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Drittes Buch.
Die Liebesfeier

 

Die Propheten weissagten ihm Unglück;
denn er hatte auf den Höhen
einen Tempel erbaut, in dem er seine
Liebe für die Fremde feierte, mit den
heiligen Düften, den frommen Worten,
mit all den Gebräuchen, die der Verehrung
Gottes vorbehalten werden.

 

Priestertum der Leidenschaft

Die Empfindungen eines Idols

Das Lied der Düfte

Die Verehrung

Die Edelsteine

Weihe

Die Verwandlung

Das Opfer

 

 

1.
Priestertum der Leidenschaft

Liebhaber gegen seinen Willen, wollte Nebo wenigstens die Liebe mit dem Gepräge seines Geistes stempeln, mit seinen Farben wappnen, die Münze daraus schlagen, die das Bildnis seines Stolzes trug.

Als Platoniker zu einer Orgie des Fleisches verdammt, als Metaphysiker dem Taumel bestimmt, suchte er die erhabensten Gepränge für diese Feste des Tieres, die er weihen sollte.

Die geliebte Frau besitzen, wie jeder sie besitzt; sich sagen: »ich habe Nachfolger, sie werden den selben Eindruck auf sie machen, wenn nicht ihr die selbe Erregung gewähren«; alltäglich sein, wie die anderen, auf dem schon so alltäglich gewordenen Gebiet des Tierischen: dazu gab er sich nicht her.

Er bereitete seinen geschlechtlichen Einzug, wie ein italienischer Podestà seinen Einzug in eine Stadt, die sich ergeben. Er entwarf die Dekoration, regelte die Einzelheiten der Inszenierung sorgfältig, und atmete erst etwas auf, nachdem er sich überzeugt hatte, daß er eine Entjungferung verwirklichte, würdig eines Merodach-Baladan Peladan, Babylon (Drama). oder eines Thutmosis Peladan, Das Land der Sphinx..

Dieser große Künstler machte aus seiner Liebe ein Feenspiel: da er nur zu leben wußte, wenn er die Natur bekämpfte und die Wirklichkeit besiegte, gestaltete er das Werk des Fleisches wie einen Traum, wie eine Kunst.

Der Gedanke, seine Leidenschaft künstlerisch einzurichten, in diesem schwarzgekleideten und an allem zweifelnden Paris wie zur Zeit des kaiserlichen Purpurs zu lieben, tröstete ihn beinahe, daß sich seine Chimäre verweiblicht hatte.

– Wie leiten Sie denn Ihren Gatten?

– Ich nenne ihn jeden Abend, wenn wir zu Bett gehen, meinen »König«, und jeden Morgen, wenn wir aufstehen, meinen »Kaiser«.

Nun, Nebo wollte als Kaiser zu Bett gehen und sich als Gott erheben!

Die Pracht eines asiatischen Despoten genügte seinem Ehrgeiz nicht: er wollte sich, und mehr noch ihr, die Illusion geben, als paarten sich zwei heidnische Götter, unter den Wolken des Feuerhimmels.

Maßlos, wie er in allem war, da er sogar das Herz ohne den Körper gewollt hatte, berechnete er jetzt die physischen und geistigen Mittel der möglichst großen Trunkenheit.

Eine Woche lang gingen in dem kleinen Hause der Galvanistraße Tapezierer und »Fleuristen« aus und ein; in der Nacht vom Donnerstag zu Freitag war darin Licht und Lärm, bis der Morgen dämmerte.

Paula, die sich vor Erwartung verzehrte, wagte nicht vor dem bestimmten Tage zu kommen; sie hatte nicht dieses Gefühl, zu herrschen, das eine Frau ungehorsam macht, indem sie sagt: »Ich halte ihn.«

Sie hielt ihn wirklich nicht, so unwahrscheinlich ihr das selbst erschien. Doch, ein grenzenloses Vertrauen in den Besitz versicherte sie des Triumphes, sobald die von Nebo bewilligte Geschlechtlichkeit dem Zauber, den sie als schöne Frau entfalten konnte, freien Lauf ließ.

Diese seltsame Frist von sieben Tagen war geheimnisvoll. Warum sieben und nicht sechs? Sie legte dieser Zählung eine weissagende Absicht bei.

Wozu gebrauchte er diese sieben Tage? Eine Frage, die sie neugieriger machte, als sie je gewesen war.

Es waren sieben lähmende und ermüdende Tage: die Furcht vor dem Glück wird schmerzhaft; über die Wollust nachdenken, heißt sie zugleich als maßlos träumen wie die Enttäuschung fürchten. Nebo hatte sich zu sehr gewehrt, das Fleisch zu beschwören, daß das unglückliche Kind, zwischen der Freude und der Furcht vor dem Unbekannten schwebend, bald in trunkenen Träumereien jauchzte, bald von unerklärlichem Schrecken zuckte.

Am letzten Tage, als alles fertig war, brachte Nebo lange Stunden im Bade zu, um seinen Körper durch Balsam zu bereiten. Dann sandte er das Telegramm, das der Prinzessin die Stunde anzeigte, in der er sie erwartete.

Ein stolzes Lächeln furchte seine Lippen und ging in seine Augen über:

– Die Königin von Saba kann kommen, murmelte er, sie wird eine salomonische Liebe verwirklicht finden. Ich fühle die Ahnen wiederkehren: sie werden unsichtbar zugegen sein, wenn ein Magierkönig von Ur in Chaldäa die Liebesfeier begeht.

 

2.
Die Eindrücke eines Idols

Der Tag war ein Freitag, der die Verbannung der Prinzessin beendigte. Er weihte eine »Vita Nuova« ein, von der sie sich eine andere Leidenschaft versprach, als Dante schildert, wenn er die Melancholie seiner großen dunklen Seele ausseufzt, die vom Lächeln der Beatrice Portinari beleuchtet wird. Nachdem sie ein Gedicht der Betrachtung und ein Gedicht von Küssen erlebt hatte, sollte sie am nächsten Tage Umschlingungen erleben, bei denen die schäumenden Münder bissen. Eine »Vita Nuova«, das war die große Wollust der morgenländischen Sage: die allmächtige Königin schließt sich in ihre Leidenschaft ein, ohne an etwas anderes zu denken, und geht nur darin auf, die Liebkosungen mit dem Geliebten zu erschöpfen.

Als sie die Depesche Nebos erhielt, die sie zum Nachmittage und nicht zur Nacht einlud, wie sie erwartet, geriet sie in große Verlegenheit über die Wahl ihres Kostüms: sie entschloß sich, es möglichst zu vereinfachen.

Ein Fieber trieb sie wie einen Pfeil nach der Galvanistraße. Als sie am Gitter ankam, lehnte sie sich eine Minute lang dagegen, bevor sie läutete: eine Schwäche überfiel sie und sie schämte sich, daß sie suchte, was sie suchte.

Der alte Diener führte sie in ein Zimmer im Erdgeschoß, das dem Atelier benachbart war: ein Vorhang teilte es in zwei Räume. Auf einem Tische lag ein großer Umschlag, der ihr in die Augen fallen mußte: »Für die Prinzessin.« Alles Blut stieg ihr zum Herzen: sie glaubte, er sei geflüchtet und habe ihr diesen Abschiedsbrief zurückgelassen. Sie zitterte so, daß sie den Umschlag nicht aufreißen konnte; das Blut war ihr so in die Augen gestiegen, daß sie zuerst nicht alles zu lesen vermochte; mit Mühe entzifferte sie:

»Hinter diesem Vorhang ist Ihr Schmuck, mein Idol: kleiden Sie darin Ihre Nacktheit. Stoßen Sie dann den Spiegel an der Stelle zurück, wo sich ein Skarabäus befindet: Sie werden im Tempel sein. Ein Thron erwartet Sie dort: setzen Sie sich darauf, indem Sie den heiligen Lotus in eine Hand und den Königsstab in die andere nehmen. Der Anbeter wird kommen, um seine Andacht zu verrichten, die Gebräuche zu erfüllen, die Hymnen zu sagen und den Weihrauch zu schwingen.«

Sie begriff zuerst nur zwei Dinge, daß er sie »mein Idol« nannte und daß er kommen werde. Unendlich getröstet, las sie von neuem. Als eine Prinzessin, welche die Sitten der Zeit kennengelernt hatte Peladan, Einweihung des Weibes., erstaunte sie: dies überstieg selbst die Seltsamkeiten, an die Nebo sie gewöhnt hatte. Bei diesen Worten »Tempel« und »Thron«, unter denen sie »Kammer« und »Bett« verstand, fragte sie sich, ob sie wörtlich oder bildlich zu nehmen seien. Sie blieb bei dem Gedanken stehen, daß er sie im Kostüm eines Idols zeichnen wolle, bevor er sie besaß.

– Warum aber, dachte sie, sagt er, den Weihrauch schwingen, wenn er einen Bleistift über Zeichenpapier gehen lassen will? Er hätte mir die Sache in natürlicher Sprache sagen können: ich kann ihm ja nichts verweigern! Wenn er das geglaubt hat, ist er dumm! Aber sehen wir uns meinen Schmuck an.

Sie zog den Vorhang fort und staunte noch mehr: über eine Gliederpuppe war ein blendendes Geschmeide von Perlen und Gemmen in unglaublichem Farbenspiel gehängt. Das war der ganze Schmuck! Sie errötete bei dem Gedanken, sich in ein Netz von kostbaren Steinen zu kleiden, die nicht auf einen Stoff, sondern auf die Haut selbst gelegt wurden: das Nackte erleuchtend, statt etwas davon zu verhüllen. Sie blickte sich nach einem Ueberwurf um, mochte er auch nur von Gaze sein: es war kein Fetzen Stoff zu finden, nur ein leichtes Aquarell, auf dem sie sehen konnte, wie sie sich mit diesen Kleinodien allein bekleiden sollte.

Seltsame Weiblichkeit! Sie wollte sich hingeben und der Gedanke, sich nackt zu zeigen, verwirrte sie; ihre Seele willigte schon ein, während ihre Gebärde noch beim Entkleiden zögerte. Sie hängte ihr Kleid, dann ihr Hemd über den Spiegel, um sich nicht zu sehen.

Diese priesterliche Toilette war schwierig, ohne die getuschte Zeichnung hätte sie viel Mühe gehabt. Zuerst löste sie ihre prächtigen Haare auf, befestigte das Diadem, von dem ein Diamant am Goldfaden bis an den Ansatz der Nase, zwischen die beiden Augenbrauen, herabhing. An ihre Ohren hing sie schwere Ringe. Um den Hals legte sie eine Kette von Brillanten, in die sich ein Plektron mit drei Gehängen hakte; das mittlere, eine Schnur mit verschiedenen Perlen, fiel in den Zwischenraum der Brüste. Diese waren da, wo sie ansetzten, von einer goldenen Borte umgeben, von der silberne Schnüre ausgingen, die zwei für die Spitzen der Brüste bestimmte Ringe hielten.

Von dem Halsband erstreckten sich zwei Achselstücke mit Gemmen an langen Goldschnüren, die auf die Oberarme fielen, durch einen silbernen Ring geschlossen, den eine Kette mit dem Armband des Handgelenks verband.

Unter der Brust lief ein breiter Gürtel von Gemmen, der einen Rubin auf den Nabel und tiefer einen Diamanten hängen ließ. Vom Gürtel fiel ein Schurz aus rauschenden Perlenschnüren herab. Zwei sehr dünne Goldplatten folgten der Schamleiste und winkelten sich beim Abfall des Schoßes.

Reife umschlossen die Knöchel, die Füße trugen Sandalen mit hohen Absätzen aus Rosenholz, und die Zehen Ringe.

Als sie diese lange Einkleidung sehr genau befolgt hatte, nahm sie die Lotusblume aus der Vase, in deren Wasser sie stand, und den Stab aus Elfenbein, dessen Krücke mit Edelsteinen besetzt war. Sie ließ ihr Hemd und ihr Kleid vom Spiegel fallen und stieß einen Ruf der Bewunderung aus.

Sie erschien sich so schön, das Blitzen aller dieser Steine, die ihr Feuer widerstrahlten, machte sie so feierlich, daß sie vergaß, sich zu betrachten.

Sie fragte nicht, ob die meisten dieser Edelsteine unecht seien; ob sie die Rolle einer Fee in einem Theaterstück spiele; ob Nebo in ähnlichem Kostüm erscheine: sie würden sich ohne Lächeln betrachten und diese Maskerade ernsthaft zu Ende führen. Paula liebte, und Paula war lyrisch: diese Furcht, gefoppt zu werden, selbst wenn sie glücklich war, dieses idiotische Bedürfnis des Franzosen, sich lustig zu machen, statt zu genießen, waren ihr unbekannt.

Um vor ihrem Geliebten zu erscheinen, hielt sie sich für unwiderstehlich schön: sie war also glücklich, vor allem ernsthaft, denn die Symbole sind Kräfte. Sich bedecken, sich mit Formen, mit Farben umgeben, die einem Plane entsprechen, das heißt, ihn zu verwirklichen beginnen. Der Okkultist, der vor einer magischen Feier ein mit Sternen besetztes Gewand anlegt, hat vielleicht einen ebenso feinen Geist wie Voltaire, aber er hat einen tieferen: er weiß, daß die Idee in Beziehung zur Form steht, und kennt die seelische Wirkung, die daraus folgt.

Paula glaubte zur Heldin geworden zu sein: von der Welt getrennt und auf Wolken wandelnd, fühlte sie sich schließlich Idol werden – ein seelischer Zustand, der noch nicht beschrieben ist.

Sie dehnte die Liebe Nebos auf die Menschheit aus, er war Gott, wie sie Göttin war: die übrigen waren sterblich! Für einen Augenblick, wäre er auch kurz, diese Erhöhung des Ich erreichen, das ist, möge es auch den Alltagsmenschen mißfallen, einer der schönsten Kelche, aus dem ein Geschöpf einen seltenen und erhabenen Rausch trinken kann.

Als sie sich gehen sah, stieg ihr etwas Röte ins Gesicht; die Bewegung des Körpers klagte die Menschheit an, die in der Unbeweglichkeit einer priesterlichen Pose fast ohnmächtig wird.

Ergriffen, ja ängstlich, drückte sie mit einem etwas fieberhaften Finger den Skarabäus des Spiegels: dieser drehte sich und ließ sie durchgehen; sobald sie mit der Eile ihrer Furcht hindurchgeschritten war, schlug die Füllung zurück.

Sie befand sich in Nebos Atelier: das war aber so verwandelt, daß sie es nicht wiedererkannte.

Eine Fülle von kupfernen Lampen hätte mit ihrer Helligkeit geblendet, hätte nicht der duftende Rauch, der von einem Dreifuß aufstieg, den Saal in Nebel gehüllt.

Den Hintergrund schloß ein großer roter Vorhang, der wie von Lilien bewacht war.

In der Mitte erhob sich ein Thron in Würfelform, in Goldbrokat gekleidet, um drei Stufen erhöht. Die Stufen waren mit den schwarzen Bärenfellen des »Körper an Körper« bedeckt: sie erkannte sie wieder. Vor dem Thron brannte der Dreifuß, stand ein Tisch mit den Opfergeräten aus Metall: ein Parfümkasten, eine Schale für die Trankopfer, die Harfe des Tempeldieners, ein silberner Becher.

Auf die Wände waren Lingams gemalt, mit hebräisch-phönizischen Motiven geschmückt, die sich in seltsamer Weise an der Decke und auf dem Boden fortsetzten.

Sie stieg die von Fellen bedeckten Stufen empor, wie eine Aebtissin im feierlichen Gepränge des Chores; ihre rechte Hand hielt den Hirtenstab aus Elfenbein, ihre linke Hand die heilige Blume.

Sie erblickte sich gegenüber eine Gestalt, als heiliger Johannes mit dem Adlerkopfe gekleidet, wie auf den Miniaturen des zwölften Jahrhunderts. Der Rauch ermüdete ihr Augenlid und ihre Erregung fesselte sie mehr als die Einzelheit der Prüfung.

Plötzlich funkelte ihr gegenüber ein Weihrauchfaß aus Kupfer im Halbkreise, in dem dichten Rauche aufsteigend.

Sie sah das Gesicht nicht: mit nackten Armen, das Haupt mit der chaldäischen Tiara bedeckt, in scharlachrotem Gewande, die linke Hand auf dem Herzen, mit der rechten den Weihrauchkessel schwingend.

Nach jedem Schwingen machte Nebo einen Schritt. An den Thron herangekommen, beugte er ein Knie und stellte das Weihrauchfaß hin.

Ihre Blicke begegneten sich jetzt, aber alle beide, weissagend und ernst, sagten einander nichts, als sie sich anblickten: in dem Schweigen bewegten die Brüste des Idols das Geschmeide, und das war das einzige Geräusch.

Mit der linken Hand machte Nebo das Zeichen, das die finsteren Mächte fesselt, während die drei erhobenen Finger der rechten die Dämonen des Lichtes riefen. So schien er einen Augenblick das zu sagen, was die Kirche ein »stilles Gebet« nennt.

Dann trat er bis zum Dreifuß vor. Ein Knie auf die Erde beugend, nahm er mit der linken Hand das eiserne Schiffchen, dessen Fächer die Düfte enthielten, mit der andern ergriff er den Spatel aus Elfenbein. Nachdem er das Feuer unsichtbar erzeugt hatte, psalmodierte er mit klarer und absichtlich einförmiger Stimme, mit der Stimme des die Messe haltenden Priesters. Bei jeder Strophe warf er Harze in die Bronze mit den blauen Flammen.

Auf ihrem Throne sitzend, gesammelt in der Haltung eines priesterlichen Basreliefs, so glücklich, daß sie es nicht aussprechen konnte, hatte die Prinzessin keineswegs Eile, ihren Hohenpriester kommen zu sehen: sie füllte ihre Seele mit der Vergötterung, die sie nicht allein Nebo, sondern der Menschheit, den Sphären, einflößte!

Jedesmal, wenn das flammende Kupfer ihr seinen Weihrauch ins Gesicht blies, atmete sie mit dem »ich liebe dich« des Hohenpriesters eine herrliche Illusion ein, daß die ganze Erde sie auch liebe.

Diese Luftspiegelung des Stolzes, bei welcher der Körper genoß, die Seele jauchzte, indem sie Idol und Priester vereinte, umgab sie beide in ihrer Einbildung mit einem olympischen Gewölk: sie waren in einer Wolke und sie hatten die Empfindung, über den Wolken zu sein. Sie erlebten das größte Fest der Persönlichkeit, das man sich denken kann: das Ich der Prinzessin breitete sich ohne Grenzen aus. Sie erinnerte sich nicht mehr an ihre Religion, noch an ihr Leben: jeder philosophische Begriff war vergessen. Sie stieg in die göttliche Heiterkeit, mit jedem Augenblick dieser wunderbaren Halluzination. Berauscht von ihrer Rolle als lächelnde Olympierin, fühlte sie sich wirklich als Idol: sie war die große Istar, die Aphrodite der Chaldäer, durch das Schicksal gezwungen, ihren Tempel von Ur zu bewohnen, bis die Beschwörung Nebos, des Merkur, sie dem himmlischen Leben zurückgab, durch seine Magie, die stärker war als das Verhängnis.

 

3.
Das Lied der Düfte

I.

Dir, Göttin der Liebe, die du das Unglück des Lebens einschläferst, Mutter der süßen Illusionen und der Nervenreize, Istar!

Dir, Göttin, opfere ich die Myrrhe meines Herzens.

Deine Augen verkünden den Ruhm des Allerhöchsten: als er Himmel und Meer geschaffen hatte, spiegelte er beide vereint in deinem Augapfel wider.

Deine Schönheit, blühend wie ein schöner Tag, Istar, verbreitet einen Duft des Blonden.

Gepriesen seist du mit dem Canur, dem Nabal und dem Ogab, und der klingenden Zimbel!

Frommer als all dieser Lärm, Istar, höre mein Herz schlagen – schlagen zu dir.

II.

Dir, Göttin der Küsse, Trösterin der gefallenen Engel, du wiegst mütterlich die Träumer mit der schweren Stirn, Istar!

Dir, Göttin, der Zimmet meiner Lippen, das Benzoë meiner Seufzer.

Dein Mund, die Schwelle des Himmels, lächelt wie die Morgenröte und leuchtet wie der Abend; die Frische der Morgen und die Glut der Mittage streichen abwechselnd darüber.

Alle Blumen der Erde würzen deinen Atem.

Der Chor der Sterblichen richtet seine nächtlichen Gebete an dich; man ruft dich auf den Höhen. Zärtlicher ist meine Stimme, Istar, die dich beschwört: erhöre meine Lippen, die sich nach dir ausstrecken!

III.

Göttin der Tollheiten, du gießest Lethe aus! Herrin des Vergessens, du heilest die Wunden unserer blutenden Seelen, Istar!

Dir, Göttin, das wohlriechende Harz und das Sandelholz meiner verliebten Klage.

Deine weißen umschlingenden Arme sind die Schäfte, an denen die klatschende Fahne meiner erregten Lenden sich aufrollt und weht.

In feierlichem Aufzuge beschmutzt dich die scheinheilige Menschheit, um die Langeweile der Tage zu vertreiben, mit ihren Orgien und beschwört dich durch die Ausschweifung und die Tollheit.

Dem, der sich für so weise hält, daß er dich liebt, dessen Flamme gerade und strahlend emporsteigt, um den Azur deiner Haut zu lecken, öffne den Himmel – öffne deine Arme!

IV.

Göttin der Entzückungen, Schwester der Dichter und der Narren, barmherzige Schwester, die meine leblose Seele mit Leidenschaft erfüllt!

Dir, Göttin, der Moschus und der Weihrauch meiner Begierden.

Dein Schoß ist der Hafen, in dem die heilige Wollust die Auserwählten während der Ewigkeit wiegen wird.

Die Klage der Geschlechter verkündet dich, Gottheit der vereinten Körper; aus dem Absoluten im Schoße deiner Formen entsprungen, weinen wir bis zu dem Tage, da der Tod uns auf dieselbe Schwelle zurückführt.

Aber ich werde nicht auf diese befreiende Stunde warten: als kühner Argonaut werde ich mich auf den Flügel des Gebetes schwingen, dein Vlies zu erringen.

V.

Göttin der Träumereien: du spornst zu himmlischen Kühnheiten; Zauberin, du zeigst dem menschlichen Tier das Jenseits des Helden und den Traum der Kunst, Istar!

Dir, Göttin, die Ambra und den Balsam, die mein Wort träufelt.

Herrscherin der Erscheinungen, Herrin der falschen Horizonte, der tröstenden Aussichten, du zeigst erdichtete Paradiese.

Du, du gibst die verführerischen Pläne, den edlen Ehrgeiz; Mutter des Prometheus und Muse der Sänger, das Weltall strebt nach deiner Phantasie.

VI.

Du, Göttin der Güte, süße Weiblichkeit, du zähmst den wilden Sterblichen, du schaffst die schöne Barmherzigkeit, Istar!

Dir, Göttin, der Weihrauch meiner Huldigung.

Die Form deines Busens beruhigt unsere Schmerzen, unsere Nächte erhellen sich an deinen Augen, und dein Lächeln ist die Segnung für die zarten Seelen.

Die Orpheus sind deine Gesandten, die den Kuß und die Leier mitten im Anprall der Triebe ausführen.

Das geringe Gute der Welt, das geringe Schöne auf der Erde ist nur ein Strahl, nur ein Widerschein deiner Schönheit.

Ein entzückter Priester, lästere ich dich; einerlei, ich werde es wagen, Göttin: du bist Weib, und du wirst verzeihen, wenn du mich nicht erhörst!

VII.

Istar! Istar! ich habe deine Kämpfe geliefert und überall deine beleidigten Priesterinnen gegrüßt. Und ich habe mich gegen den gottlosen Edom 1. Mose 25, 30: Daher heißt Esau Edom. gewendet, der die Helden erstickt und das Weib besudelt.

Meine starke Stimme hat gedonnert, als die Vipern zischten und die Skorpione schnellten, gegen die Frauen, die vom Siegel deiner Macht gezeichnet waren. Die Törinnen und die Heiligen sind meine Schwestern geworden: mein Mund hat fromm die Wunden ihrer bebenden Seelen geküßt, in denen, ohnmächtig vergossen, der Purpur ihrer Adern gerann.

Ich habe diese Herzen getröstet, die für ihre Brust zu groß waren; ich habe diese Augen getrocknet, deren Blick ungenannte Dinge jenseits der Form widerspiegelte; meine Hand hat die armen Pilgerinnen wieder aufgehoben und ihnen den Wanderstab zurückgegeben.

Denn es sind die Auserwählten, denn es sind die Lebenden, diese von einem unsichtbaren Feuer verzehrten Frauen: sie bedrängen das Leben mit einer Liebkosung, die nach der Liebe eines Gottes verlangt.

Ich habe deinen Namen gerächt, indem ich sie zu Schwestern nahm; ich habe sie in Rhythmen des Lichtes gefeiert, die seltsamen Töchter des Orpheus. Aber meine Liebe, statt auf sie herabzusteigen, hat sich vor dir aufgerichtet; mein Geist hat wie ein Adler, der in die Sonne verliebt ist, sich zu dir erhoben, Istar, und wird, brennend und verhängnisvoll, dich in deinem Himmel vergewaltigen.

Steig herab und werde Weib, oder liebe mich und mache mich zum Gott.

 

4.
Die Verehrung

Nachdem er also psalmodiert hatte, warf er sich anbetend nieder; als er sich wieder auf den Knien erhob, legte er seine Mitra ab.

Nachdem er die dritte Stufe erstiegen, rieb er sich die Lippen mit Ysop Psalm 51, 9: Entsündige mich mit Ysop, daß ich sein werde., zum Zeichen der Demut, und begann seine Verehrung.

Er küßte zuerst jede Zehe der Füße, die mit Ringen geschmückt waren. Seine Lippen verschoben den Karneol des Knöchels.

Ohne die Haut zu verlassen, stiegen seine Lippen über die Chrysoprase, die das Knie umschlangen, und eilten den Schenkel entlang bis zur Leiste, die Schnüre mit Sardonyx, Agat und Jadeït zur Seite schiebend.

Der Gürtel bestand aus drei Reihen Lazuli, Opal und Melanit. Sanft drückte er den Kopf in die Scham, als wolle er die beiden Zeugungen symbolisch einander nähern: das Gehirn des Genies und der Schoß der Schönheit, beide erregt, schienen sich gegenseitig zu befruchten.

Dann folgte sein Mund der goldenen Schnur, an der sehr tief der Diamant hing, um den Schatten der Schamhaare zu erleuchten.

Das Idol zuckte; lange Schauer durchliefen ihre Nacktheit; die klopfenden Brüste bewegten ihr Geschmeide aus Edelsteinen, und der Lotus zitterte in der glücklichen Hand der Göttin.

Er küßte den Karfunkel des Nabels.

Er küßte den Türkis der linken Achselhöhle, er küßte den Beryll der rechten Achselhöhle.

Er küßte die Warze der Brüste, die in den Ringen anschwoll; er küßte den hyazinthenen Zirkon des Kinns; er küßte den Turmalin der Schultern.

Er küßte den Saphir der Schläfen, den Smaragd der Ohren; er küßte drei Male den Diamant der Stirn.

Dann drückte sich sein Kuß auf den Topas des Nackens, stieg die Rückenfurche hinab, um sich von der einen zur andern Hüfte über die Goldblätter auszubreiten.

Das Idol, neugierig nach dem Hohenpriester, den sie nicht mehr sah, drehte den Kopf, ohne an die feierliche Starrheit zu denken: da wurde sie von einer blitzenden Helle getroffen, die sie blendete.

Nebo stand vor ihr: seine Tiara umgab ein Halbkreis von weißglühendem Magnesium, dem Symbol der wahren Geistigkeit, dem einzigen Spiegel für den Glanz der Formen.

Nebo selbst schloß die Augen: in die Bläue der Saphire, in die Röte der Rubinen, in die Sonne der Topase mischten sich die grünlichen Chrysolithen, die Hyazinthe der Zirkone, die feuchte Haut mit unbeschreiblichen Reflexen erhellend.

Das war nicht die Goldschmiedekunst, mit der Gustave Moreau seine mythischen Figuren bekleidet hat: hier sah man die Einfassung der Steine nicht; es waren nicht Kleinodien, sondern leuchtende Feuer in allen Farben, harmonisch verteilt.

Auf der wunderbaren Haut der Jungfrau schienen die Edelsteine das Blühen, das außerordentlich schöne Sprießen der Haare unter der Form von Geschmeiden zu sein.

Nebo, gegen seinen Willen etwas getäuscht, dachte an eine wirkliche Göttin, deren Blut, wenn es gärte, die Haut mit Karfunkeln besetzt hätte: töricht erklärte er das Werk seiner eigenen Hände für eine Täuschung.

Als das Magnesium erlosch, blickten sie einander tief an und sahen beide einen verhängnisvollen Blick, einen festen Blick, der seinen Strahl anhält, wie eine Brust in feierlichen Momenten, beim ersten Abendmahl, beim »Ja« der Ehe, den Atem anhält!

Dies war die Feier ihrer Ehe, dieses wunderbare Spiel, das beide immer tiefer packte, trotzdem ihr Verstand sich wehrte, und ihnen die Seele durch das Prisma der überhitzten Einbildung färbte.

Der Priester und die Göttin betrachteten einander, ohne daß sie sich beeilten, einander in die Arme zu fallen: sie empfanden diese Erhöhung ihrer Liebe als kostbar, einzig und sie erlebten sie wollüstig, berauscht in Heiterkeit.

In der warmen Luft, die ihre Atmung hemmte und sie stärker machte, glaubten sie das Klopfen ihrer Adern zu hören; kein Geräusch traf ihre Ohren, nur im Dreifuß, wo noch die duftenden Harze kochten, knisterte es hin und wieder schwach.

Da überperlte ein unvermutetes Knospentreiben die nackte Haut des Idols; Schweißtröpfchen glitzerten und ein odor di femina, ein Weibgeruch Galopin, Le Parfum de la Femme, Paris 1886., beherrschte für einen Augenblick die sich verflüchtenden Düfte.

Die Perlen und die Opale schienen Nebo die übernatürliche Schweißbildung seines Idols zu sein: gegen seinen Willen wurde er die wirkliche Person, die er spielte; der Künstler verliebte sich in sein Werk; eine Leidenschaftlichkeit, für die er sich nicht empfänglich glaubte, ließ ihn unter seinem Purpurgewande zittern.

Als sie bemerkte, daß sie endlich in die Sinne ihres Geliebten eindrang, jauchzte ihre Seele und überstrahlte das Funkeln ihres Körpers. Ein tiefer Seufzer bewegte das Mieder aus Edelsteinen; der Diamant der Stirn, der Diamant des Schoßes schwankten. Das Idol erhob die Augen zum Himmel, den ein Velum aus blauer bestirnter Seide darstellte; Istar war erhört und hatte, o Sieg, die Männlichkeit erwachen sehen!

 

5.
Die Edelsteine

Wie er durch die Düfte beschworen hatte, beschwor er durch die Edelsteine.

Er hielt eine Schale, in die er die Finger tauchte, um Rosendüfte auf das Idol zu sprengen; aber seine wahre Bewegung schädigte seine Improvisationen. Die Prinzessin fühlte, daß er die Gebräuche abkürzte, weil er zu sehr bebte, um literarisch zu arbeiten. Sie wußte aus eigener Erfahrung, daß der Geistige nur wahrhaft erregt ist, wenn das Spiel der Gedanken und ihres Ausdrucks durch den Andrang des Herzens und der Lenden sich verwirrt. Sie freute sich, daß die Hymnen ihres Priesters schwächer wurden: weniger Beredsamkeit, das war mehr Liebe, und sogar bei dem, den sie mit all ihren Sinnen rief, die Liebe der Nerven und des Blutes.

– Wenn sie erröten wird wie der Rubin, wenn sie strahlen wird wie der Topas, möge unsere Liebe den Schmuck der Saphire bewahren; möge das reine Ideal von Ur immer über dem grauen Emerald und der Bronze der Harmophane blauen.

– Gesegnet sei die grüne fruchtbare Linie, die sich um die Erde schlängelt: möge sie für uns dem hellen Beryll gleichen, möge unsere Liebe nicht Flecken des Heliotrops haben …

Sie fühlte, wie die kalten Steine auf ihrem Körper brannten; trotz der Fessel, welche diese Inszenierung ihrer Einbildungskraft anlegte, betrachtete sie Nebo mit einem feuchten Auge; ihre starre Haltung war wohl die einer Göttin, aber ihr Blick liebäugelte. Wie eine Seele, welche Engel an der Pforte des Paradieses zurückhalten, um ihr die Lieder des Himmels vorzusingen, wünschte sie das zu erleben, was ihre Ohren hörten. Doch war die Macht des Platonikers derartig, daß er sie immer wieder an ihre Göttlichkeit erinnerte: sie vergaß einen Augenblick die nahe Wirklichkeit und ging ganz in seiner Idee auf.

Ein leichter Schwindel machte ihr die Augenlider schwer, die von den in der Luft verbreiteten starken Düften gereizt waren. Sie war etwas trunken, aber diese Trunkenheit war nicht äußerlich, sondern beinahe geistig: sie sah sich doppelt. Die erdichtete Istar und die wirkliche Paula bewirkten, daß ihre Phantasie schielte: bald fühlte das Idol, bald die Geliebte. Zuweilen vereinigten sich die beiden Eindrücke so innig, daß sie nicht mehr die Persönlichkeit ihrer Rolle entwirrte: es war ein geistiges Chaos, in dem die Erinnerungen an die Einweihung Peladan, Einweihung des Weibes. unvermutet auftauchten und noch mehr verwirrten.

– Warum ist deine Haut, dieser große Edelstein, mit Steinen bedeckt, die nicht so kostbar sind als sie selbst? Laß mich den Schmuckkasten deines Körpers funkeln lassen unter meinem Wort, das ihn bewundert, und ihm diese Karfunkel, die ihn trüben, abnehmen.

– Denn das Geschmeide deiner Formen ist nur das Widerspiel und die Ausschwitzung deines glänzenden Innern, deiner Seele, Schatz der Hesperiden. Die Unschuld, die Freimütigkeit und die ruhige Kraft des Diamanten leuchten auf deiner Stirn. Was ist der Smaragd deiner Augen neben dem Saphir deiner Seele? Denn deine Seele ist vom Saphir, wie die ersten Tafeln des Gesetzes, das Moses gab, und dein Blick vom Smaragd, wie die Tafeln der Weisheit, die Hermes Thot Hermes Trismegistos, Tabula smaragdina. schnitt.

– Der Abraham des Talmud hielt seine zahlreichen Gattinnen in einer Stadt aus Eisen eingeschlossen, in die nicht einmal die Strahlen der Sonne drangen. Um sie das Licht genießen zu lassen, erleuchtete eine Schale aus kostbaren Steinen den ganzen Raum. So, o mein Idol, halte ich die zahlreichen Ideen, die abwechselnd mit mir schlafen, in dem ehernen Babylon meines Stolzes eingeschlossen, und das Leben der Umgebung dringt nicht bis zu diesen Lieblingen meiner Träume.

– Um sie mit Licht zu beleben und zu berauschen, habe ich dich in ihrer Mitte aufgestellt: beseele sie, mein Idol! Oh, welcher Karfunkel, welcher Granat wird jemals wie dein Mund, wie die Spitze deiner Brüste erröten?

– Dein Haar behelmt dich in jeder Locke mit Topasen, die nicht ihresgleichen haben; der Rubin errötet an deinen Ohren; in den Schatten deines Rückens spiegelt sich der Harmophan wider; der Emeril verbirgt sich unter deinen Achselhöhlen in den reinsten Formen; in deinem Schoße macht der schwarze Granat sein geheimnisvolles Nest.

– Deine Haut ist von Opal, mit Lazuli durchzogen. Deine Nägel scheinen durchsichtige Onyxe auf Karneolen. Der Amethyst und der Bernstein erblühen in den Schatten deines Körpers; die Koralle verbirgt sich dort!

– Oh, laß einen frommen Priester sich von deinen Reizen blenden und deiner Göttlichkeit diese Steine entreißen, die dich verbergen, statt dich zu schmücken. Geruhe, nackt zu erscheinen, wie einst Istar, in dem heiteren Glanz deiner Klarheit, nur mit den edlen, jungfräulichen, stolzen Linien bekleidet, die das Absolute erhaben offenbaren.

 

6.
Weihe

Fromm berührte er den Diamanten von oben, den Diamanten von unten, indem er sagte:

– Im Feuer meines Begehrens, Göttin, werde Weib!

Er kniete auf der dritten Stufe nieder und nahm ihr die Ringe von den Zehen, indem er einen Kuß auf deren Stelle drückte. Er entblößte den Knöchel von seinem Reif, das Knie von seinen Chrysoprasen.

Die Göttin zitterte vor Scham, als er den Gürtel löste: der ganze Schoß war nackt.

Er entwaffnete die Brüste von ihrem leichten Harnisch. Sie trug nur noch ihre Halskette und ihr Diadem: er nahm sie ihr ab.

Keusch, stützte sich die Göttin mit der einen Hand auf den Stab aus Elfenbein, mit der andern hielt sie den Lotus.

Er ersetzte den Lotus durch eine Lilie; ging hinter den Thron und nahm dort eine volle Bekleidung aus Blumen, mit denen er sie langsam, fast unzüchtig schmückte.

Er krönte sie mit Rosen, umgürtete sie mit Verbenen: kleidete sie in das Gewand des Liebesopfers.

Dann streute er Farnkräuter und Blütenblätter auf die Stufen. Rückwärts gehend, bestreute er mit regelmäßiger Gebärde einen langen und schmalen Pfad bis zu dem Purpurvorhang, den die Lilien bewachten.

Seinen leeren Korb nach den vier Himmelsgegenden schwingend, sagte er:

– Mögen die Sylphen nur meinen Atem kreisen lassen, wenn die große Istar atmen wird, damit nur das, was von mir kommt, in sie einzieht.

– Mögen die Kobolde allen Schritten Istars, die sich von mir entfernen wollen, die Erde entwenden.

– Mögen die Undinen keine andere Feuchtigkeit in Istar erlauben als das Wasser meines Mundes und meiner Augen.

– Mögen die Salamander nur die Flamme in Istar anzünden, welche die Schwester meiner Flamme ist.

– Durch das heilige Pentagramm möge ich in den drei Welten bedient werden: Materie, ich befehle; Seele, ich will; Geist, ich beschwöre.

– Auf meinen Befehl, auf meinen Willen, auf meinen Begriff möge gehorcht werden, den göttlichen Gesetzen folgend, durch die Tugend der Pentakeln!

Er stellte sich der Göttin gegenüber, breitete die Arme aus und rief:

Velis me tangere!
Wolle mich berühren!

 

7.
Die Verwandlung

Die Göttin richtete sich auf, strahlend in ihrer blühenden Nacktheit.

Als ob der Magnetismus der Feier sie über diese selbe Scham erhebe, die sie beim ersten unbekleideten Schritt verwirrt hatte, stieg sie langsam, die olympische Stirn voll Ruhe und Sicherheit, eine Hand auf der linken Brust, mit der andern die Lilie haltend, nackten Fußes, einer biblischen Eva ähnlich, nur von den Blumen etwas verschleiert, die Stufen herab und kam mit dem geisterhaften und steifen Schritt der Erscheinungen auf Nebo zu, der die Arme ausbreitete und ihr die Hände auf die nackten Schultern legte.

Bei dieser Berührung bebte sie.

– Da du zu meiner Liebe hinabgestiegen bist, Göttin, wirst du nicht wieder auf den Thron, der um die drei symbolischen Stufen erhöht ist, hinaufsteigen. Selbst von der Lilie, die du hältst, wirst du den Stengel zerbrechen und die Blume auf den Altar werfen, auf dem du zerbrochen wirst, du auch, und auf dem deine Blume unter meinem Kusse verwelken wird. Es ist noch Zeit. Nichts ist beschlossen: hinter dir ist der Thron, auf den du zurücksteigen kannst; vor dir das Bett, wohin ich dich rufe.

Mit einer Gebärde riß er den purpurnen Vorhang zur Seite, mit einer Heftigkeit, die den Schmerz darstellte, der beim Pronaos des Besitzes wacht.

Vor dem Bett aus Grün, auf dem sich die Rosenblätter und die Lilienblätter häuften, mit Lorbeer und Myrte gemischt, zögerte die Jungfrau, da sie nicht die edle Bewegung fand, um sich dort niederzulegen.

Vier Dreifüße mit roten Flammen brannten an den Ecken dieses Hügels. Als sie den Kopf wandte, hatte sich der Schatten auf den Thron gelegt: die Lampen waren plötzlich erloschen, und der Hintergrund des Saales, durch Rauch verhüllt, löste den großartigen Eindruck einer langen geheimnisvollen Allee aus.

Der Augenblick, den sie nach dem Zeugnis der Dichter für göttlich hielt, näherte sich. Ein Zurückweichen regte sich in ihr, jetzt, da sie nicht mehr aus ihrem Geschlecht geschleudert war, weil Nebo auf Liebe verzichten wollte. Die Weiblichkeit ergriff sie wieder, um ihr diese besondere Angst einzujagen, die, ein mythischer Drache, die Schwelle der Schändungen hütet. Sie hatte Furcht, da sie glaubte, an ihrem Ende angekommen zu sein. Es war eine schmerzliche Furcht, die aus allen Aengsten geschaffen wurde: sie fürchtete, zugleich zu enttäuschen, wie enttäuscht zu werden; zu vermissen, was nun vergangen war; entweder zu sinnlich oder zu kalt zu erscheinen.

Um so verwirrter war sie, als ihr Körper unberührt geblieben, wenn auch ihre Einbildung viel, viel öfter die Welt der Leidenschaft durchstreift hatte als die kühnen Füße der »Weiblichen Neugier«.

Plötzlich ergriff Nebo sie: sie glaubte bei dem so ersehnten Unglück angelangt zu sein und zuckte unter dieser Heftigkeit, die auf die Feierlichkeit folgte. Doch ihr Priester legte sie nur auf das Blumenbett: er hatte die wirkliche Schwierigkeit gesehen, in der sie sich befand, nämlich die, wenn nicht schamhafte, so doch mimisch plastische Art, sich auszustrecken, zu finden.

Auf dem Rücken liegend und anmutig in das tiefe Blumengestreu gebettet, lächelte sie, mit ihren beiden auf die Brüste gezogenen Händen einen Rest ihrer Lilie haltend.

Nebo bewunderte sie stumm, die Gebräuche lassend.

Dann beugte sie den Kopf und mit einer schrägen Bewegung der Lippen schnappte sie nach einer Rose, die sie zu essen begann.

Nebo, vor dem blühenden Lager stehend, die Hände auf der Brust gekreuzt, sprach:

– Ich habe gestern, am Vorabend der Weihe, gefastet, große Istar; ich habe auf die Wände dieses Tempels zwölf Becher gemalt, in ungefähr gleichen Entfernungen, von dem Thron, den du verlassen hast, bis zu dem Altar, auf dem du liegst, sechs an jeder Seite, und über jedem Becher wird ein Lingam sichtbar.

– Zwölf Lampen haben geleuchtet, solange mein Gebet dauerte; sie haben den Purpur der zwölf Lingams, die an der Wand sind, gerötet.

– Ich habe die stillen Gebete und die Psalmen gesprochen, ich habe mich mit dem Gewand des Opferpriesters bekleidet, ich habe das Knie gebeugt und ich habe kein Salz genommen, aber ich habe mir die Stirn mit Ysop und die Füße mit Zedernöl benetzt.

– Und jetzt!

Er nahm eine Rose und berührte ihre Stirn, ihre Lippen, ihren Schoß.

– Oeffnet eure Pforten, ihr, die ich künftig bewohnen werde: mögen sie weit offen sein, deine Pforten, Istar, denn du hast mich zu deinem Ruhmeskönig geweiht.

Er machte das Zeichen der Venus auf der Brust der Prinzessin.

– Bei diesem Zeichen mögen die Schatten deiner Scham verschwinden: sie sind unnütz geworden. Ich werde mich mit besitzergreifender Lippe deiner Sinne bemächtigen und sie versiegeln. Der ganzen Schar deiner Schönheiten werde ich mein Zeichen aufdrücken, da ich deren Herr und Hirte werde: kein anderer darf jemals deine weißen Brüste berühren noch deine Schamhaare sehen.

– Deine Stirn, der Wohnsitz des unabhängigen Gedankens, wird nur noch der gelehrige Spiegel meines unumschränkten Verstandes sein.

– Deine Augen, diese Fenster, durch welche die Seele die Geistigkeit der Formen und Farben bemerkt, werden nur mich sehen: das einzige Schauspiel, das ihrem Blick erlaubt wird; der einzige Mann, der ihrer Betrachtung bewilligt wird.

– Deine Wangen, diese blühenden Früchte, werden nicht mehr erröten unter der Begierde, die sie ansehen wird: sie gehören meinem Biß allein.

– Dein Mund hat kein Lächeln mehr zu vergeben; in deinen Lippen werde ich allein wühlen; meine Zähne allein werden an deine stoßen; du wirst nur das Wasser meines Mundes trinken.

– Dein Hals wird kein anderes Band als meine Arme tragen; er wird seine feine Rundung nur neigen, um meinem Kuß entgegenzukommen.

– Deine Schultern werden nur die Last der Wollüste sein, die ich an dich austeile; sie werden nur das süße Kopfkissen für meine Liebessehnsucht sein.

– Deine Arme, der Efeu meines Körpers, werden niemand anders mehr in der Welt umschließen, die schönen Lianen.

– Deine Hände werden nur meine Hände drücken, denn ich bin der ganze Horizont und die ganze Erde für deine Zärtlichkeit.

– Deine Brüste werden sich nur zu meiner Ehre spitzen; dein Busen wird nur die heftige Harmonie schlagen, die ich dich lehren werde.

– Dein Schoß, das Tabernakel der Wollust, wird sich nur meinem Liebespriestertum öffnen; ich allein in der Welt befehle und erlasse dort.

– Deine Hüften werden sich nur mit meiner Umfassung gürten und nur meine verliebten Augen ergötzen.

– Deine Schenkel werden geschlossen sein, als würden sie vom Basilisk bewacht.

– Deine Knie werden eins sein und sich nur trennen, wenn ich als Oberpriester deine Reize verehre.

– Deine Füße werden eher an den Boden genagelt sein als auf andern Wegen gehen als dem einzigen, den du betrittst: der meines Willens und meiner Wollust.

– Ich habe deine Füße mit Zedernöl benetzt, damit sie treu sind: wie die einer Gazelle, um die Gelegenheit einer Beschmutzung zu fliehen, o mein Schatz, der du bist; wie die einer Statue aus Basalt, um den guten Willen meines Herzens zu erwarten – denn ich weihe dich für meinen eigenen Dienst zum lebendigen Tempel meines ganzen Ideals, wo ich die beiden erhabenen Trankopfer ausgießen werde: die Blumen des Blutes und den Karfunkel der Tränen.

 

8.
Das Opfer

Dann glänzte die Harpe in seiner Hand; er spaltete sein Purpurgewand; in ganzer Länge zerrissen, öffnete es sich über seiner blühenden Nacktheit.

Mit einer schnellen Gebärde warf er Päckchen von Harz in die vier Dreifüße: vier dichte Rauchwolken vereinigten sich zu einer erstickenden Undurchsichtigkeit.

In dem Augenblick, da sie sich berührten, sahen sie sich nicht mehr.

In der Minute der Psyche, wer kann die melancholische Glut des Momentes schildern, der dem Zerreißen des Schleiers vorangeht, dieses letzte Zögern an der Schwelle des Geheimnisses der Körper?

Gewöhnlich nimmt der tierische Angriff des Mannes der Frau das überlegende Bewußtsein von dem, was stattfinden wird; die physische Gewalt, die sie erleidet, verdunkelt ihr Denken; in ihrem Körper erschüttert, verliert sie jeden Gedanken: der Uebergang von der Begierde zum Besitz ist so lebhaft, daß die große Aufregung alles, Lust und Leiden, mit sich fortreißt.

Hier sah die Jungfrau mit hellem Geiste die verhängnisvolle Niederlage herankommen. Niemals war sie ihr so bedrohlich erschienen, solange ihre Liebe dauerte. Eine Eingebung kam ihr, daß ihr schönes Gefühl, wenn es sich ganz verfleischlichte, den Gesetzen verfallen wäre, nach denen alles, was Fleisch ist, eines Tages verdirbt, verfault und vernichtet wird. Wenn Nebo sie bei seiner Beschwörung nach ihrem Willen gefragt hätte, würde sie geantwortet haben: »Ich bleibe deine Schwester.«

– Aber morgen? fragte der junge Mann gespensterhaft in dem Rauch, der wie ein opalfarbenes Leichentuch seine Nacktheit bekleidete.

Sie hatte Furcht vor diesem Liebhaber, der ihre Gedanken hörte und in dem Augenblick, in dem sie entstanden, darauf antwortete; sie hatte Furcht vor diesem Wesen, das in einem solchen Augenblick so ruhig war. Die furchtbare Macht des Magiers; seine außerordentlichen Handlungen während des Periplous Peladan, Weibliche Neugier., die sie überschätzte; seine Heiterkeit der Wollust gegenüber, die sie hatte ermessen und beurteilen können; schließlich das klägliche Gefühl der Demütigung für ein Weib, sich sagen zu müssen, wenn er mich nimmt, tut er es meiner Sinnlichkeit zuliebe; diese ganze Erregung verwirrte die Göttin, die wieder die begehrende und furchtsame Geliebte wurde, die sich mit dem Ekstatikon und Oskulon begnügte.

Der rötliche Purpurfleck schwand und die nackte Silhouette Nebos hob sich von dem duftenden Nebel; da zog sie nervös, mit dem hübschen Geräusch eines Tieres im Dickicht, mit beiden Händen die Rosenblätter auf sich, um sich wie mit einem Schleier zu bedecken: eine Verteidigung von wunderbarer Unschuld, der gute Glaube ihres Wahnsinns.

Ob er den Stolz persönlicher Auffassung hineinlegte oder eine heldenhaftere Uebergabe wünschte, Nebo wurde unbeweglich, ohne sich von der wunderbaren Anmut dieser Schamhaftigkeit fesseln zu lassen. Er wollte sich nach Kythera ohne mutwillige Streiche einschiffen, so hübsch diese auch waren. Die Grille eines Künstlers erlaubte ihm nur eine feierliche Schändung, die im chaldäischen Mysterium begonnen hatte, um im koketten Heidentum zu enden. In diesem von feierlichen Düften gesättigten Saale häufte diese Frau auf ihre nackte Haut entblätterte Rosen: das stimmte zu ihm ebensowenig wie Parfüm und Puder zu den Seiten der Bibel. Er wollte vielmehr die Zustimmung der Gebärde, er wollte den Ruf des Körpers.

Das wunderbare junge Mädchen begriff ihn: schmerzlich ließ sie ihren Stolz und ihre Scham schweigen; heldenhaft verschloß sie den Stimmen der Religion und der Erziehung den Mund; mit einer großherzigen Gebärde fegte sie die Rosen und die Lilien zu Nebo hin, erhob sich halb und öffnete ihre schönen Arme.

– Du willst nur eine Bitte hören: nun, mein Nebo, ich bitte.

Mit dem Streben nach dem Stil und den Bewegungen des Basreliefs, welche die wunderbare Herrschaft zeigten, die er über seine Sinne besaß, beugte Nebo sein nacktes Knie auf den Rand des Lagers, hielt die Arme, die ihn an sich zogen, zurück und senkte seinen tiefen Blick in Paulas Augen.

So waren sie schön, die beiden: die Unzüchtigkeit floh vor dem großen Künstler. Bisher hatte er alles vor der Gemeinheit bewahrt; bisher war nicht eine mimische Einzelheit von der Plastik der Feier abgewichen: der Bildhauer des Königs Eros war stolz auf seine Liebestat, die wie ein Meisterwerk dekorativ geblieben war.

Sein Blick faszinierte die Jungfrau.

– Nein, nein, rief sie, heftig auffahrend. Du wirst mich nicht einschläfern. Du hast mich an die Wirklichkeit glauben lassen: ich will keinen Schlaf.

Da Nebo ihrer Bewegung widerstand, umfaßte sie ihn mit ihren Armen; mit der Kraft einer entnervten Frau hob sie ihn vom Boden auf, zog ihn auf sich nieder und umschlang ihn, als sei sie das Männliche und vergewaltige.

Die Flammen der Dreifüße wanden sich, matter werdend. In diesem Tempel, wo eben noch eine feste Stimme beschwor, waren jetzt nur noch zwei Atemzüge zu hören, sowie ein unerklärliches Stoßen der Körper, das die Blumen zerdrückte. Eine tiefe Sammlung schwebte in dieser seltsamen Atmosphäre, ein geheimnisvolles Schweigen zitterte dort.

Die Flammen der Dreifüße sind erloschen, eine tiefe Dunkelheit verbirgt die Liebenden. Macht sich vielleicht ein Kuß bemerkbar? Schleicht sich vielleicht eine herzzerreißende Enttäuschung zwischen sie?

Unkluger Träumer! Er hat das Vorspiel so göttlich gemacht, daß sein Geist zittert und nicht mehr imstande ist, den idealen Fortgang der Schändung zu verfolgen und aufrecht zu halten.

Dieses Mal bebt wirklich das Schweigen nicht mehr: es ist das des Schlafes, oder vielmehr, es ist furchtbar. Der Schmerz scheint seine großen schwarzen Flügel wie ein düsterer Baldachin über dieser ersten Wollust zu öffnen. Der Oberpriester scheint den Brauch vergessen zu haben; seine Beredsamkeit scheint wie die Dreifüße erloschen zu sein. Ein Wind des Todes streicht über diese Liebenden. Durch das Schweigen flieht ihre Leidenschaft, die sich vermindert hat.

Durch das Schweigen sagt die Stimme eines Weibes enttäuscht, fast ironisch:

– O Priester, das ist alles, was deine Göttin dir einflößt?

Dieser Ausspruch, der furchtbarste, den ein stolzer Mann jemals von den Lippen der Jungfrau, die er soeben zur Frau gemacht hat, hörte, beugte seinen mächtigen Stolz nicht einen Augenblick.

Erschöpft von einer Woche fieberhafter Ausschmückung, ermüdet von seiner Rolle als Oberpriester durch die langen und improvisierten Beschwörungen, entehrte ihn der Mangel an Manneskraft nicht in seinem eigenen Urteil Ebensowenig wie das »Tagebuch« Goethe entehrt. Vgl. auch S. 19: »Wenn Herz und Hirn sich mit Blut füllen, gibt es keine Zeugung …«.

Das Herz schmerzhaft klopfend, das Gehirn erhitzt, die Lenden ermüdet, ließ er wie ein Läufer, der das Ziel erreicht und vor Müdigkeit keucht, diese Worte auf sich fallen, ohne sich von ihnen stechen zu lassen. Er ließ sie fallen mit der Gleichgültigkeit der Erschöpfung, die selbst die Eitelkeit des Siegers einschläfert, der beim ersten Schritt in der eroberten Stadt niedersinkt.

Schweigen der Lippen, ohne Worte und ohne Küsse, Schweigen der Hände ohne Liebkosungen, Schweigen der abgespannten Nerven, Schweigen der erkalteten Haut: dieses völlige Schweigen vereiste eine Jungfrau, die durch den Schmerz der Umarmung entflammt war und endlich die Wollust erwartet.

Sie rückte fort, ohne daß er eine andere Bewegung machte, als zärtlich zu lächeln; sie erhob sich auf den Händen, die durch die Wärme ihres Körpers verwelkten Rosen und Lilien verstreuend.

Nackt, graziös und bleich, unendlich begehrenswert, zeigte Nebo, die Augen halb geschlossen, eine so vernichtende Müdigkeit, daß die Prinzessin die Hoffnung aufgab, die erloschene Flamme in diesem geliebten Körper wieder anzuzünden, und sich vom Blumenbett erhob.

– Verzeihe mir, sagte der Geliebte mit matter Stimme, und komme morgen wieder: ich werde dann geschlafen haben.

Sein nackter Arm ruderte nach hinten, und er machte Licht.

Die Prinzessin zögerte: ein Sprung auf das Bett würde sie in Nebos Arme zurückwerfen.

– Morgen, sagte er, betonend.

Diese Betonung verletzte das junge Mädchen.

– Vielleicht, erwiderte sie, bevor sie den Spiegel drehte und verschwand.


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