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Wolfgang Amadei Mozart

1. Die Kindheit und die Jugendreisen.

Wolfgang Amade Mozart ist am 27. Januar 1756 in Salzburg geboren. Sein Vater Leopold stammte aus einer bürgerlichen Familie der damaligen freien Reichsstadt Augsburg und war in die Fürsterzbischöfliche Residenz Salzburg gekommen, weil dort eine gute Universität war, denn er wollte die Rechte studiren. Wie er sich aber schon während dieses Studiums durch Musikunterricht zu erhalten hatte, so mußte er bald ganz in fremde Dienste treten: er ward Kammerdiener eines Domherrn Graf Thurn und später zuerst Hofmusikus, dann Capellmeister des Erzbischofs. Im Jahre 1747 hatte er die Pflegetochter eines nahen geistlichen Stifts geheirathet; beide galten ihrerzeit für das schönste Ehepaar in Salzburg. Von sieben Kindern blieben ihnen zwei, Maria Anna genannt Nannerl und unser Wolfgang, der meist Woferl genannt ward. Die Schwester war etwa fünf Jahre älter und beide zeigten von Kindheit an ganz außerordentlichen Musiksinn.

Ein alter Hausfreund erzählt, sobald Mozart mit Musik sich abzugeben begonnen, seien alle seine Sinne für alle übrigen Geschäfte so gut wie todt gewesen. Ja selbst die Kindereien und Spiele mußten, wenn sie für ihn interessant sein sollten, mit Musik begleitet sein: »wenn wir Spielzeuge von einem Zimmer ins andere trugen, mußte allemal der von uns, so leer ging, einen Marsch dazu singen oder blasen.« »Ich ward ihm daher,« heißt es weiter, »weil ich mich mit ihm abgab, so äußerst lieb, daß er mich oft zehnmal an einem Tage fragte, ob ich ihn lieb habe, und wenn ich es zuweilen auch nur zum Scherz verneinte, standen ihm gleich die hellichten Zähren im Auge, so zärtlich und wohlwollend war sein gutes Herzchen.«

Stolz und Ehrsucht, so vernehmen wir hier ferner, verrieth er nicht, aber er wollte stets nur vor großen Musikkennern spielen und wenn man ihn auch nur darin betrog. Er lernte, was irgend ihm der Papa aufgab, und hing allem, was er that, so ganz an, daß er alles Uebrige, sogar die Musik, beiseite setzte. Er war schon als Kind voll Feuer und Lebhaftigkeit, und hätte er nicht die vortreffliche Erziehung seines ernstgesinnten strengen Vaters gehabt, er hätte der ruchloseste Bösewicht werden können, so empfindlich war er für jeden Reiz, dessen Güte oder Schädlichkeit er zu prüfen noch nicht im Stande war.

Schon im fünften Jahre componirte er in sein Uebungsbuch, das man noch heute im Mozarteum in Salzburg sehen kann, ebenfalls kleine Menuetten, und einstmals trafen ihn der Papa und der Hausfreund gar bei der Composition eines Concertes an, das aber so schwer war, daß es kein Mensch hätte spielen können. Sein Gehör war so fein, und sein Musikgedächtniß von Kindheit an so sicher, daß er sich beim Spiel seiner kleinen Violine erinnerte, daß des Hausfreundes »Buttergeige« um einen halben Viertelston tiefer gestimmt war. Darum konnte er als Kind den Trompetenton nicht ertragen und bekam, als einmal der Vater dennoch die Probe machte, heftige Krämpfe.

Bald war seine musikalische Fertigkeit so weit, daß er die meisten Sachen vom Blatt spielte. Eben so war Nannerl schon früh ganz ungemein vorgeschritten und deshalb begann der Vater im Jahre 1762, als sie sechs und zehn Jahre alt waren, mit den Kindern zu reisen, um, wie er sagte, der Welt dieses Wunder Gottes zu zeigen.

Der nächste Ort war München, damals wie heute die eigentliche Hauptstadt Süddeutschlands, dann die Kaiserstadt. Maria Theresia wie ihr Gemahl und ihre Kinder waren sehr musikalisch. Sie nahmen die Kinder in ächt deutscher Herzlichkeit auf und Woferl sprang denn auch der Kaiserin ohne weiteres auf den Schooß und küßte sie. Zu Marie Antoinette aber, die ihm von dem glatten Fußboden aufgeholfen hatte, sagte er: »Sie sind brav, ich will Sie heirathen«. Der jüngste Sohn, der schöne und liebenswürdige Erzherzog Maximilian, war mit Mozart gleichaltrig, er blieb stets sein Freund und ward auch später der Gönner Beethovens. In den Kleidern dieser jungen kaiserlichen Kinder gemalt hängen Woferl und Nannerl im Mozarteum: sein seelenvolles Auge und ihre knospende Schönheit haben einen unvergleichlichen Reiz.

Jetzt lernte er, sechs Jahre alt, auch Violine spielen und der Vater ließ nicht nach, ihm in jeder Weise den besten musikalischen Unterricht zu geben. Denn er war selbst ein tüchtiger Componist und hat eine Violinschule geschrieben, die ihrerzeit berühmt war und auch übersetzt wurde. Und zwar ging dies auf den Reisen in völlig gleicher Weise fort, sogar das Orgelspiel trat bald dazu. Zunächst war im Sommer 1763 Süddeutschland der Schauplatz dieser kleinen Wunderthaten. In Heidelberg fuhren die jungen Füße mit einer solchen Geschwindigkeit auf dem Pedal umher, daß der Pfarrer dieses Wunder an die Orgel selbst anschrieb. In Frankfurt hörte ihn Goethe und gewann damit einen Maßstab für alle später auftretenden Talente in der Musik: seine Spätjahre schauten bekanntlich den ähnlich musikbegabten Knaben Felix Mendelssohn. In Paris war der Hof gleicherweise huldvoll. Doch als der kindlich unbefangene Woferl die geschminkte Pompadour ebenfalls umhalsen wollte, geschah ein Abweisen der Zärtlichkeit, so daß er empfindlich ausrief: »Wer ist denn die da, daß sie mich nicht küssen will? Hat mich doch die Kaiserin geküßt!« Auf Maria Theresia hielt er überhaupt große Stücke und sein Herz blieb zeitlebens, wie wir noch sehen werden, »gut kaiserlich«.

Die Prinzessinnen waren um so liebenswürdiger und kehrten sich nicht an die Etiquette. Alles war erstaunt, ein solches Kind jeden Ton nach dem Gehör bezeichnen zu hören, ohne Clavier componiren und nach dem bloßen Gehör zum Gesang begleiten zu sehen, und Beifall wie Einnahme waren überall glänzend.

Noch günstiger war darauf im Jahre 1764 die Aufnahme in London, denn das Königspaar selbst war deutsch und Händel hatte den Sinn für gute Musik dort dauernd begründet, während die französische Musik unseren Reisenden damals leer und frostig vorkam, ein »langweiliges Geplärr«. So war denn der Aufenthalt auch sehr lang in England und der Vater benutzte die Gelegenheit des Unterrichts eines guten italiänischen Sängers für Woferl, der denn auch bald die damals alles beherrschende »wälsche« Weise selbst ganz beherrschte. In London schrieb Mozart auch seine ersten Symphonien.

Die Rückreise im Jahre 1765 ging über Holland, wo beide Kinder lebensgefährlich krank wurden und der Vater seine Kraft zu einer so schweren Aufgabe wie der Erhaltung und Erziehung eines solchen Knaben zugleich erproben und stärken lernte. Sogar in den Fasten durfte er dann aber auch in Amsterdam »zu Gottes Preis« die Wundergaben seines Sohnes zeigen und kam endlich nach mehr als zweijähriger Reise weniger mit Geld als mit Ruhm für die Kleinen bedeckt im Herbst 1766 nach Salzburg zurück.

Dieses frühe Reisen hatte für Mozart selbst viel Vortheil. Er lernte Menschen und Dinge kennen, – denn auf alles machte der Vater aufmerksam, sogar ein Tagebuch mußte geführt werden, – er entwöhnte sich kindischer Blödigkeit und gewann offenen Sinn für alle menschlichen Verhältnisse. Er hörte die Musik der verschiedenen Nationen und lernte so die Weise finden, die jedes Herz versteht, die Melodie, die Sprache der menschlichen Seele. Für seine Kunst war ihm auch der feine Ton der damaligen vornehmen Welt von Gewinn: wenn die herrliche Landschaft seiner Heimat den natürlichen Schönheitssinn geweckt und die künstlerische Anlage der Stadt mit ihren zahlreichen Kirchen und Palästen denselben seiner gebildet hatte, so war die Mannichfaltigkeit der Lebens- und Kunsteindrücke dieser weiten Jugendreisen ein Hauptgrund, daß Mozarts Musik so früh etwas unmittelbar Anziehendes, etwas harmonisch Schönes und Allverständliches bekam. Völlig entwickelte diese Seite seiner Kunst aber erst der wiederholte lange Aufenthalt im Lande der Schönheit selbst, wo Mozart seine angehende Jünglingszeit zubrachte, in Italien.

Denn lange hielt es den Vater nicht in Salzburg, die Verhältnisse waren dort für sie zu eng, und mußte nicht der Knabe selbst stets lebhafter den Drang fühlen, der Welt seine Kunst zu zeigen? Hatte doch der Londoner Bach, ein Sohn des großen Leipziger Cantors Seb. Bach, dessen Einwirkung auf Mozart uns noch begegnen wird, über ihn ausgerufen, mancher Kapellmeister sterbe ohne das zu wissen, was dieser Knabe schon jetzt wisse! Die Vermählung eines Erzherzogs zog die Familie im Jahre 1768 zunächst wieder nach Wien. Aber hier ging dem Vater erst völlig die Einsicht auf, daß nur Italien der entsprechende Tummelplatz dieses jungen Genius sei. Zwar hatte Kaiser Joseph ihm in der That den Auftrag einer italiänischen Oper gegeben, – es war la finta semplice, »die verstellte Einfalt«, – und eine feierliche Messe zur Einweihung einer Kirche dirigirte der zwölfjährige Knabe selbst, was einen solch tiefen Eindruck auf sein Gemüth machte, daß er noch zwanzig Jahre später von dieser erhabenen Wirkung seiner Kirche zu erzählen wußte. Auch eine deutsche Operette »Bastien und Bastienne« gewann sich wenigstens eine Privataufführung. Aber mit dieser ersten italiänischen Oper erfuhr Mozart auch zuerst jenen bösen Neid der Fachcollegen, der später dazu beitragen sollte sein Leben zu verkümmern und zu frühem Ende zu führen. »So muß man sich in der That durchraufen,« schreibt der Vater. »Hat der Mensch kein Talent, so ist er unglücklich genug; hat er Talent, so verfolgt ihn der Neid nach dem Maße seiner Geschicklichkeit.« Die Feinde und Neider wußten es durchzusetzen, daß das Werk gar nicht zur Aufführung kam, und so war der Vater doppelt darauf bedacht, des Sohnes Talent jetzt endlich auch dort zu zeigen, wo derselbe sich nach eigenem Geständniß am meisten verstanden gefühlt und den höchsten Ruhm seiner Jugend gewonnen hat.

Italien ist das Mutterland der Musik und war obendrein damals das Eldorado der Componisten. Die Kirche hatte die Musik erzogen, mit ihr kam sie auch in germanische Lande und von dort später bereichert zurück. Der Römer Palestrina bildet ihren ersten monumentalen und classischen Höhepunkt. Nach ihm brach in die katholische Kirchenmusik, deren volles Ideal er ist, der Charakter des Weltlichen und sogar Theatralischen ein, und zwar durch die Entstehung der Oper, die ihr Dasein der neu auftauchenden Antike, vor allem der griechischen Tragödie verdankte. Die reine Musik, zu der auch der Chorgesang zu rechnen ist, bildete sich zunächst auf der Grundlage des protestantischen Chorals an dem Orgelspiel und Chorgesang weiter und erreichte in jenem deutschen Sebastian Bach ihren ersten Höhepunkt der Classicität in der neueren Zeit. Sein Landsmann und Zeitgenosse Händel dagegen verharrte vorzugsweise auf dem Gebiete der Oper, und nachdem er darin auf wälschem Boden große Triumphe gefeiert, erhob er sich zu seiner vollen Größe im geistlichen Drama, im Oratorium. Die Welt hing damals am Theatralischen, und dessen Mittelpunkt war für die Oper das Land, welches einst die Musik geboren. Wie seinerzeit die größten Tonsetzer, so hatte Italien jetzt wenigstens die größten und berühmtesten Sänger, und ein einziger Sieg hier eröffnete die Schranken des ganzen gebildeten Europa. »Also auf und dahin!« mußte es in dem Vater rufen, als er das Compositionstalent des Sohnes in Deutschland nicht in dem Maße anerkannt sah, wie es demselben schon damals gebührte und wie es Mozarts Virtuosität nirgends vorenthalten wurde.

Wir können nun die Einzelnheiten dieser Reise übergehen, – es waren die gleichen Wunderthaten, die wir schon kennen, und einmal in Neapel mußte der Knabe sogar einen Ring vom Finger abnehmen, weil man diesem solch zaubergleiche Kunst zuschrieb, – man findet wie die vorigen Reisen so diese ausführlich in meinem demnächst erschienenen Buche » Mozart. Nach den Schilderungen der Zeitgenossen.« Wir folgen hier dem entscheidenden Entwickelungsgange dieses seltenen Künstlers und verzeichnen nur, was ihn als denselben erhalten und zu demselben zu machen geholfen hat.

Zu Ende des Jahres 1769, wo also Mozart nahezu vierzehn Jahre alt war, ging es durch Tyrol ins Land der milderen Lüfte und der süßen Melodien. Ueberall zunächst wieder grenzenlose Bewunderung dieses Talentes! In Verona hatten sich die Beiden, die fortan ohne Mutter und Schwester reisten, völlig mit Gewalt zur Orgel zu drängen, so groß war der Zulauf. Und schon in Mailand brachte es dieser Eindruck seiner Erscheinung auch dahin, daß Wolfgang eine Oper zu componiren gegeben ward. In Italien war dafür zweimal des Jahres förmlich Saison: er erhielt die erste, die vor Weihnachten. Das Honorar bestand wie üblich in 100 Ducaten, ungefähr 1000 Mark, nebst freier Wohnung; auch der Don Juan später brachte nicht mehr ein. Jetzt war dies aber noch ein hoher Entgelt für den jungen Anfänger.

Als solchen zeigte er sich freilich bei der Ausführung der Sache in keiner Weise. Denn als sie auf der Weiterreise, der sie sich um so ruhiger hingeben konnten, als das Textbuch ihnen nachgesandt werden sollte, nach Bologna kamen und dort den größten italiänischen Musikgelehrten seiner Zeit, den Pater Martini, aufsuchten, konnte auch dieser nicht anders als das Können dieses jugendlichen Meisters völlig anstaunen: derselbe löste Aufgaben und überwand Schwierigkeiten, die eben so die angestammte Heldenkraft wie das umfassendste Wissen bewiesen. Auch den größten Sänger seines Jahrhunderts, den Sopranisten Carlo Broschi genannt Farinelli, lernte Wolfgang dort kennen und seine Kunst gewissermaßen als letzte Erbschaft des großen und schönen Gesanges aufnehmen: denn nur wer die Gesangeskunst im höchsten Sinne versteht, kann auch wieder für Gesang richtig schreiben. Und doch war jener Sänger jetzt schon ein Sechziger!

In Florenz regierten damals noch Habsburger, so ward unseren Reisenden auch hier beste Aufnahme zu Theil. Von den herrlichen Kunstschätzen dort erwähnen die Briefe an Mutter und Schwester nichts. Aber schwerlich werden Venus Amathusia und Madonna della Sedia demjenigen unbekannt geblieben sein, dem allein es gelingen sollte, Rafael und die Antike auch in Tönen wiederzubeleben. Von Rom aber wissen wir dies aus Wolfgangs eigener Mittheilung. »Gestern waren wir auf dem Capitol und sahen viel schöne Sachen,« schreibt er der Schwester, und wol stehen dort und anderswo in Rom »viel schöne Sachen«: Laokoon und Ariadne, Apoll von Belvedere und der olympische Zeuskopf. Dazu die zahllosen Kirchen und darunter eine Peterskirche! Am merkwürdigsten blieb den beiden Musikern aber stets natürlich die Musik, und man kennt die Sixtinische Kapelle, in der allein damals noch etwas von der Kunst der großen Römer waltete. Von Palestrina hören wir dabei nichts, aber von Allegri nahm Wolfgang sogar Abschrift. »Du weißt,« schreibt der Vater, »daß das hiesige Miserere so hochgeachtet ist, daß den Musikern der Kapelle unter der Excommunication verboten ist, eine Stimme davon zu copiren oder Jemanden zu geben. Allein wir haben es schon. Wolfgang hat es aufgeschrieben. Wir wollen es indessen auch nicht in andere Hände fallen lassen, dieses Geheimniß, damit wir nicht direct oder indirect dem Tadel der Kirche verfallen.« Mozarts hielten etwas auf ihren katholischen Glauben, er war ihnen innere Wahrheit, und so wurde auch durch die besonders weihevollen Gesänge in dieser römischen Charwoche Wolfgangs jugendliche Seele dauernd für die höchsten Empfindungen unserer Brust geweiht, denen er im Lauf seines Lebens auch außerhalb der religiösen Komposition so schönen und ergreifenden Klang verleihen sollte. Er erzählte ebenfalls selbst noch in späteren Jahren von dem tiefen Eindruck dieser heiligen Vorgänge. »Wie mir da war! wie mir da war!« rief er dabei ein Mal über das andere.

Von Neapel hörten wir schon. Je tiefer sie nach Italien kämen, desto lebhafter werde die Bewunderung, hatte der Vater bereits von Rom aus geschrieben. Der Champagnerrausch der Natur, den dieser Golf von Neapel darstellt, konnte nicht ohne Eindruck auf einen Künstler sein, der den Zauber und Rausch der heitersten Lebensfreude selbst einst so zaubervoll erklingen lassen sollte. »Neapel ist schön,« schreibt er kurz aber bezeichnend der Schwester. Der ungeheure Ernst Roms mag aber dennoch der deutschen Natur Mozarts tiefer entsprochen haben. Sie waren denn auch bald wieder dort und diesmal erreichten sie, was nur Rom bieten konnte, den Papst zu sehen: ja von Wolfgangs Spiel entzückt überreichte ihm der Heilige Vater – es war der große Ganganelli, Clemens XIV., – in persönlicher Audienz jenen Orden des goldenen Sporen, der uns auch den »Ritter« Gluck geschaffen. Mozart freilich machte sich zunächst nicht viel aus dieser Ehre und der Vater schrieb: »Du kannst dir einbilden wie ich lache, wenn ich allezeit zu ihm Signor cavaliere sagen höre.« Allein später wußten sie doch gelegentlich die Vortheile einer solchen Auszeichnung praktisch geltend zu machen.

Jetzt ging es nur auf das nächste Ziel: Ruhm und Erfolg des Künstlers. Dazu war eine mithelfende Stufe die Ernennung Wolfgangs zum Mitglied der berühmten Philharmonischen Akademie von Bologna, die ihm in Italien den Namen Cavaliere filarmonico brachte. Und als sie im October 1770 in Mailand wieder eintrafen, war er nach künstlerischem Rang und nach Lebensstellung schon zu Erfolg gediehen: – Signor cavaliere »Ritter Mozart«, mit 14 Jahren! Die Reise selbst aber hatte die künstlerische Anschauung mehr und mehr ausreifen lassen: zu dem sicheren technischen Können kam stets fühlbarer der reine Schönheitssinn, das Resultat der höchsten geistigen Arbeit, die Ueberwindung aller Schwierigkeiten und alles blos Stofflichen, die der rauhe glanzlose Norden uns Deutschen nur zu oft für immer in der Kunst vorenthält. Hell leuchtet auch aus Mozarts Melodie fortan der göttliche Strahl idealer Schönheit, und nie ist er ihm wieder erloschen. Nicht an formaler Vollendung, nur an innerem Lebensgehalte konnte dieses Künstlerthum fortan zunehmen, und wir werden den Spuren dieser persönlichen Lebensberührung, die den Menschen auch nach innen erweckt und ausbildet, denn auch bald begegnen. Zunächst erfahren wir die ersten entscheidenden Erfolge des Componisten, die sein Herz für lange Zeit an das »Land wo die Citronen blüh'n« fesselten.

Die italiänische Oper, die also damals alle Welt beherrschte, war nichts weniger als ein fesselnder dramatischer Vorgang auf der Bühne. Vielmehr hatte die schwelgerische Lust der Italiäner am schönen Gesange bald das Hauptgewicht des Ganzen in diesen gelegt. Interessante oder auch ergreifende Ereignisse aus der Geschichte und mehr noch die großen Sagen des Alterthums und des Mittelalters waren so hergerichtet, daß durchweg eine Liebesgeschichte darin die Hauptrolle spielte und in den Ergüssen der liebend glücklichen oder unglücklichen Herzen das Ganze gipfelte. Gewiß ein reicher Anlaß für eine Kunst wie die Musik! Nur war auf diese Weise meist alles in den Einzelgesang, die Arie, verzettelt und die ganze Oper oft ein solches bloßes Arienbündel, und wer also die schönsten Arien schrieb, war Sieger. Ja den einzelnen Sängern »recht auf den Leib gemessen« hatten diese Arien zu sein, wenn sie die volle Wirkung thun sollten: die schönsten Töne dieser Sängerin oder dieses Tenors da mußten zugleich die Glanzpartie der Arie sein und umgekehrt, dann ging die Oper »zu den Sternen« und durch halb Europa. Wir haben dies noch in unserem Jahrhundert mit Rossini, Bellini, Donizetti erlebt und erleben es heute wieder an Verdi.

Hier trat nun Mozart zunächst bescheiden die vorhandene Erbschaft an. Was mehr als ein Jahrhundert und die ganze gebildete Welt gebilligt und bewundert, ein vierzehnjähriger Jüngling wird es nicht ändern noch antasten. Aber wie er nun in seinem Werke die einzelnen Züge dieser »fabulösen Historie« vom alten unglücklichen Pontuskönig Mithridates aufnahm und in zündende musikalische Momente verdichtete, das sagt uns nach der Aufführung des Werkes am 26. December 1770 die öffentliche Kritik mit dem Worte: »Der jugendliche Capellmeister studirt das Schöne der Natur und gibt es mit der seltensten musikalischen Grazie geschmückt wieder.« Neid und Intrigue hatten freilich auch hier nicht gefehlt. Aber Wolfgang wußte sich und ebenso den Sängern sogar in ihren Launen zu helfen. Wenn dieses Duett nicht gefalle, wolle er sich noch einmal herrichten lassen, hatte der erste Sopranist ausgerufen, und besonders war man erstaunt, von einem jungen Anfänger den vollen Ton der heimischen Oper, ihr Chiaroscuro, wie sie die schöne Abstimmung der einzelnen Stücke unter einander nannten, so sicher getroffen zu sehen. Evviva il Maestro! Evviva il Maestrino! erscholl es von allen Seiten, und zwanzigmal hinter einander mußte das Werk gegeben werden, ward auch sogleich fünfmal für andere Bühnen, darunter Mozarts geliebte Kaiserstadt, bestellt, wovon freilich nach damaligem Brauch nur der Copist den Vortheil genoß.

So war der Zweck der ersten Römerfahrt von 1770 erreicht. Wolfgang hatte sich aber auch nicht geschont und der Vater mußte nur wachen, daß des Guten nicht zu viel geschah. Die stetige Anspannung und Beschäftigung mit dem ernsthaften Gegenstande hatte jedoch den ohnehin zum inneren Sinnen angelegten Knaben so ernst gestimmt, daß während der Arbeit der Vater die Freunde daheim bat, ein gutes Werk zu thun und spaßhafte Briefe zu schreiben, um ihn zu zerstreuen. Es reifte neben dem musikalischen Genius der innere Mensch und der jetzt Fünfzehnjährige war schon ein voller Jüngling.

Leise regt sich denn auch bereits jetzt diejenige Saite seines Wesens, die seinen Melodien jenen innigsten Ton verlieh, den wir sofort beim Erklingen des Namens Mozart selbst zu vernehmen wähnen, die zärtliche Empfindung des Herzens, die ihn vor allem zum Sänger der Liebe gemacht hat. Schon in der innigen Zuneigung zu Mutter und Schwester sehen wir entwickelt, was der Hausfreund oben von dem angeborenen Liebebedürfniß des vierjährigen Knaben erzählte. Man muß die kleinen Anhängsel an die Briefe des Vaters von dieser Reise aus lesen. Keinen daheim hat er vergessen, nach Jedem fragt er, sogar die »wichtigen und hohen Gedanken von Italien«, wo er doch manchmal »verwirrt vor lauter Affairen« ist, halten ihn nicht davon ab. Der Mama küßt er 1 000 000 000 Mal die Hände und der Nannerl gar »Gesicht, Nase, Mund und Hals«. Alle Posttage schmeckt ihm das Essen besser, und die Fülle der Neckerei in diesen auf dem Mozarteum aufbewahrten Zetteln läßt erst die ganze Zärtlichkeit für die schöne Schwester erkennen.

Aber Schönheit beobachtet er bald auch anderswo. Die Primadonnen und schönen Tänzerinnen Italiens bemerkt sein junges Auge, und persönlich näher muß ihm das »ewig Weibliche« in Salzburg gekommen sein, wo ja die Nannerl Freundinnen hatte. »Mit meiner Schwester hätte ich viel zu reden, aber was, das weiß nur Gott und ich allein,« heißt es von Italien aus, und bald noch deutlicher: »Was du mir versprochen hast (du weißt schon was – – – o du Liebe du!) halte gewiß, ich bitte dich, ich werde dir gewiß verbunden sein.« Allein dies war bereits auf der zweiten Römerfahrt, wo der kurze Ruheaufenthalt in der schönen Heimat sozusagen die inneren Organe sich hatte entwickeln lassen und Muße gewährte, sich auch mit anderen als seinen musikalischen »Affairen« zu beschäftigen. »Ich bitte dich noch wegen den gar Andern, wo nichts Anderes mehr sei: Du verstehst mich schon,« heißt es verhüllend, und was Anderes wäre da zu verhüllen als ein verschämtes schöneres Herzgefühl? »Ich hoffe, daß du bei dem Fräulein gewesen bist, du weißt schon welche. Ich bitte dich, wenn du sie siehst, ihr ein Compliment von mir zu machen,« verlautet es später einmal. Was ist aber auch erklärlicher, als daß den Künstler das schöne Geschlecht anzog, das ihn so sehr bewunderte? Denn nichts reizt das Weib und die Menge so wie Ruhm und Größe, zumal wenn sie auf geistigem Grunde ruhen. Und war er nicht berühmt wie nur ein Lebender, der junge Cavaliere filarmonico? Freilich sein Aeußeres an sich machte auf den ersten Anblick nie einen bedeutenden Eindruck. Die Statur blieb klein, – er war nach seinem eigenen Bericht in einem Briefe (»Neue Bilder aus dem Leben der Musik und ihrer Meister.« München 1870.) »bei Wasser aufgezogen«, – der Kopf erschien besonders durch die Fülle schönen blonden Haares verhältnißmäßig zu dick, und nur die natürliche Leichtigkeit und Freiheit der Bewegung gab ihm zumal in dem Costüm des vorigen Jahrhunderts etwas unwillkürlich Anmuthendes, das der sinnige Ausdruck der schönen graublauen Augen nur erhöhte. Aber wenn man sich diesen beweglichen jungen Mann mit Sammetrock, Jabot, Seidenstrümpfen, Schnallenschuhen, Tressenhut und Degen als berühmten Maestro dachte, von dem die Welt noch später reden werde, oder gar ihn spielen hörte und eigene Compositionen aufführen sah, dann wandte sich das Blatt und an die Stelle bloßen leiblichen Reizes trat der unsägliche Zauber des Geistes, des Gemüthes, ja der fesselnd geheimnißvollen Macht des schöpferischen Genius. Das Schöpferische aber liebt das Weib und gibt ihm hold empfangend Herz und Seele hin. Ein Kuß von schönem Munde war ihm ein schönes »Present«, wenn er neue Menuetten überreicht hatte, und ein Kuß bleibt nie allein.

Aber jetzt blieb nicht viel Zeit zu dem halb schuldlosen halb sinneerregenden Schäferspiel jener Zopftage: für die erste Saison des Jahres 1773 war er bereits wieder in Mailand engagirt und zwar diesmal mit 130 Ducaten. Ja dazwischen fiel noch eine andere Bestellung, die der Ruhm des Mithridates bewirkt haben mochte: die Vermählung eines Sohnes der Kaiserin Maria Theresia in Mailand durch eine Serenata d. h. eine kleine Art Oper feiern zu helfen. Das war noch in diesem Sommer 1771, und im August waren denn auch Vater und Sohn wieder dort. Der Stoff war Ascanius in Alba. Doch füllte diesen theatralischen Umriß hauptsächlich Schmeichelei gegen das hohe Paar, was Wolfgang umsoweniger hinderte wiederum sein Bestes zu thun. »Ueber uns ist ein Violinist, unter uns auch einer, neben uns ein Singmeister, im letzten Zimmer ein Oboist – das ist lustig zum Componiren, gibt einem viel Gedanken,« schreibt er, und es mußte ihm eben an solchen diesmal viel liegen, weil sein Rivale, d. h. der Componist der Hauptoper, der damals berühmteste Componist Italiens war, Hasse, der »theure Sachse«, wie die Italiäner diesen Deutschen nannten, der ihnen soviel Hundert ihrer Opern geschenkt, daß er selbst sie nicht mehr aufzuzählen wußte. Und doch war erst Ende August das Textbuch angelangt und schon im October sollte die Feier sein. »Zweitens thun mir so die Finger vom Schreiben wehe,« entschuldigt er sich nach vier Wochen gegen sein Nannerl. Dafür fehlten aber auch nur noch zwei Arien. Gesund blieb er Dank seiner elastischen Natur, aber daß er »immer schläfferig« war, bezeugt uns die übergroße Anstrengung, die er hatte.

Der Erfolg blieb nicht aus. Die hohen Vermählten gaben durch ihren Beifall dem Publikum das Beispiel und der Vater berichtet: »Mir ist leid, die Serenata des Wolfgang hat die Oper des Hasse so niedergeschlagen, daß ich es nicht beschreiben kann.« Und in schöner Neidlosigkeit soll dieser selbst ausgerufen haben: »Der Knabe da wird Alle vergessen machen!« Wie sehr hat er Recht gehabt und wie Viele wird nicht dieser Mozart zu allen Zeiten noch mit seinem Glanze verdunkeln!

Das Festspiel ward gegen die Gewohnheit mehrmals wiederholt, und eine Diamantdose des Erzherzogs begleitete diesmal das übliche Honorar.

Im December 1771 war man wieder daheim, jedoch mit der schönen Aussicht auf neue Lorbeeren im Citronenlande. Und dies war nöthig. Denn der Tod des Erzbischofs Sigismund brachte einen neuen Herrn und zwar jenen hochfahrenden, kleinlichen Hieronymus, der schon bei der Wahl mit Schrecken begrüßt besonders in Mozarts Leben eine traurige Stelle einnehmen sollte. Die Salzburger übertrugen die Composition des Festspieles zur Huldigung ihrem schon so berühmten jungen Landsmanne: es war der Traum des Scipio. Sonst gab es in Salzburg nicht viel zu thun. Als erzbischöflicher Concertmeister, was er nach den italiänischen Erfolgen geworden, hatte er die Musik für den Hof und den Dom zu schreiben. Denn jene Tage verlangten in ihrer Lieblingskunst stets Neues, und wenn Mozarts Messen dem theatralischen Zuge der Zeit nachgebend gleich denen J. Haydns mehr ein gefälliges Spiel als kirchlicher Ernst und daher von geringer Bedeutung für die Nachwelt sind, so leitete ihn dagegen die Composition von Symphonien bereits auf ein Gebiet, das von demselben J. Haydn endgültig begründet durch Mozart zu der machtvollen Erscheinung Beethovens führen sollte.

Die Sonatenform, die auch der Symphonie zu Grunde liegt, war durch eine stets mehr dichterisch-musikalische Entwickelung aus jener Suite entstanden, die unter dem Antritt der Allemande eine Reihe von Tänzen vorführte. Und wie nun der Tanz selbst ein unmittelbares Abbild natürlich menschlicher Regung und Leidenschaft ist, so ward auch Sonate und Symphonie nebst dem Quartett stets mehr der Ausdruck der persönlichen Erlebung und Gemüthserregung des Componisten, der je größer und tiefer er die Welt faßte, auch je schöner und ergreifender ein rein musikalisches Abbild derselben zu geben vermochte, wie es in Beethovens Symphonien einen unübertroffenen Höhepunkt erreicht hat. Wie in der Oper Dichtung und Wort, so ward für Clavier und Orchester die eigene Erregung in Freude und Leid des Lebens der Anstoß und der poetische Vorwurf der musikalischen Composition. Wir werden auch hier bald Mozarts Leben in seiner Kunst wiederfinden, und dies macht die Lebensgeschichte dieses Künstlers so besonders anziehend und bedeutungsvoll.

Im November 1772 finden wir die beiden Reisenden also wieder in Italien: die Oper Silla war für Mailand zu schreiben. Und jetzt geht gar des Vaters Wunsch dahin, den Sohn für immer dort gefesselt d. h. angestellt zu sehen. Er knüpfte zunächst Verbindungen mit Florenz an. Denn Salzburg konnte ihnen seit dem neuen Erzbischof nicht mehr behagen. Wol der Aufklärung hold und gegen ein dumpfes Pfaffenregiment ein Segen war er doch selbst zu viel Tyrann, um Gedeihen zu verbreiten und Liebe zu finden, und selbstständig freie Naturen wie der reichsstädtische Vater und der freigeborene Genius des Sohnes entsprechen solcher Herrscherart nicht, zumal wenn kein eigentliches Gefühl und Verständniß für die Kunst und das ebenfalls souveräne Walten des Genius vorhanden ist. So vermag sich der Vater selbst auf der Reise nur schwer der »Salzburger Gedanken« zu entschlagen, und daß es mit Florenz nichts ward, gefiel ihm wenig.

Desto mehr geschah jetzt wieder in Mailand. »Ich kann unmöglich viel schreiben, denn ich weiß nichts,« sagt Wolfgang in den Briefen, »und zweitens weiß ich nicht was ich schreibe, indem ich nur immer die Gedanken bei meiner Oper habe und Gefahr laufe dir statt der Worte eine ganze Arie hinzuschreiben.« Die Darstellenden waren übrigens auch diesmal wieder sehr zufrieden, und wie das Werk gewirkt haben muß, beweist der Verlauf eines Unfalls, der dem ersten Sänger begegnete: er hatte unwillkürlich die Primadonna zum Lachen gebracht und war dann selbst so verwirrt geworden, daß er ganz ungeberdig gesticulirte. Das Publikum, schon durch mehrstündiges Warten auf den dort residirenden Erzherzog ungeduldig geworden, brach in Lachen aus. Dennoch siegte die Oper sogleich bei der ersten Aufführung und ward auch mehr als zwanzig Mal gegeben.

Hiermit beschließt sich die eigentliche Thätigkeit Mozarts für Italien. An Aufträgen wird es nicht gefehlt haben, aber der Erzbischof versagte den Urlaub. Er wollte nicht, daß seine Leute »so im Lande ins Betteln umherreisen«. Und doch sagt Mozart später einmal selbst: »Wenn ich es recht bedenke, so habe ich halt doch in keinem Lande so viele Ehre empfangen, bin nirgends so geschätzt worden wie in Italien; und man hat halt Credit, wenn man in Italien Opern geschrieben hat.« So gehört es denn auch im Grunde noch zu Italien, was Mozart zwei Jahre später zur Composition einer italiänischen Oper wieder nach München führte. Es war die reizende Opera buffa (komische Oper) » la finta giardiniera«, »Die Gärtnerin aus Liebe«, und hier hatte Hieronymus die Erlaubniß nicht versagen dürfen. Stand er doch mit dem nahen kurfürstlichen Hofe in vielen persönlichen und amtlichen Beziehungen!

Kurfürst Maximilian III., ein gar gutmüthiger Herr, war selbst sehr musikalisch. Er hatte schon früher viel Interesse für Mozart gezeigt und kannte wie alle Welt seine Erfolge in der Welt. Mozart sah sich geliebt und geehrt, und die gute Oper dort regte ihn doppelt zu einer solchen Aufgabe an. Hier quellen denn auch bereits echt Mozartsche Lebensbäche der anmuthigsten Empfindung. Der Text war schon oft componirt worden, bei Mozarts Oper aber wollte man nie eine schönere Musik gehört haben, wo alle Arien schön seien. »Gottlob,« schreibt er selbst am 14. Januar 1775, »meine Oper ist gestern in Scene gegangen und so gut ausgefallen, daß ich der Mama den Lärm unmöglich beschreiben kann. Erstens war das Theater so gestrotzt voll, daß viele Leute wieder zurück haben müssen. Nach jeder Arie war allezeit ein erschreckliches Getöse mit Klatschen und Viva maestro-Schreien. Ihre Durchlaucht die Kurfürstin und die verwittwete, welche mir vis-à-vis waren, sagten mir auch Bravo. Als die Oper aus war, so ist nichts als geklatscht und Bravo gerufen worden, bald aufgehört, bald wieder angefangen und so fort. Nachher bin ich mit meinem Papa in ein gewisses Zimmer gegangen, wo der Kurfürst durch muß, und habe Sr. Durchlaucht dem Kurfürsten und den Hoheiten die Hände geküßt, welche alle sehr gnädig waren. Heute in aller Frühe schickt Se. Fürstlichgnaden Bischof von Chiemsee her und läßt mir gratuliren, daß die Oper bei Allen so unvergleichlich ausgefallen ist.« Er, der Domherr in Salzburg gewesen und Mozart sehr liebte, hatte ihm wahrscheinlich die Oper für München verschafft und daher erhöhtes Interesse wie besondere Genugthuung wegen ihres Erfolges.

Ja der Erzbischof selbst war unfreiwilliger Zeuge der Triumphe seines von ihm so wenig respectirten Concertmeisters. Er sah zwar die Oper nicht, weil während seines Geschäftsbesuchs keine Aufführung derselben stattfand, mußte aber doch, wie der Vater schreibt, von allen kurfürstlichen Herrschaften und dem ganzen Adel das Lob derselben hören und die feierlichen Glückwünsche, die ihm Alle machten, entgegennehmen. Er war dabei so verlegen, daß er mit nichts als einem Kopfneigen antworten konnte und die Achseln in die Höhe zog. Daß dies Alles Mozart nicht zum Heil und Vortheil gedieh, werden wir bald vernehmen.

Ein Festspiel Il rè pastore, »der königliche Schäfer«, zu Ehren des Aufenthalts jenes ihm gleichaltrigen Erzherzogs Maximilian Franz in Salzburg in demselben Jahre 1775 geschrieben, gehört noch in den Kreis dieser Jugendarbeiten des rasch gereiften Künstlers. Er hatte jetzt das zwanzigste Lebensjahr überschritten. Was zu lernen war, hatte er gelernt und gar vielseitig durch praktisches Schaffen bewährt. Er mußte als Künstler der Welt sein Können zeigen, fühlte als Mensch »Muth sich in die Welt zu wagen, der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen«. Die erste Jugendzeit war vorüber, der Jüngling berührte sich bereits mit dem Manne und der Mann will Prüfung seiner Kraft, will Thaten.

Dies bringt unsern Künstler zuerst in den persönlichen Kampf mit dem Leben, und da er ihn fortan hauptsächlich allein zu führen hat, erstarkt auch seine moralische Kraft rasch an diesen Erfahrungen: wir sehen neben dem gottbegnadeten Künstler zugleich den edelgesinnten und tüchtigen Menschen erwachsen.

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