Autorenseite

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zwölftes Kapitel

in welchem von einem Zwiste zwischen den Zegri und Abencerragen erzählt wird; und wie Granada davorstand zugrunde zu gehen.

 

Als so die Ritter in Sicherheit gebracht und mit allem Fleiße verpflegt waren, brach der edle Musa nach Granada auf und nahm des Albayaldos Pferd mit sich. Es war die Stunde nach Sonnenuntergang, als Musa durch das Elvirator einritt, das Haupt in den Zipfel seines Mantels gehüllt, um von keinem erkannt zu werden. Solcher Art ritt er weiter, bis er zum Königspalaste der Alhambra kam, um die Stunde, da sein Bruder, der König, sich zu Tische setzte, um zu Abend zu speisen. Stieg vom Pferde und befahl gut für beide zu sorgen, und trat ein und kam in das Gemach des Königs. Der König aber verwunderte sich, ihn so staubbedeckt vom Wege kommen zu sehen, und fragte ihn, sobald er am Tische saß, warum er sich tagsüber nicht habe blicken lassen und wo er gewesen. Musa antwortete: Herr, laßt uns jetzt essen, nachher will ich Euch erzählen, was sich zugetragen hat, und es wird Euch verwundern. – So aßen sie mit gutem Hunger und Musa vor den anderen; denn er hatte den ganzen Tag über noch nichts gegessen. Als aber die Tafel beendet war, tat Musa dem Könige auf seine Frage Bescheid und erzählte ihm des breiten alles, was sich zugetragen hatte: den Tod des Albayaldos und den Kampf zwischen Gazul und Reduan, über welches alles der König sehr verwundert und betrübt ward. Alsbald erfuhr man im ganzen Königspalaste, daß Albayaldos gefallen war, und einer eilte, es Alatar dem Mauren, seinem Vetter von Vatersseite her, anzusagen. Der war sehr traurig über seines Vetters Tod und schwur bei Mahomet ihn zu rächen oder selbst bei dem Unterfangen zu sterben. Anderen Tages des Morgens in der Frühe hörte man die Neuigkeit in der ganzen Stadt, und allen Rittern Granadas ging sie zu Herzen. Und weil Alatar ihm am nächsten verwandt war, fanden sich viele Ritter in seinem Hause ein, um mit ihm zu trauern. Zuerst kamen die Zegri und Gomel und alsbald auch die Vanega und Maza, die Gazul und Benaragen und andere vornehme Ritter des Hofes, und zuletzt die Alabez und Abencerragen. Als nun alle Platz genommen hatten, wie es der Brauch im Hause eines so angesehenen Mannes erheischte, und ihm ihr Beileid ausgedrückt, war die Rede davon, ob es schicklich sei, um Albayaldos Trauer zu tragen, wie sie um Ritter seines Ranges getragen zu werden pflegte. Hierin gingen die Ansichten auseinander. Die einen verneinten es, weil Albayaldos, wiewohl Maure, vor seinem Tode Christ geworden sei. Die Vanega meinten, daß sie hieran keinen Anstoß nehmen würden, und es sei immerhin ziemlich, wenn seine Verwandten und Freunde, die einen wie die andern, einige Trauer sehen ließen. Die Zegri sagten, daß es Mahomet nicht gefallen könne, wenn man um Albayaldos, zumal er Christ geworden, Trauer trüge; sondern man solle die Vorschrift des Alkoran streng innehalten. Die Abencerragen entgegneten, daß man das Gute um Allahs Liebe willen tun müsse; wenn Albayaldos vor dem Tode Christ geworden sei, so vermöge nur Allah dem auf den Grund zu sehn; ihm müsse man es anheimstellen und dürfe um deswillen nickt von der Trauer absehen. Ein Ritter von den Zegri aber, namens Albin Hamad, sprach darwider und rief: Der Maure Maure und der Christ Christ! Das sage ich, weil hier in dieser Stadt Ritter leben, welche Tag für Tag den gefangenen Christen in den Verliesen der Alhambra Almosen senden, und geben ihnen zu essen; und die Ritter, welche ich meine, sind alle Abencerragen. – Ihr sprecht die Wahrheit, entgegnete Albin Hamad, der Abencerrage, wir rühmen uns unserer Güte und Milde gegen die gefangenen Christen und alle anderen, wer sie auch sein mögen. Unsern Reichtum hat uns Allah, der Heilige, geschenkt, um Gutes mit ihm zu tun aus Liebe zu ihm und ohne des Glaubens achtzuhaben. Desselbigengleichen geben die Christen den Mauren Almosen im Namen Gottes und um seiner Liebe willen. Und ich, der selber gefangen war, habe es wohl erfahren und oftmals gesehen, und mir selbst haben sie Gutes erwiesen. Um deswillen tue ich und alle meines Geschlechtes den Armen Gutes, so viel wir vermögen, und vorzüglich den Christen, die in Gefangenschaft sind; denn wir wissen nicht, wann wir es selbst sein werden, da wir doch die Feinde vor den Toren haben. Und wer das schlecht findet, ist ein Wicht und kennt kein Erbarmen; und mag sich getroffen fühlen, wer will. Und wer behauptet, jedem, wer es auch sein mag, Gutes tun und Almosen geben sei nicht gut, der lügt, und ich will es ihm beweisen, wenn es nötig sein sollte. – Als der Zegri sich so Lügen strafen hörte, hob er zornentbrannt voll Grimm und, ohne ein Wort zu erwidern, die Hand, um den Abencerragen ins Gesicht zu schlagen. Der wehrte den Schlag mit der Linken ab, doch nicht rasch genug, so daß ihn der Zegri mit den Fingerspitzen streifte. Der Abencerrage aber fuhr voll Zornes auf, als er die Berührung fühlte, wie ein hirkanischer Löwe, griff zu seinem Dolche und ging, in einem, dem Zegri zu Leibe, und bevor der sich noch zur Wehr setzen konnte, hatte er ihm zwei Dolchstöße beigebracht und traf ihn derart, daß der Zegri tot zu seinen Füßen niederfiel. Ein anderer Zegri warf sich auf den Abencerragen, um ihn mit einem Dolche zu durchbohren; doch vermochte er es nicht, denn mit der größten Schnelligkeit kam der Abencerrage über ihn und packte seinen rechten Arm am Handgelenke mit solcher Kraft, daß der Zegri nicht auszuführen vermochte, was er im Willen hatte. Der wackere Abencerrage aber versetzte ihm eine böse Wunde in der Magengegend, von welcher der Zegri tot zu Boden fiel. Als die Zegri sahen, was vor sich ging; es waren ihrer aber mehr als zwanzig, griffen sie zu ihren Waffen und riefen: Tod den Verrätern! Tod den Christengenossen! – Die Abencerragen setzten sich zur Wehr, und die Gomel kamen den Zegri zu Hilfe und waren mehr als zwanzig, und die Maza mit ihnen, welcher ebensoviele waren. Kaum wurden die Alabez und Vanega dieses gewahr, da eilten sie den Abencerragen zu Hilfe; und zwischen den sechs Rittergeschlechtern hub ein so grimmiger und erbitterter Kampf an, daß, in einem, fünf andere Zegri tot auf dem Platze blieben, und mit ihnen drei von den Gomel und zwei Maza; und nicht weniger als vierzehn von diesen drei Geschlechtern wurden verwundet. Von den Abencerragen blieb keiner tot, aber beinahe alle wurden verwundet, nämlich siebenzehn, und einem schlug man den Arm an der Wurzel glatt herunter. Von den Alabez kamen drei zu Tode und acht wurden schwer verletzt; auch von den Vanega wurden einige böse mitgenommen, und zwei blieben tot. Der Toten und Verwundeten würden auf beiden Seiten mehr gewesen sein, wenn nicht Alatar und viele andere Ritter sich ins Mittel geschlagen hätten; freilich auch von ihnen trug der und jener Wunden davon. In wildem Aufruhr, so daß es war, als wolle ganz Granada einstürzen, drängten alle auf die Straße, ohne vom Kampfe abzulassen. Aber der Ritter, welche Frieden stiften wollten, waren viele und herzhafte Männer, wie die Alagez und Benaragen, die Gazul, Almohadi und Almoradi; und sie bemühten sich so lange, bis sie jene, wiewohl unter großen Schwierigkeiten, zur Ruhe gebracht hatten, denn auch der Kämpfer waren viele. Um diese Zeit vernahm der König Chico, was im Gange war, und verließ alsobald die Alhambra und eilte dorthin, wo sie stritten, und fand den Frieden noch nicht völlig wiederhergestellt. Sobald die Kämpfenden des Königs ansichtig wurden, entfernten sie sich ein jeder nach seiner Seite. Als er den Hergang erkundet hatte, ließ er die Abencerragen greifen und wies ihnen als Gefängnis den Comaresturm an, die Zegri ließ er in den roten Türmen festsetzen, die Gomel im Alcazava und die Maza in der Feste Bivataubin; die Alabez im Hause und Palaste des Generalife und die Vanega in einem starken Turme der Alixaren. Dann kehrte der König unmutig zur Alhambra zurück und sprach: Bei meinem königlichen Worte, ich will mit diesen Parteiungen ein Ende machen und einer jeden sechs Häupter nehmen, und das soll, bei Mahomet schwöre ich es, nicht auf sich warten lassen! – Als die Ritter, welche den König begleiteten, ihn so erzürnt sahen, redeten sie zum Guten und baten ihn nicht so strenge vorzugehen, denn es hieße Granada in Aufruhr bringen, da sie alle versippt waren; sondern er möge sie sich auszusöhnen befehlen; und sie selbst nahmen diese Aufgabe auf sich. Am Ende begütigten sie den König, die Abencerragen und die Alabez und Vanega, und erreichten, daß vier Tage hernach alle verfeindeten Ritter sich aussöhnten und einander den Tod der Erschlagenen verziehen, nachdem durch Richterspruch einigen eine hohe Geldbuße auferlegt war. Das geschehen, wurden die gefangenen Ritter in Freiheit gesetzt; aber es blieben die Zegri geschwächt und voll Bitterkeit, desselbigengleichen auch die Gomel, mit dem nagenden Gedanken, sich für so große Einbuße an Leben und Ehre rächen zu wollen. Zu solchem Zwecke versammelten sich eines Tages die Zegri und Gomel in einem Lusthause am Darro, welches sehr schön war, und schöne Gärten und Pflanzungen waren dabei. Und nachdem sie gegessen und sich erlustigt hatten, kamen sie in einem prächtigen Saale zusammen und nahmen der Reihe nach Platz; und ein Zegri, welchem alle als ihrem Aeltesten und Oberhaupte Ehrfurcht zollten, ein Bruder jenes Zegri, den Alabez bei dem Stabspiele erschlagen hatte, begann voll Trauer zu reden und sprach also: Edle Zegri, Ritter und Verwandte, und ihr Gomel, unsere Freunde, hört wohl auf das, was ich euch blutenden Herzens sagen will. Ihr wißt alle, was die Ehre verlangt und wie man ihrer achthaben soll, denn wenn man sie einmal verloren hat, ist der Schaden niemals wieder einzuholen. Solches sage ich, weil wir Zegri und ihr Gomel in Granada auf der Spitze des Halbmondes stehen, reich an Gut und Ehren und vom Könige hoch gehalten. Aber diese Bastardritter, die Abencerragen, trachten uns dessen zu berauben und uns zu demütigen. Schon haben sie uns meinen Bruder und andere Verwandte erschlagen und manchen Ritter von den Gomel und uns bei anderen verachtet und uns zum Spott gemacht. Das alles fordert ewige Rache. Denn wenn wir uns nicht rächen, werden die Abencerragen bald erreicht haben, daß wir nichts mehr gelten und kein Mensch unser achtet. Um solches zu verhüten, müssen wir allerwege und auf jede Weise, die sich finden läßt, suchen, wie wir uns rächen und unsere Gegner zugrunde richten und vernichten können, damit wir unsere Ehre bewahren. Alles das aber kann nicht durch Waffengewalt geschehen, weil der König gegen uns vorgehen könnte; sondern ich habe etwas erdacht, wobei wir gut fahren werden, ob es gleich gegen ritterlichen Brauch verstoßen mag. Aber an seinem Feinde soll man sich auf jede Art zu rächen trachten. – Einer von den Gomel antwortete und sprach: Herr Zegri Mahavid, lenkt die Dinge nach Eurem Gefallen und wie es Euch richtig dünkt; auf jedem Wege, welcher es auch sei, wollen wir Euch in allem und zu allem folgen. – Dann müßt ihr wissen, meine edlen Freunde, fuhr der Zegri fort, daß ich gedacht habe, Zwietracht zu stiften zwischen den Abencerragen und dem Könige, solcher Art, daß keiner von ihnen am Leben bleibt, indem wir ausstreuen, daß Albin Mahamete, welcher ihr Oberhaupt ist, Ehebruch treibe mit der Königin. Und solches denke ich mit zweien Rittern von euch, ihr Herren Gomel, darzutun, derart daß ihr, wenn ich mit dem Könige über dieses Geschäfte spreche, euch ins Mittel schlagt und sagt, daß wahrlich wahr sei, was ich ihm erzähle, und daß wir es auf dem Kampfplatze gegen jeden, der uns Lugen strafe, mit den Waffen in der Hand vertreten wollten. Weiter aber wollen wir sagen, daß die Abencerragen ihn zu ermorden oder seines Königreichs zu berauben trachten. Um dieser Dinge willen, darauf gebe ich euch mein Wort, wird der König sie alle enthaupten lassen.

Und überlaßt es mir, dieses ins Werk zu setzen. Solches habe ich mir ausgesonnen, meine edlen Freunde und Verwandten; nun sagt mir, was ihr darüber denkt. Aber dieses muß völlig geheim bleiben, denn ihr seht wohl, wie viel daran hängt. – Als der Zegri seine teuflische Rede geendet hatte, riefen alle aus einem Munde, daß es wohl geraten sei und so geschehen solle, und es würden alle sein Beginnen unterstützen. Alsbald wurden zwei Ritter von den Gomel ausersehen, um mit dem Zegri den Fall vor den König zu bringen. Nachdem sie so ihren Verrat feierlich beschlossen hatten, kehrten sie zur Stadt zurück, wo sie mit ihren verdammenswerten Gedanken blieben und Zeit und Ort, ihn ins Werk zu setzen, abwarteten.

Dort wollen wir sie lassen und zurückkehren zu Alatar, dem Mauren, welcher bestürzt und zornig war über das, was sich in seinem Hause ereignet hatte, und um den Tod seines edlen Vetters Albayaldos trauerte; schwur, ihn zu rächen, so sehr es in seiner Macht stünde, und beschloß bei sich, den Großmeister zu suchen und ihn zu erschlagen, wenn er es vermöchte. Unverzüglich rüstete er sich mit einem Stahlpanzer über einem gesteppten Wams, und darüber hing er einen fahlen maurischen Mantel ohne Besatz und setzte einen festen Stahlhelm auf mit einer fahlen Mütze darüber, und auf die steckte er einen schwarzen Federbusch; ließ ein kräftiges schwarzes Pferd bereithalten, welches zehn Jahre alt war, hieß drei gefangene Christen dafür sorgen, und er selbst gab ihm mit eigener Hand seinen Hafer. Und nachdem er dem Pferde eine schwarze Decke übergehängt hatte, nahm er Lanze und Schild ohne Abzeichen noch Devise und verließ sein Haus voll grimmigen Mutes, so daß kein Ritter, auch der ruhmvollsten keiner, ihm gleichkam. Ritt über den Neuen Platz und in dem Grolle seines Herzens warf er von der Brücke keinen Blick auf den Darro; solcher Art verließ er Granada und schlug die Straße nach Antequera ein auf der Suche nach dem Großmeister und den anderen Christenrittern, um den Tod des Albayaldos, seines Vetters, zu rächen. Wie er in die Gegend von Loja kam, wurde er einer Schar Christen gewahr, welche in die Ebene einfallen wollten. Sie führten ein weißes Fähnlein mit dem roten Kreuze des heiligen Jakob. Und an ihrer Spitze ritt der edle Großmeister von Calatrava, welcher allbereits von seinen Wunden genesen war, denn er hatte sie mit einem kostbaren Balsam bestrichen. Der wackere Alatar erkannte alsbald das Abzeichen des Großmeisters, das er zu vielen Malen in der Ebene gesehen hatte; ritt unerschrockenen Herzens auf die Christenschar zu und rief, da er ihnen nahe genug war, furchtlos mit lauter Stimme: Ritter, kommt unter euch vielleicht der Großmeister von Calatrava? – Der Großmeister hörte ihn und ritt den Seinen ein gut Stück voraus auf den Mauren zu und antwortete, als er ihm nahe war: Um weswillen verlangt Ihr nach dem Großmeister, Herr Ritter? – Ich verlange nach ihm, um ihn zu sprechen, antwortete der Maure. – Wenn es nur dazu ist, ich bin es selbst. Sagt, was Euch gut dünkt! – Alatar betrachtete den Großmeister und erkannte ihn sogleich an dem Zeichen des Kreuzes, welches er auf Brust und Schild führte. Ritt näher heran und sprach ohne Furcht und ohne ihn zu grüßen: Wahrlich, tapferer Großmeister, Ihr habt ein Recht Euch glücklich zu nennen: denn mit Eurer Hand habt Ihr viele und wackere Ritter erschlagen; und jetzt vor allem, da unter Eurer Hand mein Vetter Albayaldos, Ehre und Ruhm der Ritterschaft Granadas, den Tod gefunden hat, mit dessen Leben der Glanz des königlichen Hofes erloschen ist. Ich aber bin voll Groll und Trauer gekommen, um ihn zu rächen. Und da ich Euch nach Mahomets Fügung gefunden habe, freue ich mich, daß wir beide miteinander kämpfen werden; und wenn ich im Kampfe bleibe, wird es mich trösten, von der Hand eines so guten Ritters, wie Ihr, zu sterben und meinen geliebten Vetter Albayaldos zu begleiten. – Damit schwieg er. Der edle Großmeister aber antwortete: Lieber würde es mir sein, wackerer Alatar, da Ihr mich getroffen habt, wenn es um einer Sache willen wäre, in der ich Euch dienlich zu sein vermag; denn als Ritter schwöre ich, Ihr würdet in mir völlige Freundschaft finden. Und würde mich freuen, wenn Ihr nicht mit mir kämpfen wolltet; denn ich gebe Euch mein Wort, daß Euer Vetter Albayaldos seine Pflicht getan hat als wackerer Ritter. Gott wollte ihn zu sich in den Himmel nehmen; denn vor seinem Tode kam er zur Erkenntnis und verlangte, getauft zu werden, und wurde Christ. Glücklich er, der sich jetzt Gottes erfreuen darf. Deshalb wünsche ich mir Eure Freundschaft, und daß Ihr nicht ohne Grund zu kämpfen begehret; sondern seht zu, ob ich Euch in irgend etwas dienen kann, denn ich werde es so getreulich tun wie für meinen leiblichen Bruder. – Vielen Dank, Herr Großmeister, antwortete Alatar, für jetzt begehre ich nichts anderes, als den Tod meines Vetters zu rächen. Und dazu bedarf es keines Zögerns, sondern verfahrt als ein ehrenvoller Ritter und sichert mir das Feld vor Euren Leuten, damit ich mich keines Angriffs zu versehen habe, als von Euch selbst. – Ich würde froh sein, sagte der Großmeister, wenn Ihr von Eurem Vorhaben abließet; da Ihr aber darauf besteht, geschehe, was Ihr verlangt. Was aber meine Leute angeht, so seid versichert, daß Euch keiner der Meinen zu nahe treten wird. – Sprach es und erhob die Hand nach seinen Leuten und bedeutete sie durch Zeichen, sich von dort zurückzuziehen. Und dieses Zeichen genügte. Der Trupp zog sich sogleich zurück, und der Maure rief dem Großmeister zu, sobald er es gesehen hatte: Vorwärts, Herr Ritter, es ist Zeit, mit unserem Kampfe zu beginnen! – Sprach es und sprengte auf seinem wackeren Pferde im Galopp über das Feld und scharmützelte mit leichter Anmut. Der edle Großmeister schlug das Zeichen des Kreuzes, hob die Augen zum Himmel auf und sprach: Bei deinem heiligsten Leiden, Herr Jesus Christ, gib mir den Sieg über diesen Heiden! – Sprach es und trieb sein Roß unerschrockenen Mutes über das Feld und fiel gegen den Mauren aus. Und ob er sich schon von den Wunden, die ihm Albayaldos geschlagen, noch nicht völlig erholt hatte und von ihnen behindert war, überwand er doch alles mit tapferem Herzen und zeigte große Stärke und bewies seinen erprobten Heldensinn. Da er aber den feurigen Mut Alatars, des Mauren, und seine Herzhaftigkeit sah, und die Leichtigkeit seiner Kampfesart bemerkte, sprach er zu sich selber: Ich werde achtgeben und behutsam vorgehen müssen, damit der Maure heute nicht Sieger bleibt, was Gott verhüten möge. – Sprach es und zügelte sein Pferd und ritt Schritt vor Schritt, die Augen auf seinen Gegner gerichtet, um zu sehen, was der im Schilde führte. Wie der Maure aber den Großmeister so zaudernd vorgehen sah, ohne um den Grund zu wissen, setzte er ihm lebhaft zu und kam ihm nahe, um ihm Schaden beizubringen, falls er es vermöchte. Fand ihn dicht bei sich, und im Vertrauen auf die Kraft seines Armes und auf die Sicherheit seines Auges, dazu überzeugt, daß der Großmeister seine Absicht nicht bemerken würde, erhob er sich in den Steigbügeln und schleuderte die Lanze auf ihn mit solcher Wucht und Kühnheit, daß Eisen und Fähnlein sausend die Luft durchschnitten. Indessen schlief der edle Großmeister nicht, sondern als er die Lanze schleudern sah und der Schaft sausend durch die Luft fuhr, gab er seinem Pferde in der größten Hast die Sporen und warf es nach einer Seite und wich der Lanze aus, solcher Art, daß sie nicht traf, sondern weiter flog, wuchtig, wie ein Pfeil von der Armbrust, und fuhr in den Boden und bohrte sich mehr als zwei Spannen tief hinein und blieb dort bebend in der Erde haften. Der Großmeister aber, da er ihr ausgewichen war, kam jäh, wie ein Falke unter Sperlinge fährt, über den Mauren, um ihn zu treffen, wie der ihn aber so grimmig entschlossen anstürmen sah, wagte er nicht standzuhalten, sondern wandte sein leichtes Pferd über das Feld und eilte schnell, wie ein Gedanke, dorthin, wo seine Lanze eingedrungen war; kam an und ließ sich am Sattelbogen niedergleiten, leicht, wie ein Vogel, ergriff sie und zog sie aus dem Boden, in den sie gefahren war, und sprengte weiter, wie ein Sturmwind. Wandte sich aufs neue gegen den Großmeister; fand ihn nahe, denn er hatte ihn verfolgt; und konnte nichts anderes geschehen, als daß sie einander angriffen und alles in die Hände des Glückes legten. So stießen sie zwiefach zusammen. Der Maure traf den Großmeister mitten auf den Schild und durchbohrte den und stieß am Arme hin, durchbrach den Panzer und versetzte ihm eine bösartige Wunde auf der Brust. Der Stoß des Großmeisters war gewaltig; denn er durchbrach den Schild des Mauren, so stark und fest er war; und das Eisen hielt nicht inne, sondern drang in den stählernen Panzer mit solcher Wucht, daß der Stahl nichts half, sondern wurde durchbrochen, und der Maure erhielt eine bösartige Wunde, welche bis in die Leibeshöhlung ging; und alsbald begann das Blut reichlich zu fließen. Wohl fühlte der Maure, daß er gefährlich getroffen war; doch ließ er um deswillen den Mut nicht sinken, sondern beherzter und nachdrücklicher als zuvor griff er den Großmeister an und schwenkte die Lanze leicht, wie eine Binse. Der Großmeister aber griff zur List: zur Zeit, da beide sich treffen mußten, warf er sein Pferd etwas zur Seite, solcher Art, daß Alatar ihn schräg auf den Schild traf; und wiewohl die Spitze durch und durch fuhr, drang sie doch nicht durch den Panzer des Großmeisters in das Fleisch ein. Aber der Großmeister traf seinen Gegner überhand seitwärts so wuchtig, daß er ihn abermals böse verletzte, denn der Stoß kam vom Schilde ungedeckt. Außer sich vor Grimm, als er sich solcher Art getroffen sah, ohne sich an seinem Feinde rächen zu können, drang der wackere Maure blindlings, als wäre er schon verloren, auf den Großmeister ein, um ihn zu treffen. Aber der nahm sich wohl in acht und traf ihn immer aufs neue von der Seite her, ohne selbst getroffen zu werden. Als der Maure die Gewandtheit des Großmeisters erkannte, verwunderte er sich darüber, hielt sein Pferd an und sprach zu jenem: Ritterlicher Christ, es wäre mir sehr lieb, wenn du nichts darwider hast, daß wir unsern Kampf zu Fuß beenden; denn wir kämpfen schon lange zu Pferde. – Der Großmeister, ebenso geschickt in den Waffen zu Fuß als zu Pferde, antwortete, daß es ihm recht sei. So stiegen die beiden wackeren Kämpfer, auf eines, von ihren Pferden, nahmen ihre Schilde fest am Arm und griffen sich, der Maure mit dem Krummsäbel, mit dem Schwerte der Christ, so gewaltig an, daß es ein Entsetzen war; aber wenig half dem Mauren seine Tapferkeit, denn er hatte einen überlegenen Gegner. Begannen sich von allen Seiten grimmig zuzusetzen und dachten einander den Tod zu. So kämpften sie beide aufs erbittertste. Es war der Maure im Nachteil, obwohl er es nicht spürte, denn aus seinen beiden Wunden troff in breiten Streifen das Blut so heftig, daß der Boden von ihm getränkt wurde, wo Alatar den Fuß hinsetzte. Bleich war er im Antlitz und entfärbt durch den Blutverlust. Aber da er mannhaften Herzens war, spürte er es nicht, sondern hielt sich kräftig aufrecht im Kampfe. Wer um diese Stunde die Pferde hätte kämpfen sehn, würde sich entsetzt haben vor den Sprüngen und Hufschlägen und Bissen, mit denen sie einander zusetzten. Gleich erbittert, ein wildes Schauspiel, wurden beide Kämpfe geführt. Um diese Zeit schlug der edle Großmeister mit einem kraftvollen Hiebe seinem Feinde den halben Schild herunter, so leicht, als wäre er aus Rahm gewesen. Als der Maure dieses sah, versetzte er dem Großmeister rasend vor Wut einen so gewaltigen Streich von oben auf den Schild, daß ein gut Stück von dem zu Boden fiel. Und da der Großmeister ihn erhoben hatte, um das Haupt zu decken, traf ihn die Säbelspitze mit solcher Wucht aufs Haupt, daß der eherne Helm sich spaltete; und er selbst wurde am Kopfe verwundet. Die Wunde war nicht groß, denn der Säbel traf nur mit der äußersten Spitze, aber das Blut floß trotzdem so reichlich, daß es ihm den Blick trübte, solcher Art, daß es ihm sehr hinderlich war. Und wenn der Maure nicht infolge des Blutverlustes so erschöpft und schwach gewesen wäre, würde der Großmeister in dringender Gefahr gewesen sein; denn als der Maure das Blut über das Antlitz seines Gegners fließen sah, faßte er frischen Mut und begann ihn mit wuchtigen Hieben zu treffen. Aber erschöpft, wie er war, vermochte er seinem Feinde nicht zuzusetzen, wie er wohl gewollt hätte, noch seine ganze Kraft aufzuwenden. Bei alledem brachte er den Großmeister in Bedrängnis. Als sich dieser aber von dem Mauren so in die Enge getrieben sah und gewahr ward, wie reichlich ihm das Blut aus der Wunde am Haupte floß, ergrimmte er über die Maßen; und ohne der Gefahr für sein Leben ferner zu achten, vom Ueberreste seines Schildes gedeckt, kam er mit dem Schwerte über Alatar. Der Maure aber sah ihn kommen und wankte nicht, sondern drang desselbigengleichen auf ihn ein und gedachte mit einem Streiche den Kampf zu beenden. Der Großmeister stieß mit der Spitze des Schwertes kraftvoll geradeaus nach dem Mauren und so nachdrücklich, daß das Schwert bis in das Innerste der Eingeweide drang. Doch versuchte er den Stich nicht so gedeckt zu führen, daß er nicht abermals schwer am Kopfe verletzt wurde, solcher Art, daß er betäubt zu Boden stürzte und Blut in Menge verlor. Der Maure aber sah den Großmeister blutüberströmt am Boden und hielt ihn bereits für tot und wollte über ihn, um ihm das Haupt abzuschlagen: wie er sich aber bewegen wollte, fiel er unter der tödlichen Wunde, die ihm der Großmeister geschlagen hatte, in seiner ganzen Größe zur Erde. Fiel und rührte weder Hand noch Fuß mehr, so tief war das Schwert eingedrungen. Dem Großmeister kehrten um diese Zeit die Sinne wieder; und da er sich in solchem Zustande erblickte, sprang er hastig auf, voll Angst, daß der Maure über ihn kommen möchte; blickte sich nach Alatar um und sah ihn tot am Boden liegen; beugte die Knie zur Erde und dankte Gott aus tiefem Herzen für den Sieg, den er ihm verliehen hatte. Sprang auf, ging zu dem Mauren und hieb ihm das Haupt ab und schleuderte es in das Feld. Alsbald stieß er in das Horn, welches er bei sich hatte, und auf den Schall kamen seine Mannen in Eile und wurden betrübt, als sie ihn so böse verwundet fanden. Trennten die Pferde, welche noch immer miteinander kämpften, gaben dem Großmeister seines und führten das andere am Zügel mit sich, hingen Alatars Haupt am Brustriemen auf und wandten sich, nachdem sie dem Mauren die Rüstung ausgezogen, dorthin zurück, wo der Großmeister, welchem dieser Kampf große Ehre eintrug, sich pflegen lassen konnte. Hierauf wurde eine alte Romanze gesungen, welche folgendermaßen lautet:

Aus Granada reitet düster,
Grimmen Sinns der Held Alatar;
Rache brennt in seinem Herzen
Für den tapfren Albayaldos:

Albayaldos, gleichen Blutes,
Den nach langem, heißem Kampfe
An dem kühlen Pinienquell
Don Rodrigo ihm erschlagen.

Schwer gerüstet ist der Maure;
Ueber seinem Panzer trägt er
Einen schwarzen Damastmantel,
Auf dem Helm den schwarzen Turban.

Schwarz ist seine schwere Lanze,
Schwarz der Schild und ohne Wappen,
Schwarz, wie Mantel, Wappen, Helmbusch,
Ist sein edles starkes Schlachtroß.

Ist kein unerprobtes Füllen,
Hat zehn Jahre ihn getragen;
Seiner warten drei der Sklaven
Und er selbst reicht ihm den Hafer.

Trägt ihn jetzt aufs neu zum Kampfe
Grimmig blickt der stolze Maure,
Gradaus geht sein Aug' ins Weite,
Und im Herzen brennt die Rache.

Sieht die Straßen nicht, die Plätze,
Noch den Darro, dessen Wellen
An den Brückenpfeilern rauschen.
Gradaus geht sein Aug' ins Weite.

Reitet durchs Elvirator
In die weite schöne Ebne,
Nimmt den Weg nach Antequera.
Und er denkt des Albayaldos.

Plötzlich Reiter. Nah bei Loja.
Christen sind's. Ihr Fähnlein zeigt
Rot das Kreuz, im weißen Felde,
Des Apostels Sankt Jakobus.

Kommen nah. Der Maure reitet
Furchtlos auf sie zu und ruft:
Ist bei euch der Ordensmeister
Calatravas, Don Rodrigo?

Don Rodrigo hört's und sprengt
Weit voraus und trifft den Mauren;
Und er ruft: Was willst du, Maure?
Ich bin's selbst, bin Don Rodrigo!

Und der Maure sieht das Kreuz
Auf dem Mantel, sieht das Kreuz
Auf dem Schilde, das er oftmals
Vordem schon im Kampf gesehen.

Allah mit dir, edler Meister!
Weiß, du bist ein guter Ritter.
Wisse du, ich bin Alatar,
Blutsverwandt dem Albayaldos,

Den du mir erschlagen hast
Und bekehrtest ihn zu Christus.
Seinen Tod zu rächen kam ich:
Rüste dich zum Kampfe, Ritter!

Don Rodrigo hört die Worte;
Schweigend winkt er seinen Mannen,
Heißt sie schweigend sich entfernen
Und bereitet sich zum Kampfe.

Grimmig kämpfen beide Ritter;
Mit den Lanzen, mit den Schwertern
Ungestümen Mutes schlagen
Sie einander tiefe Wunden.

Sieger blieb in jedem Kampfe
Don Rodrigos Heldensinn.
Vor der Kraft des edlen Christen
Mag der Maure nicht bestehen.

Er erschlägt den tapfern Mauren,
Trennt das Haupt mit einem Streiche
Ihm vom Rumpfe, und er hängt es
An den Sattel seines Rosses.

Reitet drauf, aus tiefen Wunden
Blutend, wieder zu den Seinen.
Kehren heimwärts, ihn zu pflegen.
Ehre sei dem hohen Helden!

Vier Tage nach diesem harten Kampfe erfuhr man in Granada, daß Alatar unter den Händen des Großmeisters gefallen war. Und nicht geringen Schmerz empfand der König darüber, denn er sah, in welch kurzer Zeit er zwei wackere und tapfere Ritter verloren hatte, wie Albayaldos und sein Vetter Alatar es waren. Ebenso trauerte Granada; und wenn die ganze Stadt in den verflossenen Tagen fröhlich gewesen war, versank sie jetzt in Kummer und Betrübnis ob des Todes dieser beiden Ritter und um des Zwiespaltes willen, welcher zwischen den Abencerragen und Zegri entstanden war. Als der König dieses gewahr ward, beschloß er mit seinem Rate, die Stadt wieder aufzuheitern, und befahl zu diesem Ende, daß alle Ritter, welche bei dem verflossenen Ringelstechen geritten waren, ihre Damen ehelichten, und sollte ein öffentlicher Ball gefeiert und gesungen und eine Zambra getanzt werden, welches unter den Mauren ein hochgeschätztes und beliebtes Fest war, und dazu sollten Stierkämpfe und Stabspiele stattfinden. Zu diesem Zwecke übertrug der König die Anordnung dem edlen Musa, seinem Bruder. Der nahm es auf sich, die Quadrillen zum Spiele zu leiten und die Stiere herbeizuschaffen. Große Freude aber hatten alle jungen Ritter, welche im Dienste einer Dame standen, und die Stadt wurde wieder fröhlich und fröhlicher noch als zuvor. Denn alsbald begannen die Ritter Spiele und Maskenzüge nachts in den Straßen anzurichten und ließen große Freudenfeuer abbrennen und steckten Lichter auf in der ganzen Stadt, solcher Art, daß die Nacht zum Tage wurde. Jetzt aber will ich erzählen, wer die Ritter und Damen waren, die miteinander verehelicht wurden: der wackere Sarrazino mit Galiana; Abindarraez mit Xarifa; Abenamar mit Fatima; Zulema, der Abencerrage, mit Daraxa; Malique Alabez mit Cohayda, denn er war bereits von Albolote zurückgekehrt und beinahe von seinen Wunden genesen; Azarque mit Alborahaya; Almorabi mit der schönen Sarrazina; Abenarax mit Zelindora. Alle diese edlen Ritter und schönen Damen wurden im königlichen Palaste vermählt, und länger als zwei Monate feierte man dort Feste und Bälle. Und da es vornehme und reiche Leute Granadas waren, machte man viel Aufwand an Gastereien wie an Festgewändern, Gold und Seide, solcher Art, daß die Stadt zu dieser Zeit die reichste und üppigste und fröhlichste und zufriedenste der Welt war. Und wohl wäre es Granada ergangen, wenn das Glück es immer in diesem Stande belassen hätte; aber da sein Rad sich dreht, so kehrte sich schnell das Oberste nach unten und ganz und gar zu Boden, und alle Lust und Freude ward zum Weinen und Klagen, wie wir im weiteren erzählen wollen. Der edle Musa als Ordner des Festes hatte schnell die Quadrillen zum Spiele gebildet. Er selbst übernahm die Führung der einen, welche aus dreißig Reitern, alle Abencerragen, bestand; und die andere gab er einem Ritter von den Zegri, dem Bruder der schönen Fatima, einem Jüngling von hohem Werte und tapfer, und der wählte sich dreißig Zegri, Verwandte von ihm. Das Spiel sollte auf dem großen Bivaramblaplatze stattfinden, wo auch die Stierkämpfe sein sollten. Die Stiere waren schon herbeigeschafft, und an einem bestimmten Tage kämpften sie zur großen Freude der ganzen Stadt, während der König von seiner Schaubühne zusah und die Königin mit ihren Damen von ihrer; und war dort kein Fenster, Gerüst oder Balkon auf dem ganzen Bivaramblaplatze, der nicht voll war von Damen und Rittern und vielen Leuten von auswärts, welche aus dem ganzen Königreiche zusammengeströmt waren, um das Fest zu sehen. Schon hatten vier mächtige Stiere gekämpft und der fünfte war losgelassen, da erschien auf dem Platze ein kühner Ritter auf einem starken tänzelnden Pferde. Wams und Mantel trug er grün, wie ein Mensch, der voll Hoffnung lebt, die Federn desgleichen mit vielem goldenen Zierat. Mit ihm kamen sechs Knappen in seiner Diensttracht und jeder von ihnen trug eine Halbpike mit einem silbernen Streifen in der Hand. Große Freude hatten alle andern Ritter, die dem Spiele zuschauten, am meisten aber die schöne Lindaraxa; denn alsbald erkannte sie in dem Ritter den herzhaften Gazul, welcher mit dem wackeren Reduan jenen erbitterten Kampf ausgefochten hatte, von dem ihr gehört habt, und allbereits von seinen Wunden genesen war. Desgleichen war das Reduan, der an diesem Tage sich nicht bei dem Feste sehen lassen wollte, weil er gar zu verdrossen war über Lindaraxas Unfreundlichkeit. Und um ihrer nicht ansichtig zu werden und seinen Schmerz nicht zu erneuen, war er an diesem Tage bewaffnet in die Ebene hinausgeritten, um zu sehen, ob er dort nicht auf einen Christen stieße, mit dem er kämpfen könnte. – Da nun der herzhafte Gazul so kühnlich auf den Platz ritt und sah, daß alle Welt die Augen auf ihn richtete, sprengte er in die Mitte des Platzes und erwartete gelassen, daß der Stier dorthin käme; welches auch nicht lange auf sich warten ließ; denn nachdem der fünf Menschen zu Tode gebracht und mehr als hundert umgestoßen und unter die Hufe getreten hatte, kam er auf ihn los. Und sobald er des Pferdes ansichtig geworden, stürzte er sich in höchster Wut, schnaubend vor Grimm, auf den herzhaften Gazul, welcher ihn erwartete. Sobald der Stier zuzustoßen gedachte, versetzte ihm der kühne Gazul einen Stich mit der Pike so bösartig mitten durch die Schultern, daß er wehrlos zu Boden brach, ohne dem Pferde ein Leid getan zu haben. So gewaltigen Schmerz aber hatte er, daß er die Beine nach oben sich brüllend in seinem Blute wälzte. Voll Bewunderung war der König und der ganze Hof über diesen Streich des herzhaften Gazul und wie er jenen gewaltigen Stier zu Boden gestreckt hatte. Damit ritt der kühne Gazul voll Zufriedenheit über den Platz, kämpfte aufs gewandteste mir den Stieren, die man losließ, erwartete sie, bis sie ihm ganz nahe waren, und dann traf er sie mit dem Spieße dergestalt, daß sie sich nicht mehr gegen ihn wandten. Als die Stierkämpfe beendet waren, verließ er den Kampfplatz, bezeugte dem Könige und der Königin seine Ehrerbietung und desgleichen seiner Herrin Lindaraxa und ließ alle voll Freude über seinen Mut und seine Kühnheit zurück. Alsbald wurde zum Aufsitzen geblasen, um das Stabspiel zu beginnen. Und die Ritter, welche an dem Spiele teilnahmen, legten ihr Festgewand an; und währte nicht lange, da zog unter dem Klange kriegerischer Trompeten der edle Musa mit seiner Quadrille ein mit solcher Pracht und Anmut, daß nicht leicht etwas Schöneres zu finden sein möchte, weiß und blau war ihr Gewand mit strohgelben Zwickeln und Bändern, und blutigrot und weiß und mit Gold reich ausgeziert der Federbusch. Als Abzeichen führten sie auf dem Schilde einen Wilden, der mit seiner Keule eine Welt zertrümmert, – es wurde aber dieses Abzeichen von den Abencerragen oft getragen – und eine Inschrift zu Füßen des Wilden, welche besagte:

Abencerragen tragen
Hoch zum Himmel ihre Federbüsche;
Denn ihr Ruhm auf Erden
Bietet kühnlich dem Geschick die Stirne.

Solcher Art in kühner Anmut zog Musa mit seiner ganzen Quadrille ein, welche aus dreißig Abencerragen, alles Ritter von höchstem Ansehn, bestand; zogen ein und ritten eine schöne Schnecke und hatten ein Kampfspiel untereinander. Darauf nahmen sie ihren gewohnten Platz ein. Alsbald zogen die Zegri feurig und nicht minder schön als die Abencerragen auf den Platz. Ihre Tracht war grün und maulbeerfarben und, zu einem Viertel, gelb und über die Maßen kostbar. Alle ritten falbe, kraftvolle und leichte Stuten. Die Fähnchen an ihren Lanzen waren grün und maulbeerfarben mit gelben Quasten. Und wenn der Abencerragen Einzug und Schnecke prächtig und sehenswert gewesen war, so nicht weniger der der Zegri. Auf den Schilden aber führten sie als Abzeichen ein blutiges Schwert mit einer Umschrift, welche besagte:

Allah will nicht, daß ein Helmbusch
Himmelhoch getragen werde,
Sondern unterm Schwerte falle
Und verschwinde von der Erde.

Nachdem sie eine zierliche Schnecke geritten hatten, nahmen sie ihren Platz ein, und alsbald versahen sich beide Quadrillen mit den Stäben zum Spiele. Der König aber, welcher an den Abzeichen und Inschriften der Ritter erkannt hatte, daß der Groll auf des Messers Schneide schwankte, verließ in Eile seine Schaubühne, um zu verhüten, daß zur Zeit so großer Freude Verdrießlichkeiten entstünden, und begab sich von vielen Rittern des Hofes begleitet auf den Platz auf die eine Seite und befahl, alsbald mit dem Spiele anzufangen. Beim Klange vieler Instrumente, Flöten und Hörner und Pauken begannen die Ritter in vier Quadrillen, fünfzehn zu fünfzehn, ihr Spiel. Und es verlief fröhlich und ohne Zwischenfall, ob es ihrer schon gegeben haben würde, wenn der König nicht auf den Platz gekommen wäre; denn die Zegri trugen sich mit bösen Absichten; aber die Vorsicht des Königs war klug, als er erwog, was entstehen könnte, sobald er die Abzeichen der beiden Quadrillen gesehen hatte. Da es nun dem Könige an der Zeit schien, das Spiel zu beendigen, hieß er sie sich trennen. Damit endeten die Festlichkeiten dieses Tages ohne Verdruß, welches nicht wenig war. Nach dem Stabspiele zogen sich der König und die anderen vornehmen Ritter des Hofes und die Königin mit ihren Damen und den Neuvermählten in den Königspalast der Alhambra zurück, wo der König fröhlich, daß der Tag ohne Verdruß abgelaufen war, mit allen prächtige Tafel hielt. Des Nachts aber feierte man einen Königsball; und die jungen Gatten tanzten mit ihren Frauen und der König mit der Königin und Musa mit der schönen Zelima zur großen Freude beider. Der kühne Gazul fand sich auf diesen Abend ein und tanzte mit der schönen Lindaraxa und alle hatten ihre Lust an den beiden, denn sie waren voll Seligkeit. Schon wollte der Morgen anbrechen, als die Neuvermählten zur Ruhe gingen. Als die schöne Galiana sich aber in den Armen des wackeren Sarrazino sah, den sie so sehr liebte, sprach sie nach tausend Zärtlichkeiten zu ihm folgendermaßen: Sagt mir, lieber Freund und Herr, was war es doch, daß Ihr am Sankt Johannistage, nachdem Ihr im Ringelspiele Euch mit dem kühnen Abenamar zu dreien Malen gemessen, alsbald den Platz verließet und vier oder sechs Tage hindurch nicht wieder zum Vorschein kamet? War es vielleicht, weil Ihr den Preis verloren hattet oder um weswillen sonst; denn ich möchte es gern wissen. – Teure Gattin und geliebte Herrin, es war, weil ich mir feig und unnütz schien, nachdem ich Euer Bildnis und den schönen kostbaren Aermel verloren hatte, den Ihr mit soviel Aufwand gestickt habt. Und wußte gewißlich, daß Abenamar jenes Ringelstechen veranstaltet hatte, um sich an Euch und mir zu rächen, an Euch, weil Ihr ihn verschmäht habt, und an mir, weil ich ihn eines Nachts unter Eurem Balkone, da er Euch eine Nachtmusik darbrachte, verwundet habe; und glaube, Ihr wißt darum. Und da ich sah, daß das Glück ihn so nach seinem Begehren begünstigte, und bedachte, wie sehr es mir bei einer solchen Gelegenheit zuwider war, verfiel ich in tiefe Traurigkeit und Verzweiflung, solcher Art, daß ich niedergeschlagen einige Tage lang im Bette blieb und tausendmal meinem Lose und der Falschheit Mahomets fluchte, weil er mir an einem solchen Tage so entgegen gewesen war. Und müßt wissen, mein Glück, daß ich als Ritter gelobt habe, Christ zu werden, und will es halten oder sterben. Denn gewißlich halte ich den Christenglauben für besser als die Albernheit unserer Gebräuche und die Lehre Mahomets. Und wenn Ihr, mein Glück, mich so sehr liebt, wie Ihr sagt, müßt Ihr desgleichen Christin werden; und werdet nichts dabei verlieren, sondern vieles gewinnen, denn Gott wird uns beistehen. Und ich weiß, daß der König Don Fernando uns großen Dank dafür erzeigen wird. – Damit schwieg Sarrazino und wartete, was die schöne Galiana ihm auf seine Worte entgegnen möchte, welche ohne viel Bedenken sagte: Gebieter, in nichts kann ich mich von Eurem Willen entfernen, sondern ich will ihm folgen in allem und zu allem. Ihr seid mein Herr und Gatte, und weniger kann ich nicht tun, als Euren Schritten folgen; und solches um so mehr, als ich wohl weiß, daß der Christenglaube besser ist als der Alkoran: so verspreche ich Euch denn Christin zu werden. – Damit habt Ihr mir vollends Eure Liebe bewiesen, antwortete Sarrazino, und nichts Geringeres erhoffte ich von einem so treuen und starken Herzen. – Sprach es und nahm sie in seine Arme, und die Nacht verging ihnen unter tausend süßen Liebkosungen und desselbigengleichen allen anderen Jungvermählten. Als der Morgen gekommen war, kamen alle Großen des Hofes zusammen und beschlossen, daß Abenamar, weil er ein so wackerer Ritter war, die schöne Fatima ehelichen sollte; denn in ihrem Namen hatte er viele und große Taten vollbracht. Die Zegri aber widerstrebten der Heirat, weil Abenamar mit den Abencerragen Freundschaft hielt. Alles dieses bewog den König und die übrigen Ritter, dahin zu wirken, daß der wackere Abenamar die schöne Fatima ehelichte. Als die Heirat geschlossen war, nahmen die Festlichkeiten zu, und es gab Bälle und viele Tänze und Spiele, solcher Art, daß der Hof Tag auf Tag unter Festen und Maskenzügen in tausend Lustbarkeiten verbrachte.

Dabei wollen wir ihn lassen, um zu erzählen, was dem wackeren Reduan begegnete, als er voll Jammer und Verzweiflung, weil Lindaraxa ihm nicht günstig war, sondern ihr Herz an Gazul gehängt hatte, durch die Ebene von Granada ritt. Ihr müßt also wissen, daß er den Weg am Genil abwärts einschlug, als er Granada verlassen hatte, um das Stabspiel nicht zu sehen; und kam zum Römerholze, welches ein großes Walddickicht war; und von ihm aus sind es vier Meilen bis Granada. Da wurde er einen erbitterten Kampf zwischen vier Christen und vier Mauren gewahr. Der Anlaß aber war, daß die Christen eine schöne Maurin rauben wollten, welche die Mauren mit sich führten; und die Mauren waren ihnen unterlegen, denn die Christen waren tüchtige Ritter. Die Maurin sah den Kampf der acht in Tränen gebadet an. Als Reduan ihrer ansichtig ward, gab er seinem Pferde die Sporen, um den Mauren beizuspringen. Aber so sehr er sich beeilte, hatten die Christen doch allbereits zwei der Mauren niedergestreckt, und die beiden anderen waren böse zugerichtet, solcher Art, daß sie von Todesfurcht überwältigt ihre Pferde zur Flucht wandten und, um ihr eigenes Leben zu retten, die schöne Maurin, die sie bei sich hatten, hilflos im Stiche ließen. In diesem Augenblick kam der edle Reduan dazu; und als er die schöne Maurin in Tränen sah und gewahr ward, wie ihre Beschützer sie verließen, kam er mutvoll und von Mitleid bewegt, um sie von ihren Widersachern zu befreien, ohne ein Wort zu verlieren, über jene. Und beim ersten Zusammenstoße verletzte er den einen, der vom Schilde nicht gedeckt war, schwer, solcher Art, daß der zu Boden sank. Wandte geschwind sein Pferd, um Raum zu gewinnen, und entfernte sich ein gut Stück. Und alsbald kam er rasch über sie zurück, wie ein Vogel, und warf beim Zusammenprall einen zweiten schwer verwundet zu Boden. Die beiden letzten, welche im Sattel blieben, griffen in einem Reduan an, und einer von ihnen versetzte ihm einen mächtigen Lanzenstoß, so daß er ihn, wenn auch nicht gefährlich, verletzte. Der andere verwundete ihn nicht, wiewohl er ihn traf, sondern zersplitterte seine Lanze. Reduan aber sprengte grimmigen Mutes, als er die Wunde spürte, ein Stück zurück und wandte sich aufs neue zum Angriff und kam über sie solcher Art, daß er den, dessen Lanze zersplittert war, mit einem gewaltigen Stoße vom Pferde stieß. Der andere aber verwundete ihn abermals, doch nicht gar sehr; aber um deswillen ließ der wackere Reduan den Mut nicht sinken, sondern mit zorniger Unerbittlichkeit drang er auf den Christen ein, welcher ihm nicht standzuhalten wagte, um nicht seinen Gefährten Gesellschaft zu leisten, welche böse verwundet am Boden lagen, während ihre Pferde frei über das Feld sprengten. Die beiden flüchtigen Mauren hielten inne, um zu sehen, wie der Kampf ausgehen wollte; sahen, wie der kühne Reduan in so kurzer Zeit seine Gegner völlig besiegt hatte, und kehrten staunend zurück dorthin, wo sie die Maurin gelassen hatten. Bei ihr stand Reduan und sprach ihr zu, voll Verwunderung über ihre außerordentliche Schönheit und Anmut; und schien ihm, daß nicht Lindaraxa, noch Daraxa, noch so viele ihrer am Hofe in Granada waren, dieser gleichkämen. Und so war es in Wirklichkeit, denn die Maurin, von der wir erzählen, war so schön, daß keine im Königreich Granada es ihr zuvortat. Es wurde aber Reduan von ihrer Schönheit so ergriffen, daß er sich Lindaraxas schon nicht mehr erinnerte; fragte sie, wer sie wäre und woher. Um diese Zeit kamen die Mauren dazu, dankten ihm für seine Hilfe und sprachen: Herr Ritter, Mahomet, der alles vermag, hat Euch zu guter Zeit hierhergeführt, denn wenn Ihr nicht gekommen wäret, wären wir verloren und hätten unter den Händen jener Christenritter den Tod gefunden, oder was uns schmerzlicher gewesen wäre, wir würden die Dame verloren haben, die wir sicher zu geleiten auf uns genommen. Aber Ihr seid verwundet, wie wir an dem Blute sehen, das Ihr verliert: brechen wir auf nach Granada, wohin wir gehen wollten; und unterwegs wollen wir Euch auf Eure Fragen Bescheid geben. Seht aber zu, ob mit diesen Christenrittern etwas zu tun bleibt. – Nichts, antwortete Reduan, sie haben Einbuße genug erlitten. Aber fangen wir die Pferde ein und geben sie ihnen, damit sie sich fortmachen können. – Darüber verwunderten sich die Mauren über die Maßen und wurden gewahr, daß der Ritter voll Edelmutes war. So fingen sie die Pferde der Christen ein und gaben sie denen und schlugen selber die Straße nach Granada ein; und es ritt Reduan immer neben der schönen Maurin, welcher er nicht minder gefiel als sie ihm. Und als sie auf dem Wege waren, begann der eine der beiden Mauren folgendermaßen zu sprechen: Ihr müßt wissen, Herr Ritter, daß wir vier Brüder und eine Schwester waren, welches die ist, die Ihr hier gegenwärtig seht. Von den vier Brüdern aber habt Ihr gesehen, wie dort zwei unter den Händen der Christen gefallen sind; und wir beiden, die übrigbleiben, vermochten nicht einmal sie zur Erde zu bestatten. Aber Allah, der Heilige, mag geben, daß wir ein paar Landleute treffen, welche sie gegen Bezahlung in ihr Grab legen. Unser Vater ist Statthalter der Feste von Ronda mit Namen Zayde Hamete. Und da wir erfuhren, daß in Granada so große Feste gefeiert werden, erbaten wir uns die Erlaubnis, sie zu besuchen. Hätte es doch Mahomet gefallen, daß wir dort geblieben wären, da es uns so teuer zu stehen gekommen ist. Denn unsere beiden Brüder sind tot, wie Ihr, Herr, gesehen habt. Und wenn Ihr nicht gekommen wäret, würden wir, wie sie, erschlagen sein, und unserer Schwester Ehre liefe große Gefahr. Das, Herr Ritter, ist unsere Geschichte. Und da Ihr nun alles vernommen habt, würdet Ihr uns erfreuen, wenn Ihr uns wissen ließet, wer Ihr seid und woher, damit wir erfahren, wem wir Dank schuldig sind. – Ich habe mich gefreut, Herren Ritter, sagte Reduan, zu erfahren, wer ihr seid und woher, denn ich kenne euren Vater Zayde Hamete wohl und euren Ahn Almadan, einen wackeren Mann zu seiner Zeit, und um seines Wertes willen erschlug ihn Don Pedro von Cotomayor. Ich freue mich von Herzen, euch in etwas dienstlich gewesen zu sein, und jederzeit, wenn ich euch von Nutzen sein kann, will ich euch gerne dienen. Desgleichen will ich euch gerne sagen, wer ich bin und woher. Man heißt mich Reduan und bin in Granada zu Hause. Und nun, da ich wohl sehe, daß ihr mich an meinem Namen kennt, laßt uns nach Granada gehen, wo mein Haus euer sein soll, und ganz nach eurem Gefallen wird man dort alle Bequemlichkeit nach Vermögen für euch herrichten. – Großen Dank, Herr Reduan, gaben sie zur Antwort, für Euer Anerbieten. Wir haben Verwandte in Granada, bei denen wir Unterkunft finden werden um so mehr, als wir um des Unglücks willen, das uns betroffen hat, nur kurze Zeit in der Stadt bleiben wollen, zumal es auch, wenn wir ankommen, zu spät ist, um das Fest anzusehen. – Solcher Art ritten sie und sprachen untereinander, die beiden Brüder Haxas und Reduan, da sahen sie ein paar Holzhacker kommen, welche Holz vom Berge holen wollten. Als sie nahe waren, sprachen die beiden Brüder zu Reduan: Zu rechter Stunde kommen jene Leute und vielleicht finden sie sich bereit, unsere beiden Brüder zu bestatten, wenn wir ihnen Geld geben. – Ich will sie danach fragen, sagte Reduan. Sprach es und ritt ihnen nach, denn sie hatten die Straße verlassen, und redete sie an: Brüder, um Allahs, des Heiligen, Liebe willen, wollt ihr uns die Güte antun, zwei Ritter zu bestatten, welche dort hinten tot liegen! Es soll euch gut bezahlt werden. – Die Leute, welche Reduan erkannten, gaben zur Antwort, daß sie es gerne tun wollten und ohne Bezahlung. Die beiden Brüder sprachen zu Reduan: Herr Reduan, da Ihr schon einmal begonnen habt, uns Eure gute Freundschaft zu beweisen, bitten wir Euch herzlich, uns hier bei unserer Schwester Haxa zu erwarten, während wir fortgehen, um unsere Brüder zu bestatten; denn wenn sie in so guter Obhut zurückbleibt, können wir uns ruhig und vertrauensvoll entfernen. Denn bei Euch ist sie in Sicherheit, sie und ihre Ehre. Und wollen die Pferde mitbringen, die dort verloren gehn; es ist besser, daß wir sie nützen, als daß sie sich verlaufen oder Christen sie mitnehmen. – Gern wollte ich euch begleiten, sagte Reduan, aber da ihr wünscht, daß ich euch hier erwarte und eure Schwester beschütze, will ich euch zu willen sein. – Die beiden Mauren dankten ihm und gingen mit den Landleuten, um ihre Brüder zu bestatten und die ledigen Pferde zu holen; und Reduan blieb bei der schönen Haxa. Und brennende Liebe im Herzen sprach er zu ihr folgendermaßen: War es zu meinem Glücke oder großem Unheil, an diesem Tage ein solches Begegnis zu haben: meinem Tod und Leben, Himmel und Hölle, Vergehen und Glückseligkeit, Frieden und Krieg? Und was mir am nahesten geht, ist, daß ich nicht weiß, wie ein so wunderliches Abenteuer, wie es mir der Himmel heute zugedacht hat, enden wird. Solcher Art lebe ich, schöne Haxa, daß ich zweifle, ob ich im Himmel bin oder auf der Erde, ob ich gehn soll oder bleiben, daß ich Furcht habe vor dem, was durch mich geschehen ist, und Mut, dem Glücke die Stirne zu bieten, ob es mir beständig bleiben will. Ich verzage und wage nicht zu gestehen, was in meinem Herzen lebendig ist. Ich brenne in lodernden Flammen und bin kälter als Deutschlands Schneeberge. Ich weiß nicht, was in mir vorgeht, noch ob ich sprechen soll oder schweigen, noch welchen Weg ich einschlagen könnte, um mich zu erklären und den Feuerberg aufzudecken, welcher in meinen Eingeweiden brennt; einen Vulkan oder ein wildes sturmgepeitschtes Meer, das eine Scylla und Charybdis voller Gift bis zum Himmel auftürmt. Am Ende will ich meine Qual verschweigen und schweigend sterben. Und nur so viel will ich sagen, schönste Herrin, daß du allein an diesem Tage die Ursach meines Lebens oder Todes gewesen bist. – Sprach es und schwieg und war wie von Sinnen nach seinen Worten, als wäre er aus harter Bronze gegossen, die Augen zu Boden geschlagen und die Farbe verändert. Die schöne Haxa aber, welche seine Worte aufmerksam angehört hatte, sah seine wackere Miene und gute Gestalt und seinen Anstand, das Ebenmaß seiner Glieder und sein schönes Antlitz; und nicht weniger für ihn eingenommen, als er sehr offensichtlich von ihr, gab sie ihm mit kurzen Worten zur Antwort, was sie mit vielen hätte sagen können, wie es die Sitte wollte; aber da sie die Zeit günstig und kurz fand, denn sie erwartete ihre Brüder, entschloß sie sich zu wenigen und kurzen Worten und sprach folgendermaßen: Obwohl deine Rede, tapferer Reduan, recht bildlich gesprochen war, habe ich sie doch verstanden und ihren Sinn begriffen. Du sagst, um alles andere beiseite zu lassen, daß du mich liebst und daß ich die Ursach deiner Qual sei; daß du um meinetwillen ein Feuerberg und eine Scylla und Charybdis geworden seist, und daß in deiner Seele ein sturmgepeitschtes Meer mit brüllenden Wogen flute. Dem allen mag so sein; ich will es glauben, um deinen Worten nicht zu widersprechen. Denn bei meinen wenigen Jahren weiß ich und verstehe wohl, daß solches die gewöhnliche Rede der Männer ist, um zu erreichen, wonach sie begehren; und daß unter diesen Schmeichelworten andere Dinge verborgen sind zum Schaden der armen Weiber, welche gar zu leichtherzig glauben. Ich will mich kurz fassen, denn mir scheint, ich sehe meine Brüder kommen; und gebe dir zur Antwort, daß, wenn du mich liebst, ich dich liebe; wenn du in kurzer Zeit dich ergeben hast, ich mich in kürzerer ergebe; wenn ich dir gefalle, so du mir. Wenn du deinem Begehren folgen willst, wie du sagst, wirst du mich rasch zur Zusage bereit finden und als Gattin besitzen. Verlange mich von meinen Brüdern und meinem Vater Zayde Hamete zum Weibe; denn ich gebe dir mein Wort als Tochter eines adeligen Mannes, wenn du von ihnen ein Ja erhältst, soll es an mir nicht fehlen. Nun aber, da meine Brüder nahe kommen, sprechen wir nicht länger darüber; du aber betreibe es und verlange mich von ihnen und handle; denn groß müßte das Unglück sein, wenn sie einem so wackeren Ritter sein Begehren weigern sollten. Und bleib versichert, daß, wenn sie deiner Bitte etwas weigern, bei mir nichts fehlen wird, sie zu erfüllen. Und damit du meinem Worte völlig vertraust, nimm diesen Ring von mir zum Unterpfande, daß ich es halten werde. – Sprach es und zog einen kostbaren Ring vom Finger mit einem prachtvollen Smaragdstein und gab ihn Reduan. Der nahm ihn fröhlich hin und bedeckte ihn mit tausend Küssen und steckte ihn an seinen Finger, der glücklichste Maure der Welt. Wollte der schönen Haxa antworten, aber die Zeit ließ es nicht zu; denn es kamen ihre beiden Brüder in Tränen gebadet, welche die beiden Toten zur Erde bestattet hatten, und führten die ledigen Pferde am Zaume mit sich. Die schöne Hara vermochte es nicht über sich, sondern brach ebenfalls in Tränen aus, als sie jene kommen sah. Reduan aber empfing sie und tröstete sie, so gut er's vermochte. Solcher Art und über mancherlei Dinge redend, kamen sie nach Granada. Schon war es Nacht, und das Fest war vorüber; und die Mauren und ihre Schwester sagten zu Reduan, daß sie im Hause eines Verwandten, eines Bruders ihres Vaters und vornehmen und geachteten Ritters in Granada vom Geschlechte der Almadan, absteigen wollten. Reduan antwortete, sie möchten nach ihrem Gefallen handeln, und begleitete sie bis zu dem Hause, welches in der Elvirastraße lag. Nahm Abschied von ihnen und kehrte nach seinem Hause in den Bogen des Alcazava zurück. Da sie aber voneinander Abschied nahmen, ließen die beiden Liebenden die Augen nicht voneinander, solcher Art, daß sie, als sie sich getrennt hatten, wie entseelt blieben mit tausend mannigfachen Gedanken: so vermochte keiner von ihnen in dieser Nacht Schlaf oder Ruhe zu finden. Die fremden Ritter und ihre Schwester wurden von ihrem Oheim, der über den Tod seiner Neffen sehr betrübt war, wohl aufgenommen. Anderen Tags am Morgen erhob sich Reduan und legte schöne und kostbare Gewänder an und ging zum Palaste des Königs, um ihm die Hand zu küssen. Der war um diese Stunde fertig mit Aufstehn und Ankleiden und machte sich bereit, in die große Moschee zu gehen. Als er aber Reduan so schön geschmückt erblickte, in Wams und Mantel aus grünem Damast und von der gleichen Farbe den Federbusch, freute er sich sehr, denn seit langen Tagen hatte er ihn nicht mehr gesehn. Fragte ihn, wo er gewesen, und wie es ihm im Kampfe mit dem kühnen Gazul ergangen wäre. Reduan gab ihm Bescheid und antwortete, daß Gazul ein wackerer und edler Ritter wäre, und Musa hätte sie allbereits zu Freunden gemacht. Damit gingen der König und die anderen Ritter des Palastes, welche ihn zu begleiten pflegten – es waren aber zum größten Teile Zegri und Gomel –, nach der großen Moschee, die in der Stadt lag. Und als die Gebräuche des Alkoran beendet waren, kehrten sie nach der Alhambra zurück, gingen in den Königspalast und fanden die Königin mit ihren Damen; denn der König Chico sah es gern und hatte befohlen, daß er jedesmal, wenn er den Palast verließ, bei seiner Rückkehr die Königin mit ihren Damen in seinem Saale vorfände, und sagte, daß solches ihm große Freude mache. Ich halte aber dafür, daß es nicht so sehr dieses war, sondern als ein junger Mann, der der Liebe leicht zugänglich war, hatte er seine Lust daran, die Damen der Königin zu sehen und mehr als alle Zelima, die Schwester Galianas, welche er leidenschaftlich liebte, und um ihretwillen hatte er manchen Verdruß mit Musa, seinem Feldhauptmann, wie wir im Folgenden erzählen wollen. Trat in den Palast mit allen Rittern seines Hofes; und alle Damen wandten die Augen auf den schonen Reduan voll Bewunderung seiner Anmut und des Ebenmaßes seiner Glieder und erstaunt über seine Tracht, welche soviel Hoffnung verriet. Die schöne Lindaraxa betrachtete ihn aufmerksam und verwunderte sich, als er sie nicht anblickte noch Anstalt dazu machte, und sprach zu sich selber: Große Verstellung besitzt Reduan; er soll sich nur nicht einbilden, daß mich seine Kälte, und daß er mich nicht anblickt, etwa sehr schmerzt; denn allerwege liebe ich meinen Gazul. – Die Königin trat an Lindaraxa heran und sprach zu ihr im Vorübergehn: Trägt Reduan sich vielleicht um Euretwillen in Grün? – Mag er es tun oder nicht, mich kümmert es wenig, antwortete Lindaraxa. – Bei Mahomet sei es gesagt, sprach die Königin darwider, Reduan sieht wacker aus; und jede Dame, wer sie auch sein mag, könnte sich glücklich schätzen, ihn zu lieben. – Gewißlich, sagte Lindaraxa, verdient Reduan alles Gute, und wenn ich meine Zuneigung keinem anderen geschenkt hätte, würde ich gerne ihm angehören. – Darauf schwiegen sie, damit die anderen Damen nicht gewahr würden, worüber sie sprachen. Um diese Zeit aber sprach zu Reduan der König: Wohl wirst du dich entsinnen, Freund Reduan, daß du mir einmal dein Wort gabest, mir Jaen in einer Nacht zu gewinnen und in die Hände zu liefern. Wenn du mir das nun hältst, wie du versprochen hast, will ich dir deinen Sold als Feldhauptmann verdoppeln; wenn du es aber nicht erfüllst, mußt du mir verzeihen, wenn ich dich an eine Grenze setze und dir den Anblick dessen, was dir am liebsten ist, entziehe. So mache dich denn zu deinem Unternehmen bereit; denn ich will selbst mit dir gehen. Denn diese Christen von Jaen werden mir gar zu lästig, von Tag zu Tag brechen sie in unser Land ein und verwüsten die Ebene. Da sie mich nun so oft heimgesucht haben, will ich sie einmal heimsuchen und ihnen soviel Uebel antun, als ich vermag. Wir wollen sehen, ob sie dann noch tagaus, tagein kommen und mich verdrießen werden. – Reduan aber ward froh und antwortete mit fröhlicher Miene: Wenn ich dir ehemals mein Wort gegeben habe, dir Jaen in einer Nacht zu gewinnen und in die Hände zu liefern, so gebe ich es dir jetzt aufs neue. Gib mir nur eintausend Krieger, nach meinem eigenen Ermessen ausgewählt, und wirst erfahren, daß ich mein Wort noch besser zu halten als zu verpfänden weiß. – Das laß dich nicht bekümmern, sagte der König, nicht eintausend Mann will ich dir geben, sondern fünftausend; und ob ich schon mit dir gehe, sollst du allein Führer des ganzen Heeres sein. – Großen Dank deiner Majestät, antwortete Reduan, denn mag es mir auch nichts eintragen als den Tod, einem Führer mit so ehrenvollem Auftrage ist großer Ruhm gewiß. Nun befiehl deine Majestät den Aufbruch, wann du willst, denn ich bin alsogleich bereit, dir zu dienen und in allem deinem Willen zu folgen. – Nichts Geringeres war von einem so ehrenvollen Ritter, wie Ihr, zu erwarten. Und Ihr sollt nichts mit mir verlieren: mit Euch werden alle Ritter der Abencerragen und Zegri und Gomel, der Maza, Vanega und Malique Alabez ausziehn, und wißt selbst, was für Helden es sind. Und, ohne sie, werden viele andere vornehme Ritter mitgehen; denn es genügt, daß ich bei Euch bin, und kein Wackerer wird zurückbleiben. – So sprach der König, als ein Läufer des Palastes kam und meldete, daß zwei fremde Maurenritter und eine Dame gekommen wären und um Erlaubnis bäten, eintreten und dem Könige die Hand küssen zu dürfen. Heiliger Allah! Und wer mag es sein? rief der König; laßt sie eintreten! – Der Läufer ging; und es dauerte nicht lange, da traten in den Saal zwei Ritter von guter Gestalt in schwarzem Wams und Mantel und mit schwarzen Schuhen an den Füßen. In ihrer Mitte kam eine Dame desselbigengleichen in schwarz, das Antlitz mit einem Kreppschleier bedeckt, so daß nur die Augen zu sehen waren, welche wie zwei Sterne strahlten. An diesen Augen sah man wohl, daß sie von großer Schönheit sein mußte. Ueber ihren Anblick verwundert fragte der König: Sagt, Ritter, was ist es, das ihr begehrt? – Die beiden Ritter machten dem Könige eine tiefe Verbeugung, desgleichen der Königin und den Damen, welche zugegen waren; und einer von ihnen sprach folgendermaßen: Mächtiger König, deine Majestät wisse, daß wir nichts anderes begehren als dir und unserer Herrin, der Königin, die Hände zu küssen, und alsbald wollen wir wieder aufbrechen in unsere Heimat. Wir sind Enkel Almadans, welcher Statthalter in Ronda war, wie noch jetzt unser Vater es ist. Und da wir von dem Feste vernommen hatten, welches in dieser edlen Stadt Granada gefeiert werden sollte um der Hochzeiten willen, beschlossen wir uns auf den Weg zu machen, um es zu sehen. Das Schicksal hat nicht gewollt, daß wir zur rechten Zeit eintrafen, noch uns an ihm erfreuen konnten. Und die Ursach war, daß am Tage des Festes, drei Meilen von hier in jenem Walde, welcher das Römerholz heißt, unversehens vier kühne Christenritter uns überfielen, so grimmig, daß sie, wiewohl wir uns zur Wehre setzten, um diese Jungfrau, welche unsre Schwester ist, zu beschützen, uns von vier Brüdern, die wir waren, zwei erschlugen, und wir voll Todesfurcht gedachten schon unsere Schwester zu verlassen. Und wären alle verloren gewesen, wenn nicht dieser edle Ritter, der neben deiner Majestät steht, gewesen wäre und Mahomet es anders gefügt hätte. Sprach es und wies mit dem Finger auf den wackeren Reduan. – Und so, Herr, um es zu wiederholen, da die Festtage ohne Nutzen für uns, vielmehr voll schlimmer Trübsal verflossen sind, denn unsre beiden Brüder liegen tot in der Ebene, wollen wir nach Ronda zurückkehren; und schien uns, daß wir nicht aufbrechen dürften, ohne deine königlichen Hände zu küssen und Abschied zu nehmen von Herrn Reduan, der uns so wacker beigestanden hat. Und gewißlich, Herr, hast du an ihm einen Ritter, wie es keinen bessern am Hofe gibt; denn bei Mahomet, dem alles vermögenden, schwöre ich, daß ich ihn allein vier Ritter angreifen sah; und mit zwei Stößen warf er zwei von ihnen auf den Tod getroffen zu Boden, und waren nicht mehr imstande, nach den Waffen zu greifen. Die beiden anderen entkamen, weil sie gute Pferde ritten. Jetzt aber, da ich deiner Majestät die Ursach unseres Kommens erzählt habe, bitten wir um Urlaub, nach Ronda zurückzukehren, um unserm Vater von unserem bösen Geschick zu berichten. – Damit schwieg der Ritter und tiefe Trauer war in seinen Mienen, wie desselbigengleichen in denen seines Bruders und der Jungfrau. Verwundert hörte der König ihr Abenteuer und ward betrübt über ihr Unglück, wandte sich an Reduan und sprach: Wahrlich, Freund Reduan, wenn ich dich bisher geliebt habe, so von nun an noch viel mehr. Und da du solche Tapferkeit in dir birgst, so sei von heut an Statthalter der Feste und Burg Tijola, welche nahe bei Purgena liegt. – Alle Ritter urteilten, daß Reduan ein herzhafter Held sei, und gaben ihm ihr Lob, zum bitteren Schmerze Lindaraxas; denn sie hatte beinahe schon bereut, ihm ihre Gunst verweigert zu haben. Der König aber sprach zu den beiden Brüdern: Freunde, da ihr es so verlangt, so geht mit gutem Glück. Ich gebe euch Urlaub. Aber große Freude würdet ihr mir machen, mir und allen Rittern hier und meiner Herrin, der Königin, wenn ihr eure Schwester den Schleier vom Gesichte nehmen ließet, denn unrecht würde es sein, wenn wir ihre Schönheit nicht sehen sollten, wo doch ihre Gestalt verrat, wie groß sie sein wird. – Die beiden Brüder hießen ihre Schwester sich enthüllen. Die tat es und löste an dem Schleier eine Oese, die ihn hielt, und enthüllte ihr Antlitz, welches dem Angesichte Dianens nicht nachstand. Und war allen im Saale des Königs, als ginge die Sonne am Morgen auf und leuchtete mit tausend Strahlen: nicht weniger strahlte die Schönheit Haras, und sie blickte sich um nach allen Seiten; und die Ritter kamen vor Liebe um, wie die Damen vor Neid, und waren alle voll Bewunderung der Schönheit der liebreizenden Hara, und war da kein Ritter, der sie nicht zum Weibe begehrt hätte oder als Schwieger und Verwandte, um an ihrer großen Schönheit seine Lust zu haben. Und sprachen die einen, daß sie mehr Dianen gliche; die andern sagten, sie gliche mehr der Venus; andere, mehr noch der, um deretwillen Troja zugrunde ging, oder jener, um die Achill, der Grieche, sein Leben verlor. So sprachen die Ritter untereinander. Die Königin aber, welche nicht weniger erstaunt war über ihre Schönheit, sagte zum König: Gebieter, möge es Eurer Majestät gefallen, uns diese Dame zuzuteilen, damit wir alle an ihrer Schönheit unsre Freude haben. – Gern tue ich das und gebe Euch mein Wort, daß mehr als zwei von denen, die Euch zur Seite stehen, sie beneiden müssen. – Die Königin winkte Haxa mit dem Handschuh herbei; die schone Haxa verbeugte sich ehrfurchtsvoll vor dem Könige und seinen Rittern und ging zur Königin, beugte die Knie zu Boden und bat um ihre Hand, sie zu küssen. Die Königin aber wollte ihr die nicht geben, sondern hieß sie neben sich Platz nehmen. Alle Damen, welche zugegen waren, erstaunten über die große Schönheit, und mit Recht, denn wiewohl dort Daraxa und Sarrazina, Galiana, Fatima und Zelima, Arbolahaya und Cohayda und all die andern jungvermählten Damen waren, und annoch ledige von großer Schönheit, kam keine Haxa gleich. Und wenn eine ihr gleichkam, so doch nur von ferne; denn wie die Sonne unter vielen Sternen, war Haxa unter ihnen allen. Reduan schaute sie an und spürte ein lebendiges Feuer im Herzen, da er ihrer Schönheit ansichtig ward. Und hatte im Innern Zweifel, ob nicht seine geliebte Haxa das Blatt umwenden und ihr Wort brechen würde. Die schöne Dame aber blickte auf Reduan, und war er ihr in der Ebene, zu Pferd, bewaffnet und mit Lanze und Schild edel erschienen, so nicht minder im Palaste unter den Rittern; schien er ihr in der Ebene ein Mars, so im Palaste ein Adonis. So sah sie ihn dankerfüllt und liebevoll mit frohen Mienen an, welches Reduan nicht wenig Trost und Zuversicht gab, solcher Art, daß auf seinem Angesichte die große Freude und Zufriedenheit seines Herzens widerschien. Der König aber sprach zu ihm: Freund Reduan, gern hätte ich dich im Kampfe mit dem kühnen Gazul gesehen, denn da du so tapfer bist und Gazul so stark und herzhaft, muß der Kampf erbittert und gefahrvoll gewesen sein. – Fragt mich das, sagte Musa darauf, denn als ich sie nicht zum Frieden bewegen konnte, habe ich dem Kampfe zugesehen; ebenso möchte es sein, zwei ergrimmte Löwen vor sich zu haben, als die beiden. Am Ende blieben beide gleicherweise liegen. – Wer aber trieb sie zum Kampfe, oder was für ein Anlaß? fragte der König. – Das sind lange Geschichten, antwortete Musa, und lohnt sich nicht sie aufzufrischen; rühren wir nicht an alte Wunden. Das aber kann ich sagen: in deinem Königspalaste ist der Anlaß ihres Grolles zu finden. – Ich merke schon, was es sein kann, sagte der König, und wohl weiß ich, daß heute Reduan nicht aufs neue mit Gazul um des Vergangenen willen kämpfen wird, um nichts in der Welt. – Eure Majestät sagt die Wahrheit, sagte Reduan, denn ich weiß mich des Anlasses schon kaum noch zu entsinnen und kümmere mich nicht mehr darum. Wahr ist freilich, daß ich damals um seinetwillen tausend Leben, wenn sie mein gewesen wären, aufs Spiel gesetzt hätte. Aber die Zeit wendet alle Dinge und verwandelt sie. – Etwas anderes und Neues muß Euch begegnet sein, sagte der König, denn um Geringeres habt Ihr Euren Sinn nicht so verwandelt. – Während der König so sprach, hatten die beiden Brüder der schonen Haxa Platz genommen neben Mahardin Hamete, einem Zegri von edler Gestalt, vermögend und reich und der Vornehmsten einem unter den Zegri. Der hatte nicht so bald Haxas Schönheit erblickt, als er so von ihr ergriffen ward, daß er nicht satt wurde sie anzusehen und die Augen nicht von ihr abließ. Und so gewaltig kam die Liebe über ihn, daß er seine übergroße Qual nicht zu ertragen vermochte, sondern sprach zu ihren Brüdern, die bei ihm waren, und sagte: Herren Ritter, kennt ihr mich? – Herr, Euch zu dienen, antworteten die, wir sind hier fremd und kennen die Ritter von Granada nicht im einzelnen; aber da Ihr zur Gesellschaft eines so erhabenen Königs gehört und in seinem Palaste weilt, sehen wir wohl, daß Ihr nicht wenig in Granada gelten könnt und der Vornehmsten einer seid. – Wißt denn, Herren Ritter, daß ich ein Zegri bin, Nachkomme der Könige von Cordova. Und in Granada hält man große Stücke von mir und allen meines Geschlechts. Und wünschte, wenn ihr einwilligen wollt, Verwandtschaft mit euch zu schließen, derart, daß ihr mir eure Schwester Haxa zum Weibe gebt; denn solchen Eindruck hat sie auf mich gemacht, daß ich mich von Herzen freuen werde, euer Schwager und Verwandter zu werden. Und bei maurischem Rittergesetze schwöre ich euch, daß ich mich in Granada sehr hoch und unter den Vornehmsten hier vermählen könnte, aber ich habe mir kein Weib nehmen wollen, bis auf jetzt, da eure Schwester mich meines Willens beraubt hat. – Damit schwieg der Zegri und wartete ungeduldig des Entscheides über sein Glück und Unglück. Die fremden Ritter, Haxas Brüder, blickten einander an und berieten sich mit kurzen Worten, dachten am Ende an die Macht der Zegri, von deren Ruhme alle Welt voll war, und gaben ihm alsbald im Vertrauen darauf, daß ihr Vater tun und gutheißen würde, was sie getan hatten, ihr Jawort. Der Zegri aber erhob sich unverzüglich mit dieser Glücksantwort und beugte das Knie vor dem Könige und sprach folgendermaßen: Hoher und mächtiger König, ich bitte deine Majestät, da nun schon unsre edle Stadt Granada um der vornehmen Hochzeiten willen sich an Festen freut, daß meine mit den anderen zugleich gefeiert werde. Denn deine Majestät muß wissen, daß ich von Liebe besiegt mir die schöne Haxa von ihren Brüdern zum Weibe erbeten habe; die aber, die wohl wissen, wer ich bin, haben es gutgeheißen und sie mir zugesagt. Um deswillen bitte ich deine Majestät, es möge dir gefallen, daß unsere Vermählung den Bräuchen gemäß stattfinde, da sich uns die Gelegenheit zu so guter Zeit anbietet. – Der König blickte die Dame an und ihre Brüder und verwunderte sich über ihren plötzlichen Entschluß und sagte, daß er, wenn sie es so wollten und die Dame einwillige, sich sehr über die Hochzeit freue. Alle ringsum waren verwundert und schwiegen stille, um zu sehen, wie die Sache ausgehen möchte. Der kühne Reduan aber sprang wie von einer giftigen Viper gebissen auf und rief: Herr, diese Hochzeit, welche der Zegri begehrt, findet nicht statt, ob die Brüder der Dame es schon versprochen haben. Denn die Dame ist mir verlobt seit dem Augenblicke, da ich sie von den Christenrittern befreit habe. Und haben einander bereits unser Wort gegeben und Unterpfänder desgleichen. Und keiner suche mir meine Hochzeit zu verhindern, wenn er nicht unter meinen Händen sterben will! Wenn mir aber unrecht geschähe, sollte, im gleichen Falle, Granada zu Grunde gehen! Und damit man die Wahrheit höre und erfahre, mag die Dame selbst sagen, wie es um die Sache steht. – Der Zegri sprach voll Zornes darwider, daß sie sich nicht ohne Zustimmung ihrer Brüder und des Vaters verloben könne, und daß sie sein sei, und er wolle sie bis auf den Tod verteidigen. Reduan hörte es und entbrannte in Grimm und kam über ihn wie ein Löwe. Die Ritter im Palaste aber sprangen auf, alle Zegri, um ihrem Verwandten beizuspringen, und die Freunde und Verwandten Reduans auf der anderen Seite, und für ihn alle Abencerragen und Musa mit ihnen. Als der König den Aufruhr entstehen sah, befahl er bei Strafe an Leib und Leben, daß keiner mehr ein Wort über den Fall sagen solle; er wolle selbst entscheiden, was zu geschehen habe. Damit gaben sich alle zufrieden und warteten auf seine Entscheidung. Als aber der König sie beruhigt sah, ging er zu dem Throne der Königin und der Damen, welche alle voll Aufregung waren, ergriff die Hand der schönen Haxa, führte sie in die Mitte des Saales und sprach: daß sie den unter den beiden Rittern nehmen solle, welchen sie am liebsten habe. Zu solchem ließ er Reduan und den Zegri zusammentreten. Das geschehen, stand die schöne Dame sehr verlegen und verwirrt, sah, daß sie sich entscheiden mußte, denn der König befahl es, und wiewohl sie sich vor Augen hielt, daß ihre Brüder dem Zegri ihr Wort gegeben hatten, beschloß sie, Reduan das Wort zu halten, das sie ihm in der Ebene, am Tage, da er sie befreite, gegeben hatte: denn sie liebte ihn herzlich.

So ging sie zögernd vom Könige geführt, bis sie zu den beiden Rittern kam, verneigte sich am Ende vor dem Könige und gab Reduan ihre Hand und sprach: Herr, diesen will ich zum Gatten. – Voll Verdruß und Scham über diesen Ausgang stand der Zegri da, vermochte seinen Schmerz nicht zu ertragen, sondern verließ den Palast und gedachte sich an Reduan zu rächen. Dessen Hochzeit aber wurde an diesem Tage und dem folgenden begangen; und feierten im Königspalaste große Feste und eine Zambra. Als aber der ganze Hof an dem Feste seine Lust hatte, kam die Nachricht, daß die Christen in großer Menge durch die Ebene streiften und sie brandschatzten, solcher Art, daß es nötig war, das Fest zu lassen und in die Ebene hinauszuziehen zum Kampfe mit den Christen. Der edle Musa aber ritt alsbald als Feldhauptmann hinaus mit vielen Mannen zu Pferde und zu Fuß, mehr als eintausend Reitern und zweitausend anderen. Stießen auf das Christenheer und lieferten ihm eine blutige Schlacht, in welcher viele auf beiden Seiten tot blieben. Am Ende aber und da die Macht der Mauren mehr als dreimal so stark war, als die der Christen, blieben jene Sieger und erbeuteten zwei Banner und nahmen viele Christen gefangen, obwohl ihnen der Sieg teuer zu stehen kam, denn mehr als sechshundert Mauren blieben auf der Walstatt. An diesem Tage verrichteten die Abencerragen und Alabez glänzende Taten. Und wenn ihre Tapferkeit und Stärke nicht gewesen wäre, würden die Mauren die Schlacht nicht gewonnen haben. Musa kehrte mit diesem Siege zurück, über den sich der König nicht wenig freute. Nicht minder zeichnete sich an diesem Tage der wackere Reduan aus, und der König umarmte ihn huldvoll; und kehrten vom Kampfe zum Hochzeitsfeste zurück, welches noch über acht Tage währte. Als es aber vorüber war, beschloß der König, in das Land der Christen einzufallen, denn seit langen Tagen hatten sie keinen Streifzug mehr unternommen; und beschloß, Jaen zurückzugewinnen, welches Granada in der Ebene großen Abbruch tat, und übertrug Reduan den Befehl, wie es abgemacht war und wir erzählt haben; und brachen von Granada auf, wie ihr hören sollt; und will im weiteren erzählen, was ihnen begegnete.


 

Dieses Werk wurde im Auftrag von Georg Müller Verlag in München in einer Auflage von 800 Exemplaren in der Druckerei von Mänicke und Jahn in Rudolstadt hergestellt. Außerdem wurden 50 Exemplare auf echtes van Geldern abgezogen und in der Presse numeriert, gebunden bei Hübel und Denck in Leipzig.

 


 << zurück