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Der Aufblick.

Ich freue mich von Herzen und meine Seele freuet sich in Gott meinem Heiland, so oft ich mich erinnere des trostreichen Artikels vom ewigen Leben und des herrlichen Vaterlandes, da wir gläubigen Christen werden den allmächtigen Ehrenkönig und unüberwindlichen Schlangentreter, unseren einigen Erlöser und Seligmacher JEsum Christum, mit fröhlichen Augen sehen und zu den heiligen Patriarchen, Propheten und Aposteln versammelt werden, auch unsere lieben Freunde, als: Vater, Mutter, Brüder, Schwestern, Mann, Weib, Kinder und alle Bekannte, welche seliglich in dem HErrn entschlafen und im wahren Glauben vor uns hingezogen sind, mit großer Frohlockung wieder sehen. Und Gott wird abwischen alle Thränen von unseren Augen und unsere Klage verwandeln in einen Reigen. Er wird uns mit Freuden umgürten, daß unser Herz in alle Ewigkeit sich freue und solche Freude Niemand von uns nehme.

Wir werden kommen in das himmlische Jerusalem, in die Stadt des lebendigen Gottes, zu der Menge vieler tausend Engel und der Gemeinde der Erstgebornen, die im Himmel angeschrieben sind. Und daselbst werden wir mit fröhlichem Muth jauchzen über dem edlen theuren Schatz, daß der Himmel soll unser sein und alles was Christus hat an unvergänglichen himmlischen Gütern. Gott selbst wird sein unser sehr großer Lohn, unser Tempel, unser Licht und Alles in Allem, und werden wir dafür nicht nehmen aller Welt vergängliche Pracht, Ehre, Freude und Herrlichkeit. Es werden uns freundlich anblicken und anlachen die heiligen Engel, und das ganze himmlische Heer wird uns selig preisen, daß wir an JEsum Christum geglaubet und seinem wahrhaftigen Wort bis in den Tod getrauet haben.

Getrost ist mir mein Herz und Sinn, sanft und stille, so oft ich daran gedenke; und irret mich nicht, daß wir elende Erdenwürmlein und Schafe der Weide Christi auf dieser Welt sind mitten im Leben mit dem zeitlichen Tod umfangen und müssen unseres Glaubens und unserer Hoffnung halben dem Teufel und seinem verfluchten Anhang immerfort durch die Brände laufen. Es sollen die Kinder Gottes nicht verzagen, sondern warten des ewigen Lebens in der Hoffnung, ob sie schon mit Trübsal, Mangel, Hohn, Spott und Ungemach durchs Jammerthal gehen und das Elend bauen, sind trostlose Wittwen und Waisen, verhaßte Prediger, wohlgeplagte Creaturen, arme kranke gefangene und bekümmerte Leutlein, an welchen Jedermann will zum Ritter werden, die ihren Mund in den Staub stecken und lassen sich auf die Backen schlagen, leiden verkehrte Urtheile, schreien über Frevel und bekommen keine Hülfe, müssen Narren sein um Christi willen, ein Fegopfer aller Leute, wie auch ein Schauspiel den Engeln und Menschen.

Der HErr wird bald kommen und hat schon das Seufzen und Schreien seiner Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm rufen, gnädiglich erhöret. Er wird uns retten in einer Kürze und seine Kirche erfreuen nach ihrer Betrübniß. Und was wir nun eine kleine Zeit leiden auf dieser Welt, das ist nicht werth der Herrlichkeit, die an uns soll offenbaret werden. Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schaffet eine ewige und über alle Maaßen wichtige Herrlichkeit, wie sie kein Auge gesehen und kein Ohr gehöret hat und in keines Menschen Herz jemals gekommen ist. O der unaussprechlichen Glorie, die wir dort erleben werden und davon es im himmlischen Freudensaal allenthalben leuchtet zum seligen Trost und zu seliger Erquickung aller Kinder des Lichtes, welche den Teufel, die Welt und alle Anfechtungen durch Christi Blut überwunden haben! O des edlen wunderschönen Paradieses, der herrlichen Stadt Gottes und des himmlischen Landes Kanaan, da es giebt eitel Freuden-Hügel und Trost-Berge, die von lauter Trostmilch und Freudenhonig fließen! Wie muß es doch sein eine wunderschöne Welt, ein lustiger Ort, eine liebliche Wohnung, ein prächtiger Freudengarten und ein Königreich voll alles Trostes, voll aller Gnaden und voll aller Freude, da Gott der Vater sein allerlieblichst und allerfreundlichst Angesicht seinen auserwählten Kindern, Engeln und Menschen augenscheinlich und wundertröstlich offenbaret und da JEsus Christus seine Herrlichkeit sehen läßt, welche er bei dem Vater hatte, ehe denn der Welt Grund gelegt war! Desgleichen auch Gott der heilige Geist wunderlieblich und wunderfreundlich gesehen wird in dem Vater und in dem Sohn. O des schönen edlen Lebens, da die heiligen Engel mit Freuden loben; da die lieben Patriarchen, Propheten und Apostel wohnen, da alle gottseligen Christen aus dieser untreuen, schnöden Welt zu ihrem Volk hin versammelt werden; da unsere gottseligen Eltern, Mann, Weib, Kinder, Geschwister und andere Bekannte im Glauben und Vertrauen auf Christi Blut vor uns hingezogen sind und warten unserer Ankunft mit großer Freude und Wonne!

»O du seliges Leben, sagt Augustinus, welches Gott denen, so ihn lieben, bereitet hat! Wie bist du doch ein recht lebendig Leben! Du bist ein selig Leben, du bist ein beständig sicher Leben, du bist ein still geruhsam Leben, du bist ein reines keusches Leben, du bist ein heiliges Leben, du bist ein ewiges freudenreiches Leben, da man von keinem Tode, von keiner Traurigkeit und Betrübniß höret. Du bist ein Leben ohne Makel, ohne Angst und Noth, ohne Verwesung und Aenderung, ohne Furcht, Schrecken und Entsetzen. Du bist ein Leben, darin alles überaus hübsch, schön, zierlich und lustig ist; da kein Widersacher sich wieder uns auflehnet; da keine Anreizung zur Sünde, da eine vollkommene Liebe, einerlei Herz, Muth und Sinn und eine beständige Einigkeit, da ein ewiger heller, lichter Tag ist; da Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen wird und da mit dieser Speise des Lebens der Mensch also gesättigt wird, daß ihn nimmer mehr hungert.«

O du ewiges seliges Leben, das ist meines Herzens Wunsch und Freude, daß ich daran gedenke, wie herrlich es in dir zugehet. Deine vortrefflichen Güter erlustigen mich von Herzen, nach ihnen habe ich ein sehnlich Verlangen. Und jemehr ich dir nachdenke und deine Lieblichkeit und Süßigkeit beherzige, je mehr die Begierde und das Verlangen nach dir in mir wächst und zunimmt. Und so oft ich an dich gedenke, so lacht mir vor Freuden das Herz in meinem Leibe. Darum habe ich meine Lust daran, daß ich mein Herz, Muth und Sinn zu dir kehre und deine Lieblichkeit anbetend erwäge.

Es ist meine Lust daß ich von dir rede, von dir höre, von dir schreibe, von dir Gespräch halte und von deiner ewigen Seligkeit und himmlischen Herrlichkeit alle Tage lese; und was ich gelesen habe, daß ich solches schließe in meines Herzens Schrein, und ihm stets nachdenke, damit ich also mich abreiße von der hitzigen Sorgfältigkeit, Gefahr, Mühe und Arbeit dieses sterblichen und vergänglichen Lebens und erquicke mich wie ein Pilgrim und Wandersmann mit der süßen, kühlen Luft deiner lebendigen Güte, auf daß ich möge, wenn ich will schlafen gehen, das müde Haupt in deinen Schooß niederlegen und in dir meine Ruhe finden, du ewiges Leben.

Um dieser Ursach willen weide ich mich auf der lustigen schönen Wiese der heiligen Schrift und breche daselbst mit fleißiger Hand ab viele grüne trostreiche Sprüchkräutlein. Diese verzeichneten Sprüche lese ich nicht anders, als äße und schmeckte ich die abgebrochenen Kräutlein. Und gleich wie einer wiederkäuet, also denke ich ihnen fleißig nach; und wenn ich sie wohl betrachtet, erwogen und zusammengebracht habe, dann lege ich sie hin und schließe sie in mein Herz, damit durch solchen Geschmack deiner Süßigkeit ich die Bitterkeit dieses allerelendesten Lebens um so viel weniger fühle.

O ewiges Leben, du bist fürwahr ein seliges Reich! Du weißt von keinem Tode und hast kein Ende. In dir ist eine Ewigkeit und keine Veränderung der Zeit. Da ist ein Tag, der keine Nacht läßt kommen, sondern währet und bleibet ewiglich. Ein christlicher Ritter, der die Welt, den Teufel, den Tod und alles Unglück überwunden hat, der ist da ein Consort, Bruder und Gesell der englischen Throne und Herrschaften, welche immer mit jauchzender Stimme Gott loben, und singt ohn Unterlaß unserm lieben Gott das Freudenlied von der Herrlichkeit Zions und trägt die Krone des ewigen Lebens auf seinem Haupte.

O daß doch irgend ein Mensch auf Erden wäre, der hiervon so lieblich, so herrlich, so tröstlich und so anmuthig reden, singen, predigen und schreiben könnte, daß unter den betrübten, angefochtenen Kindern Gottes viele Herzen damit zur seligen Freude erweckt und reichlich getröstet würden! Wie kommts doch, o lieber Gott, daß wir so träge sind zu glauben deinem heiligen Wort, das vom ewigen Leben zeuget und uns in prophetischer und apostolischer Schrift verkündiget ist? O daß es möchte durch Kraft und Wirkung deines heiligen Geistes wie ein Licht in unseren Herzen brennen! fließen wie ein fruchtbarer Regen, der auf das Gras träuft, und fallen wie ein Thau der das Kraut befeuchtet! O daß es möchte wie durchdringende Spieße und Nägel uns zu Herzen gehen und eitel reichen Trost und lebendige Freude gebären, zur Linderung und Abwendung der großen Traurigkeit, Schwermuth und Anfechtungen, damit deine elenden Christen in diesem Jammerthal unablässig gekränkt, gemartert und wohl geplaget werden.

Wahr ist's, lieber HErr Gott, und wir müssen es ja bekennen: es ist dies edle süße Geheimniß für unsere Vernunft viel zu tief verborgen, die Freude ist zu groß und die Herrlichkeit zu wichtig. Dagegen ist unser Herz zu eng, die Augen sind zu schläfrig und unser Verstand ist viel zu schwach und viel zu ungeschickt, solche Hoheit zu fassen und zu begreifen. Und ob wohl deine erleuchteten Kinder auf dieser Welt etwas davon einnehmen und etlicher maaßen verstehen, daß sie davon reden, singen und schreiben: – so ist doch all ihre Wissenschaft und Weissagung lauter Stück- und Stümpelwerk, und ein kindischer Anfang. Darum bin ich in mir selbst bestürzt und denke: wie soll ich von der Freude des ewigen Lebens vollkömmlich reden und schreiben, da ich sie nicht kann vollkömmlich verstehen, noch mit Gedanken vollkömmlich erreichen? Und was mir nicht überall ins Herz kommt, wie soll ich das überall auf die Zunge bringen, und richtig in die Feder lassen laufen?

Es ist ja wahr: Perikles, Demosthenes, Cicero, Isokrates und dergleichen weltberühmte Redner, wenn sie gleich diesen Artikel recht verständen, würden sie doch mit aller ihrer Beredtsamkeit viel zu schwach und zu gering sein, alles recht zu treffen und genugsam zu beschreiben.

Aber doch willst Du, lieber Gott, und befiehlst ja in Deinem Wort, daß wir in dieser Welt mit unserm Stückwerk den Anfang machen sollen und vom ewigen Leben so viel reden, predigen, singen und sagen als uns die heilige Schrift davon offenbaret. O wohl dem Volk, sagt David (Ps. 89, 16. 17.), das jauchzen kann. HErr, sie werden im Licht Deines Angesichts wandeln. Sie werden über Deinem Namen täglich fröhlich sein und in Deiner Gerechtigkeit herrlich sein. Und Ps. 36, 9. 10: Trunken werden sie von den reichen Gütern Deines Hauses und Du tränkest sie mit Wollust als mit einem Strom. Denn bei Dir ist die lebendige Quelle, und in Deinem Lichte sehen wir das Licht. Es ist vor Dir Freude die Fülle, und lieblich Wesen zu Deiner Rechten ewiglich (Ps. 16.). Darum (Ps. 108) ist's, o Gott, mein rechter Ernst. Ich will singen und dichten, meine Ehre auch. Wohl auf, Psalter und Harfen, ich will frühe auf sein. – Himmel (Ps. 96), freue dich, und Erde sei fröhlich; das Meer brause, und was darinnen ist! Das Feld sei fröhlich, und alles was darauf ist, und lasset rühmen alle Bäume im Walde!

Ei, Du lieber Gott, laß uns doch auch also frohlocken, daß wir nach solcher Vermahnung Deines Propheten David mögen über Deinem Namen täglich fröhlich und in Deiner Gerechtigkeit herrlich sein! Ei laß uns doch von Deiner himmlischen Gnade singen, so viel uns davon offenbaret ist, und Deine Wahrheit rühmen mit unserem Munde für und für! Ei laß uns zu Deinen Thoren eingehen mit Danksagung und zu Deinen Vorhöfen mit Lob, Ruhm und Preis Deines Namens! Bring uns zu Deinem heiligen Berge und zu Deiner Wohnung, HErr unsere Freude und Wonne, daß wir sehen und erkennen Deine große Güte, die Du verborgen hast denen die Dich fürchten, und breitest sie aus über alle die Dich kennen.


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