Johann Nepomuk Nestroy
Einen Jux will er sich machen
Johann Nepomuk Nestroy

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Fünfter Auftritt

Lisette, Melchior; die Vorigen

Lisette (mit Melchior zur Mitteltüre links eintretend) Euer Gnaden, der Mensch läßt sich nicht abweisen. (Zu Melchior, auf ihre Gebieterin zeigend.) Hier ist das gnädige Fräulein. (Geht zur Mitteltüre links ab.)

Melchior Das is ein Fräule? Das is klassisch.

Fräulein von Blumenblatt Was will Er?

Melchior Mein Herr schickt mich her, ich soll der Euergnadenfräul'n sag'n –

Weinberl (sich der Person Melchiors besinnend) Christopherl, das is ja –

Melchior (Weinberl und Christopherl betrachtend) Sie sein 's? Ah, das is stark.

Fräulein von Blumenblatt (zu Weinberl) Ist Ihnen der Mensch bekannt, Herr von Sonders?

Weinberl Das heißt, ich hab' ihn wohl g'sehen. – (Leise zu Christopherl.) Herr von Sonders hat s' zu mir g'sagt, wenn ich mich nicht irr'- ich kenn' ihn zwar nicht –

Christopherl (leise zu Weinberl) Ich auch nicht.

Weinberl (leise zu Christopherl) Aber so heißt ja der –

Christopherl (leise zu Weinberl) Der unsrer Fräuler z' Haus nachsteigt –

Melchior (zu Weinberl) Schamen Sie sich! Das is eine Aufführung!

Fräulein von Blumenblatt Wie kommt Er dazu, diesem Herrn ein Reperement –

Melchior Weil mein Herr dem Herrn seine Zech' hat müssen zahl'n.

Fräulein von Blumenblatt Eine Zeche?

Melchior Ja, sonst hätt' der Kellner die Damen pfänd't.

Fräulein von Blumenblatt Was für Damen?

Melchior Nicht eigentliche Damen, sondern nur, was man so sagt. Dieser Herr – (zu Weinberl) schamen Sie sich! – (zu Fräulein von Blumenblatt) war in einem Garten mit zwei Frauenzimmern, die ich anfangs für Weibsbilder g'halten hab', wo sich's aber nachher gezeigt hat, daß es Witwen waren. (Zu Weinberl.) Schamen Sie sich!

Fräulein von Blumenblatt Wer soll aus diesem Gewäsch klug werden?

Melchior (in verächtlichem Tone zu Weinberl) Mit Damen wohin gehen und nicht zahlen! Schamen Sie sich!

Fräulein von Blumenblatt (zu Melchior) Werd' ich jetzt erfahren –?

Melchior (wie oben zu Weinberl) Mit Damen und nicht zahlen, das is klassisch!

Fräulein von Blumenblatt (ärgerlich zu Melchior) Jetzt frag' ich Ihn zum letztenmal –

Melchior (wie oben zu Weinberl) Schamen Sie sich!

Fräulein von Blumenblatt (wie oben) Wer ist Sein Herr?

Melchior Der Herr von Zangler.

Fräulein von Blumenblatt Und kommt Sein Herr zu mir?

Melchior Euergnadenfräuler, da hat er nix g'sagt.

Weinberl (für sich) Gott sei Dank!

Christopherl (leise zu Weinberl) Wenn er aber doch –

Fräulein von Blumenblatt Was ist also eigentlich Seine Sendung?

Melchior Der Herr von Zangler laßt Ihnen sagen, er hat Ihnen da zwei Leut' g'schickt –

Weinberl und Christopherl (erschrocken) Der Prinzipal hat uns –?

Melchior Er hat nämlich den (auf Weinberl zeigend) für 'n Herrn von Sonders und diese (auf Christopherl zeigend) für seine durchgegangene Mündel gehalten; sie sein's aber nicht, drum soll'n s' die Euergnadenfräuler fortlassen.

Weinberl und Christopherl Das is g'scheit!

Fräulein von Blumenblatt Wie? Das ist ja das Gegenteil von dem, was in dem soeben erhaltenen Briefe steht. (Zu Weinberl und Christopherl.) Ich lasse Sie nicht fort.

Christopherl Was?

Fräulein von Blumenblatt Dieser Mensch da scheint mir unter der Maske der Dummheit einen schlauen Plan zu verbergen; scheint mit Ihnen einverstanden, Sie von hier fortzubringen. Draus wird aber nichts, Vermittlerin will ich sein, aber –

Melchior Aber, Euergnadenfräul'n, das is ja der, der sich schamen soll –

Christopherl Wenn der Alte selbst sagen laßt –

Fräulein von Blumenblatt Zum letzten Male, Marie, schweigen Sie!

Sechster Auftritt

Lisette; die Vorigen

Lisette (zur Mitteltüre eintretend) Euer Gnaden, es is ein Herr Weinberl draußen.

Weinberl Was, draußt is ein Weinberl?

Fräulein von Blumenblatt Und was will der Mensch?

Lisette Der Mensch kommt von Herrn von Zangler.

Melchior Ich komme von Herrn von Zangler. Das is ja Widerspruch!

Fräulein von Blumenblatt (zu Lisetten) Mein Schwager also hat mir den Menschen geschickt?

Melchior (zu Fräulein von Blumenblatt) Der Schwager hat mich geschickt, und die sagt, er hat einen Menschen geschickt, das ist ja Widerspruch!

Lisette Euer Gnaden möchten ihm Zutritt in Ihrem Hause gestatten, denn sein Auftrag ist, das Benehmen des Fräulein Zangler (auf Christopherl zeigend) zu beobachten und darüber Herrn von Zangler zu rapportieren.

Fräulein von Blumenblatt (sich besinnend) Weinberl –? Ach, jetzt erinnere ich mich, das ist ja sein Kommis, den er mir oft als ein Muster von Solidität gerühmt, auf den er sich verlassen kann wie auf sich selbst – o, nur herein, er ist mir willkommen.

(Lisette geht zur Mitteltüre links ab.)

Weinberl (zu Christopherl) Jetzt kommt's auf, wie solid ich bin; aber auf den Weinberl bin ich begierig.

Melchior Das sind ja aber lauter Widersprüche!

Fräulein von Blumenblatt (böse zu Melchior) Kein Wort mehr! (Zu Weinberl.) Für meine Vermittlungspläne ist es mir lieber, daß der Herr Weinberl kommt, als wenn Schwager Zangler selbst gekommen wäre.

Weinberl Das wär' auf alle Fäll' das Unangenehmste gewesen.

Siebenter Auftritt

Sonders, Lisette; die Vorigen

Sonders (von Lisetten hereingeführt, zu Fräulein von Blumenblatt) Gnädiges Fräulein –

Fräulein von Blumenblatt (zu Sonders) Ich bin sehr erfreut, Ihre persönliche Bekanntschaft – (präsentiert dem Weinberl, den sie für Sonders hält, diesen als Herrn Weinberl, und dem wirklichen Sonders, den sie für Weinberl hält, den Weinberl als Herrn von Sonders, folglich verkehrt.) Hier Herr Weinberl, hier Herr von Sonders – doch die Herren kennen sich wohl?

(Sonders und Weinberl machen sich gegenseitig sehr befremdet das Kompliment.)

Sonders Ich hab' nicht die Ehre, den Herrn von Sonders –

Weinberl Und ich hab' nicht die Ehre, den Herrn von Weinberl zu kennen.

Melchior (welcher links steht, Sonders, der auf der rechten Seite steht, betrachtend) Den soll ich – das is ja –

Sonders (für sich) Da hat sich einer für mich ausgegeben! Wie kommt er aber dazu, Begleiter meiner Marie zu sein? (Auf den verschleierten Christopherl hinübersehend.) Sie gibt mir kein Zeichen –!

Fräulein von Blumenblatt (zu Sonders) Wird mein Schwager Zangler zu mir kommen?

Sonders Ich glaube, nicht so bald. (Für sich.) Ich hoffe es wenigstens!

Fräulein von Blumenblatt (sich zu Weinberl wendend) Nun sehen Sie, Herr von Sonders – (spricht leise mit Weinberl weiter.)

Melchior Ah, das wär' zu keck! (Schleicht näher zu Sonders.)

Sonders (benutzt den Augenblick, wo Fräulein von Blumenblatt mit Weinberl spricht, und ruft mit unterdrückter Stimme auf den an der linken Ecke der Bühne stehenden Christopherl, den er für Marien hält, zu) Marie! (Gibt durch Zeichen zu verstehen, daß er nicht wisse, wie sie zu dieser Begleitung gekommen.)

Christopherl (der dies bemerkt, für sich) Ich rühr' mich nicht.

Sonders (für sich) Wenn sie nur den Schleier wegtäte, daß ich in ihren Blicken lesen könnt'!

Melchior (Sonders anpackend) Das is der Eigentliche! Entdeckung, Betrug, falsche Vorspieglung!

Sonders (Melchior zurückstoßend) Was untersteht Er sich?

Fräulein von Blumenblatt (über Melchiors Kühnheit entrüstet) Was soll das?

Melchior Euer Gnad'n! (Auf Sonders deutend.) Der hat mit Ihnen falsche Vorspieglung getrieben, hier ist von Weinberl keine Spur.

Sonders Was will dieser Mensch? Wer ist Er?

Fräulein von Blumenblatt (zu Sonders) Was, Sie kennen ihn nicht? Und er hat sich für einen Diener des Herrn von Zangler ausgegeben! Da herrscht Betrug! Da herrscht Betrug! Lisette, schicke sogleich den Wachter herein!

(Lisette geht zur Mitteltüre links ab.)

Weinberl (zu Christopherl) Da gibt's Spektakel, währenddem kriegen wir Luft.

Melchior (zu Fräulein von Blumenblatt) Euer Gnaden lassen den Wachter holen, ich will doch nicht hoffen –

Fräulein von Blumenblatt (erzürnt) Seine Frechheit soll Ihm teuer zu stehen kommen.

Melchior Wer is frech? (Auf Sonders zeigend.) Der is frech, denn da is von Weinberl keine Spur – (auf Weinberl zeigend) der is frech, denn da is von Zech'zahl'n keine Spur, aber ich –

Achter Auftritt

Der Wachter; die Vorigen, dann Lisette

Wachter (tritt zur Mitteltüre links ein) Ich soll wem hinauswerfen?

Fräulein von Blumenblatt (auf Melchior zeigend) Bemächtige Er sich dieses Betrügers!

Melchior Was?!

Weinberl (leise zu Christopherl) Bei der Gelegenheit fahr'n wir ab.

Melchior Den Wachter schicken S' über mich! Hier wimmelt's von Frevlern, ich bin vielleicht der einzige Unschuldige im ganzen Zimmer, und mich führen s' ein – ah, das is klassisch!

Wachter Nur nicht viel G'schichten g'macht!

Melchior (während ihn der Wachter gegen die Mitteltüre links führt) Wenn das mein Herr sähet! Wachter – lieber Wachter!

(Christopherl und Weinberl haben sich ebenfalls, um während des Tumultes zu echappieren, derselben Türe genähert.)

Lisette (läuft zur Mitteltüre links herein) Der Herr von Zangler is da!

Weinberl, Christopherl, Sonders (erschrocken, jeder für sich) Der Zangler –!!? (Alle drei stürzen a tempo, Sonders zur Mitteltüre rechts, Weinberl zur Seitentüre rechts, Christopherl zur Seitentüre links, ab.)

Melchior Das ist g'scheit!

Lisette Aber, Fräul'n –! (Eilt Christopherl nach.)

Fräulein von Blumenblatt Mein Schwager – alles läuft davon – Herr Weinberl fort –?


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