Gottlieb Conrad Pfeffel
Prosaische Versuche / 10. Theil
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Die Räuberhöhle.

Ein Fragment.Die Geschichte, die, nach des Verfassers eigener Bemerkung, als Dichtung unverzeihlich wäre, ist eine wahre Anecdote, die sich im Odenwald zugetragen hat. Antonio ist der verstorbene deutsche Graf von Königseck. Sein treuer beherzter Diener hieß Hudard. Dieses schaudervolle Gemählde wurde zuerst als Episode der moralischen Erzählung, die Sclaven betitelt, angehängt und mit dieser in die Flora eingerückt. Bey der Revision der zu den Prosaischen Versuchen bestimmten Stücken, trennte der Verfasser diese Mordscene von den Sclaven, und beschloß, sie, nach vorgängiger Umarbeitung, dem 10ten Bande jener Versuche einzuverleiben. Allein sein Tod vereitelte dieses Vorhaben. Die Erben des Verf. lassen sie deswegen hier unverändert abdrucken.

. . . . . Der reizende und genußreiche Aufenthalt in Florenz bewog Omarn, einige Wochen in dieser Residenz zu verweilen, und Antonio benutzte diesen Aufschub, einen Absprung nach Ankona zu machen, wo er einen Commanditen hatte, mit welchem er einige wichtige Angelegenheiten abthun wollte. Zu Rom wollte er wieder zur Gesellschaft stoßen, und Francesco übernahm es, 184 seinen Vater von der Zeit zu benachrichtigen, da sie in Neapel einzutreffen gedachten.

Da die Gesellschaft keinen ihrer Wagen entbehren konnte, so kaufte sich Antonio ein Paar hübsche Reitpferde, mit denen er, von seinem Bedienten begleitet, die Reise antrat. So kurz auch die Trennung von Rosalien war, so kostete sie dennoch dem zärtlichen Mädchen Thränen. Hubert, so hieß sein Bedienter, war ein gewandter Bursche, der schon ehedem mit einem deutschen Grafen Italien bereist hatte. Sein offenes Gesicht führte das Gepräge eines guten und frohen Herzens. Antonio fand gleich in den ersten Tagen mehr als eine Gelegenheit, die Sorgfalt und Thätigkeit dieses Menschen zu erproben.

Er kam glücklich in Ankona an, und brauchte mehr nicht, als vier Tage, um sein Rechnungsgeschäft mit seinem Commanditen zu beendigen. Gleich nach seiner Ankunft schrieb er Omarn und Rosalien, und meldete ihnen, daß er binnen zehn bis zwölf Tagen Rom zu erreichen und sie daselbst anzutreffen hoffe. Er war nur noch zwei Tagreisen von dieser Hauptstadt der christlichen Welt entfernt, als er, zwischen Foligno und Spoletto, in einer Dorfschenke einen Fremden antraf, der ebenfalls zu Pferde war, und nach Rom zu reisen gedachte. Antonio ließ sich mit ihm in ein Gespräch ein, und erfuhr von ihm, daß er die 185 Landstraße verlassen und auf einem Nebenwege, wodurch er vier italienische Meilen abschnitt, nach Spoletto gehen wolle. Ist aber dieser kürzere Weg auch sicher? sagte Antonio. Wenn er das nicht wäre, erwiederte der Fremde, so würde ich mich nicht so allein auf denselben wagen. Gegen diesen Grund war nun freilich nichts einzuwenden, und Antonio beschloß, seinem Führer zu folgen. Dieser gab sich für einen neapolitanischen Offizier aus, der in Rom eine kleine Erbschaft zu beziehen habe, und unterhielt seine Gefährten durch allerhand Gespräche, die nicht sowol einen angebauten Geist, als eine mannichfaltige Erfahrung verriethen.

Gegen Abend erreichten sie in einem Walde einen einzelnen Hof, der eher einer Meierei, als einer Herberge glich. Lassen sie uns hier übernachten, sagte der Fremde; in einer halben Stunde wären wir zwar auf der Landstraße, alsdann hätten wir aber noch über drei hiesige Meilen bis nach Spoletto, und es wäre nicht rathsam, diesen Weg bey Nacht zu machen. Antonio folgte seinem Rathe, und man kehrte auf diesem Hofe ein. Der Wirth empfing die Gäste mit vieler Dienstfertigkeit, und wies dem jungen Sicilianer im obern Stockwerk des Hintergebäudes ein Zimmer an. Machen Sie sich's nun bequem, sagte er; in einer kleinen Stunde soll die Mahlzeit fertig seyn. Hubert packte die Pferde ab, und trug die Felleisen 186 und Pistolen auf seines Herrn Zimmer, der, von der Hitze abgemattet, seinen Reitrock abgelegt, und sich auf ein Bett geworfen hatte, wo er einschlummerte.

Indessen besorgte Hubert seine Gäule, und da er neben dem Pferdestall einen andern offen fand, in welchem ein junges Mädchen ein Paar Kühe fütterte, so trat er hinein, und fing an, mit der kleinen hübschen Brunette zu dahlen. Die Dirne antwortete wenig, und schien sehr traurig; bisweilen unterdrückte sie einen Seufzer. Was fehlt dir, mein Kind, sagte Hubert zu ihr; du scheinst mir sehr betrübt? Sie schwieg, aber nun konnte sie ihre Thränen nicht mehr zurückhalten. Hubert drang noch mehr in sie: Rede, liebes Mädchen, kann ich dir womit helfen? Wenn ich es nicht kann, so habe ich einen Herrn, der die Güte selbst ist. Das Mädchen ächzte, und sagte halb leise: Ach, der gute Herr!

Hubert. Nun, kennst du ihn? Das ist doch wol nicht möglich.

Sie. Ich sah ihn ja zum Hofe hereintreten, und dachte sogleich, daß er eben so gut seyn müsse, als er schön ist.

Hubert. Und dieses macht dich betrübt?

Das Mädchen erbebte; ihr Odem stockte, convulsivische Wallungen beklemmten ihren Busen. Plötzlich sprang sie zur Stallthür hinaus, blickte 187 schüchtern in der Dämmerung um sich her und kam nach einer Minute wieder herein. Sie fasste Huberten zitternd am Arme, zog ihn mit sich in einen Winkel des Stalles, und sagte zu ihm. Knieet nieder!

Hubert. Eh! was soll das werden? Faselst du, liebes Mädchen?

Sie. Ihr sollt es bald hören. Knieet nieder.

Hubert war begierig, zu sehen, wo das alles hinaus wollte. Er warf sich vor dem Mädchen auf ein Knie.

Sie. Schwöret mir bey der Mutter Gottes und allen Heiligen, daß ihr das Geheimniß, das ich euch offenbaren werde, durch keine Unvorsichtigkeit verrathen, und euch meiner annehmen wollt. Das Stillschweigen brauche ich euch nicht aufzulegen. Hubert sah nun wol, daß das Mädchen nicht spaste; ein Schauer sträubte ihm die Haare empor. Nun, ich schwöre, sagte er mit aufgehobener Hand.

Sie (leise) Wisset, daß ihr in einer abscheulichen Mördergrube seyd, daß euer Begleiter das Haupt einer Banditenrotte ist, denen der Wirth dieses Hauses Unterschleif gibt. (Schluchzend) Ach! ich bin eine arme Verführte, die schon drey Monate diesen Teufeln dienet. Der Tod eines Jünglings, der in meinen Armen ermordet wurde, hat mein Gewissen aufgeschreckt; dennoch wagte ich es nicht, 188 zu fliehen, aus Furcht, ein Opfer der Rache dieser Bösewichter zu werden. Allein, der Anblick eures Herrn, der diesem Jünglinge sehr ähnlich sieht, hat meine Höllenangst verdoppelt. Retten kann ich euch nicht, sonst würde ich es mit meinem Blute thun; aber versprechet mir, wenn ihr gerettet seyd, euern Herrn zu bewegen, mich in ein Kloster zu bringen, wo ich meine Sünden abbüßen kann.

Hubert. Entsetzlich! Wohlan, gutes Mädchen, ich hafte für meinen Herrn; er wird gewiß deinen Wunsch erfüllen. Allein, weißt du denn gar kein Mittel, wie wir entkommen können?

Sie. Vom Entkommen ist keine Frage: der mindeste Versuch würde euch und mir das Leben kosten. Wahrscheinlich werden noch mehrere Glieder der Diebsbande zum Vorschein kommen, und mit euerm Herrn zu speisen verlangen. Der Mord wird meist an der Tafel vollzogen. Es herbergt zwar noch ein Gast hier; allein es ist ein alter Mann, dem wahrscheinlich kein Leid geschehen wird.

Hubert. Wieso?

Sie. Er kam eine Stunde vor euch zu Fuße an, weil ihm draußen auf der Landstraße sein Carriol zerbrach, das er mit dem Postillon und seinem Bedienten zum Ausbessern nach Spoletto sandte. Morgen früh wird man ihn wieder abholen. Er hat eine leichte Quetschung am Knie, und ist gleich zu Bette gegangen. Seine Kammer ist in dem Vordergebäude, wo er nicht hören kann, was im Hinterhause vorgeht.

Hubert Du meinst also, daß sie ihr Bubenstück bei Tische ausführen wollen?

Sie. Ohne Zweifel. Gervasio, so heißt 189 der Anführer, gibt gemeiniglich das Zeichen dazu, indem er sein Messer nach dem Munde führt, als ob er sich die Zähne stochern wollte; alsdann ist es Zeit, den Stileten zuvorzukommen. Ihr habt doch Gewehr bey euch?

Hubert. O ja, und auch Herz im Leibe. Gott lohne dir, gutes Mädchen, auch mein Herr wird dir lohnen.

Sie. Verlasst mich nun, sonst möchte eure Abwesenheit Argwohn erwecken.

Hubert kehrte in seinen Stall zurück, wo er einige Augenblicke überlegte, was zu thun sey. Er fürchtete sich vor Antonios brausender Lebhaftigkeit, und kannte ihn schon genug, um überzeugt zu seyn, daß er nicht Herr seiner Mienen seyn würde. Ein einziger mißtrauischer Blick konnte Alles verrathen, und Alles verderben. Er beschloß also, die schreckliche Entdeckung seinem Herrn nur im äußersten Nothfalle zu eröffnen, und indessen allein auf Rettung zu denken.

Als er über den Hof ging, begegneten ihm zwei Fremde, die ihre Pferde nach dem Stalle zogen. Dieser Umstand bestätigte ihm die Aussage des Mädchens nur allzusehr. Er begab sich auf seines Herrn Stube, wo er den Wirth antraf, der ihn um die Erlaubniß bat, noch zwei eben angekommene Reisende mit sich speisen zu lassen. Antonio bewilligte es ohne Bedenken, und ging hinunter, um sich einstweilen mit Gervasio und den beyden Gästen zu unterhalten. Das Speisezimmer war nicht groß, und der Tisch, der nur noch für zwei Personen gedeckt war, so klein daß, als die zwei neue Gedecke hinzukamen, die vier Gäste ganz nahe beysammen sitzen mußten. Die 190 beyden Fremden gaben sich für Kaufleute von Livorno aus, und es entspann sich zwischen ihnen und Antonio eine Unterredung, die bis zum Augenblicke dauerte, da die erste Schüssel aufgetragen wurde.

Inzwischen hatte Hubert auf dem Zimmer seines Herrn die zwei Paar Doppelpistolen, die sie bey sich hatten, sorgfältig untersucht. Jeder Lauf war mit drey Kugeln geladen, die ihm mehr als hinreichend schienen, seinen Streich auszuführen. Er steckte daher zwei geladene Pistolen in seinen Reitgurt, und eine in jede Tasche seines weiten Ueberrocks, den er durchweg zuknöpfte. So ging er in die Speisestube hinunter, um seinen Herrn zu bedienen. Man hatte sich eben zu Tische gesetzt. Hubert stellte sich sehr müde an, und lehnte sich meist auf den Stuhl des Antonio. Da er ihm immer den Teller reichte, den er dem Wirthe aus der Hand nahm, so war dieser nur mit den drey übrigen Gästen beschäftigt.

Die zwey ersten Schüsseln waren abgetragen; nun kam es an den Braten. Hubert schien bloß auf seinen Herrn zu achten, und schielte nur von Zeit zu Zeit um sich her. Gervasio saß dem Antonio gegenüber, und die beyden Fremden saßen ihm zur Seite. Hubert bemerkte mit Vergnügen, daß er sie beynahe mit seinem ausgestreckten Arme erreichen konnte. Gervasio aß nun nicht mehr, und als Antonio zufälligerweise seiner Gefangenschaft in Tripoli erwähnte, erzählte der Gaudieb mit mahlerischer Beredsamkeit die Geschichte eines Seegefechts, dem er einst beywohnte, und welche die ganze Aufmerksamkeit des Antonio an sich zog. Mitten in der Erzählung ergriff er sein 191 Messer, und schien in der Zerstreuung damit zu spielen. Diese Bewegung entging Huberten nicht, und als der Bösewicht eine Minute darauf das Messer gegen den Mund erhob, riß er blitzschnell mit jeder Hand eine seiner Pistolen aus der Tasche, und feuerte sie mit dem Ausrufe: Mörder! auf die beiden Nachbarn seines Herrn los, welche zu Boden stürzten. Antonio fuhr auf, und es geschah mehr maschinenmäßig, als mit Vorsatz, daß er in der Bestürzung den Tisch vor sich hin stieß, und dadurch den nicht weniger bestürzten Gervasio rücklings zu Boden warf. Hurtig! Hurtig! hier geht es um das Leben, rief Hubert seinem Herrn zu, indem er ihm eine seiner Pistolen in die Hand gab, und mit der andern dem Gervasio, der sich eben aufraffte, und ein Terzerol aus der Tasche zog, den Schedel zerschmetterte. In diesem Augenblicke stürmte der Wirth herein, der die That vollzogen glaubte. Antonio schoß nach ihm und fehlte; allein Hubert, der ein frisches Gewehr aus seinem Gürtel hervorgeholt hatte, streckte auch diesen zur Erde.

Geben sie mir acht auf diese Buben, sagte er hierauf, indem er ihm seine vierte Pistole zustellte, in einem Augenblicke bin ich wieder da. Wie ein Pfeil schoß er zur Thür hinaus. Die Wirthin glaubte, es sey ihr Mann, und kam ihm aus der Küche entgegen gelaufen. Hubert rannte sie zu Boden, riß ihr das Halstuch von der Brust, band ihr damit die Hände auf den Rücken, schleppte sie in die Küche zurück, verstopfte ihr den Mund mit seinem Schnupftuche, und ließ sie auf der Erde liegen. Dann lief er in den Stall, und in Ermanglung anderer Stricke, zog er den Pferden die 192 Halftern ab, und eilte damit in die Speisestube zurück.

Von den vier Banditen war nur der Anführer todt, die zwei übrigen waren in die Brust, und der Wirth in den Unterleib geschossen. Allen dreien band er ebenfalls die Hände auf den Rücken, wobey ihm Antonio hülfreiche Hand leisten mußte. Dann ging er mit der noch ungelösten Pistole in der einen, und einem Licht in der andern Hand wieder in den Hof, und lauschte, ob sonst Niemand sich regte. Alles war still, und keine lebendige Seele ließ sich blicken. Er ging nach dem Kuhstalle, um das Mädchen aufzusuchen, welches er nicht in der Küche gesehen hatte. Er fand es nicht. Er kehrte in die Küche zurück, zog der Wirthin den Knebel aus dem Munde, und setzte ihr sein Mordgewehr auf die Brust. Sage mir, Elende, wie viel Leute hier im Hause sind. Das Weib war halb ohnmächtig, und es währte lange, bis sie ihm zitternd und heulend zu verstehen gab, daß außer den drey Personen, die mit seinem Herrn gespeist hatten, und ihrem Manne Niemand, als ihre Magd und ein fremder Gast vorhanden sey. Weise mir sein Zimmer, sagte Hubert, und half ihr auf die Beine. Sie mußte vorangehen. Als er vor das Zimmer kam, klopfte er an. Wer da? rief eine dumpfe Stimme; gut Freund! antwortete Hubert; machen Sie auf, mein Herr, die Gefahr ist vorbey. Der Fremde wollte nicht aufschließen. Machen sie auf, ich bitte Sie; wenn ich Ihnen Leid zufügen wollte, so wäre es mir ein leichtes, die Thür einzusprengen. Nun wurde sie geöffnet, und ein ehrwürdiger Greis stand halb angekleidet, aber zitternd und bebend vor ihm. Ziehen Sie Sich an, 193 und folgen Sie mir, mein Herr, sagt Hubert, wir sind in einer Mördergrube: aber, Gottlob! die Vögel sind gefangen. Gleichwol ist es nöthig, daß wir beysammen bleiben. Kommen Sie, ich will Ihnen helfen. Der Alte ließ sich von ihm ankleiden, und folgte ihm ohne Widerrede. Lassen Sie uns die Hexe zwischen uns nehmen, fuhr Hubert fort, und stieg voran die Treppe hinunter. Als sie vor die Speisestube kamen, sagte er zum Greise: Machen Sie auf, ich habe keine freie Hand. Er öffnete die Thür. Um Gotteswillen, mein Oheim! rief Antonio, als er den Greis erblickte, was thun Sie hier? Ottavio, denn er war es, fiel seinem Neffen in die Arme. Ach, mein Sohn, mein lieber Sohn! mehr konnte er nicht sagen. Das gräßliche Schauspiel, das er vor sich sah, lähmte ihm die Zunge. Indessen hatte die Wirthin ihren Mann in seinem Blut erblickt, und ein klägliches Geheul erhoben. Schweig, Bestie, rief Hubert, indem er sie zu Boden warf, und ihr das Maul wieder verstopfte. Ottavio hing noch immer sprachlos an Antonio's Halse. Bewillkommen Sie Sich morgen, meine Herren, fuhr der brave Diener fort, und halten Sie hier gute Wache. Es ist noch Jemand im Hause, den ich aufsuchen muß. Er ging wieder in den Hof. Das Mädchen hatte sich auf den Heuboden verkrochen, als sie die Schüsse fallen hörte. Da nun alles still war, kam sie herunter geschlichen, um zu lauschen. Hubert erblickte sie, und flog auf sie zu. Er fiel ihr um den Hals: Dir, liebes Mädchen, haben wir unser Leben zu danken.

Er wollte sie in die Stube nöthigen: allein sie weigerte sich. Ich habe schon zu viel Blut gesehen, 194 sagte sie, ich will in der Küche bleiben. Nun rief Hubert seinen Herrn heraus, und führte ihn zu ihr. Nicht ich, sondern dieses Mädchen hat uns gerettet. Er erzählte ihm mit wenig Worten den Vorgang im Stalle, und setzte hinzu: ich habe mich für Sie verbürgt, mein Herr, gewiß werden Sie mein Versprechen erfüllen, und sie in einem Kloster unterbringen. Verlaß Dich darauf, mein Kind, antwortete Antonio; allein was wollen wir nun mit den Bösewichtern anfangen?

Morgen in aller Frühe, sagte Maria, so hieß die Dirne, wird der Postillon und der Bediente des alten Herrn mit seinem Carriol zurückkommen . . . Alsdann, fiel Antonio ihr ins Wort, setze ich dich mit meinem Oheim hinein, besteige das Pferd des Postillons, übergebe dich den Carmeliterinnen zu Spoletto, und eile mit den Justizbeamten hieher zurück. Du, braver Hubert, kannst indessen mit meines Oheims Bedienten und Postillon hier bleiben. Allein, versetzte Maria schüchtern, wird man mich nicht auch gefangen nehmen?

Antonio. Nein, dafür stehe ich dir. Die Räuber müssen glauben, du seyest entronnen, und . . . (nachsinnend) Freylich wäre es gut, wenn wir sie auf eine andere Art ihrer Verbrechen überführen könnten, da du allein gegen sie zeugen kannst.

Maria. Dieses wird nicht schwer seyn. Unter dem Dünger hinter der Scheune liegen fünf Leichname eingescharrt, die in den drey Monaten, seitdem ich hier bin, ermordet wurden. Maria mußte ihnen die Stelle weisen, dann kehrte Hubert in die Stube zurück, und sandte den Ottavio hinaus, den Antonio von dem ganzen 195 Vorfalle und den getroffenen Maßregeln unterrichtete. Der Greis schauderte bey der Erzählung, und hob seine Hände gen Himmel. Ihr machtet mir, sagte er, die Zeit in Neapel zu lang. Als ich daher Francesco's Brief erhielt, beschloß ich, euch in Rom zu überraschen, und den kleinen Umweg über Aquila zu nehmen, wo ich einen Tag bey meinem alten Freunde Manfredi zubringen wollte. Gestern verließ ich ihn, und du weißt, warum ich, statt in Spoletto zu übernachten, in dieser Herberge einkehren mußte. Ich hörte wol, daß Fremde ankamen, allein ich lag schon zu Bette, und würde mir nie haben träumen lassen, daß wir einander so nahe wären. Großer Gott! Was für einem Unglücke sind wir entgangen. O, lieber Sohn, laß uns diesen verruchten Ort baldmöglichst verlassen!

Dieses geschah mit Anbruch des Tages. Maria wurde von Antonio mit einer Summe Geldes der Priorinn des Klosters übergeben, und indeß Ottavio in einem Gasthof abtrat, kehrte sein Neffe mit den Gerichtsdienern nach der Räuberhöhle zurück, wo Hubert mit seinen beiden Gehülfen die Gefangenen indeß bewacht und mit der größten Sorgfalt gehindert hatten, mit einander zu sprechen. Einer von den Mördern war in der Nacht an seiner Wunde gestorben. Der Wirth und die Wirthin wurden auf den bestimmten Platz geführt. Man fand die Leichname, und das Verbrechen war so klar erwiesen, daß die Reisenden noch vor Abend in Spoletto eintrafen, und am folgenden Tage ihre Reise fortsetzen konnten.

Sie langten glücklich in Rom bey ihrer Gesellschaft an, deren Freude durch die unvermuthete Erscheinung des Ottavio ihr höchstes Maß 196 erreichte. Lange weinte der edle Greis am Halse seiner Kinder und seines trefflichen Bruders. Antonio stellte ihnen den braven Hubert als seinen Lebensretter vor, und erzählte ihnen seine grauenvolle Geschichte. Mehr als einmal war Rosalia einer Ohnmacht nahe, und alle umarmten den treuen Diener, der mit so vielem Bedachte seinen kühnen Anschlag ausgeführt hatte. Freund, sagte Omar zu ihm, du gehörst zu unserer Familie. Antonio muß mir die Ehre überlassen, für dich zu sorgen. Er versicherte ihm eine Leibrente von hundert Zechinen. Alles schwamm in Wonne, und Ottavio war so sehr von seiner reizenden Nichte bezaubert, daß er schon am folgenden Tage zu seinem Bruder sagte: Ich kann die Stunde nicht erwarten, da ich diesen Engel meine Tochter nennen werde. Was hindert, sagte Omar, daß wir hier das zweifache Hochzeitfest begehen, das wir bloß um deinetwillen verschoben haben. Der Vorschlag ward mit Entzücken angenommen. Der ehrwürdige Benedetto sprach den Segen über die vier glücklichsten Wesen des Erdbodens, und nach einem Aufenthalte von acht himmlischen Tagen setzten sie ihre Reise nach Neapel fort. Omar kaufte sich ein herrliches Landgut, einige Meilen von der Stadt, wo er sich mit seinen Kindern niederließ. Auch Antonio's Wunsch, sich in ihrer Nachbarschaft anzusiedeln, ward erfüllt, und Ottavio und Benedetto theilten ihre Tage zwischen diesen beiden Residenzen der Freundschaft und der Tugend.

 


 


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