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Ein lieblicher Anblick.
St. Augustins schöne Gedanken von der Herrlichkeit des ewigen Lebens.

Was ist, sagt Augustin, das du liebest, mein Fleisch? und was begehrest du, meine Seele? Dort in jenem Leben ist alles, was du liebst und begehrest. Hast du Lust zur Schönheit? dort werden die Gerechten leuchten wie die Sonne! Begehrest du schnell zu sein, oder willst gern Stärke und Freiheit des Leibes haben ohn alle Hindernisse und Hemmschuhe? dort werden sie gleich sein den Engeln Gottes! Denn es wird gesäet ein natürlicher Leib, und wird auferstehen ein geistlicher Leib; nicht geistlich am Wesen, sondern nach der Kraft (1 Cor. 15). Trachtest du nach einem langen und gesunden Leben? dort wird sein eine gesunde Ewigkeit und eine ewige Gesundheit! Denn die Gerechten werden ewiglich leben, und ihr Heil ist von dem Herrn. Wolltest du gern satt sein? dort sollen sie gesättigt werden, wenn die Herrlichkeit des Herrn erscheinet! Wolltest du gern trunken sein? dort sollen sie trunken werden von den reichen Gütern des Hauses Gottes! Gefällt dir eine schöne wohllautende Musik? dort werden die Engel unserem lieben Gott ohne Unterlaß singen! Willst du keine unreine, sondern eitel reine Wollust? dort wird sie der Herr tränken mit dem Strom der Wollust!

Verlanget dich nach Weisheit? dort wird Gott sich in ihnen erzeigen, wie er selbst die Weisheit ist. Verlanget dich nach Freundschaft? dort werden sie Gott lieben mehr denn sich selbst, und Einer den Andern als sich selbst. Denn Gott wird sie mehr lieben, als sie sich selbst lieben; und sie werden ihn lieben und sich unter einander durch ihn. Verlanget dich nach Einigkeit? dort werden sie alle Einen Willen haben, indem ihrer aller Wille nichts sein wird als der allerhöchste Wille Gottes. Verlanget dich nach Gewalt? dort werden sie allmächtig sein nach ihrem Willen, wie Gott allmächtig ist nach seinem Willen. Denn gleich wie Gott Alles kann, was er will, durch sich selbst: also werden sie auch können Alles, was sie durch Gott wollen. Und gleich wie sie nichts wollen können, als was er will: also wird er auch wollen, was sie wollen. Alles aber, was er will, das muß geschehen.

Verlanget dich nach Ehre und Reichthum? dort wird Gott seine frommen und getreuen Knechte über viele Güter setzen; ja sie sollen Kinder Gottes und Götter heißen, und werden Erben Gottes und Miterben Christi sein. Verlanget dich nach beständiger Sicherheit? dort werden sie deß sicher und gewiß sein, daß es ihnen an solchem Gut nie mangeln wird; so sicher und gewiß sie sind, daß sie es nimmer werden verlieren und daß der leutselige Gott eben solches Gut seinen Liebhabern wider ihren Willen nimmer nehmen wird, daß auch Niemand stärker ist als Gott, der ihn und sie von einander reißen könnte. Ist nun das Gut so herrlich und so groß, wie herrlich und wie groß muß dann wohl die Freude darüber sein?

O du menschlich Herz, du mangelhaftes Herz, du armes Herz, das eitel Trübsal schmelzet und mit Elend hienieden beladen ist – wie hoch würdest du dich freuen, wenn du könntest voll werden solcher edler Güter? Frage deine äußersten und allertiefsten Gedanken, ob sie auch ergründen, und fassen können solche Himmels-Wonne und Seligkeit? Nun denke: wenn Jemand aus deinen allerliebsten Freunden, der dir so lieb wäre als du dir selbst bist, eben dieselbe Seligkeit hätte, so würde deine Freude eine doppelte Freude sein. Denn du würdest dich seinethalben nicht weniger freuen, als du dich deinethalben erfreuest. Desgleichen wenn zwei oder drei oder sonst noch viele von deinen besten, intimsten Freunden eben desselben Gutes theilhaftig wären, da würdest du dich über einen jeglichen ja so sehr freuen als über dich selbst, dieweil du einen jeden so lieb hast wie dich selbst.

Was muß es nun für eine Herrlichkeit sein in der vollkommenen Liebe so vieler heiliger Engel und Menschen, welche nicht zu zählen, da keiner den anderen weniger lieben wird als sich selbst? Denn ein Jeder wird über seines Nächsten Wohlfahrt sich nicht anders freuen, als ginge es ihn selbst an. Und nun bedenke: wenn das menschliche Herz sich nicht genug freuen kann über sein eigen Heil, Wohlfahrt und Seligkeit, sondern ist viel zu schmal und zu eng dazu: wie soll es denn begreifen die Menge und Größe so vieler anderer Freuden, welche den Nächsten angehen?

Denke ferner daran, wie die Freude gemeiniglich mit der Liebe übereinstimmt, indem man gerade so hoch über seines Freundes Heil und Wohlfahrt sich zu erfreuen pflegt, als man ihn liebet. Nun aber, wird dort im ewigen Leben jeder unseren lieben Gott ohn alles Maaß und über alle Dinge lieben, ja mehr denn er alle seine Nächsten sammt sich selbst liebt. Daraus folgt, daß er auch über Gottes Ehre und Majestät sich weit mehr erfreuen wird, als er über seine eigne Herrlichkeit und über die aller Engel und Menschen sich erfreuet. Und wie die Auserwählten Gott vollkommen lieben – doch also daß ihr ganzes Herz, ihre ganze Seele und ihr ganzes Gemüth viel zu gering sind, solcher Liebe nach zu kommen, – so werden sie sich auch ebenso völlig freuen, nur daß ihr ganzes Herz, ihre ganze Seele und ihr ganzes Gemüth zu gering ist, die Fülle solcher Freuden genugsam zu erreichen.

Summa: sie sind alle von Herzen fröhlich, und alle vollkommen Eins durch das Band der Vollkommenheit, welches ist die Liebe, wie St. Paulus (Col. 3, 14) redet. Und diese vollkommene Union ist wegen der inbrünstigen Liebe und Gegenliebe voll majestätischer Klarheit, voll Trostes, voll himmlischer Süßigkeit, voll großer Pracht, großer Herrlichkeit, großer Freude und Wonne, dergleichen kein Auge gesehen, kein Ohr gehöret und kein fleischlich Herz auf Erden jemals hat erdenken noch ergründen können.

Wer möchte genugsam ausreden, was für eine unzählbare Menge der seligen Geister und der himmlischen Herrschaften vor dem Angesichte des allmächtigen Gottes stehen? Was ist das für ein ewiges Fest der Anschauung Gottes? was für eine Freude, die nimmer abnimmt? Wie muß da sein eine Brunst der Liebe, welche nie quälet, sondern nur erfreuet! wie muß da in ihnen eine Begierde sein, Gott zu sehen! Und ist doch all ihr Verlangen nicht eine sündliche Lust, der die Strafe stets auf dem Fuße nachfolgt. Also werden sie gesättigt mit der Anschauung Gottes, und bekommen doch nimmer einen Ueberdruß daran. Wer kann genugsam ausreden, wie selig sie in alle Ewigkeit sind? Wie herrlich müssen sie mit dem wahren Lichte vereinigt sein, nachdem sie selbst zu Lichtern geworden sind!

O Jerusalem, du heilige Stadt Gottes, du erwählete Braut Jesu Christi, ich habe dich von Herzen lieb und es verlanget mich sehr nach deiner Schönheit. O wie prächtig, o wie herrlich und stattlich bist du! Du bist durchaus schön, und ist kein Fehl noch Makel an dir. O sei fröhlich und jauchze, du schöne Fürsten-Tochter, denn der König hat Lust zu deiner Gestalt, und der Schönste unter den Menschenkindern liebet dein edles Wesen.

Aber was ist dein Freund vor anderen Freunden, du Schönste unter den Weibern? Mein Freund, sprichst du, ist weiß und roth, auserkoren unter vielen Tausenden. Wie ein Apfelbaum unter den wilden Bäumen, so ist mein Freund unter den Söhnen. Siehe, ich sitze unter dem Schatten deß ich begehre, und seine Frucht ist meiner Kehle süß. Mein Freund stecket seine Hand durch's Loch, und mein Leib erzittert davor. Ich suchte des Nachts in meinem Bett, den meine Seele liebt, ich suchte Ihn und fand Ihn (Hohel. 2, 3; 5)!

O Jerusalem, ich habe ihn auch gefunden, und halte ihn, und will ihn nicht lassen, bis er mich führet in sein Haus und in seine himmlische Kammer. Da wirst du, o meine liebe Mutter Jerusalem, mir deine Brüste reichlicher zu saugen geben, und mit deiner wunderlichen Fülle mich sättigen, daß mich in alle Ewigkeit nicht hungere und dürste. O wie selig wird meine Seele sein, wenn ich dermaleinst sehen werde deine Herrlichkeit, deine Schönheit, deine Thore, deine Mauern, deine Gassen, deine vielen Wohnungen, deine alleredelsten Bürger, und deinen allerdurchlauchtigsten, großmächtigsten König, deinen allergnädigsten König und Herrn in aller seiner Himmels-Pracht und Majestät?

Deine Mauern sind von Edelsteinen gemacht, und deine Thore von den allerbesten Perlen bereitet; deine Gassen von lauterem Golde, darauf ein freudenreiches Halleluja ohn Unterlaß gesungen wird. Deine Häuser und Wohnungen sind auf viereckigen Steinen gegründet, von Saphiren gebaut und mit goldenen Ziegeln gedecket. Zu ihnen gehet Niemand ein, er sei denn rein von Sünden; in ihnen wohnet Niemand, er sei denn unbeflecket (Offenb. 21).

O Jerusalem, meine Mutter, wie schön und lieblich bist du! Dir begegnet nichts Widerwärtiges, wie wir elende Adamskinder auf dieser Welt leiden und in diesem betrübten Jammerthale sehen müssen. In dir ist keine Finsterniß, keine Nacht, keine Abwechselung der Zeiten. Auch ist da kein Licht der Laternen, kein Schein des Mondes, kein Glanz der Sterne. Sondern der Herr JEsus Christus, das Licht vom wahren Licht, die Sonne der Gerechtigkeit, erleuchtet dich ewiglich.

Das weiße und unbefleckte Lamm Gottes ist dein helles Licht und allerschönste Lucerne. Ja das ist deine Sonne und deine Klarheit, daß du dieses Königs Herrlichkeit ohne Unterlaß darfst anschauen. Er, der König aller Könige, sitzt mitten in der Stadt, und seine Kinder stehen um ihn her. Da lassen die Chöre der Engel ihre fröhliche Stimme hören, da läßt sich sehen die Gemeinde der himmlischen Bürgerschaft. Da ist ein süßes Frohlocken aller Auserwählten, welche von dieser betrübten Wallfahrt zu deiner Freude eingegangen sind. Da siehet man die göttlich begabten Propheten, die zwölf Apostel und das sieghafte Heer der unzählbaren Märtyrer. Da erscheinen bei einander die heiligen theuren Bekenner der Wahrheit. Da kommen die stillen Eremiten, die einsamen Klosterbrüder; da kommen die lieben heiligen Frauen; welche alle die Wollüste dieser Welt überwunden haben. Da sind die Jünglinge und Jungfrauen, die ihre Zeit mit heiligem Leben zugebracht. Da sind die Schafe und Lämmer, welche dem Strick der weltlichen Lüste entgangen sind. Sie frohlocken alle mit einander in ihren Wohnungen, Jeder hat seine besondere Herrlichkeit, Alle aber haben einerlei Freude.

Es herrschet da die vollkommene Liebe, weil Gott ist Alles in Allem. Ihn sehen sie ewiglich; und indem sie ihn sehen, brennen sie von Liebe gegen ihn. Sie lieben und loben ihn, sie loben und lieben ihn. Ja sie loben Gott ohne Aufhören, und ohne Mühe.

O wie selig und abermal selig werde ich in alle Ewigkeit sein, wenn ich werde nach Auslösung und Ablegung dieses meines Leibes die himmlischen Freudengesänge hören, welche von den Bürgern des himmlischen Vaterlandes und den Heerschaaren der seligen Geister dem ewigen Könige zu Ehren gesungen werden! O wie selig werde ich sein, wenn ich werde mitsingen und da stehen können vor dem Herzog meiner Seligkeit, und sehe ihn in seiner Herrlichkeit, wie er mir verheißen und gesagt hat: Vater, ich will, daß wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, daß sie meine Herrlichkeit sehen, die ich bei dir hatte, ehe denn die Welt gegründet ward. Und an einem anderen Orte: Wer mir dienen will, der folge mir nach, und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Abermal sagt er: Wer mich liebet, der wird von meinem Vater geliebt werden, und ich werde ihn lieben, und mich ihm offenbaren (Joh. 14, 21).

O meine Seele, komm und laß uns alle unsere Gedanken der himmlischen Stadt zuwenden, da wir angeschrieben und zu Bürgern verordnet sind. Laß uns so viel immer möglich als Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, als Gottes Erben und Miterben Christi den herrlichen Zustand unserer weitberühmten Stadt wohl betrachten und mit dem Propheten David sprechen: »Sie ist fest gegründet auf den heiligen Bergen; der Herr liebet die Thore Zions über alle Wohnungen Jakobs. Herrliche Dinge werden in dir gepredigt, du Stadt Gottes« (Ps. 87, 2. 3).

Ei Du lieber Gott, wann werde ich denn der schönen herrlichen Stadt ansichtig werden, von der geschrieben stehet: die Pforten Jerusalems werden von Saphir und Smaragd gebauet werden, und aus Edelsteinen ringsum alle ihre Mauern?

O du heilige Stadt, du schöne herrliche Stadt, ich grüße dich, du liebe werthe Stadt, von ferne! All mein Verlangen stehet nach dir, du Traute! Ach wie herzlich gerne möchte ich bei dir sein und als ein Bürger in dir haben das Leben mein! Aber das kann mir nicht widerfahren, weil ich noch im Fleisch wohne und mich mit der alten zähen Haut herumschleppe. –

O wie bist du eine gewünschte Stadt! Alle deine Mauern sind nur ein einziger Stein. Gott der Herr selbst ist dein Hüter und Schützer. Deine Bürger sind allezeit fröhlich und guter Dinge. Wie könnten sie auch traurig sein, da sie dich stets von Angesicht zu Angesicht schauen? In dir ist keine Schwachheit, kein Gebrechen, kein Alter. In dir ist kein Zorn, Hader, Zank, Uneinigkeit, Zwietracht; sondern ewiger Friede und Einigkeit, eitel Ehre, ewige Freude, Wonne, Jauchzen und Frohlocken. In dir ist eine stete blühende Jugend und zierliche Tugend. In dir ist Heil, Leben und Seligkeit. In dir ist Gott, an dem die Auserwählten Alles haben, was ihr Herz begehret.

Herrliche Dinge werden von dir gesagt, du Stadt Gottes. Alle, die deine Einwohner sind, freuen sich von Herzen. In dir ist keine Furcht, keine Schwermuth, keine Traurigkeit. Alles was man wünschen kann, bekommt man reichlich in dir. Ja alle deine Bürger und Einwohner empfangen ein voll, gedrückt, gerüttelt und überflüssig Maaß in ihren Schooß. Alle Auserwählten sind Eins, wie der Herr Christus für sie gebeten hat: Gieb, lieber Vater, daß wie du in mir und ich in dir, also sie auch, die du mir gegeben hast, in uns Eins seien. Darum freuet sich die ganze, selige Stadt, und Alles was darin ist, frohlocket und ist guter Dinge. Die glückliche Braut hat ihre Lust und Freude daran, daß ihr der Bräutigam lieblich zuspricht, sie freundlich herzet und holdselig küsset; dafür sie ihrerseits ihren lieben Herrn, ihren Schatz über alle Schätze, lobet und preiset in alle Ewigkeit. –


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