen bezüchtigter Eltern. Seine Erziehung wurde wie die des Veit in jeder Hinsicht vernachlässigt. Er trieb sich lange mit seinem Vater herum, bis er endlich sich mit einer Weibsperson verband und, wie er behauptet, förmlich trauen ließ. Um für diese und seine dereinstige Familie seine Subsistenz zu begründen, fieng er einen Handel mit hölzernen Waaren an und trieb denselben geraume Zeit. Daher sein Nahme Hölzerlips. Von früheren Zeiten sind keine Verbrechen gegen ihn bekannt und er beharrt standhaft bei der Behauptung, daß er bis zu seiner Loslassung von Bergen streng ehrlich gewesen sey und sich von allen Verbindungen mit Räubern frei erhalten habe. Er wurde in Bergen, wegen Landstreicherei, durch Streifmannschaft verhaftet und saß dort geraume Zeit. Diese seine Abwesenheit benutzte ein gewisser Heinrich Pfeiffer, um eine vertraute Bekanntschaft mit seiner Frau anzuknüpfen. Es gelang ihm und er hatte sie beständig, als seine Concubine bei sich. Hölzerlips erfuhr dieses in seinem Arreste zu Bergen und schnaubte Rache. Seine Loslassung erfolgte und sein erstes Geschäft war nun die Aufsuchung seiner Frau. Er fand sie noch am nämlichen Abend und den Pfeiffer und seine zwei eigene Kinder bei ihr. Noch ehe er seine Vorwürfe begann, schilderte sie ihm die Freundschaft, mit welcher Pfeiffer sich ihren und seiner Kinder angenommen, sie gegen Hunger und Mangel geschützt und aller Orten für sie gesorgt habe, mit so lebhaften Farben, daß der Zorn des Hölzerlips schon in seinem Ausbruche gemindert wurde. Zwar begann er seine Vorwürfe; aber wie leicht waren diese widerlegt! Alles war Verläumdung boshafter Menschen, welche ihm sein Unglück gegönnt und gerne gesehen hatten, daß auch sie und ihre armen Kinder zu Grunde gegangen wären; und die nun, da dieses nicht erfolgt sey, sie durch ihn selbst verderben wollten. Hölzerlips hatte keine Beweise, seine Frau fuhr fort, ihn durch die heiligsten Versicherungen ihrer Treue zu beschwichtigen, erzählte ihm ihre Theilnahme an seinen Leiden, ihren tiefen Kummer und ihre Trostlosigkeit; ließ sich seine Leiden erzählen und um ihn schnell dafür zu entschädigen und sie leichter vergessen zu machen, Brandwein holen. Hölzerlips, welcher dieses Getränk bis zum Unsinne liebt, trank den Versöhnungstrunk. Der Groll war vergessen, es wurde des köstlichen Trankes mehr und immer mehr gebracht, bis Hölzerlips berauscht auf sein Lager nieder und in den tiefsten Schlaf versank, aus welchem er erst spät am folgenden Morgen erwachte, um sich mit seinen zwei kleinen Kindern alleine, von seiner Frau und Pfeiffer verlassen zu sehen. Hölzerlips war nun wirklich in der erbärmlichsten Lage; und einzig diese, so behauptet er, zwang ihn, sich dem Räuberleben zu widmen, weil er sich ferner mit seinen zwei Kindern ehrlich nicht fortbringen konnte. In der Folge legte er sich eine Beischläferin zu und als diese später mit seinen zwei Kindern nach Darmstadt in Arrest gekommen war, wo nun auch seine wirkliche Frau einsitzt, verband er sich mit der oben schon gedachten Catharina Weisin, welche sich zu Heidelberg seiner so würdig benahm. Hölzerlips ist trotz allem Mangel an Erziehung kein ungebildeter Kopf. Er ist der stärkste unter allen in Heidelberg Verhafteten, und nach allen Umständen, auch der grausamste und boshafteste. Er kann seinen Zorn, wenn er ausbricht, nicht dämpfen; er beträgt sich im Kreise der Uebrigen stets mit ausgezeichneter Superiorität, und wenn er gleich läugnet, bei diesem oder jenem Raube der anerkannte Anführer gewesen zu seyn, zeigen doch die Umstände, daß er es wirklich gewesen war; so wie die Art, womit die Uebrigen seine Anmaßungen ertragen, beweist, daß sie schon daran gewöhnt sind, von ihm also behandelt zu werden. Die Geschichte der von ihm verübten Verbrechen wird helleres Licht über seinen Charakter verbreiten.
Auch er ist über dreißig Jahre alt und in Koppenhagen gebürtig. Seine Eltern waren in Frügt, einem ehehin dem Freiherren von Stein zugehörigen Orte, unweit Koblenz, als Bauersleute wohnhaft und nährten sich dort zwar ärmlich, doch ehrlich. Ein gewisser Graf von Schimmelpfennig kam in die Gegend, machte Bekanntschaft mit dem Freiherrn von Stein und lernte durch ihn die Industrie der Bewohner der Rheingegenden kennen. Er wünschte diese auch auf seine Güther in Dännemark zu verpflanzen, besonders aber mit dem Tabacksbau Versuche zu machen. Freiherr von Stein suchte die Wünsche des Grafen zu erfüllen, und es gelang ihm, in seinem eigenen Orte Frügt zwei und in dem ehehin Gräflich Leyenschen Lande noch einige Familien zum Ueberzug nach Dännemark zu disponiren. Unter den ersten befanden sich Manne Friederichs Eltern. Sie ließen ihr Wohnhäuschen und einige Gütherstücke, freilich nicht schuldenfrei, in Frügt zurück. Sie hatten bereits mehrere Jahre in Dännemark gelebt, als der alte Schütz dort starb. Seine Wittwe konnte nun allein ihrem Geschäfte in Dännemark nicht vorstehen, auch sehnte sie sich in die heimathlichen Gefilde zurück; sie reiste mit ihren kleinen Kindern, worunter unser Inquisit sich befand, nach Teutschland zurück. Sie hatte gehofft, ihre verlassene Hütte wieder beziehen, ihre wenigen Felder verpachten und sich mit dieser Beihülfe, durch Arbeit fortbringen und ihre Kinder gros ziehen zu können; allein ihre Hoffnung hatte sie getäuscht. Das Häuschen war, nebst dem Uebrigen, was sie verlassen hatte, auf Andringen der Gläubiger, versteigt und der Erlöß zur Tilgung der Schulden und Bestreitung der Kosten verwendet worden; man legte ihr Rechnung über das Ganze vor; ihr gebührten noch 3 fl 32½ kr. Diese empfing sie, wurde aber nicht länger in Frügt geduldet, und sahe sich also gezwungen, von Ort zu Ort, mit ihren armen kleinen Kindern, das Brod zu suchen. So brachte der lobenswerthe Eifer des Grafen von Schimmelpfennig, die Industrie in Dännemark zu befördern, eine rechtliche teutsche Familie in Armuth und Elend, und unsern Manne Friederich unter die Räuber. Er lernte auf den immerwährenden Zügen, welche er mit seiner Mutter machte, bei einem auch herumziehenden Korbmacher, diese Profession und von diesem Korb- oder Wannenmachen erhielt er später den Nahmen Wannen – (oder, wie es in der Wetterau und dortiger Gegend gesprochen wird, Mahnen-) Friederich. Bald verband auch er sich mit einer Weibsperson, welche er als ständige Beischläferin mit sich führte und welche mit ihm nach Heidelberg in das Gefängniß kam. Auch er ist dem Brandwein ganz außerordentlich ergeben, übrigens aber bei weitem nicht so boshaft als Hölzerlips. Er ist unter Allen der Gebildetste, Manierlichste und Klügste.
Er ist 23 Jahre alt und von Sindelfingen gebürtig, wo seine Eltern säßhaft waren und wo noch ein Bruder von ihm etablirt ist. Seine Eltern, welche er schon früher, im Verdruß verlassen hatte, sind inzwischen nach Rußland gezogen. Er zog anfänglich auf seiner Profession als Maurer umher, bald aber machte er Bekanntschaft mit einer herumziehenden Landkrämerin (angeblich die Tochter eines Wirzburgischen Grenadiers) und schloß sich an diese an. Er trieb eine Zeit lang seinen kleinen Handel als herumziehender Krämer, bald aber gerieth er in die Gesellschaft der Räuber und machte mit ihnen gemeinschaftliche Sache.
Seine Frau oder vielmehr Concubine wurde, mit ihrem einzigen Kinde, schon früher durch Streifer eingezogen und sitzt in Darmstadt gefangen. Er hat eine verschlossene übrigens ruhige Physiognomie, welche nur beim Zusammenziehen der Augen, welches ihm gewöhnlich ist, in finstern, tiefen Ernst übergeht, sich aber bald wieder ebnet. Er ist von allen der Ruhigste.
Er war 28 Jahre alt, zu König in der Grafschaft Erbach gebürtig. Oben ist schon über seinen Charakter das Nöthigste gesagt. Er hinterließ eine Frau und zwei kleine, schöne Kinder.
Er ist 20 Jahre alt und zu Oberschefflenz bei Moßbach gebürtig. Sein Vater war angeblich ein Pfälzischer Soldat und so wie seine Mutter ohne Vermögen. Nach dem Tode seines Vaters zog er mit seiner Mutter umher; und später setzte er dieses Leben, als Bettler, allein fort. Er arbeitete von Zeit zu Zeit bei Schiffleuten und Bauern, kehrte aber bald wieder zu seiner gewohnten Lebensweise zurück. Auf seinen Kreuz- und Queerzügen als Betteljunge, wurde er mit falschen Spielern bekannt, und zwar mit solchen, welche mit sogenannten tragbaren Waarenlotterien die Märkte besuchen. Diese fanden an ihm einen offenen Kopf und nicht gewöhnliche Beredsamkeit und warben ihn deswegen als Fallenmacher an; das heißt: er wurde der Lockvogel und die Falle für Andere, die betrogen werden sollten. Um dieses auszuführen, erschien er nie öffentlich mit seinen Gesellschaftern; wann aber diese ihre Lotterie, deren höchste Loose mit Uhren, silbernen Löffeln, Geld u. s. w. besetzt waren, ausgestellt und die Neugierigen beigezogen hatte und wann sich dann unter diesen ein den Markt besuchender Müller oder Metzger oder Bauer, mit strotzender Geldgurte um den Leib, einfand, oder überhaupt ein rupfbar scheinender Gimpel angeflogen war, welcher, noch unentschlossen, vor der Bude stand; dann erschien Johann Bauer, als ein gänzlich unbekannter Pursch und gaffte mit zu. Der Inhaber der Lotterie forderte, unter manchen Andern, auch ihn auf, sein Glück zu probieren. Er zeigte keine Lust, – es wurde ihm zugeredet, – er verweigerte es standhaft; – man bot ihm einen unentgeldlichen Wurf zur Probe an; er warf (mit dazu eingerichteten Würfeln) ziemlich hoch. Nun sollte er den Wurf um Geld wiederholen, er ließ sich überreden, warf, verlor und schimpfte nun. Man stellte ihm vor, daß er nicht stets hoch werfen könne, er solle es noch einmal probieren; er verlor abermals, schimpfte noch ärger, spielte aber nun, freiwillig, hitzig fort, verlor noch einigemal (mit anders eingerichteten Würfeln) bis er endlich plötzlich das höchste oder ein sehr hohes Loos (mit den ersten Würfeln) gewann. Nun erscholl ein allgemeiner Jubel; das Gewonnene wurde ihm, in überhohem Preiße, wieder vom Lotterie-Director abgekauft. Er wollte fort, – wurde aufgefordert, weiter zu spielen, gewann einige Kleinigkeiten, – dann plötzlich wieder einige Louisd'or auf einen Wurf. Nun waren die Umstehenden gereizt, die Gimpel giengen in die Falle und während sie zu Dutzenden kahl gerupft wurden, hatte Bauer den Markt verlassen und fand sich erst des folgenden Tages, an einem andern Orte, wieder mit seinen Kameraden zusammen, um seinen bedungenen Antheil an der Beute zu empfangen. Diese Lebensgattung mußte ihn mit den die Märkte auch besuchenden Gaunern zusammenbringen und so wurde er denn endlich Dieb und Räuber. Er besitzt, wie schon gesagt, viele Beredsamkeit, welche er, wie so mancher Redner, sehr gerne ostendirt. Er hat aber die Untugend an sich, daß er sich auf Unkosten Anderer beliebt zu machen sucht, und wenn er keine Wahrheiten anzugeben weiß, Lügen ersinnt und als wahre Beschuldigungen vorbringt. So hatte er sich in einem früheren Arreste brauchen lassen, die andern Gefangenen, zu welchen man ihn geflissentlich gesetzt hatte, anzulocken und sie dann zu verrathen; er rühmte sich selbst, daß er manche Lüge unter seine Angaben gemischt und dadurch jenen gar manchen Buckel voll Schläge procurirt habe. Er ist im Uebrigen von schöner Gesichtsbildung.
Der erste 36 Jahr alt, der zweite 28, der dritte 26, der vierte 20. Beide erstere mit Beischläferinnen versehen, von welchen sie Kinder haben; beide letztere ledig. Ihr Vater, der rechte Vater der drei letztern, Stiefvater des ersten, war, wie schon bemerkt, ein Gauner, ihre Mutter zog auch nach seinem Tode mit den zwei jüngsten Brüdern umher; die beiden ältesten hatten sich als Fruchthüter in abgelegenen Hütten des Odenwaldes fixirt und trieben von da aus ihre Räubereien. Sie sind sämtlich verschlossene, boshafte, hartherzige Menschen, doch der älteste in minderem Grade als die übrigen.
Er ist 25 Jahre alt, von Distelhausen gebürtig und hat eine Frau und vier Kinder. Seine Eltern waren herumziehende Krämersleute. In früheren Jahren diente er bei den Bauern, dann lebte er einige Zeit als Hirt auf einzelnen Höfen. Nach seiner Verheurathung (er ist wirklich getraut) zog auch er als fahrender Krämer umher, und kam bald in die Gesellschaft der Diebe. Sein Charakter scheint nicht der schlimmste zu seyn.
Er ist 49 Jahre alt, von Höhfeld, bei Werthheim, gebürtig. Seine Eltern hatten, so wie er selbst, nie einen festen Wohnsitz, sondern zogen mit Münchberger Häfen, welche sie verkauften, im Lande umher. Bis in sein 23tes Jahr blieb Karr bei seinen Eltern und war ihnen, wie er angiebt, in ihrem Handel behülflich; dann aber verband er sich mit seiner dermaligen, noch nicht eingefangenen, Ehefrau, Anne Maria, gebornen Märzin, deren Eltern ebenfalls Vaganten waren. Er ist nach seiner Versicherung, mit dieser seiner Frau, nicht nur einmal, sondern zweimal copulirt: einmal lutherisch, das anderemal katholisch. Nach seiner Trauung fieng er sein eigenes Gewerbe an, welches in Verfertigung von Körben, Stöcken und Blasrohren bestund, und zog darauf in der Grafschaft Werthheim, im Taubergrunde und den angränzenden Gegenden umher. Er hat drei Kinder, wovon ein Mädchen von 6 und ein Junge von 4 Jahren mit der Mutter um, herziehen, das dritte aber der unten bemerkte Joseph ist.
Er hat, allem Anscheine nach, noch weit mehrere Verbrechen begangen als eingestanden; bei dem gänzlichen Mangel aller näheren Inzichten konnte aber etwas Weiteres nicht gegen ihn heraus, gebracht werden. Er ist ein sehr verschmitzter Mensch, und hat in den Verhören stets den Reuigen gemacht; immer aber verrieth sich dabei, daß es nur Gleißnerei war. Wenn Andere gegen jene, welche etwas gegen sie angezeigt hatten, und es ihnen nun unter das Gesicht behaupteten, in Zorn ausbrachen; so ergoß dagegen Johann Adam Karr, im frömmelnden, warnenden Tone seine Vorstellungen an die ihm gegenüber Gestellten; und nur, wann alle seine Ermahnungen jene nicht irre machen konnten, schritt er zum Geständnisse.
Ein Bub von 13 Jahren; und schon zum Gehülfen bei Marktdiebstählen gebraucht. Solche Bäume tragen solche Früchte!
Da wie schon früher bemerkt wurde, der stumpfarmige Zimmermann Philipp Müller nebst den Seinigen mit Veit Krähmer und dessen Raubgenossen nicht in Verbindung stand, so übergehe ich hier die Aufstellung der Charakteristik derselben um so mehr, da einige bedeutende Verbrechen bis jetzt von ihnen nicht bekannt geworden sind; und wende mich nun zur Aufzählung der vom Veit Krähmer und seinen Genossen verübten und eingestandenen Vergehen. Es sind, wie das Verzeichniß nachweisen wird, nur solche Vergehen ausgenommen, bei welchen wirklich einer oder einige der in Heidelberg verhafteten Gauner zugegen waren, und welche alle, so viel nur immer möglich war, gehörig richtig gestellt sind. Die von Veit Krähmer und seinen Raubgenossen noch weiter gegen ihre auswärts einsitzenden Kameraden angezeigten Vergehen, (worunter mitunter sehr bedeutende gehören, wie z. B. die Ermordung des Gauners Valentin Börschner, durch die in Giesen verhafteten Jacob und Johannes Vielmetter, Vater und Sohn) wurden jedesmal den einschlagenden Gerichten sogleich angezeigt, um deshalb gegen die Beschuldigten die erforderliche Untersuchung vorkehren zu können; sie konnten aber hieher nicht aufgenommen werden, weil der Erfolg jener Mittheilungen bis jetzt meistens unbekannt geblieben ist. Die Verbrechen sind in jener Reihe aufgeführt, in welcher sie zur Anzeige kamen, und ich glaube, daß auch hier die bunte Reihe den Lesern angenehmer seyn wird, als die Zusammenstellung derselben nach irgend einer ausgedachten Ordnung. Die meisten Verbrechen wurden von Veit Krähmer angezeigt, und er ist wahrscheinlich auch nur darum jener, welcher die meisten Verbrechen auf sich hat. Keiner der andern war so freimüthig wie er, und keiner hat so sehr ohne alle Nebenabsicht, wie er, Geständnisse abgelegt, oder Anzeigen gemacht. Er hat noch ganz zuletzt, als keiner mehr etwas weiteres von ihm wußte, freiwillig mehrere Straßenräubereien eingestanden, blos um bei sich, wie er sagte, Ruhe zu haben. Er hat die von den meisten Andern, besonders von Manne Friederich, gleich anfänglich gemachten Vorschläge, man möge ihn zum Fleischmann (Spitzbubenfänger) anstellen, nur in seinem Schlußverhöre vorgebracht, und auch da nicht in der Weise, daß er um Freilassung und förmliche Anstellung bat. Er fühlte selbst, daß dieses nicht angehe. Nur um sein Leben bat er, und versicherte, daß er, wenn ihm dieses aus höchster Gnade geschenkt werde, so lange er noch lebe, stets zur Entlarvung der unter falschen Nahmen eingefangenen Gauner mitwirken wolle. Er hat nie aus Rachsucht gegen Andere etwas angezeigt, wie Hölzerlips, der meistens nur dann denuncirte, wenn er gereizt war. So erklärte dieser unter andern einmal im Verhöre, nachdem er ein von Jacob Heinrich und Johannes Vielmetter gegen ihn angezeigtes Verbrechen einbekannt hatte, »das muß ich siebenfach vergelten!« und wirklich gab er auch sieben Verbrechen derselben mit allen Umständen an. Doch ich wende mich zu dem