Johann Nepomuk Nestroy
Der böse Geist Lumpazivagabundus
Johann Nepomuk Nestroy

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Fünfte Szene

Die Vorigen; Leim

Leim (gut gekleidet, aber häuslich, stand schon etwas früher unter der Türe und stürzt auf sie zu) Brüderln! Laßt's Euch umarmen! (Umarmt beide.) Ihr seid's Lumpen, aber treue Seelen, wahre Goldkerls.

Zwirn Was – was ist denn das?

Knieriem Ist da drin dein Spital?

Leim Der ganze Brief ist erlogen. Ich bin gesund, glücklich, und mein Reichtum hat sich noch um vieles vermehrt in dem Jahr. Den Brief hab' ich nur geschrieben, um zu sehen, ob bei Euch 's Herz auf 'n rechten Fleck sitzt, und davon hab' ich mich jetzt vollkommen überzeugt. Daß sich bei euch das Geld nicht halten wird, das hab' ich im voraus g'wußt, aber es freut mich, daß ich jetzt in der Lag' bin, euch dauerhaft glücklich zu machen. (Zu Gertraud und Reserl, die nach Leim herausgetreten sind.) Geht's und holt's Wein und Braten. (Die Mädchen ab.)

Knieriem Ich trink' keinen Wein mehr, ich trink' jetzt nur Schnaps – A propos! Wie ist's mit der Peppi? Hast du s'?

Leim Freilich hab' ich s'.

Knieriem Führ' sie uns auf.

Leim (öffnet die Türe rechts) Peppi, Peppi!

Sechste Szene

Die Vorigen; Peppi

Leim Da schau' her, das sind meine Kameraden, die das große Los mit mir g'wonnen haben – reiche Kerls, man sieht's ihnen an.

Peppi Es freut mich herzlich, die alten Freunde meines Mannes kennen zu lernen.

Zwirn (sehr galant) Erlauben Sie mir, Ihre seine Hand zu küssen – und daß die andere Hand nicht böse wird – und daß das liebe Goscherl da nicht böse wird – (Will sie küssen.)

Hobelmann (springt dazwischen) He, Schneider!

Leim Zwirn! Was treibst denn?

Zwirn Sei nicht kindisch, Bruder, wir sein ja Kameraden.

Leim (zu Zwirn) Du, Zwirn, mit dir hab' ich aparte eine Menge zu reden. (Zu Gertraud und Reserl, welche mittlerweile Braten und Wein gebracht haben.) Bringt's uns die Sachen in mein Zimmer. – Komm, Zwirn, komm mit mir!

Zwirn (zu Reserl, die er in die Backen kneipt, indem er mit Leim in die Seitentüre links abgeht) O, du lieber Schneck, du! (Die Mädchen tragen Wein und Braten links hinein, kommen zurück und gehen rechts ab.)

Hobelmann (zu Peppi, auf Knieriem zeigend) Mach' ihn nur gleich vorläufig mit unserm Plan bekannt. (Rechts ab.)

Peppi Schon recht, Vater.

Siebente Szene

Peppi, Knieriem

(Peppi schenkt ihm Rosoglio in ein Gläschen und reicht es ihm.)

Knieriem Ich bitt', haben S' kein anders Glas?

Peppi Warum denn? Das gehört ja zum Rosoli.

Knieriem Ah nein – da seh' ich ein' Stutzen. (Nimmt ein großes Glas vom Tisch.) Bei die klein' Gläser plagt man sich mit 'n Einschenken z'viel. (Schenkt sich ein und trinkt.)

Peppi Nun, mein lieber Freund, ich hoffe, daß Er von nun an ein beständiger Freund unsers Hauses sein wird. Er muß sich hier ansässig machen, muß Meister werden.

Knieriem Meister soll ich werden?

Peppi Freilich. – Wie schmeckt der Liqueur?

Knieriem Gut, recht gut. Aber eine Bitt' hätt' ich halt.

Peppi Was denn?

Knieriem Wenn Sie mir einen Zwanziger schenken möchten, daß ich ins Branntweinhaus gehn könnt'.

Peppi Wozu denn das? Er bekommt ja bei uns alles viel besser.

Knieriem Madame, das verstehn Sie nicht. Im Haus schmeckt einem der beste Trunk nicht; im Wirtshaus muß man sein, das ist der Genuß, da ist das schlechteste G'säuf ein Hautgout.

Peppi (gibt ihm Geld) Nun, da hat Er. Ich muß Ihm aber sagen, daß mich das recht verdrießt von Ihm.

Knieriem (nimmt das Geld) Ich küss' die Hand.

Peppi Er muß solid werden, Er muß sich bessern.

Knieriem Nein, das tu' ich nicht. – Es ist nicht der Müh' wert wegen der kurzen Zeit. In ein' Jahr kommt der Komet, nachher geht eh' die Welt z'grund.

Peppi Hör' Er auf mit solchen Albernheiten. – Ich weiß schon ein Mittel, Ihn auf andere Gedanken zu bringen: Er muß heiraten. Da ist zum Beispiel die Witwe Leist, eine recht hübsche Frau, mit der bekommt Er gleich das G'werb'.

Knieriem Ich brauch' kein Weib und kein G'werb'. Zu was soll ich mich noch plag'n im letzten Jahr. Es rentiert sich nicht mehr.

Peppi Mit Ihm ist nichts anzufangen. Er ist und bleibt ein Bruder Liederlich.

Knieriem Madame, denken Sie an den Kometen –

Peppi Hör' Er auf mit sein' dalketen Kometen. (Im Abgehen für sich.) Über den muß ich meinen Vater schicken, der bringt ihn doch noch zur Räson. (Ab rechts.)

Knieriem Madame, der Komet –

Achte Szene

Knieriem (allein) Die glaubt nicht an den Kometen, die wird Augen machen. – Ich hab' die Sach' schon lang' heraus. Das Astralfeuer des Sonnenzirkels ist in der goldenen Zahl des Urions von dem Sternbild des Planetensystems in das Universum der Parallaxe mittelst des Fixstern-Quadranten in die Ellipse der Ekliptik geraten; folglich muß durch die Diagonale der Approximation der perpendikulären Zirkeln der nächste Komet die Welt zusammenstoßen. Diese Berechnung ist so klar wie Schuhwix. Freilich hat nicht jeder die Wissenschaft so im klein' Finger als wie ich; aber auch der minder Gebildete kann alle Tag' Sachen genug bemerken, welche deutlich beweisen, daß die Welt nicht lang mehr steht. Kurzum, oben und unten sieht man, es geht rein auf 'n Untergang los.

Lied

1.
                            Es is kein' Ordnung mehr jetzt in die Stern',
    D' Kometen müßten sonst verboten wer'n;
    Ein Komet reist ohne Unterlaß
    Um am Firmament und hat kein' Paß;
    Und jetzt richt't a so a Vagabund
    Uns die Welt bei Butz und Stingel z'grund;
    Aber lass'n ma das, wie's oben steht,
    Auch unt' sieht man, daß's auf 'n Ruin losgeht.
(In verändertem Tempo.)
Abends traut man ins zehnte G'wölb sich nicht hinein
Vor Glanz, denn sie richten s' wie d' Feentempel ein;
Der Zauberer Luxus schaut blendend hervur,
Die böse Fee Krida sperrt nacher 's G'wölb' zur.
    Da wird einem halt angst und bang,
    Die Welt steht auf kein' Fall mehr lang.
2.
    Am Himmel is die Sonn' jetzt voll Capriz,
    Mitten in die Hundstag'gibt s' kein Hitz';
    Und der Mond geht auf so rot, auf Ehr',
    Nicht anderster, als wann er b'soffen wär'.
    Die Millichstraßen, die verliert ihr'n Glanz,
    Die Milliweiber ob'n verpantschen s' ganz;
    Aber lass'n ma das, herunt' geht's z' bunt,
    Herunt' schon sieht man's klar, die Welt geht z'grund.
(In verändertem Tempo.)
Welche hätt' so ein'g'schecketen Wickler einst mög'n,
A Harlekin is ja grad nur a Spitzbub' dageg'n;
Im Sommer trag'n s' Stiefel, à jour-Strümpf' im Schnee,
Und statt Haub'n hab'n s' gar Backenbärt' von tull anglais.
    Da wird einem halt angst und bang,
    Ich sag': D'Welt steht auf kein' Fall mehr lang.
3
    Der Mondschein, da mög'n s' einmal sag'n, was 's woll'n,
    Ich find', er is auf einer Seiten g'schwoll'n,
    Die Stern' wer'n sich verkühl'n, ich sag's voraus,
    Sie setzen sich zu stark der Nachtluft aus.
    Der Sonn' ihr G'sundheit ist jetzt a schon weg,
    Durch'n Tubus sieht man's klar, sie hat die Fleck';
    Aber lass'n ma das, was oben g'schieht,
    Herunt' schon sieht man, 's tut's in d'Länge nicht.
(In verändertem Tempo.)
Sie hab'n Zeitungen jetzt, da das Pfennig-Magazin,
Da is um ein' Pfennig all's Mögliche drin;
Jetzt kommt g'wiß bald a Zeitschrift heraus, i parier',
Da krieg'n d' Pränumeranten umsonst Kost und Quartier.
    Da wird einem halt angst und bang,
    Die Welt steht auf kein' Fall mehr lang.
Repetition
    Die Fixstern', sag'n s', sein alleweil auf ein' Fleck',
    's is erlog'n, beim Tag sein s' alle weg;
    's bringt jetzt der allerbeste Astronom
    Kein' saub're Sonnenfinsternis mehr z'samm'.
    Die Venus kriegt auch ganz ein' andere G'stalt,
    Wer kann davor, sie wird halt a schon alt;
    Aber wenn auch ob'n schon alles kracht,
    Herunt' is was, was mir noch Hoffnung macht.
(In verändertem Tempo.)
Wenn auch 's meiste verkehrt wird, bald drent und bald drüb'n,
Ihre Güte ist stets unverändert geblieb'n;
Drum sag' i, aus sein' G'leis' wird erst dann alles flieg'n,
Wenn Sie Ihre Nachsicht und Huld uns entzieh'n.
    Da wurd' ein' erst recht angst und bang,
    Denn dann stund' d' Welt g'wiß nicht mehr lang.

(Ab.)

Neunte Szene

Zwirn, gleich darauf Reserl

Zwirn (aus der Seitentüre links) Der Leim gibt mir nichts als lauter gute Lehren – gute Lehren hab' ich in der Schul' schon kriegt, wenn ich s' hätt' befolgen wollen.

Reserl (aus der Seitentüre rechts und will zur Mitte hinaus) Gleich den Augenblick. – (Für sich.) Das ist doch ein beständiges Befehlen in dem Haus.

Zwirn (hält sie auf) Dageblieben, liebenswürdiger Dienstbot'!

Reserl Ah, gehen S', Ihnen ist auch nicht zu trau'n.

Zwirn Was fällt dir ein! Die Treu' von ein' Schneider halt fester als eine doppelte Naht.

Reserl (kokett) Ja, wenn ich mich drauf verlassen könnt'!

Zwirn Ein Mann, ein Wort – schlag ein! (Hält die Hand hin.)

Reserl (einschlagend) Na, meinetwegen.

Zwirn Jetzt sein wir in Ordnung bis aufs Durchgehn. – Ich muß dir aufrichtig sagen, mich hätt's ohnehin nicht lang gelitten in dem Haus.

Reserl Nicht wahr, das is ein fades Leben da?

Zwirn Da tun s' nix als arbeiten, essen, trinken und schlafen – is das eine Ordnung? Da wird nicht an'geign't, nicht aufg'haut, nicht Zither g'schlag'n.

Reserl O, ich kenn' das – ich war ja selbst einige Jahr' Kellnerin.

Zwirn (entzückt) Kellnerin warst du? – Jetzt hab' ich dich nochmal so lieb, jetzt sein unsre Herzen zusamm'g'naht, kein Teufel trennt sie mehr auf. – Morgen fruh, wenn du 's Obers holst, paschen wir ab miteinander.

Reserl Warum denn abpaschen? Sie können ja Ihrem Freund, dem Herrn Leim sagen, daß Sie mich mitnehmen.

Zwirn Das mag ich nicht. Laß mir diese Grille, ich will dich entführen.

Reserl Hören S' auf, Sie sein doch ein rechter Vokativus. (Ab durch die Mitte.)

Zwirn Jetzt geh' ich gleich hinein zum Leim und sag' ihm, daß ich nicht da bleib'. – Ah, da ist er selbst.


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