Johann Nepomuk Nestroy
Der Talisman
Johann Nepomuk Nestroy

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Neunte Szene

Flora, Plutzerkern

Flora (noch von innen) Hab' ich's aber nicht g'sagt, daß wir so was erleben? (Kommt ärgerlich aus ihrer Wohnung.) O, ich kenn' meine Leut'! (Zu Plutzerkern.) Du laufst ihm nach!

Plutzerkern Es is aber nicht der Müh' wert.

Flora Er hat die Perücken von mein' seligen Mann g'stohlen, die is für mich unschätzbar, wann ich will.

Plutzerkern Hören S' auf, 's sein Schaben drin.

Flora Du laufst ihm nach, entreißt ihm den Raub!

Plutzerkern Da kriegt er keine zwei Groschen dafür.

Flora Nachlaufen, hab' ich g'sagt, g'schwind!

Plutzerkern (indem er langsam hinter der Gärtnerwohnung abgeht) Ich werd' schaun, daß ich ihn einhol' – glaub' aber nit. (Ab.)

Zehnte Szene

Flora, Georg

Flora (sehr ärgerlich) Ewig schad', daß's schon Abend is! Jetzt hat der Wachter schon sein' Rausch, sonst ließ' ich ihn einsperren, den impertinenten Ding, der sollt' denken an mich!

Georg (aus dem Vordergrund links auftretend) Was is denn, Frau Gärtnerin, warum denn so im Zorn?

Flora Ach, weg'n dem herg'loff'nen Filou!

Georg Pst! Halt! Ehre, dem Ehre gebührt! Ich hab' ihn früher auch einen Vagabunden g'heißen, aber er hat einen steinreichen Herrn Onkel, der is an'kommen, nimmt sich an um ihn, kauft ihm in der Stadt die erste Offizin, denn er is ein studierter Balbierer, dann schenkt er ihm viele tausend und tausend Gulden.

Flora (äußerst erstaunt und betroffen) Hörn Sie auf!

Georg Wie ich Ihnen sag' – ich hab' ihn grad aufs Schloß b'stellen müssen, den Mussi Titus, er därf noch nix wissen, aber »Herr von« hab' ich doch zu ihm g'sagt, denn Ehre, dem Ehre gebührt! (Geht hinter dem Schlosse ab.)

Elfte Szene

Flora, dann Titus, dann Salome

Flora (allein) Diese Nachricht is auf Krämpf' herg'richt't, und ich hab' den Menschen so grob behandelt. Jetzt heißt's umstecken und alles dransetzen, daß ich Frau Balbiererin werd'! Es wär' ja nur auf 'm Land ein Unglück, in der Stadt kann man's schon aushalten mit ein' rotkopfeten Mann. Dort kommt er! (Nach links sehend.) Ich will mich stellen, als ob's mich reuet – was stellen! Ich bin ja wirklich vor Reu' ganz außer mir.

Quodlibet-Terzett

Flora
Titus! Titus!

Titus (aus dem Hintergrunde links)
D' Gartnerin ruft mich zu sich?

Flora
Ach, Herr Titus, hören S' mich!

Titus
D' Gartnerin ruft mich zu sich?

Flora
Ach, Herr Titus, hören S' mich!
's laßt mir kein' Rast und keine Ruh'.

Titus
Was S' z' sag'n hab'n, reden S', ich hör' zu.

Flora
Bereuen kann man nie zu fruh!

Titus
Der Abschied, hör'n Sie, war schmafu.

Flora
's laßt mir kein' Rast und keine Ruh'!

Titus ( zugleich:)
Was S' z' sag'n hab'n, red'n S', ich hör zu.

Flora
Bereuen kann man nie zu fruh!

Titus ( zugleich:)
Der Abschied, hör'n Sie, war schmafu!

Flora
Bereuen kann man, nein, das kann man nie zu fruh!

Titus ( zugleich:)
Der Abschied, hör'n Sie, der war wirklich sehr schmafu!

Flora
Tun Sie nicht von mir sich wenden
Und mir Hasses Blicke senden!
Nicht vertrag' ich's!...

Titus
...Na, was is denn?

Flora
Ich vergehe –!

Titus
Versteht si!...

Flora
...Weh' mir!.

Titus
's magerlt ewige Zeiten,
Wird man von solchen Leuten
Malträtiert, das greift ans Herz;
Fern von eurem flachen Lande
Schließ' ich andre Liebesbande;
In d' Schweiz zieht der Verkannte,
Dort heilt a Kuhdirn den tief'n Schmerz.

Flora
Meiner Gall' war ich früher nicht Meister,
Vergeben Sie und sei'n Sie nicht hart!
Es rächen sich doch große Geister
Ja immer nur auf edle Art.

Titus
Es tobet in mir Rache,
Wie die Ehre, wie die Liebe sie fordert –

Flora
Willst du schon wieder gehn?

Titus
Ja, ich will gehn, froh und frei,
Nie deinen Tempel sehn.

Flora
Ach, du kannst nicht begreifen, nicht fühlen,
Welche Qualen die Brust mir durchwühlen,
Diese Flammen, die nie mehr zu kühlen,
Wie von Reue das Herz mir bricht!
Ja, dich nenn' ich mein teures Leben,
Dich mein einziges, glühendes Streben!
Willst du grausam mir nimmer vergeben,
Erwidern die Tränen mit Hohn,
Willst du grausam mir nimmer vergeben,
Erwidern die Tränen mit Hohn –?

Titus
Daß ich so g'schwind Lieb' konnt' erwecken,
Da muß was dahinterstecken,
Alles eins, ich sag': Beim Bäcken
Kriegt man d' Semmeln, mich aber nicht!
's nutzt nix, die G'schicht',
Bitt' fort a Jahrl,
Mich erwischst nicht,
Mir wer'n kein Paarl,
's is umsonst, hast nix davon,
's is umsonst, hast nix davon.

Salome (kommt)
Ich hab' wahrlich keinen Grund,
Ein lustig's G'sicht zu machen,
Und doch öffnet sich mein Mund
Herzlich jetzt zum Lachen.
Wie der dicke Herr im Schloß
Sich benimmt, is g'spaßi,
Da hat er's gegeb'n ganz groß,
Droben is er dasi – hahaha!

Flora
Was will denn die da?

Salome (Titus erblickend)
Was is das? Jetzt bei der?
Das gehört auch zum Malheur.

Titus
D' Salome,
Soll die mich hier als Flegel sehen?

Flora
Titus! Grob därfen S' jetzt nit sein –

Salome
Daß ich grad dazu muß kommen!

Titus
Wenigstens zum Schein –

Flora
Wir sind nicht mehr allein.

Salome
Doch ich hab' mir vorgenommen –

Titus
Will ich all's verzeihn.

Flora, Titus und Salome zugleich:

Flora
Ha, Worte, die sanft erklingen,
Vernehm' ich, es wird mir gelingen,
Mir wieder zu erringen,
Was ich verlor,
Was ich verlor,
Und was mein Glück allein.

Titus
Wenn sanft die Worte klingen,
Brauchen S' vor Freud' nicht zu springen,
Schwerlich wer'n S' mich erringen.
Denn wohlgemerkt,
Ich hab' nur g'sagt: zum Schein!

Salome
Nichts mehr z' sagen,
Mir es aus dem Sinn zu schlagen,
's soll nicht sein,
Nein, 's soll nicht sein.

Titus
Ach, sie im Netz zu sehen,
Ach, ich muß es gestehen,
Ja, leicht wär' es geschehen,
Doch nein, nein, nein, ich will das nicht,
Die Liebe, dideidldidum,
Erfüllet, dideidldidum,
Mich gar nicht, dumdidldidum,
Für sie, durchaus nein!
Ach, sie im Netz zu sehen,
Ich muß es gestehen,
Leicht wär' es geschehen,
Doch nein! Ihrer Liebe Sehnen
Stillbeglückt zu krönen
Darf ich nicht entbrennen, nein!

Alle drei
Man schmeichelt sich mit Hoffnung oft,
Zu Wasser wird, was man gehofft.

Flora
Bei mir soll's nicht zu Wasser wer'n,
Das Glück hat halt die Witwen gern.

Titus, Salome
Das Glück, das foppt uns halt so gern!

Alle drei
Wenn man glaubt, man hat das Glück
Schon sicher in sein' Haus,
Husch, husch, husch, im Augenblick
Beim Fenster rutscht's hinaus.
Man schmeichelt sich mit Hoffnung oft,
Zu Wasser wird das, was man hofft –

Flora
Mir soll's nit zu Wasser wer'n!

Titus, Salome
Warum soll's nit zu Wasser wer'n?

Flora
Das Glück hat mich zu gern.

Titus, Salome
Das Glück, das foppt uns gern!

Salome
Mein Bruder, der Jodl, singt so:
Ja, mit die Madeln da is richti, richti, richti
Allemal a rechter G'spaß,
Tun s' vor'n Leuten noch so schüchti, schüchti, schüchti,
Was man z' denken hat, man waß's!
Und ich bin a schöner Kerl, Kerl, Kerl,
G'wachsen wie a Pfeifenröhrl, Röhrl, Röhrl,
Unter den Männern schon die Perl', Perl', Perl',
Drüber laßt sich gar nix sag'n,
Ich hab' Rosomi im Schädel, Schädel, Schädel,
Drum bin ich stolz und bettel', bettel', bettel'
Nit erst lang um so a Mädl, Mädl, Mädl,
Obs d'nit doni gehst vom Wag'n, Wag'n, Wag'n,
Obs d'nit doni gehst vom Wag'n.

Alle drei
Bald wird's anders werden,
Kuraschiert auf den Weg,
Der zum Ziel uns führt,
Fortmarschiert, so lang, bis 's besser wird.
's Glück is rund,
Darum geht's auf der Welt so bunt,
Ohne Grund
Liegt man g'schwind öfters drunt'.

Flora, Salome
Wir sein nix als –

Titus
Wir sein nix als – wir sein nix als –

Flora, Salome
Narren des Schicksals,

Titus
Narren des Schicksals, Narren des Schicksals.

Flora, Salome
Wenn man sich all's, wenn man sich all's,

Titus
Wenn man sich all's,
Wenn man sich all's,

Alle drei
Gleich zu Herzen,
Wenn man sich alles z' Herzen nimmt!
Wenn nur frohe Hoffnung glimmt,
Endigt alles gut bestimmt,
Ta, ta, ta, dum, dum, dum.

Flora, Salome
's laßt sich drüber nix sag'n
Mit ein' orndlichen Mag'n,

Titus
Mit ein' orndlichen Mag'n –

Alle drei
Man kann alles ertrag'n,
Kann man alles ertrag'n.

(Flora rechts, Titus hinter dem Schloß und Salome links gegen den Hintergrund ab.)


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