Johann Nepomuk Nestroy
Einen Jux will er sich machen
Johann Nepomuk Nestroy

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Erster Aufzug

Zimmer in Herrn Zanglers Hause; die allgemeine Eingangstüre im Prospekt, jedoch gegen die rechte Seite; links am Prospekt ein ziemlich breiter Ofenschirm, rechts und links eine Seitentüre, zu beiden Seiten Tisch und Stuhl

Erster Auftritt

Zangler, August Sonders

Zangler Ich habe Ihnen jetzt ein für allemal g'sagt –

Sonders Und ich Ihnen ein für allemal erklärt –

Zangler Daß Sie meine Nichte und Mündel nicht kriegen!

Sonders Daß Marie die Meine werden muß!

Zangler Das werd' ich zu verhindern wissen!

Sonders Schwerlich so sicher, als ich es durchzusetzen weiß!

Zangler Kecker Jüngling!

Sonders Hartherziger Mann! Was haben Sie gegen mich? Meine Tante in Brüssel ist reich.

Zangler Gratulier'!

Sonders Ich werde sie beerben.

Zangler Aber wann?

Sonders Sonderbare Frage! Nach ihrem Tode.

Zangler Und bis wann wird sie sterb'n? Aha, da stockt die Antwort. So eine Tant' in Brüssel kann leben, so lang sie will.

Sonders Das wünsch' ich ihr vom Herzen, denn ich weiß, daß sie auch bei Lebzeiten reichlich zu meinem Glücke beitragen wird.

Zangler Reichlich beitragen – wieviel is das in Brüssel? Reichlich beitragen is hier das unbestimmteste Zahlwort, was es gibt, und in unbestimmten Zahlen schließ' ich kein Geschäft. Und kurz und gut, ins Ausland lass' ich meine Mündel schon durchaus nicht heiraten.

Sonders So heirate ich sie und bleibe hier.

Zangler Und derweil schnappt dort ein anderer die Erbschaft weg, das wär' erst gar das Wahre! Mit ei'm Wort, g'horsamer Diener! Plagen Sie sich auch nicht zu sehr mit unnötigem Herumspekulier'n um mein Haus! Meine Nichte is heut' früh an den Ort ihrer Bestimmung abgereist.

Sonders Wie, Marie fort –?

Zangler Ja, nach Dingsda – logiert in der ungenannten Gassen, Numero soundso viel, im beliebigen Stock, rechts bei der zug'sperrten Türe, da können S' anläuten, so oft S' wollen, hineinlassen wer'n s' Ihnen aber nicht.

Zweiter Auftritt

Gertrud; die Vorigen

Gertrud (tritt zur Mitte ein) Das geht gut, der neue Hausknecht is noch nicht da, und der alte sagt, er will nichts mehr tun.

Zangler Was ist's denn?

Gertrud Die Koffer müssen ja vom Boden heruntergetragen werden, wenn die Mamsell Marie schon übermorgen in die Stadt zu Fräulein Blumenblatt soll.

Zangler (verlegen und ärgerlich) Es ist – Sie hat – geh' Sie zum Teufel –

Sonders Also übermorgen erst? In die Stadt zu Fräulein Blumenblatt? Gehorsamer Diener! (Geht zur Mitteltüre.)

Zangler He, mein Herr – das wird Ihnen nix nutzen, daß – der Aufenthalt meiner – mit einem Wort –

Sonders (schon in der Türe) Gehorsamer Diener! (Ab.)

Dritter Auftritt

Zangler, Gertrud

Zangler (sehr aufgebracht) Da hab'n wir's – jetzt weiß er, daß sie noch da is und wo sie hinkommt – ich wollt', die Frau Gertrud wär' –

Gertrud Was hab' ich denn getan?

Zangler Gar nix hat Sie getan, g'red't hat Sie. Das is, was die Weiber immer tun und nie tun sollten. Zur Unzeit hat Sie g'red't. Man sollt' gar nicht glauben, daß so eine überreife Person so unzeitig reden könnt'.

Gertrud I hab' aber nit g'wußt –

Zangler Daß das der Liebhaber von meiner Mündel is? Aber jetzt weiß Sie's, weiß, daß ich morgen in aller Fruh' in die Stadt fahr', weiß, daß Sie jetzt mit hundertfacher Vorsicht über die Marie wachen muß, weiß, daß ich Sie zermalme, wenn während meiner Abwesenheit die zwei Leut' nur mit einem Aug' sich sehn. Wo is die Marie?

Gertrud Im Garten bei den Bienen.

Zangler Da halt't sie sich immer auf, ich glaub', bloß deswegen, weil die Bienen schwärmen! Soll sich ein Beispiel nehmen, das sind nur Tiere und schwärmen auf eine so nützliche Weise – und Frauenzimmer, die sich einbilden, halbete Engel zu sein, haben eine so hirnlose Schwärmerei in sich. Sie soll heraufgehen, es fangt an, dunkel zu werden. Und der Herr Weinberl und der Christoph sollen auch heraufkommen, wenn sie 's G'wölb' zugesperrt hab'n. Und meine Schützenuniform bring' Sie mir herein, der Kasten wird offen sein.

Gertrud Gleich, Herr von Zangler, gleich! (Zur Mitte ab.)

Vierter Auftritt

Zangler, dann Kraps

Zangler (allein) 's is zum Totärgern. Heut' großes Quartal-Souper der Schützengesellschaft, und der Schneider laßt mich sitzen. Ich als diesjähriger Schützenkönig muß in der alten Uniform erscheinen. O Schneider, Schneider! Wann werd't's ihr in eurer Sphäre bleiben und euch bloß aufs Kleidermachen und nicht aufs Maulmachen verlegen! Dreimal hab' ich schon g'schickt und –

Kraps (zur Mitte eintretend, bringt einen dreieckigen Hut und Hirschfänger mit Gehänge) Es war wieder umsonst. Da is der neue Hut und der neue Hirschfänger, aber der Schützenfrack wird nit fertig, hat noch keine Knöpf' und kein Futter. Wann S' 'n so anlegen woll'n –

Zangler Ich glaub', der Schneider is ein Narr, ich werd' doch kein' Frack ohne Futter anlegen –

Kraps (für sich, indem er Hut und Hirschfänger auf den Tisch links legt) Ich glaub', wann er den Rock zu der Fresserei anlegt, wird Futter g'nug hineinkommen. (Laut.) Jetzt bitt' ich um mein' Lohn und um a Trinkgeld.

Zangler Was, Trinkgeld?

Kraps Ich hab' heut' vor vierzehn Tagen aufg'sagt, aber um acht Uhr in der Früh, Sie haben mich also jetzt schon eilf Stunden über die Zeit mißbraucht.

Zangler (gibt ihm Geld) Da hat Er! Übrigens irr' Er sich nicht, ich hab' Ihm aufg'sagt, nicht Er mir.

Kraps Kann sein! Ich hab' aber z'erst durch Nachlässigkeit und Unwillen zu erkennen gegeben, daß mir der Dienst nit mehr g'fallt. Daß Sie dann g'sagt hab'n, ich kann mich in vierzehn Tagen zum Teufel scher'n, das war nur eine natürliche Folge davon.

Zangler Pack' Er sich, ich bin froh, daß ich Ihn los hab', ich hab' Ihn nur kurze Zeit g'habt, aber – ich will nicht sagen, was ich mir denk', aber –

Kraps No, sein S' so gut!

Zangler Er ist ein ganz unverläßlicher Mensch, und –

Kraps O, sehr verläßlich, ich verlass' alle drei Wochen ein' Dienst, das kann ich durch viele Zeugnisse beweisen. Empfehl' mich gehorsamst – ich bleib' nicht gern lang an ein' Ort. (Mitte ab.)

Zangler (allein) Der wird schon noch an ein' Ort kommen, wo er lang bleiben muß, das prophezei' ich ihm.

Fünfter Auftritt

Zangler, Gertrud

Gertrud (zur Mitte eintretend) Das is das Schützenkönigg'wand. (Legt einen grünen bordierten Rock, einen Hut und Hirschfänger auf den Tisch rechts.)

Zangler (unwillig) Auf meine Mündel soll Sie Obacht geben, hab' ich g'sagt.

Gertrud No ja, Sie hab'n aber auch befohlen –

Zangler Daß Sie der Marie nicht ein' Schritt von der Seiten geht! Hirschfänger und Hut war unnötig, ich hab' einen neuchen.

Gertrud Na, so will ich den wieder – (will zum Tisch, um Hirschfänger und Hut wieder fortzutragen.)

Zangler (heftig) Zu der Marie soll Sie schaun, hab' ich g'sagt.

Gertrud (erschrocken zurückweichend) Nein, man weiß wirklich nit, wo einem der Kopf steht. (Im Abgehen.) Jetzt hätt' ich bald vergessen – (zu Zangler) der neue Hausknecht is da.

Zangler Soll hereinkommen –

(Gertrud zur Mitte ab.)

Zangler (allein) Nichts als Odiosa, Geschäfte, Unwesen im Hauswesen, umgeben von albernen Wesen, langweiligen Wesen, schlechten Wesen, ich bin wirklich ein geplagtes Wesen. (Es wird an der Türe geklopft.) Herein!

Sechster Auftritt

Zangler, Melchior

Melchior (schüchtern eintretend, zur Mitte) Ich bitt', sein Euer Gnaden der G'würzkramer?

Zangler Eins zuwenig, 's andre zuviel, ich bin nicht Euer Gnaden, sondern nur Herr Zangler, ich bin aber kein Kramer, sondern vermischter Warenhändler.

Melchior Ich hab' g'hört, daß der Herr vermischte Warenhändler einen Hausknecht g'habt hab'n, der ein reiner Lump war.

Zangler Ich hab' ihn fortgejagt.

Melchior Und da, hab' ich g'hört, sind Sie in Desperation, daß Sie kein' Hausknecht haben.

Zangler In Desperation? Das is gar eine dumme Red', ich glaub' an solchen Schlingeln is keine Not.

Melchior Das is wahr, eher wird's an Prinzipal' eine Not sein. Ein Hausknecht halt't lang, aber Prinzipal geht alle Augenblick' einer z'grund'.

Zangler Er is etwas vorlaut, scheint mir –

Melchior Nein, das war nur so eine merkantilische Bemerkung.

Zangler Wo hat Er sein Dienstzeugnis?

Melchior Im Sack.

Zangler So geb' Er's her.

Melchior (gibt ihm das Zeugnis, ein ganz zusammengeknittertes Papier) Es ist etwas verkribelt, ich trag's schon vier Wochen herum.

Zangler Hat Er Kenntnisse in der vermischten Warenhandlung? (Durchsieht das Zeugnis.)

Melchior O, sehr viel! Wir hab'n zwar da, wo ich war, nur einen Artikel g'habt, aber der war ungeheuer vermischt, ich bin aus einer Weinhandlung.

Zangler Hm! Sein Zeugnis lautet ja ganz vorzüglich gut.

Melchior Ja, meine Aufführung war klassisch.

Zangler (in dem Zeugnis lesend) Treu, redlich, fleißig, willig, wachsam aufs Haus, obachtsam auf die Kinder –

Melchior Ja, das waren klassische Bub'n, jeder in einer andern Klass' und doch jeder die dritte Klass', das wird man nicht bald finden.

Zangler Er ist aufgenommen.

Melchior Ich küss' die Hand.

Zangler Sechs Gulden Monatslohn, Kost, Quartier, Wäsch!

Melchior No jetzt, Wasch' und Quartier, das ist das geringste, aber die Kost, die war halt dort, wo ich war, klassisch.

Zangler Bei mir leid't auch niemand Hunger. – Suppen, Rindfleisch, Zuspeis und was drauf.

Melchior Aber nur viel drauf. Und weg'n Fruhstuck – dort hab' ich halt immer Kaffee g'habt.

Zangler Das war bei mir nicht der Brauch, daß der Hausknecht Kaffee –

Melchior Schaun S', Sie hab'n g'wiß auch einen Rosoli unter Ihren vermischten Sachen.

Zangler O ja, aber –

Melchior Na, sehn Sie, dann is es ja unser beiderseitiger Vorteil, wann S' mir ein' Kaffee geb'n, denn Sie verleiteten mich ja sonst mit G'walt zu die geistigen Getränk'.

Zangler Na, da gäbet's schon noch Mittel – übrigens, wenn Er brav is –

Melchior Klassisch!

Zangler So soll Er ein' Kaffee hab'n.

Melchior Versteht sich, süß, und ein Kipfel. O, an dem Ort, wo ich war, das war ein klassischer Kaffee.

Zangler Was hat Er denn immer mit dem dummen Wort klassisch?

Melchior Ah, das Wort is nit dumm, es wird nur oft dumm angewendet.

Zangler Ja, das hör' ich, das muß Er ablegen, ich begreif' nicht, wie man in zwei Minuten fünfzigmal dasselbe Wort repetieren kann.

Melchior Ja, das ist klassisch. Und dann bitt' ich mir zu sagen, was ich alles zu tun hab'.

Zangler Was wird Er zu tun haben? Was halt einem Hausknecht zukommt.

Melchior Kisten und Fässer aus'n Magazin holen –

Zangler Botengänge machen, das G'wölb' rein halten, und im Haus –

Melchior Wenn's in der Kuchel was gibt, kleins Holz machen, allenfalls Boden reib'n.

Zangler Und meine Person bedienen.

Melchior Na ja, halt alles, was zur groben Arbeit gehört. Na, ich hoff', wir wer'n kein' Streit hab'n.

Zangler Das hoff' ich auch.

Melchior Ich war immer sehr gut mit meinen Herrn, also wer' ich bei Ihnen keine Ausnahm' – und nicht wahr, wenn ich was aus Privatfleiß tu', zum Beispiel der Köchin Wasser trag'n, dem Herrn Kommis die Stiefel putzen, da krieg' ich extra ein Honorar –

Zangler Das mach' Er mit dem Kommis aus und mit der Köchin. Jetzt hilf Er mir anziehen, den Schneider soll der Teufel holen.


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