Johann Nepomuk Nestroy
Der böse Geist Lumpazivagabundus
Johann Nepomuk Nestroy

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Dritte Szene

Die Vorigen ohne Lumpazivagabundus. Amorosa

Amorosa (Hilaris und Brillantinen an der Hand lassend und sich Fortuna nähernd) Fortuna! Ich vereine meine Bitte mit dem Flehen dieser beiden, beselige durch günstigen Ausspruch zwei Herzen, die sich der wahren Liebe geweiht.

Fortuna (zu Amorosa) Wie, Törichte, du hoffst, ich werde mich deinem Wunsche fügen, in einem Augenblick, wo eben ein frecher Unhold zu deinen Gunsten mich erniedrigte und du mit stolzem Blick auf mich herniedersiehst? Ich zerreiße das Band, das du um diese Herzen geschlungen.

Brillantine und Hilaris Weh' uns!

Stellaris Halt ein, bedenk' erst, was du sprichst. Des Feenreiches unumstößliche Gesetze erlauben dir nicht, Hilaris' Antrag unbedingt zu verwerfen; nur eine schwere Bedingung festzusetzen, deren Erfüllung die Liebenden trennt, deren Nichterfüllung aber sie auf immer vereint, nur dies ist dir gestattet.

Fortuna Nun, denn, so sei's! Ich will eine Bedingung setzen, die zugleich jenem Frechen, der meine Macht verspottet und glaubt, nur du (zu Amorosa) allein sei'st ihm gefährlich, das Gegenteil beweisen soll. – Ich wähle unter den Sterblichen drei seiner Anhänger, lockere Gesellen, jedoch nur solche, welche schon der Armut drückend Los gefühlt. Diese will ich mit Reichtum überschütten; werfen sie, wie er gesagt, das Glück zum Fenster hinaus, so dringe ich es ihnen zum zweiten Male wieder auf; treten sie es dann mit Füßen, so erkenne ich mich als besiegt, und Hilaris werde meiner Tochter Gemahl; doch, wenn sie, wie kaum zu zweifeln ist, das Glück mit Dank empfangen und aus Furcht vor neuer Dürftigkeit mit weiser Mäßigung es sich fürs ganze Leben bewahren und ich sie so dem Lumpazivagabundus entreiße, dann bin ich Siegerin, und Hilaris werde auf immer von meiner Tochter getrennt.

Stellaris Wohlan! Nur eines hab' ich noch hinzuzufügen, es gilt für beide Teile gleich. – Gelingt es dir, dem Lumpazivagabundus von den drei lockeren Gesellen auch nur zwei zu entreißen, so hast du schon gewonnen; treten hingegen auch nur zwei von ihnen das Glück mit Füßen, so hast du verloren. Dies beschwöre hier vor meinem Thron.

Fortuna (geht an die Stufen des Thrones und erhebt die Hand zum Schwur) Ich schwöre!

(Drei kurze starke Akkorde.)

Stellaris Dein Schwur ist angenommen.

Mystifax (zu Amorosa) Und für die andern verlornen Söhne hier ist keine Rettung aus den Krallen des Lumpazivagabundus zu hoffen?

Amorosa Nicht eher, als bis wahre Liebe in ihren Herzen Eingang gefunden.

Hilaris (Brillantinen umarmend) So leb' denn wohl auf ewig! Unmöglich kann die Bedingung zu unserm Besten sich erfüllen.

Amorosa Verzweifelt nicht, baut auf die Beschützerin wahrer Liebe. (Sie besteigt ihren Wolkenwagen. Kurze Musik fällt ein, alle ziehen sich zurück.)

Chor
So ist in dunkler Zukunft Schoß
Verborgen unsrer Söhne Los.

(Mit den letzten Worten des Chores fällt die nächste Dekoration vor.)

Verwandlung

Kurze freie Gegend, die Landstraße vorstellend, links eine hölzerne Bank unter einem Meilenzeiger

Vierte Szene

Leim, dann Knieriem, dann Zwirn

Leim (mit einem Felleisen, tritt gleich nach der Verwandlung auf) Da wär' ich beim Tor. Das is aber, so viel ich merk', eine ungefällige Stadt, denn wenn 's gefällig wär', so wär' s' mir auf halbem Weg entgegengekommen. Im Grund betracht't, ist's a Schand', ich bin ein ausgelernter Tischler, und es gehn mir ordentlich d'Füß' aus 'n Leim. Ist's denn aber auch anders möglich? Die Wirt' auf der Straßen haben ja Herzen so hart als ein Ast in ein' buchsbaumenen Pfosten. Woher kommt das aber? Weil die Leut' keine Bildung haben auf'n Land. Und warum haben s' auf 'n Land keine Bildung? Weil s' lauter eichene Möbel haben, drum kennt das Volk keine Politur; und wer keine Politur kennt, ist ein Socius. Jetzt will ich halt ein bisserl ausrasten da und nachher um d'Herberg' frag'n. (Setzt sich auf die Bank. Das Ritornell des folgenden Liedes beginnt.)

Knieriem (ein Ränzchen auf dem Rücken, tritt auf)
Es kommen d'Stern', es wird schon spat,
Zeit is, daß s' einmal da is, d'Stadt,
Ich brauch' ein' Guld'n jetzt zum Verhau'n,
Da muß i gleich zum Fechten schau'n.
Und wie i ein' Gulden z'samm'bettelt hab',
Da laßt's mir drei Maß Bier hinab,
A drei Maß Bier laßt's mir hinab.
Mein' Rausch hab' i jahraus, jahrein,
Es wird doch heut' kein' Ausnahm' sein.

(Er setzt sich auf die Bank rechts. Die Musik verändert sich.)

(Zwirn tritt von derselben Seite ein, abgeschaben, aber dennoch so viel wie möglich geputzt, und trägt ebenfalls den Wanderbündel auf dem Rücken.)

Zwirn (äußerst lustig)
D'Stadt ist in der Näh',
Drum schrei' ich Juheh!
Juheh! juheh! juheh!
Wer d'Madeln gern hat,
Find't g'nug in der Stadt,
Juheh, find't g'nug in der Stadt.
Blauer Montag is alle Tag,
Darum lass' ich nicht nach,
Bis die Sonn' morgen scheint,
Grad so lang' tanz' i heunt;
Ich tanz' mir doch nit g'nu',
Drum gib ich kein' Ruh',
Spring' wie a Gas in d'Höh'
Und schrei': Juheh!

Was sitzen denn da für ein paar Maner?

Leim Ich bin a Tischler.

Knieriem Und i bin a Schuster.

Zwirn Seid's ös schon so weit gangen heut', daß's so müd' seid's?

Leim Das just nit, aber mit 'n Essen hat's schlecht ausg'schaut. Ich hab' nit mehr als zwei Meilen g'macht.

Knieriem Und ich hab' mir a halbe Stund' von hier ein' Rausch ausg'schlafen, das war aber schon ein Millionshaarbeutel, das – und was hab' i trunken? Neun Halbe Bier; aber seit dem letzten Kometen greift mich alles so an.

Zwirn Pfui Teuxel! Schamt's euch nit? Auf so ein' Trümmerl Weg rasten s' aus! Ich geh' heut' schon meine drei Stationen und kann den Augenblick nit erwarten, wo ich zum Tanzen komm'.

Leim Hör' auf, Brüderl, du schneid'st auf. Ich bin g'wiß nit schlecht auf die Füß'; aber drei Stationen gehn und noch tanzen woll'n, das is g'log'n. Jetzt schau'n wir halt, daß wir g'schwind auf d'Herberg' kommen.

Knieriem Ich hab' einen enormen Durst.

Leim Zuerst gehn wir fechten. (Das Betteln parodierend.) Euer Gnaden, ein armer, reisender Handwerksbursch' bitt' gar schön um a bissel was auf a Musik; nachher wird's a Leben werden heut' nacht.

Zwirn Fidel muß's zugehen.

Knieriem Ich dudl' mir heut' ein' an, wie ich seit'n letzten Kometen kein' g'habt hab'.

Leim Also frisch in die Stadt marschiert!

Alle drei (mit verschlungenen Armen)

Lied

Wir wollen in die Stadt marschieren
Und drinnen unser Glück probieren.
Der Weg wird uns zur Herberg führen,
In der Herberg nacher, da geht's an.
    Was uns 's Fechten g'winnt,
    Durch die Gurgel rinnt,
    Und is all's vertan,
    Liegt uns a nix dran;
Darum nicht lange spekulieren,
In der Herberg' zeigt sich, was man kann.

(Gehen Arm in Arm ab.)


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