Johann Nepomuk Nestroy
Einen Jux will er sich machen
Johann Nepomuk Nestroy

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Neunter Auftritt

Fräulein von Blumenblatt, Melchior, Wachter, dazu Zangler, Madame Knorr, Frau von Fischer, Marie (Frau von Fischer ist ohne Hut und Mantel in Häubchen und Schal)

Zangler (mit beiden Frauen am Arme, zur Mitteltüre links eintretend) Schwägerin, da sind wir – was is das? Der Wachter hat mein' Melchior beim Schößel –?

Fräulein von Blumenblatt (auf Melchior zeigend) Also wäre das –?

Melchior (zu Zangler) O, sagen S' ihr's, wer ich bin!

Zangler (zu Fräulein von Blumenblatt) Mein dummer Hausknecht.

Melchior (zu Fräulein von Blumenblatt) Sehn Sie, Schwägerin meines Herrn? (Zu Zangler.) Hab'n Sie einen Kommis, der Weinberl heißt?

Zangler Ja.

Melchior Und wo is der Weinberl?

Zangler Zu Haus, beim G'schäft.

Melchior (zu Fräulein von Blumenblatt) Sehn Sie, Schwägerin meines Herrn?

Zangler (zu Fräulein von Blumenblatt) Aber jetzt sag' mir –

Melchior (zu Zangler, ihn unterbrechend) Ruhig! War das nicht ein unrechts Paar Leut', die Sie herg'schickt hab'n?

Zangler Freilich!

Melchior (zu Fräulein von Blumenblatt) Sehn Sie, Schwägerin meines Herrn?

Fräulein von Blumenblatt Ja, wenn's so ist –

Zangler (zu Fräulein von Blumenblatt) jetzt muß ich dir aber vor allem hier meine Braut und hier ihre Freundin, Frau von Fischer, vorstellen.

Fräulein von Blumenblatt Ah, scharmant!

Frau von Fischer und Madame Knorr Freut uns unendlich, die Ehre zu haben.

Zangler Morgen ist Hochzeit.

Fräulein von Blumenblatt Du weißt, ich geh' zu keiner Hochzeit, denn mein Schicksal –! (Schnupft.) Aber wie kommt das so schnell?

Zangler Ja, ich geh' der Meinigen nicht mehr von der Seiten, es sind Gründe –

Madame Knorr (leise zu Zangler) Blamieren Sie mich doch nicht!

Zangler (zu Melchior) Du fahrst jetzt gleich zu mir nach Haus, rebellst alles auf, daß schleunigst zu die Hochzeitsanstalten g'schaut wird. (Zu den beiden Frauen.) Wir soupieren bei meiner Schwägerin und fahr'n dann gleich nach. (Zu Melchior.) Mit Tagesanbruch kommen wir an.

Melchior Wird alles besorgt, aber –

Fräulein von Blumenblatt (zu Melchior) Freund, nimm Er das, weil ich Ihm Unrecht getan. (Reicht ihm Geld.)

Melchior Sie sehn es ein, das ist mir genug. (Nimmt das Geld. Zu Zangler.) Aber sagen Sie ihr nur das noch –

Zangler Daß du ein Esel bist.

Melchior (will Zangler etwas sagen, unterdrückt es aber) Die Schwägerin sieht es ein, das ist mir genug! (Geht zur Mitte links ab.)

Zehnter Auftritt

Die Vorigen ohne Melchior

Fräulein von Blumenblatt Aber wie ist denn das? Du hast mir also nicht deine Mündel geschickt?

Zangler (auf Marien zeigend) Nein, hier bring' ich dir die Mißratne und übergeb' sie deiner Obhut.

Marie Gnädige Frau Tant'-! (Küßt ihr die Hand.)

Fräulein von Blumenblatt (zu Zangler) Was waren denn das hernach für Leute?

Zangler Das weiß ich nicht.

Fräulein von Blumenblatt Sie sind noch hier.

Zangler So? Bei denen muß ich mich ja entschuldigen.

Fräulein von Blumenblatt Wie sie hörten, daß du kommst, sind sie, jedes zu einer andern Tür, hinausgestürzt.

Zangler Das is kurios!

Elfter Auftritt

Lisette; die Vorigen

Lisette (einen Schleier in der Hand, kommt aus der Seitentüre links) Die Fräul'n Zangler ist in das gelbe Kabinett gelaufen und hat von innen zugeriegelt. Sie macht um keinen Preis auf; der Schleier von ihrem Hute ist an der Türschnalle hängengeblieben.

Fräulein von Blumenblatt (zu Zangler) Was sagst du dazu?

Zangler Hm! Hm! –

Frau von Fischer (den Schleier besehend) Das ist der Schleier von meinem Hut.

Madame Knorr (ebenfalls den Schleier betrachtend) Freilich, da ist der Rostfleck.

Frau von Fischer Hat die Person nicht auch einen Mantel, gerade so (auf Marie deutend) wie die Fräul'n hier?

Fräulein von Blumenblatt Ja, braun quadrilliert, ganz so.

Madame Knorr 's sind beide in meinem Magazin gekauft.

Frau von Fischer (zu Fräulein von Blumenblatt) Sie müssen wissen, ich bin schändlich bestohlen worden.

Zangler Da müssen wir auf den Grund – (zu Lisette) Mamsell, sperr'n Sie die Türe, wo die Person drin is, g'schwind von auswendig zu.

Lisette Sogleich. (Eilt zur Seitentüre links ab.)

Zangler Und dann – he, Wachter!

Wachter Befehl'n?

Zangler Er holt Assistenz und sperrt von außen die Haustür' zu.

Wachter Sehr wohl. (Zur Mitteltüre links ab.)

Fräulein von Blumenblatt Ich zittere.

Zangler Kommen Sie, meine Damen, hier gibt's eine Spitzbüberei, die ins Abnorme geht. (Mit sämtlichen Frauenzimmern zur Seitentüre rechts ab.)

Verwandlung

Garten im Hause des Fräuleins von Blumenblatt, im Hintergrunde zieht sich die Gartenmauer über die ganze Bühne. Rechts ist ein vorgebauter praktikabler Teil des Hauses, ein Stock hoch, mit Glasfenstern sowohl nach vorne als gegen die Seite. Durch die Fenster sieht man in das früher besprochene gelbe Kabinett, welches jedoch nicht erleuchtet ist; die Bühne ist ganz finster.

Zwölfter Auftritt

Weinberl, später Christopherl am Fenster

Weinberl (allein, aus dem Hintergrunde links auftretend) Es ist umsonst, der Ort, wo der Zimmermann 's Loch g'macht hat, is nicht zu finden. Fluch dem Schlosser, der dieses Haustor vollendet, dreimal Fluch dem Maurer, der diesen Garten umzäunt, und hundertfünfzigmal Fluch denen anderthalb Zenten Leib'sg'wicht, die mich hindern, auf den Flügeln der Angst hinüber zu saltomortalisieren. In jedem Schatten seh' ich einen Zangler, in jedem Geräusch hör' ich einen Zangler, die ganze Natur hat sich für mich in ein Schrecknis aufgelöst, und das heißt Zangler! Diese Mauer muß eine weitschichtige Mahm von der chinesischen sein – ich muß doch noch amal (versucht die Mauer zu erklettern) – es ist zu hoch, ich kann nicht hinauf.

Christopherl (im Frauenzimmer-Mantel und Hut, wie früher, öffnet das Fenster und sieht heraus) Es ist zu hoch, ich kann nicht herab.

Weinberl Christoph, sind Sie's?

Christopherl Ja, ich bin's. Herr Weinberl, sind Sie's?

Weinberl Ja, ich bin's.

Christopherl Helfen S' mir, ich riskier' jeden Augenblick, daß man die Türe einsprengt und mich vor den Prinzipal schleppt.

Weinberl Mein Risiko ist dasselbe.

Christopherl Wir sind also vorderhand verloren.

Weinberl Wenn keine Leiter vom Himmel fällt, wenn nicht durch ein Wunder sich Sprisseln in der Luft gestalten, rettungslos verloren.

Christopherl (sich zum Fenster herausbeugend) Da kommt wer –

Weinberl (erschrocken) Der Zangler –! (Verbirgt sich links hinter einem Gebüsch.)

Dreizehnter Auftritt

Sonders; die Vorigen, später Zangler, Wachter und mehrere Leute

Sonders (kommt mit einer Leiter aus dem Vordergrunde rechts) Der Fund kam zur gelegenen Zeit, auf dieser Gartenleiter gelang' ich über die Mauer, dann heißt es wieder einen günstigen Moment, wo ich mich meiner Marie nähern kann, mit Geduld abwarten. Geduld – verdammtes Wort! – Im Wörterbuch der Liebenden ist's nicht zu finden. (Will sich der Mauer nähern.)

Weinberl (für sich) Soll ich ihn anreden –?

Christopherl Pst! Pst!

Sonders Geht das mich an –? (Sieht zum Fenster hinauf.) Ein Frauenzimmer! – Täuscht mich die Dunkelheit –!? Nein, Marie, du bist's, meine geliebte Marie!

Christopherl (mit gedämpfter, verstellter Stimme) Ja, ich bin's!

Weinberl (für sich) Das is auf die Art niemand anderer als der Herr von Sonders.

Sonders O, komm herab, die Leiter soll dich in meine Arme und dann uns beide ins Freie führen.

Christopherl (wie oben) Wohlan!

Sonders (lehnt die Leiter an das Haus) So steig nur mutig zum Fenster heraus.

(Christopherl steigt herab.)

Sonders Zittre nicht, ich werde die Leiter halten. Und nicht wahr, liebe Marie, das Paket mit den Dokumenten, die wir zur Trauung brauchen, hast du?

Christopherl Nein. (Ist eben auf der untersten Sprosse angelangt.)

Sonders (bestürzt) Wo ließest du's?

Christopherl (auf das Fenster hinaufzeigend) Dort –

Sonders Vergessen dort oben? – Das muß ich holen. (Eilt die Leiter hinan und steigt rasch zum Fenster hinein.)

Christopherl Auf'n Tisch rechts. (Nachdem Sonders ins Fenster gestiegen.) G'schwind, Weinberl, die Leiter is erobert!

Weinberl (hervorkommend) Die Nächstenlieb' fangt bei sich selbst an.

Christopherl (indem er mit Weinberl die Leiter zur Gartenmauer trägt) Ich bring' unser Fräuler Marie ihren Liebhaber in die Brisil, das is Satisfaktion für das, daß sie mich immer einen dalketen Bub'n heißt. (Hat mit Weinberl die Leiter an die Gartenmauer gelehnt.)

Weinberl Ich steig' voran.

Christopherl Nur g'schwind!

Weinberl (steigt sehr schnell die Leiter hinauf und schwingt sich von derselben auf die Mauer, auf welcher er in reitender Stellung sitzenbleibt) Kraxeln S' nach, Christopherl!

(A tempo tritt der Mond aus den Wolken, es wird heller auf der Bühne.)

Christopherl (ebenfalls eilig die Leiter hinaufsteigend) Da bin ich schon. (Wie er oben auf der Leiter ist, nimmt er den Frauenzimmer-Mantel und Hut ab und wickelt beides in einen Knäuel zusammen.)

Weinberl Was machen S' denn?

Christopherl Geduld, jetzt kann uns nix mehr g'schehen.

Sonders (ans Fenster kommend) Marie! Ich kann das Paket nicht finden.

Christopherl (in natürlicher Stimme) Nicht finden können Sie's? No, so nehmen S' das derweil. (Wirft Mantel und Hut zum Fenster hinein und steigt von der Leiter auf die Mauer, auf welcher er in sitzender Stellung bleibt.)

Sonders Was seh' ich, ein Mann –?! Ich bin schmählich betrogen.

Weinberl Jetzt ziehn wir die Leiter herauf und lassen s' auf der andern Seiten herunter. (Tut es mit Christopherls Beihilfe.)

Sonders Die Leiter – wo ist die Leiter? (Langt zum Fenster heraus und merkt, daß die Leiter fortgetragen ist.) Verdammt!

(Man hört im Hause mehrere Stimmen untereinander.)

Sonders Man kommt –!

(Man hört im Zimmer oben die Türe einbrechen, Zangler mit dem Wachter und noch ein paar Leuten erscheinen mit Lichtern im Kabinett.)

Zangler Ein Mann ist's

Wachter Nur angepackt!

Zangler Herr Sonders –! Teufel, jetzt wird's mir zu arg!

Wachter und die Übrigen Angepackt! Nur angepackt!

Christopherl Sie hab'n ihn schon. Das ist ein Jux!

(Im Orchester fällt passende Musik ein. – Weinberl und Christopherl verschwinden während dem im Kabinett statthabenden Tumulte außerhalb der Mauer.)

Der Vorhang fällt.


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