Johann Nepomuk Nestroy
Der Talisman
Johann Nepomuk Nestroy

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Erster Akt

Die Bühne stellt einen Dorfplatz vor. In der Mitte gegen den Hintergrund ein Brunnen mit zwei sich gegenüberstehenden Steinsitzen, links eine Gartenmauer mit einer kleinen offenstehenden Tür, welche in den Herrschaftsgarten führt.

Erste Szene

Bauernmädchen, darunter Hannerl (treten während dem Ritornell des folgenden Chores aus dem Hintergrunde links auf); Bauernbursche, unter ihnen Christoph, Seppel und Hans

Chor

Die Mädchen
Au'm Nachkirtag tanzt man schon in aller Fruh',
Dort kommen die Burschen und holen uns dazu.

Die Bauernbursche (von der Seite rechts auftretend)
Wo bleibt's denn? Laßt keine sich sehn, das ist schön,
Au'm Tanzboden tut's drüber und drunter schon gehn.

Die Mädchen
Wir sind schon bereit.

Die Bursche
So kommt's, es is Zeit.

Alle
Es hat jeds sein' Gegenteil, die Wahl is nit schwer,
D' Musikanten, spielt's auf, heut' geht's lustig her.

Christoph (zu einem Bauernmädchen) Wir zwei tanzen miteinand'!

Hans (zu einer anderen) Wir zwei sein schon seit zehn Kirtäg' ein Paar.

Hannerl (zu einem Burschen) Ich tanz' auf der Welt mit kein' andern als mit dir.

Christoph (nach links in den Hintergrund sehend) Da schaut's, da kommt die Salome.

Hannerl Mit die baßgeig'nfarbnen Haar'!

Christoph Was will denn die auf 'm Kirtag?

Hannerl Eure Herzen anbrandeln, das ist doch klar!

Zweite Szene

Salome; die Vorigen

Salome (in ärmlich ländlichem Anzug, mit roten Haaren, kommt aus dem Hintergrunde links) Da geht's ja gar lustig zu; wird schon auf 'm Tanzboden gangen, nit wahr?

Christoph (kalt) Is möglich!

Salome Ös werd't's doch nix dagegen haben, wenn ich auch mitgeh'?

Hans No ja – warum nit – hingehn kann jeds.

Christoph (mit Beziehung auf ihre Haare) Aber 's is weg'n der Feuersg'fahr!

Hans (ebenso) 's is der Wachter dort –

Christoph (wie oben) Und der hat ein' starken Verdacht auf dich; du hast deine Gäns' beim Stadl vorbei'trieben, der vorgestern ab'brennt is.

Hannerl Und da glaubt man, du hast'n an'zund'n mit deiner Frisur.

Salome Das is recht abscheulich, was ihr immer habt's über mich; aber freilich, ich bin die einzige im Ort, die solche Haar' hat. Für die Schönste wollt's mich nicht gelten lassen, drum setzt's mich als die Wildeste herab.

Die Mädchen Ah, das is der Müh' wert, die wollt' die Schönste sein!

Christoph (zu Salome) Schau halt, daß d' ein' Tänzer find'st.

Seppel (ein sehr häßlicher Bursch) Ich tanz' mit ihr, was kann mir denn g'schehn?

Christoph Was fallt dir denn ein? Ein Kerl wie du wird doch wohl eine andere kriegen?

Seppel Is auch wahr, man muß sich nit wegwerfen.

Hans Vorwärts! Brodelt's nit so lang herum!

Alle Auf'n Tanzboden! Juhe! Zum Tanz! (Alle rechts im Hintergrunde ab.)

Dritte Szene

Salome

Salome Ich bleib' halt wieder allein z'ruck! Und warum? Weil ich die rotkopfete Salome bin. Rot ist doch g'wiß a schöne Farb', die schönsten Blumen sein die Rosen, und die Rosen sein rot. Das Schönste in der Natur ist der Morgen, und der kündigt sich an durch das prächtigste Rot. Die Wolken sind doch g'wiß keine schöne Erfindung, und sogar die Wolken sein schön, wann s' in der Abendsonn' brennrot dastehn au'm Himmel; drum sag' ich: wer gegen die rote Farb' was hat, der weiß nit, was schön is. Aber was nutzt mich das alles, ich hab' doch kein', der mich auf'n Kirtag führt! – Ich könnt' allein hingehn – da spotten wieder die Madeln über mich, lachen und schnattern. Ich geh' zu meine Gäns', die schnattern doch nicht aus Bosheit, wann s' mich sehn, und wann ich ihnen 's Futter bring', schaun s' mir auf d' Händ' und nit auf'n Kopf. (Sie geht rechts im Vordergrunde ab.)

Vierte Szene

Flora und Plutzerkern (kommen aus dem Hintergrunde links. Plutzerkern trägt einen bepackten Korb)

Flora (ärgerlich) Nein, das is wirklich arg! Das bisserl Weg von der Stadt fünf Viertelstund' herausfahren! Schamen soll sich so ein Stellwagen!

Plutzerkern Warum denn? Er heißt ja deßtwegen Stellwagen, weil er von der Stell' nicht weiterkommt.

Flora Schad', daß du mit deiner Langsamkeit kein Stellwag'n worden bist.

Plutzerkern Dazu fehlet mir die Pfiffigkeit. Ein Stellwagen ist das pfiffigste Wesen auf der Welt, weil er ohne Unterschied des Standes jeden Menschen aufsitzen laßt.

Flora Ich glaub', du hast wieder dein' witzigen Tag, da bist du noch unerträglicher als gewöhnlich.

Plutzerkern Schimpfen S' zu, lassen S' Ihre Gall' aus an mir! Lang wird's so nit mehr dauern.

Flora Willst du etwa aus dem Dienst der gnädigen Frau gehn? Das wär' g'scheit.

Plutzerkern O nein; aber Sie werden gewiß bald heiraten, dann ist Ihrer Sekkatur ein neues Feld eröffnet, und ich bin nicht mehr der Spielraum Ihrer Z'widrigkeit.

Flora Dummer Mensch! Ich werd' mich nie mehr verheiraten, ich bleib' meinem Verstorbenen getreu.

Plutzerkern Vielleicht sieht er's ein nach sein' Tod; bei Lebzeiten hat er's nie recht glauben wollen.

Flora Wenn ich die gnädige Frau wär', ich hätt' Ihn schon lang gejagt.

Plutzerkern (mit Beziehung) Wenn ich die gnädige Frau wär', blieb auch nicht alles im Haus.

Flora Wer weiß, ob Er nicht bald springt! Ich hab' die Erlaubnis, einen flinken, rüstigen Burschen aufzunehmen.

Plutzerkern Das is recht, dann is doch die Plag' nicht mehr so groß! Ich gieß' den Winterradi, mehr Einfluß verlang' ich mir nit.

Flora Geh' Er jetzt zum G'vatter Polz, der will mir einen Gartenknecht rekommandieren.

Plutzerkern Gut, vielleicht wird aus dem Knecht Ihr künftiger Herr.

Flora Warum nicht gar! Von mir bekommt jeder einen Korb.

Plutzerkern Leider, das g'spür' ich! Jetzt müssen Sie ihn aber wieder nehmen, wenn ich zum G'vattern soll. (Gibt ihr den bepackten Korb.)

Flora Mach' Er geschwind, langweiliger Mensch! (Ab in die Gartentüre.)

Plutzerkern (allein) Hm, hm! Der Garten ist doch nicht so verwahrlost, und wie's die treibt um den flinken, rüstigen Gartenknecht – hm, hm! (Geht rechts ab.)

Fünfte Szene

Titus Feuerfuchs (tritt während des Ritornells des folgenden Liedes erzürnt von rechts vorne auf)

Lied

1.
            Der hat weiter nit g'schaut,
            Beinah' hätt' ich'n g'haut;
            Der Spitzbub', 's is wahr,
            Lacht mich aus weg'n die Haar'!
            Wen geht's denn was an,
            Ich hoff doch, ich kann
            Haar' hab'n, wie ich will,
            Jetzt wird's mir schon z'viel!
Rote Haar' von ein' falschen Gemüt zeig'n soll'n?
's is's Dümmste, wann d' Leut' nach die Haar' urteil'n woll'n.
's gibt G'schwufen g'nug mit ein' kohlrab'nschwarzen Haupt
Und jede is ang'schmiert, die ihnen was glaubt;
Manch blondg'lockter Jüngling is beim Tag so still
Und schmachtend – warum? Bei der Nacht lumpt er z' viel!
Und mit eisgraue Haar' schaun die Herrn aus so g'scheit
Und sein oft verruckter noch als d' jungen Leut'!
            Drum auf d' Haar' muß man gehn,
            Nachher trifft man's schon schön.
2.
(Drohend in die Szene blickend, von woher er gekommen.)
            Mir soll einer traun,
            Der wird sich verschaun,
            Auf Ehr', dem geht's schlecht,
            Denn ich beutl' ihn recht;
            Der Kakadu is verlor'n,
            Wenn ich in mein' Zorn
            Über d' Haar' ein' kumm,
            Der geht glatzkopfet um.
Die rothaarig'n Madeln, heißt's, betrüg'n d' Männer sehr;
Wie dumm! Das tun d' Madeln von jeder Couleur.
Die schwarz'n, heißt's, sein feurig, das tut d' Männer locken,
Derweil is a Schwarze oft d' fadeste Nocken.
Die Blonden sein sanft? O! A Blonde is a Pracht!
Ich kenn' eine Blonde, die rauft Tag und Nacht.
Doch mit graue Haar' sein s' treu, na, da stund man dafur,
Nit wahr is, die färb'n sich s' und geb'n auch keine Ruh' –
            Drum auf d' Haar' muß man gehn,
            Nachher trifft man's schon schön.

So kopflos urteilt die Welt über die Köpf', und wann man sich auch den Kopf aufsetzt, es nutzt nix. Das Vorurteil is eine Mauer, von der sich noch alle Köpf', die gegen sie ang'rennt sind, mit blutige Köpf' zurückgezogen haben. Ich hab' meinen Wohnsitz mit der weiten Welt vertauscht, und die weite Welt is viel näher, als man glaubt. Aus dem Dorngebüsch z'widrer Erfahrungen einen Wanderstab geschnitzt, die Chiappa-via-Stiefel angezogen und 's Adje-Kappel in aller Still' geschwungen, so is man mit einem Schritt mitten drin in der weiten Welt. – Glück und Verstand gehen selten Hand in Hand – ich wollt', daß mir jetzt ein recht dummer Kerl begegnet', ich sähet das für eine gute Vorbedeutung an.

Sechste Szene

Titus, Plutzerkern

Plutzerkern Der Weg war auch wieder umsonst! – (Titus erblickend.) Ein Fremder gestaltet sich vor meinem Blick?

Titus (für sich) Schicksal, ich glaub', du hast mich erhört.

Plutzerkern (Titus musternd) Der B'schreibung nach, die mir der Herr Polz g'macht hat, könnt' das der sein, den er erwart't. Wuchs groß, Mund groß, Augen sehr groß, Ohren verhältnismäßig – nur die Haar' –? (Zu Titus.) Sucht der Herr hier ein Brot?

Titus Ich such' Geld, 's Brot wüßt' ich mir nachher schon z' finden.

Plutzerkern (für sich) Er sucht Geld – und das verdächtige Aussehen – (laut) auf d' Letzt is Er ein Schatzgraber?

Titus Wenn mir der Herr ein' Ort zeigt, wo einer liegt, so nimm ich gleich bei ein' Maulwurf Lektion.

Plutzerkern Oder is Er gar ein Rauber?

Titus Bis jetzt noch nicht, mein Talent ist noch in einer unentwickelten Bildungsperiode begriffen.

Plutzerkern Versteht Er die Gartnerei?

Titus Ich qualifiziere mich zu allem.

Plutzerkern (für sich) Er is es! (Zu Titus.) Er möcht' also bei unserer jungen, saubern Gartnerin-Witwe Gehilfe werden?

Titus Gehilfe der Witwe? – Wie g'sagt, ich qualifizier' mich zu allem.

Plutzerkern Mit so einem G'hilfen wär' ihr schon g'holfen – wie die mich jaget, wann ich ihr das Florianiköpfel brächt'!

Titus (erzürnt) Herr, diese Äußerung empört mein Innerstes.

Plutzerkern Fahrst ab, rote Rub'n? (Geht stolz in die Gartentür ab.)


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