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Kapitel 2.
Die deutschen Unternehmen im Systeme der internationalen Polarforschung.

Obgleich – wie aus dem vorhergehenden Kapitel hervorgeht – die durch den Zweiten Meteorologen-Kongreß in Rom angeordnete grundlegende Versammlung zur Berathung der bei der systematischen Polarforschung zu befolgenden Grundsätze in den ersten Tagen des Oktober 1879 in Hamburg stattfand und der aus derselben hervorgegangenen internatonalen Polar-Kommission ein Deutscher, der Herausgeber dieses Werkes, präsidirte, so war doch die Betheiligung des deutschen Reiches keineswegs gewährleistet. In der That bedurfte es noch einer ganz erheblichen Thätigkeit, damit die für die Realisirung einer Betheiligung Deutschlands erforderlichen Vorbedingungen erfüllt werden konnten. Vor dem Deutschen Geographentage in Berlin, im Juni 1881, hatte Dr. Neumayer über die Bedeutung magnetischer Forschungen für die allgemeine Weltanschauung einen Vortrag gehalten und bei dieser Gelegenheit obiges Thema in enge Beziehung zur systematischen Polarforschung gebracht. Der Zweck dieses Vortrages war, die Wichtigkeit einer Betheiligung Deutschlands an dem Unternehmen zu beleuchten, da zu jener Zeit Seitens der Reichsregierung ein befriedigender Abschluß noch nicht herbeigeführt war. Erst im December desselben Jahres ertheilte man Dr. Neumayer Seitens des Reichsamtes des Innern, oder eigentlich Seitens des Chefs der Admiralität, den ehrenvollen Auftrag, nunmehr mit den einleitenden Schritten, welche einer Betheiligung Deutschlands an der systematischen Polarforschung vorauszugehen hatten, zu beginnen und namentlich nunmehr endlich mit der Bestellung der Instrumente vorzugehen. Gleichzeitig wurde eine Deutsche Polar-Kommission ernannt und das baldige Zusammentreten derselben in Berlin ins Auge gefaßt. Alles dies geschah zu einer Zeit, da die meisten der übrigen, an der Polarforschung theilnehmenden Nationen schon mit ihren Vorbereitungen zu Ende waren oder doch dieselben so weit gefördert hatten, daß über deren rechtzeitige Beendigung kein Zweifel obwalten konnte. Die internationale Polar-Kommission hatte auf ihrer letzten Versammlung in St. Petersburg im August 1881, welcher kein deutscher Delegirter anwohnte, stipulirt, daß die Periode der gemeinsamen Forschung im August oder September des nächsten Jahres zu beginnen habe. Es ist einleuchtend, daß – sollte dieser Termin innegehalten werden – Alles aufgeboten werden mußte, die deutschen Gelehrten rechtzeitig im Felde erscheinen zu lassen. In den Tagen vom 29. November bis 2. December wurden in erster Linie die umfassenden Bestellungen magnetischer Apparate bei Herrn Dr. Edelmann in München besprochen und ist hier die Stelle, zu konstatiren, daß Dr. Neumayer, welcher mit den Bestellungen betraut war, der größten Zuvorkommenheit Seitens dieses Gelehrten begegnete, indem sich derselbe verpflichtete, bis zum Monate April 1882 die ausgedehnte Bestellung zu realisiren und die zahlreichen Instrumente, welche zum Theil nach neuen Konstruktionen auszuführen waren, persönlich um die genannte Zeit in Hamburg abzuliefern. Die Räumlichkeiten der Deutschen Seewarte, welche damals nur erst einige Monate ihrem Zwecke übergeben worden waren, sollten als Sammelstelle für die verschiedensten Ausrüstungsgegenstände und als Sitz der Organisation der deutschen Unternehmungen angesehen werden. Die Lage der bei diesen einleitenden Schritten betheiligten Persönlichkeiten war keineswegs eine beneidenswerthe. Die Kürze der noch gelassenen Frist, die an und für sich große Schwierigkeit der Ausrüstung solcher Unternehmen wurde noch dadurch besonders erhöht, daß Dr. Edelmann um jene Zeit fast von allen an dem Unternehmen sich beteiligenden Nationen in gleicher Weise in Anspruch genommen war und die größte Anstrengung zu machen hatte, damit die mit aller Sorgfalt auszuführenden Instrumente rechtzeitig geliefert werden konnten.

Mitte December 1881 trat in den Räumen des Hydrographischen Amtes in Berlin die von der Reichsregierung einberufene Deutsche Polar-Kommission zusammen. Diese Kommission bestand damals aus folgenden Herren: Dr. Neumayer, Vorsitzender, Contre-Admiral Freiherr von Schleinitz, stellvertretender Vorsitzender, die Professoren von Bezold, Börgen, Förster, Geheimrath von Helmholtz, Dr. G. Nachtigal, Direktor P. Schreiber, Geheimrath W. von Siemens. Zum wissenschaftlichen Sekretär dieser Kommission wurde Dr. E. Herrmann erwählt. Hiermit war die Angelegenheit der Beteiligung Deutschlands an der internationalen Polarforschung in das Stadium der Ausführung vorgerückt. Gleich nach Abschluß der Berathungen, wobei die designirten Leiter der Expeditionen, die Herren Dr. Giese und Dr. Schrader zugezogen worden waren und die Beschaffung der Transportmittel für die beiden beschlossenen Hauptexpeditionen erhebliche Schwierigkeiten bot, wurde an die definitive Bestellung der Apparate, Instrumente etc. und an die Gewinnung des erforderlichen wissenschaftlichen Personals geschritten. Die betreffenden Anordnungen wurden einem Exekutiv-Ausschusse, bestehend aus den Herren Dr. Neumayer, Contre-Abmiral Freiherrn von Schleinitz, Dr. G. Nachtigal und Professor Börgen anvertraut. In den ersten Tagen des Monats Februar trat dieser Ausschuß zu einer entscheidenden Sitzung in Hamburg zusammen.

Es würde die Geschichte dieses internationalen Unternehmens nicht vollständig sein, wollte mein die Thatsache unerwähnt lassen, daß im März 1881 derjenige Mann, welcher sich um das Zustandekommen desselben die größten Verdienste erworben hat, nach langen Leiden starb und so die Realisirung seiner Wünsche, für die er seine besten Kräfte eingesetzt hatte, nicht erleben sollte. Der k. k. Linienschiffs-Lieutenant Dr. Karl Weyprecht starb am 29. März in Michelstadt im Odenwalde und wurde auf dem Kirchhofe des benachbarten Dorfes König an der Seite seines ihm vorangegangenen Vaters zur Ruhe bestattet. Die internationale, sowie die Deutsche Polar-Kommission waren durch ihren Vorsitzenden, Dr. Neumayer, bei den Beerdigungs-Feierlichkeiten vertreten und ließen als Zeichen der hohen Anerkennung und Würdigung der Verdienste Weyprechts um die wissenschaftliche Forschung Kränze auf das Grab des verstorbenen Kollegen niederlegen. Es war gewiß ein hartes Geschick, welches den unermüdlichen und opfermuthigen Forscher zu einer Zeit aus diesem Leben abrief, welche ihm die Erfüllung seiner Wünsche brachte und ihn die Resultate seines rastlosen Strebens ahnen ließ.

Der Exekutiv-Ausschuß, welcher im Februar zu einer Sitzung zusammentrat und sich gelegentlich des Rathes der Polarfahrer Kapitäne Koldewey und Hegemann bedienen konnte, beschäftigte sich in erster Linie mit den Vorbereitungen zur Ausführung der beiden von der Polar-Kommission beschlossenen Expeditionen, wovon die eine nach dem Cumberland-Golf in der Davis-Straße, die andere nach der Insel Süd-Georgien im südatlantischen Ocean bestimmt war. Gleichzeitig wurde aber auch der Aussendung einer supplementären Expedition nach der Küste von Labrador die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet und kann man sich wohl denken, in welch hohem Grade bei der knapp zugemessenen Zeit die Thätigkeit des Exekutiv-Ausschusses in Anspruch genommen war. Vielleicht kaum zuvor wurde in ähnlichen Fällen so Vieles geleistet, was die eingehendste Sorgfalt erforderte und wofür kaum die nöthige Zeit gelassen war, als damals in den Räumen der Deutschen Seewarte. Wenn auch der Erfolg den Erwartungen im Allgemeinen entsprochen hat, so möchte es doch für alle kommenden, ähnlichen Fälle dringend anzurathen sein, sich hinsichtlich der Zeit keine solche Beschränkung aufzuerlegen, wie es von Seiten des Exekutiv-Ausschusses der Deutschen Polar-Kommission zu geschehen hatte. Nur durch die äußerste Anstrengung aller betheiligten Kräfte war es überhaupt möglich, die Expeditionen noch rechtzeitig auszusenden.

Begreiflicherweise war die Gewinnung für die Expeditionen geeigneter Kräfte mit vielen Schwierigkeiten verknüpft. Von der Wahl der Persönlichkeiten für die Leitung der wissenschaftlichen Unternehmungen hing nicht nur deren glücklicher Verlauf überhaupt, sondern auch der Werth der Ergebnisse ab. Dabei fiel der Umstand ganz besonders ins Gewicht, daß in Deutschland geübte Beobachter auf dem Gebiete des Erdmagnetismus sehr spärlich – wenn überhaupt auch hinsichtlich des Alters entsprechend – vorhanden waren; und doch waren gerade hierin die zu überwindenden Schwierigkeiten ganz erhebliche. Da es auch wünschenswerth erschien, den zur Mitwirkung herangezogenen Kräften einen Einfluß auf Ausstattung und Organisation der Expeditionen zu gestatten, so mußte Alles aufgeboten werden, um mit der Wahl des Personals mit dem Ablauf des Monats März 1882 zu Ende zu kommen. Und wirklich gelang es den Bemühungen des Exekutiv-Ausschusses, auch diesen wichtigen Theil der gestellten Aufgabe so schleunig zu einem befriedigenden Ende zu führen, daß in den ersten Tagen des Monats April Gelehrte, wie Mannschaften, nach Hamburg einberufen werden konnten. Es war ein reges Leben, welches sich hier nun entwickelte in den Räumen der Seewarte und zum Theil auch in dem Kaiserl. Observatorium in Wilhelmshaven.

Für die Leitung der Nord-Expedition nach dem Cumberland-Golf wurde Dr. W. Giese, für jene der Süd-Expedition Dr. K. Schrader ausersehen. Als Adjunkt des ersteren hatte nach den Beschlüssen des Exekutiv-Ausschusses der Astronom Leopold Ambronn, Hülfsarbeiter an dem Chronometer-Institute der Deutschen Seewarte, als solcher für den letzteren Dr. P. Vogel, Lehrer der Physik und Mathematik an der Militär-Bildungsanstalt in München, zu funktioniren. Die Deutsche Polar-Kommission hatte es von vornherein als wünschenswerth bezeichnet, daß auch den Interessen der beschreibenden Naturwissenschaften bei den deutschen Unternehmen im Systeme der internationalen Polarforschung Rechnung getragen werden sollte. Daher war bei der Wahl des Personales auch darauf zu rücksichtigen und erwartete man namentlich, daß die die Expeditionen begleitenden Aerzte sich auf dem einen oder anderen Gebiete der beschreibenden Naturwissenschaften thätig erweisen konnten. Dr. Karl von den Steinen, der sich auf längeren See- und Landreisen bereits Uebung im Anlegen zoologischer Sammlungen erworben hatte, begleitete als Arzt und Zoologe die Expedition nach Süd-Georgien, Dr. W. Schliephake aus Würzburg jene nach dem Cumberland-Golfe. Letzterer hatte auch die Interessen der Botanik zu vertreten, während zu diesem Zwecke Dr. H. Will aus Erlangen nach dem Süden gesandt wurde. Als Ingenieur und Zeichner begleitete die Süd-Expedition der Ingenieur E. Mosthaff aus München, die Nord-Expedition K. Boecklen aus Eßlingen. Von den beiden Mathematikern und Physikern, Dr. O. Clauß aus Mannheim und H. Abbes aus Bremen wurde der erstere der Expedition nach dem Süden, der zweite jener nach dem Norden als Assistent zugetheilt. Als Mechaniker begleiteten die Nord-Expedition H. Seemann aus Hamburg und die Expedition nach dem Süden A. Zschau aus Dresden.

Dr. Ludwig Rösch aus Oettingen, der zur Theilnahme an der Expedition nach dem Norden designirt worden war, sollte in erster Linie als Meteorologe thätig sein. Er hatte sich zu diesem Behufe speciell vorbereitet und insonderheit sein Augenmerk auf die systematische Analyse der atmosphärischen Luft gerichtet. Ein unseliges Geschick, ein Sturz an Bord des deutschen Expeditionsschiffes »Germania« im Hafen von Hamburg, hatte diesem vortrefflichen jungen Manne ein vorschnelles Ende bereitet. Er starb wenige Tage vor dem Abgange der Nord-Expedition am 23. Juni 1882. An seine Stelle trat in der Folge Steuermann A. Mühleisen aus Eßlingen, dem die besondere Pflicht auferlegt wurde, dem Kapitän des Expeditionsschiffes »Germania« in der demselben gestellten schwierigen Aufgabe der Navigirung im hohen Norden mit Rath und That zur Seite zu stehen.

Von den Mannschaften, die den Expeditionen beigegeben waren, wird später die Rede sein; es wurden dieselben mit Rücksicht auf die verschiedenen zu vertretenden Gewerbe ausgewählt.

Da die Aussendnug einer Expedition nach den Küsten von Labrador beschlossen worden war, so hatte der Exekutiv-Ausschuß auch für diese Mission einen passenden Gelehrten auszuwählen; die Wahl fiel auf den Privatdocenten an der Universität Freiburg im Breisgau, Herrn Dr. K. R. Koch aus Stettin.

Bei der Gewinnung des wissenschaftlichen Personales erbat sich der Exekutiv-Ausschuß die Unterstützung der Universitäten und technischen Hochschulen Deutschlands, da derselbe – und gewiß mit Recht – Gewicht darauf legte, daß an denselben gebildeten jüngeren Physikern und Astronomen Gelegenheit gegeben werde, sich auf den bevorstehenden wissenschaftlichen Expeditionen jene Erfahrungen zu erwerben, ohne welche ein ersprießliches Wirken auf Reisen im Interesse wissenschaftlicher Forschung nicht gedacht werden kann. Die bereitwillige Unterstützung, welche dem Exekutiv-Ausschusse Seitens der Behörden der Hochschulen, wissenschaftlichen Anstalten u. s. w. zu Theil wurde, legt demselben die Pflicht auf, an dieser Stelle dankbar anzuerkennen, daß seine Aufgabe durch die Gewährung dieser Unterstützung wesentlich gefördert wurde.

In den Monaten April, Mai und theilweise Juni gelangten die verschiedenen Instrumente und Apparate auf der Deutschen Seewarte zu Ablieferung. Unter der Leitung des Direktors dieses Institutes und des Vorstandes des Kaiserl. Observatoriums in Wilhelmshaven, Prof. Börgen, wurden die einzelnen Instrumente geprüft, aufgestellt und zu Uebungen für das Personal der verschiedenen Expeditionen benutzt. Bei dieser, theilweise recht anstrengenden Arbeit gewährte Herr Dr. M. Th. Edelmann aus München eine werthvolle Hülfe, wofür zu danken hier nicht unterlassen werden darf. Nachdem diese Uebungen beendigt waren, ging es an die Verpackung des ganzen Apparates beider Expeditionen, wobei die größte Sorgfalt darauf verwendet wurde, die werthvollen Gegenstände vor Schaden zu bewahren. Wie leicht konnte nicht – gelangte eins oder das andere der Instrumente beschädigt an dem Bestimmungsorte an – die Erfüllung des Zweckes der Unternehmen in empfindlicher Weise beeinträchtigt werden. Ein Beweis dafür, daß die gestellte Aufgabe in befriedigender Weise gelöst wurde, mag darin erblickt werden, daß kein namhafter Apparat oder kein Instrument in unbrauchbarem Zustande an den Ort seiner Bestimmung gelangte und nichts Wesentliches vermißt wurde.

Die gleiche Sorgfalt und Umsicht, wie bei Auswahl und Verpackung der Instrumente, mußte auch auf Auswahl, Verpackung und Versendung der Häuser, der Utensilien für den Haushalt, des Proviants u. s. w., verwendet werden. Hatte man doch darauf Bedacht zu nehmen, daß die Stationen unter gewissen Eventualitäten für die Dauer von 18 Monaten unterhalten werden mußten.

Die wissenschaftliche Ausstattung ist in dem Hauptwerke, Band I, Seite XVII und XVIII und Band II, Seite XVI und XVII, wo Verzeichnisse der mitgegebenen wissenschaftlichen Ausrüstungs-Gegenstände zum Abdrucke gelangten, eingehend behandelt, weshalb wohl hier davon abgesehen werden darf, dieselbe nochmals ins Einzelne gehend zu kennzeichnen. Nur hinsichtlich der Bücher, Werke, Karten u. s. w., welche den Expeditionen mitgegeben wurden, mag darauf hingewiesen werden, daß im Anhange zu diesem Bande, Seite 92 bis 97 alles in dieser Hinsicht Wünschenswerthe niedergelegt ist. Ein Gleiches gilt von der sonstigen Ausrüstung, welche im Anhange V, Seite 85–92 besprochen ist. Es mag zu dem dort Gesagten noch Weniges bezüglich der Wohnhäuser, welche den Expeditionen nach dem Norden und nach dem Süden mitgegeben wurden, hinzugefügt werden. Die Konstruktion der Wohnhäuser, welche sich durchaus bewährte, war im Allgemeinen die folgende. Die Unterlage, welche auf eine planirte Grundfläche zu stellen war, bildeten 5 Stück Längsschwellen von 13,4 m Länge; auf diese wurden 15 Stück Querbalken von 8,5 m Länge gelegt. Darauf folgte ein Rahmen, in welchem die 2,3 m hohen Eck- und Wandpfosten eingesetzt wurden, die durch einen, dem Bodenrahmen entsprechenden Deckenrahmen festen Stand erhielten. Zu die zwischen den Wandpfosten befindlichen Felder wurden von außen Einschubtafeln eingesetzt, flache mit gebröckeltem Torf gefüllte Kisten; Thüren und Fenster blieben frei. Von innen wurden die Wandfelder durch einfache Bretter vernagelt, so daß außer der Torfschicht eine dreifache Bretterwand vorhanden war. Auf den oberen Rahmen wurden 13 Deckbalken gelegt und an diesen der im First 1 m hohe Dachstuhl befestigt. Vom Erdboden bis zum First betrug die Höhe des Hauses 3,8 m . Das Dach bestand aus Holztafeln, welche mit Dachpappe überzogen waren.

Von den 5 Längsbalken der Unterlage gingen nach den Pfosten der beiden Giebelseiten je 5 Strebebalken; ebenso gingen auf beiden Längsseiten von 6 vorstehenden Querbalken Streben in die Höhe. An jeder Giebelwand stand ein Mast, an der nördlichen der Flaggenmast, an der südlichen der mit Steigsprossen versehene Mast für Windfahne und Anemometer. Beide Masten waren durch Drähte nach dem Boden hin festgespannt. Die diesem Bande beigefügte Ansicht der deutschen Station Kingua-Fjord giebt ein recht anschauliches Bild von dem Aussehen und der Art der Konstruktion der Wohnhäuser.

Der Boden im Hause bestand aus 3 Bretterlagen, zwischen welchen sich eine Füllung von Torf befand; ebenso war die Decke doppelt.

Der Innenraum des Wohnhauses wurde durch einen Gang, welcher quer zur Längsrichtung durch das Gebäude führte, in 2 ungleiche Theile geschieden. An den beiden Enden des Ganges befanden sich die beiden Eingangsthüren zu dem Hause. Betrat man dasselbe von der Ostseite aus, so lag rechts vorn der Wohnraum für die Arbeitsleute, welcher zugleich als Küche diente, und nach der Rückseite des Hauses die kleine Werkstätte des Mechanikers. Links befand sich der Wohnraum für die Expeditions-Mitglieder und an der Rückwand des Hauses der Proviantraum. Von dem Wohnraume waren abgetrennt in der Ecke rechts vom Eintretenden ein Kabinet für den Leiter der Expedition und entlang der dem Eintretenden gegenüber befindlichen Wand 3 durch Rollthüren verschließbare Kojen, deren jede eine ins Freie führende kleine Fensteröffnung hatte. Diese Kojen, von der Größe und Einrichtung der Schiffskabinen, mit 3 Betten über einander, waren für je 3 Herren bestimmt.

Für Zufuhr frischer Luft im Wohnraume wurde eine Thonröhren-Leitung unter den Boden des Hauses geschoben, welche gerade unter dem Meidinger-Ofen, welcher zur Heizung benutzt wurde, mündete. Auf diese Weise war für eine kräftige Ventilation Sorge getragen worden. Siehe auch Anhang V zu diesem Bande. Das Haus für die erdmagnetischen Variations-Beobachtungen, das »Variationshaus«, war gleichfalls in beiden Stationen von derselben Konstruktion, welche aus der schon angeführten und diesem Bande beigegebenen Ansicht der deutschen Station Kingua-Fjord ersehen werden kann. Es erscheint dasselbe auf dieser Ansicht links von dem Wohnhause und war 7,0 m lang und 5,25 m breit mit einer entsprechenden Höhe.

Der pavillonartige achtkantige Bau, welcher auf unserer Zeichnung eben links vom Wohnhause erscheint, war für absolute magnetische Messungen bestimmt und hatte einen Durchmesser von 2,75 m . An den magnetischen Observatorien durfte kein Eisen verwendet werden; alle Bolzen, Bänder und Nägel waren aus Holz, Messing oder Kupfer.

Von allen diesen Bauten befanden sich detaillirte Pläne mit einer eingehenden Instruktion für deren Aufbau in den Händen des Leiters jeder derselben, und da überdies jedes einzelne Stück genauestens gezeichnet war, so konnte bei einiger Vorsicht beim Wiederaufbau an Ort und Stelle ein Irrthum kaum vorkommen.

Alle weiteren Schilderungen über Einzelheiten der zu den Beobachtungen erforderlichen Einrichtungen können hier füglich übergangen werden, da sie bereits in dem Hauptwerke gegeben sind.

Eine besondere Sorgfalt hatte der Exekutiv-Ausschuß dem Entwerfen der für die Expeditionen maaßgebenden Instruktionen zuzuwenden. Diese theilen sich in solche, welche sich auf die Organisation und die Disciplin der Expeditionen beziehen, und solche, welche die wissenschaftliche Arbeit regelten und die Anleitung zu deren Ausführung gaben. Begreiflicherweise war bei der Natur der zur Besetzung ausgewählten Stationen, an welchen die Expeditionen ganz auf ihre eigenen Hülfsmittel sich verlassen mußten, da dieselben ferne von aller Civilisation ihre Thätigkeit aufzunehmen und mindestens während Jahresfrist durchzuführen hatten, die größte Umsicht im Entwerfen allgemeiner Instruktionen anzuwenden. Diese allgemeinen Instruktionen wurden am 31. Mai 1882 vom Exekutiv-Ausschuß erlassen und zur Kenntniß der einzelnen Expeditions-Mitglieder gebracht. Die Verträge mit diesen wurden auf Grundlage derselben abgeschlossen, und zwar für alle in gleicher Weise, nur daß einzelnen Mitgliedern die Möglichkeit gelassen wurde, nach dem Abschlusse der Expeditionen sich von dem Unternehmen zu trennen und selbstständig noch anderweite Forschungsreisen zu unternehmen. Bekanntlich wurde von dieser Freiheit der Bewegung von Seiten der Herren Dres. von den Steinen, O. Clauß und P. Vogel Gebrauch gemacht; die beiden zuerst Genannten unternahmen Forschungsreisen in das Gebiet des Xingu, nachdem sie aus dem Verbande der Süd-Expedition getreten waren. Der erste Paragraph der »Allgemeinen Instruktion für die Expeditionen der Deutschen Polar-Kommission« lautet folgendermaaßen:

»Im Auftrage der Deutschen Reichs-Regierung sendet zur Unterstützung der systematischen internationalen Polar-Forschung die Deutsche Polar-Kommission auf Kosten des Reiches eine Expedition nach dem Norden und eine zweite nach dem Süden.

»Die Aufgabe dieser beiden Expeditionen ist:

»1. Die Errichtung je einer Station in dem Arktischen oder Subarktischen und dem Antarktischen oder Subantarktischen Gebiete, welche in Gemäßheit mit den Beschlüssen der internationalen Polar-Konferenzen in Hamburg, Bern und St. Petersburg einzurichten und während der Dauer der festgesetzten Beobachtungs-Epoche in Thätigkeit zu erhalten sind.

»2. Die durch die Beschlüsse letzterer Konferenzen als obligatorisch bezeichneten Beobachtungen auf dem Gebiete des Magnetismus der Erde und der Meteorologie in voller Uebereinstimmung mit den internationalen diesbezüglichen Vereinbarungen anzustellen und von den fakultativen Beobachtungen alles das auszuführen, was sich ohne Schädigung der erstgenannten Gattung von Beobachtungen erreichen läßt.

»3. Die Resultate sämmtlicher Beobachtungen, seien dieselben an der Station oder auf einer Inland-Expedition oder auf der Reise zur Station und von derselben zurück nach Europa ausgeführt, in solcher Weise an die Deutsche Polar-Kommission abzuliefern, daß die Bearbeitung derselben ohne Anstand und Verzug unternommen werden kann.«

In den übrigen Paragraphen wird die Stellung und die Funktion der einzelnen Mitglieder präcisirt und Sorge dafür getragen, daß die Wohlfahrt und namentlich die Gesundheit Aller gewährleistet sei, sofern dies durch menschliche Anordnungen zu geschehen vermag. Auch wurden für den Fall, daß die Expeditionen nach Ablauf der ersten zwölf Monate nicht abgeholt werden könnten, bestimmte Verfügungen getroffen und für jede der beiden Hauptexpeditionen gesonderte Weisungen gegeben. Den einzelnen Special-Untersuchungen wurden in § 12 Instruktionen gewidmet und dabei strengstens geschieden zwischen obligatorischen und fakultativen Arbeiten. In § 16 werden die Stipulationen über Führung der Tagebücher im Einzelnen aufgeführt, und zwar in erster Linie solcher, welche für die Verwaltung dienen. Es bezogen sich dieselben auf folgende Tagebücher: 1. Das Stations-Tagebuch, 2. das Arbeits-Tagebuch, 3. das Verwaltungs- und Proviant-Tagebuch, 4. das Kassen- und Rechnungsbuch, 5. das Inventarium, 6. das Sanitäts-Tagebuch. Von den Tagebüchern für die Beobachtungen, die sodann behandelt werden, wird sogleich die Rede sein. Zunächst mag nur Einiges über die wissenschaftliche Instruktion hier angeführt werden.

Der Exekutiv-Ausschuß hatte sich, um die bevorstehenden Unternehmungen so ausgiebig als möglich zu gestalten, an wissenschaftliche Anstalten, Vereine und namentlich höhere Lehranstalten Deutschlands gewendet, damit auf diesem Wege wissenschaftlichen Wünschen, Desideraten der Forschungen auch von außerhalb der Polar-Kommission nach Maaßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel Rechnung getragen werden könnte. Werthvolles ist auf diese Weise bei dem Bureau des Exekutiv-Ausschusses eingegangen und konnte in den wissenschaftlichen Instruktionen, von welchen hier das Wesentlichste gegeben werden soll, Verwendung finden. Im Nachfolgenden wird ein Auszug dieser Instruktionen, wie sie in dem Hauptwerke Bd. I, Seite 9 u.ff. enthalten sind, gegeben werden.

»Die wissenschaftlichen Instruktionen umfassen die folgenden einzelnen Abschnitte:

I. Instruktion für die astronomischen Beobachtungen.

II. Die Etablirung und die Anordnung der einzelnen Bestandtheile der Station.

III. Instruktion für die Meteorologischen Beobachtungen von Kapitän Koldewey und Dr. W. Köppen.

IV. Ermittelung der mittleren Temperatur der höheren Breiten in der südlichen Hemisphäre von Prof. J. Hann.

V. Der Barograph von Dr. A. Sprung.

VI. Instruktion über die Umgebung der Insel Süd-Georgien.

VII. Der Meteorograph zum Beobachten von Meteoren und Polarlicht-Parallaren mit 1 Zeichnung.

VIII. Anemograph und Anemoskop.

IX. Instruktion zum Errichten der Pfeiler für die Beobachtungs-Instrumente mit Skizzen.

X. Anleitung zum Beobachten der Dämmerungs-Erscheinungen von Prof. von Bezold.

XI. Instruktion für die geodätischen Operationen von Prof. Dr. Fischer, Sektionschef im geodät. Institut.

XII. Vorschläge und Bemerkungen, betreffend die Beobachtung der astronomischen Strahlenbrechung von Prof. Dr. H. Bruns.

XIII. Instruktion für die magnetischen Variations-Beobachtungen. Mit Plan für das Observatorium.

XIV. Instruktion für die absoluten magnetischen Beobachtungen.

XV. Allgemeine Instruktion für Beobachtungen der Erdströme von Siemens & Halske, Berlin.

XVI. Instruktion für Erdstrom-Beobachtungen vom Vorsitzenden des Erdstrom-Comités, Prof. Dr. Kirchhoff.

XVII. Instruktion für Spektral-Beobachtungen von Prof. Dr. H. Vogel, Potsdam.

XVIII. Beschreibung und Gebrauchsanweisung für Tiefsee-Thermometer von Negretti und Zambra, mit Zeichnungen.

XIX. Instruktion für die Beobachtungen des Vorüberganges der Venus vor der Sonnenscheibe, von Prof. Auwers, Berlin.

XX. Instruktion für die physikalisch-oceanischen Beobachtungen; Gezeiten-Beobachtungen vom Hydrographischen Amte der Kaiserl. Admiralität mit zahlreichen Zeichnungen.

XXI. Instruktion zur Aufstellung der Gebäude an der Station.

XXII. Instruktion für die Pendelbeobachtungen, von Dr. Neumayer. Mit Zeichnungen und Plänen.

XXIII. Der Kohlrausch'sche Apparat zur absoluten Bestimmung der Horizontal-Intensität des Erdmagnetismus. Mit zahlreichen Zeichnungen und Beispielen.

Ein Theil der vorstehenden Instruktionen war nur für die nach Norden zu entsendende, der andere für die Süd-Expedition, bei weitem der größte Theil aber für beide bestimmt.

Die unter Nr. XIX erwähnte Instruktion mag die Veranlassung zur Bemerkung an dieser Stelle geben, daß die Errichtung eines Observatoriums auf Süd-Georgien benutzt werden sollte, um auch an diesem entfernten Orte der Erde den Vorübergang der Venus vor der Sonnenscheibe zu beobachten. Zu diesem Behufe wurden alle dazu erforderlichen Instrumente der Süd-Expedition mitgegeben und dieselbe namentlich auch mit einem eigens dafür konstruirten Observatorium mit drehbarer Kuppel versehen.

Zur Unterstützung des vollen Verständnisses der wissenschaftlichen Instruktionen wurde eine jede der Expeditionen mit einer großen Zahl wissenschaftlicher und anderer Werke ausgestattet. Im Anhange V dieses Bandes findet sich unter Nr. 8 Seite 92-97 ein Verzeichniß solcher Werke.

Ehe zur Beschreibung des Verlaufes der einzelnen Expeditionen geschritten werden soll, mögen hier einzelne der Gründe, welche bei der Wahl der deutschen Stationen im Systeme der internationalen Polarforschung maaßgebend waren, berührt werden.

Wir haben schon im vorhergehenden Kapitel gesehen, nach welchen Grundsätzen die Stationen im Systeme der internationalen Polarforschung auszuwählen waren und daß dabei in erster Linie die magnetischen Verhältnisse in den Polar-Regionen maaßgebend sein mußten. Es sollen nun in kurzen Zügen die Gesichtspunkte erörtert werden, welche die Deutsche Polar-Kommission bestimmten, die beiden von deutscher Seite besetzten Stationen auszuwählen. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Ueberzeugung, es müsse jedenfalls die gleichzeitige Beobachtung in der Nord- und der Südpolarzone im Auge behalten werden, so fest innerhalb der Polar-Kommission begründet war, daß man sich eine Zeit lang mit dem Gedanken trug, da im Norden eine genügende Anzahl Stationen besetzt werden würden, deutscherseits zwei solcher in höheren südlichen Breiten auszuwählen. Man konnte sich dabei nicht verhehlen, daß es sehr schwierig – wenn unter den Umständen nicht unmöglich – sein würde, in die antarktische Zone einzudringen, um daselbst ein Observatorium zu errichten. Jedenfalls aber erachtete man es für unbedingt geboten, daß wenigstens eine der beiden deutschen Stationen innerhalb der Polarzone läge. Da man sich – wie soeben erwähnt – klar darüber war, daß die Hoffnung auf erfolgreiches Eindringen in die Südpolarzone nur sehr gering sei, so wurde der Entschluß gefaßt, eine arktische Station zu besetzen; die zweite sollte alsdann auf irgend einer Insel der Südhemisphäre errichtet werden. Bei der Auswahl der nördlichen Station trat einmal das Bestreben, so nahe als möglich an den magnetischen Nordpol heranzukommen, andererseits der Wunsch bestimmend hervor, einen Punkt zu wählen, dessen Umgebung in meteorologischer Hinsicht schon bei anderen Gelegenheiten näher untersucht worden war, so daß man hoffen durfte, an jenen früheren Untersuchungen eine Grundlage für die zu unternehmenden Untersuchungen gewinnen zu können. Andererseits war es nothwendig, die Station so zu wählen, daß sie in dem um den Pol zu ziehenden Ring von Observatorien ein werthvolles Glied zu bilden vermöge; für die magnetischen Beobachtungen war dies von entscheidender Bedeutung. Zuerst wurde die Insel Jan Mayen ins Auge gefaßt, da deren Lage in beiden genannten Hinsichten günstig und im Uebrigen die Insel leicht zu erreichen und der Rückzug immer mit Sicherheit zu bewerkstelligen war. Auch in dieser Hinsicht war die spät erfolgende Entscheidung hinsichtlich der Betheiligung Deutschlands von großem Nachtheil, denn als dieselbe endlich erfolgte, hatte sich die österreichische Expedition unter Linienschiffs-Lieutenant Freiherrn von Wohlgemuth bereits für die Besetzung Jan Mayens entschieden. Ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Wahl einer Station, nachdem die Idee Jan Mayen zu besetzen, aufgegeben werden mußte, lag in der Beantwortung der Frage, ob die eventuell zu wählende Station zu allen Zeiten mit Sicherheit zu erreichen und der Rückzug von dort nach Ablauf der Beobachtungs-Epoche unter allen Umständen bewerkstelligt werden könne. Es war gerade diese Frage, welche die Polar-Kommission beschäftigte, als der Vorschlag gemacht wurde, einen Punkt hoch oben im Cumberland-Golfe und innerhalb des nördlichen Polarkreises zu besetzen. Aus früheren, fast alljährlich nach jenen Gegenden unternommenen Robben- und Walfischfahrten war bekannt, daß zeitweise die nördlichen Theile des Golfes mit Eis so dicht besetzt und zugefroren seien, daß während der Spätherbst- und Wintermonate bis selbst tief in den Sommer hinein die Schifffahrt, wenn nicht unmöglich, so doch nur unter großen Schwierigkeiten möglich sei. Wenn aber solches der Fall, so konnte es sich ereignen, daß die Expedition an der Station weit über die Beobachtungs-Epoche hinaus, ja vielleicht 2 Jahre festgehalten werden würde. Von Nordamerika und namentlich der britischen Admiralität eingezogene Erkundigungen lauteten im Ganzen günstig, so daß die Polar-Kommission die Ueberzeugung gewinnen konnte, daß doch nur unter sehr ungünstigen Verhältnissen die Verbindung eines Punktes im nördlichen Golf nicht offen gehalten werden könne, vorausgesetzt, daß die Navigation des für die Zwecke der Expedition gewählten Fahrzeuges in erfahrenen, d. h. mit der Eisfahrt vertrauten Händen ruhe. Man wußte zwar, daß im nördlichen Theil des Golfes, Kingua-Fjord genannt, keine Niederlassung sich befände und daher die Station ganz und gar auf ihre eigenen Hülfsquellen bezüglich ihres Unterhaltes angewiesen sei, allein es war auch bekannt, daß sich schon seit Jahren gerade vor dem Eingange in den Kingua-Fjord eine Whaler-Station auf Kekkerten-Island befände, die unter Umständen der deutschen Nord-Expedition als Stützpunkt zu dienen vermöchte. In dem kritischen Momente bezüglich der Entscheidung der Wahl der Nordstation wurde der Deutschen Polar-Kommission von dem Kaufmann Rosenthal in Bremerhaven die »Germania« zum Kaufe angeboten und zu gleicher Zeit die Mittheilung gemacht, daß deren Kapitän Mahlstede, welcher mehrere Fahrten nach dem Kingua-Fjord und zurück mit Erfolg ausgeführt, bereit sei, in den Dienst der Deutschen Polar-Kommission zu treten. Dieses Anerbieten wirkte um so entscheidender zu Gunsten der Errichtung einer Station in Kingua-Fjord, als auch die für die Durchführung unter Benutzung der »Germania«, als Transportschiff erforderlichen Geldmittel zur Verfügung standen. Die »Germania«, welche unter Kapitän Koldewey's Führung auf der zweiten deutschen Nordpolarfahrt verwendet worden war, wurde seinerzeit der Maschine beraubt und konnte sonach bei der bevorstehenden Fahrt nur als Segler benutzt werden; nach dem Urtheile Kapitän Mahlstede's fiel dieser Mangel – wenn es als solcher bezeichnet werden kann – nicht allzusehr ins Gewicht. So geschah es, daß Kingua-Fjord zur Station auserwählt wurde und die Erfahrung hat gelehrt, daß – Alles erwogen – die Wahl eine glückliche war.

Wesentlich verschiedener Art waren die Erwägungen, welche die Deutsche Polar-Kommission bestimmten, sich für einen Hafen auf der einsamen Insel Süd-Georgien als Stationsort für die deutsche Süd-Expedition zu entscheiden. Diese Entscheidung wurde getroffen, ehe man mit Bestimmtheit wußte, daß die für die Süd-Hemisphäre bestimmte französische Expedition eine Station auf Feuerland errichten würde. Möglicherweise würde man sich für einen weiter nach Osten hin und innerhalb der Sphäre der Sichtbarkeit der Südlichter liegenden Punkt entschieden haben, hätte man von den Intentionen der französischen Polar-Kommission zuverlässige Kenntniß gehabt und hätte man nicht erwartet, daß die Observatorien in Australien und eventuell im südlichen Neu-Seeland sich lebhaft an den Beobachtungen im Systeme der internationalen Polarforschung betheiligen würden. Unter so bewandten Umständen schien es, da – wie schon hervorgehoben – an das Eindringen in die antarktische Zone zu Zwecken der Errichtung einer Station nicht zu denken war, namentlich zu klimatologischen und allgemein meteorologischen Forschungen, das Rathsamste, die Station auf der mitten im Ocean und möglichst weit nach Süden gelegenen Insel Süd-Georgien zu errichten. Da von vornherein hinsichtlich der Ueberführung der Süd-Expedition die Betheiligung der Kaiserlich deutschen Marine ins Auge gefaßt worden war, so konnte der Umstand, daß die zwar unbewohnte Insel zu allen Zeiten zugänglich ist, nur günstig auf die Entscheidung einwirken. Hätte man erwarten können, daß die australischen Kolonien sich an den magnetischen Beobachtungen nicht wesentlich betheiligen würden, so würde allerdings die Besetzung der schon von früher her auch durch eine deutsche Expedition bekannten Auckland-Inseln mit Rücksicht auf diesen Punkt vorzuziehen gewesen sein. Allein vom Standpunkte der klimatologischen und meteorologischen Forschung mußte die unter dem Einfluß des australischen Kontinentes liegende Inselgruppe ungleich weniger günstig erscheinen, als das isolirt gelegene Süd-Georgien mit einem nahezu antarktischen Klima. Und wenn auch die Nähe der französischen Station in Orange-Bai geeignet war, die Bedeutung Süd-Georgiens als magnetische Warte etwas abzuschwächen, so war doch andererseits in der durch Vergleichung der Beobachtungen an beiden Stationen gebotenen Kontrolle ein nicht zu unterschätzendes Mittel für die Entscheidung über die zweckmäßigste Konstruktion der magnetischen Instrumente geboten. In meteorologischer Hinsicht und im Besonderen für das Studium der Fortbewegung der Depressionen in höheren südlichen Breiten mußte es als günstig erscheinen, daß die beiden Observatorien nicht allzuweit von einander ab lagen, zumal wenn die meteorologische Station in Port Stanley auf den Falklands-Inseln mit zu den synoptischen Studien herangezogen werden konnte.

Nachdem sich die Polar-Kommission schlüssig gemacht hatte, im Norden Kingua-Fjord und im Süden Süd-Georgien zu besetzen, wurde innerhalb des Exekutiv-Ausschusses der Polar-Kommission der Gedanke angeregt, im Interesse klimatologischer Forschung, wie auch der synoptischen Studien auf dem nordatlantischen Ocean während der Epoche der Polarforschung 1882/83 an der Küste von Labrador und in Verbindung mit den Missionsstationen daselbst eine Anzahl meteorologischer Stationen zweiter Ordnung zu errichten. Da bereits eine Reihe meteorologischer Beobachtungen von der Küste von Labrador vorlag, so war – konnte der Plan, die meteorologische Arbeit daselbst aufs Neue zu organisiren, gelingen – eine vortreffliche Grundlage für weitere Forschungen geboten.

Allein diese Organisation war nur durchzuführen für den Fall, daß es möglich werden würde, einen Gelehrten dahin zu entsenden, dem als Meteorologen die Aufgabe zufallen würde, die erforderlichen Instrumente nach Labrador zu überführen, dieselben dort in den Stationen aufzustellen und während des Jahres der Polarforschung zu kontrolliren. Ohne diese Vorsicht, d. h. ohne die Errichtung wirklich Vertrauen verdienender und tüchtiger meteorologischer Stationen konnte die Entsendung einer supplementären Expedition nach Labrador nur eine untergeordnete Bedeutung haben. Da es möglich war, die Ueberfahrt mit dem alljährlich von London nach Labrador segelnden Missionsschiffe »Harmony« zu machen und an einer der Stationen der mährischen Missionare zu überwintern, waren auch die zur Durchführung des Planes erforderlichen Geldmittel nicht erheblich und innerhalb jener Grenzen gelegen, welche der deutschen Polar-Kommission durch den Etat des Reichs-Haushaltes gesteckt waren. Die Ausrüstung der Stationen an Instrumenten wurde – was hier gleich gesagt werden mag – von Seiten der deutschen Seewarte in der Erwartung beschafft, daß die Stationen auch nach Ablauf der Epoche der Polarforschung weitergeführt werden könnten. Es ist bekannt, daß diese Erwartung verwirklicht worden ist, indem die 6 Stationen der Küste von Labrador: Nain, Hebron, Zoar, Rama, Okak und Hoffenthal bis heutigen Tages alljährlich die Beobachtungen regelmäßig an die Direktion der Seewarte einsenden, wodurch den synoptischen Studien über den nordatlantischen Ocean, herausgegeben von dem dänischen Institute in Kopenhagen und der Deutschen Seewarte, eine sehr erhebliche Unterstützung an Beobachtungsmaterial zugeführt wird.

Die Ausstattung der supplementären Expedition konnte begreiflicherweise ungleich einfacher sein als jene der beiden zuerst genannten Expeditionen, wenn sie auch hinsichtlich der Lebensmittel, der Kleidung, der Jagdgeräthe u. s. w. alles das in sich schloß, was zur Erhöhung des Comforts an den Stationen, zur Erhaltung der Gesundheit und zur wirksameren Durchführung der dem Sendboten der Polar-Kommission gestellten schwierigen Aufgabe dienen konnte.

Nachdem diese Vorfragen alle ihre Erledigung gefunden hatten, und Ausrüstung, Ausstattung und Verpackung der Effekten der Expeditionen eingeleitet, wurde mit allem Nachdruck an die Fertigstellung für die Reise der Expeditionen geschritten. Eine ganz besondere Sorgfalt erheischte die Segelfertigstellung der für die Nord-Expedition gewonnenen »Germania«. Es mußten erhebliche Umbauten in derselben vorgenommen werden, damit das an und für sich kleine, wenn auch stark gebaute Fahrzeug alle Güter fassen und den Expeditions-Mitgliedern wenigstens einigen Comfort gewähren sollte. Der Umbau wurde in Bremerhaven auf der Tecklenburgischen Werft ausgeführt. Anfang Juni begann die Befrachtung im Hafen von Hamburg.

Die Süd-Expedition sollte mit einem Dampfer der Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft via Rio de Janeiro nach dem La Plata gebracht werden, um von dort aus die Ueberfahrt nach Süd-Georgien auf S. M. Korvette »Moltke« zu bewerkstelligen. Da die Arbeiten nach dem international festgestellten Programme spätestens Anfangs September d. J. 1882 an allen Stationen beginnen sollten, so war begreiflicherweise keine Zeit mehr zu verlieren und mußte daher die Süd-Expedition in ihrer Reisefertigstellung so beschleunigt werden, daß die Abfahrt mit dem am 1. Juni den Hamburger Hafen verlassenden Dampfer »Rio« erfolgen konnte.

Für die Abfahrt des Segelschiffes »Germania« nach dem Kingua-Fjord wurde der Termin in die letzte Woche des Monat Juni verlegt. Ein früheres Verlassen Europas würde zwecklos gewesen sein, da das Eindringen in den Cumberland-Golf kaum vor Mitte August möglich gewesen wäre. Die Vorbereitungen konnten in diesem Falle daher mit mehr Ruhe betrieben werden.

Für die supplementäre Expedition unter Dr. K. R. Koch war als Abreise-Termin der 1. Juli festgesetzt.

Wir werden in den nächsten Kapiteln sehen, daß die Vorbereitungen für die Entsendung sämmtlicher Expeditionen und diese Entsendung selbst so rechtzeitig zu Ende geführt wurden, bezw. erfolgte, daß die systematischen Arbeiten rechtzeitig an den deutschen Stationen aufgenommen werden konnten.


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