Johann Nepomuk Nestroy
Einen Jux will er sich machen
Johann Nepomuk Nestroy

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Zwölfter Auftritt

Zangler; die Vorigen

Zangler (zur Seitentüre links kommend) Ah, Sie sind schon da!

Weinberl Der Herr Prinzipal haben befohlen –

Christopherl Befohlen –

Weinberl Wir sind daher in corpore erschienen.

Christopherl (leise zu Weinberl) In was sind wir erschienen?

Weinberl (zu Christopherl) Halten Sie 's Maul, in corpore!

Zangler Ich muß Sie von einer Veränderung, mein Haus betreffend, in Kenntnis setzen. Sie haben bis jetzt nur einen Herrn gehabt, bald werden Sie auch eine Frau bekommen.

Christopherl Eine Frau? Ich bin ja noch viel zu jung.

Weinberl (zu Christopherl) Reden Sie nicht so albern, der Herr Prinzipal wird sich verehelichen, und seine Frau wird auch die unsre sein, unsre Prinzipalin, unsre Prinzipal-Gebieterin.

Zangler Ganz recht!

Christopherl Ah, so is das!

Zangler Dieses wichtige Ereignis will ich nun durch Beförderungen in meinem Personale verherrlichen. Sie, Mussi Christoph –

Christopherl (für sich) Der sagt auch »Sie« und »Mussi« –

Zangler Sie haben aufs G'wand gelernt, müßten daher eigentlich noch ein halbes Jahr Lehrjung' bleiben! Diesen Zeitraum schenk' ich Ihnen und ernenn' Sie zum Kommis.

Weinberl So eine Auszeichnung wird wenigen zuteil. (Zu Christopherl.) Bedanken Sie sich doch!

Christopherl (küßt Zangler die Hand) Die Gunst des Prinzipals zu bestreben, ferneres Benehmen, würdig zu sein, Fleiß und Ausdauer zu erringen –

Zangler Schon gut, ich wünsch', daß das nicht bloß schöne Worte sind –

Weinberl Nein, das sind sie gewiß nicht, ich glaube mit Grund, daß er sowohl Ihnen, Herr Prinzipal, und mir, seinem unmittelbaren Vorgesetzten, wie auch dem Kontinentalhandel überhaupt Ehre machen wird.

Zangler (zu Christopherl) Sie waren immer fleißig.

Weinberl Passabel.

Zangler (zu Christopherl) Ehrlich, das ist die Hauptsach'.

Weinberl Das is wahr, er hat in der Lehrzeit manche Watschen kriegt, aber keine auf Veranlassung einer Watschen, die er der Budel gegeben hätt'.

Zangler (zu Christopherl) Es fehlt Ihnen nichts, als daß Sie sich mehr Manier gegen die Kundschaften aneignen.

Weinberl (zu Christopherl) Darüber hab' ich Ihnen oft Lehren gegeben.

Christopherl (sich mit der Hand durch den Kakadu fahrend) Ja, sehr oft.

Weinberl (zu Christopherl) Hübsch mit »Euer Gnaden« und »Gnädige Frau« herumwerfen, die War' mit Anstand überreichen, zu jedem Rammel »Schatz« sag'n, 's kleine Geld zierlich mit Zeigefinger und Daum' herausgeben, die andern drei Finger werden bloß auf Händedrücke für Köchinnen verwend't.

Zangler Das wird sich hoffentlich geben.

Christopherl O ja, so was begreift ein junger Kommis sehr g'schwind.

Zangler (zu Weinberl) Ihnen, Herr Weinberl, der schon seit Jahren mein ganzes Zutrauen besitzt, der seit Jahren das Geschäft zu meiner vollsten Zufriedenheit leitet, Ihnen ernenn' ich zu meinem Associé.

Weinberl (äußerst überrascht) Ich Associé?

Zangler Bei meiner Rückkunft werden wir den nötigen Kontrakt auf- und der neuen Firma »& Kompanie« beisetzen. Ich verreise nämlich auf drei Tag', teils meiner Heiratsangelegenheit wegen, teils anderer Angelegenheiten halber. Unter dieser Zeit übergebe ich Ihnen das ganze Geschäft, schaun Sie auf alles, daß weder Unordnungen in den Magazinen noch in der Korrespondenz –

Christopherl Seit drei Wochen hab'n wir kein' Brief kriegt, wie leicht könnt' grad diese Tag' –

Zangler (ohne auf Christopherl zu hören, zu Weinberl) Mit einem Wort, Sie sind ein solider Mensch, ich weiß, daß ich mich auf Ihnen verlassen kann. Jetzt muß ich zum Schützensouper. (Setzt den neuen bordierten Hut auf.) Morgen früh um vier Uhr fahr' ich fort –

Christopherl Sollten wir also nicht mehr die Ehre hab'n, den Prinzipal zu sehn, so wünschen wir jetzt glückliche Reis' –

Weinberl (noch ganz perplex) Associé –!

Zangler Ja, ja! Fassen Sie sich nur, mein lieber Weinberl! Sie sind vom Tage meiner Verheiratung an mein Associé. Adieu! Also nochmals: während meiner Abwesenheit strenge Ordnung und Pünktlichkeit!

Christopherl (indem er ihn an die Türe begleitet) Wir machen unser Kompliment, Herr Prinzipal!

Dreizehnter Auftritt

Die Vorigen ohne Zangler

Weinberl (wonnetrunken und stolz sich mit einer Hand am Tische stützend) Associé! Hast du's gehört, Gremium von Europa! Ich bin Associé!

Christopherl Unser Herr heirat't, Sie wer'n Kompagnon, nachher haben wir zwei Prinzipal', eine Prinzipalin, und ich allein bin der ganze Personalstand.

Weinberl Buchhalter, das war immer der Chimborasso meiner Wünsche, und jetzt blickt der Associé wie aus einem Wolkenthron mitleidig auf den Buchhalterstandpunkt herab.

Christopherl Ich mach' meine Gratulation.

Weinberl Und sonderbar! Gerad jetzt – jetzt –

Christopherl Jetzt sind Sie's ja noch nicht, erst bis der Prinzipal heirat't.

Weinberl Gerade jetzt, wo das Berufsglück sein ganzes Füllhorn ausschütt't über mich, werden in mir Wünsche roglich wie Kisten, die auf einem Schubkarren schlecht auf'packt sind.

Christopherl Aha! Ich g'spann', was der Associé wünscht.

Weinberl Eine Associéin? O nein! Das irritiert mich nicht, so was kommt von selbst, und wenn es nicht kommt, so ist es auch noch kein Unglück.

Christopherl Also das is es nicht? Na, nachher gib ich 's Raten auf. Mein Kopf is von der Lehrzeit her zu sehr angegriffen, als daß ich mir'n jetzt gleich zerbrechen möcht'.

Weinberl Glauben Sie mir, junger Mann! Der Kommis hat auch Stunden, wo er sich auf ein Zuckerfaß lehnt und in süße Träumereien versinkt. Da fallt es ihm dann wie ein Fünfundzwanzig-Pfund-Gewicht aufs Herz, daß er von Jugend auf ans G'wölb' gefesselt war wie ein Blassel an die Hütten. Wenn man nur aus unkompletten Makulaturbüchern etwas vom Weltleben weiß, wenn man den Sonnenaufgang nur vom Bodenfensterl, die Abendröte nur aus Erzählungen der Kundschaften kennt, da bleibt eine Leere im Innern, die alle Ölfässer des Südens, alle Heringfässer des Nordens nicht ausfüllen, eine Abgeschmacktheit, die alle Muskatblüt' Indiens nicht würzen kann.

Christopherl Das wird jetzt ein anders G'sicht kriegen als Kompagnon.

Weinberl Weiß nicht. Der Diener ist Sklav' des Herrn, der Herr Sklav' des Geschäfts. Erhaben ist die zweite Sklaverei, aber so biglem mit Genuß begabt als wie die erste. – Wenn ich nur einen wiffen Punkt wüßt' in meinem Leben, wenn ich nur von ein paar Tag' sagen könnt': da bin ich ein verfluchter Kerl g'wesen – aber nein! Ich war nie verfluchter Kerl. Wie schön wär' das, wenn ich einmal als alter Handelsherr mit die andern alten Handelsherren beim jungen Wein sitz', wenn so im traulichen Gespräch das Eis aufg'hackt wird vor dem Magazin der Erinnerung, wenn die G'wölb'tür der Vorzeit wieder aufgesperrt und die Budel der Phantasie voll ang'ramt wird mit Waren von ehmals, wenn ich dann beim lebhaften Ausverkauf alter G'schichten sagen könnt': »Oh! Ich war auch einmal ein verfluchter Kerl, ein Teuxelsmensch, ein Schwerack!« – Ich muß – ich muß um jeden Preis dieses Verfluchtekerlbewußtsein mir erringen.

Christopherl Von mir aus hätten Sie dieses Bewußtsein schon lange; sooft Sie sich in meine Frisur verkrampelt haben, hab' ich mir denkt: »Das is ein verfluchter Kerl, den holt –«

Weinberl Was Sie denken, geht mich nix an, ich muß es denken, muß es fühlen.

Christopherl So beuteln S' Ihnen selber den Schopf.

Weinberl (von einer Idee ergriffen) Halt! Ich hab's –!

Christopherl Na, was denn?

Weinberl Ich mach' mir einen Jux.

Christopherl Ein' Jux?

Weinberl Grad jetzt auf der Grenze zwischen Knechtschaft und Herrschaft mach' ich mir einen Jux. Für die ganze Zukunft will ich mir die leeren Wände meines Herzens mit Bildern der Erinnerung schmücken – ich mach' mir einen Jux!

Christopherl Wie wer'n Sie aber das anstellen?

Weinberl Woll'n Sie dabei sein, Mussi Christoph?

Christopherl Warum nicht? Ich bin freig'sprochen worden: kann man die Freiheit schöner als durch ein' Jux zelebrieren?!

Weinberl Wir sperr'n 's G'wölb' zu, während der Prinzipal aus ist! Sind Sie dabei?

Christopherl 's G'wölb'zusperr'n war immer meine Leidenschaft, solang ich bei der Handlung bin.

Weinberl Wir fahren in die Stadt und suchen fidele Abenteuer auf! Sind Sie dabei?

Christopherl Freilich! Ich riskier' nix. Sie sind Kompagnon; indem ich Ihnen folg', erfüll' ich nur meine Pflicht. Jetzt, was Sie riskier'n, das tuschiert mich nicht. Ich bin dabei.

Weinberl Halt, Jüngling! Sie setzen mir da einen Floh ins Ohr, den ich erst fangen und töten muß. Kann es der Prinzipal erfahren? Er kommt nie mit die Nachbarsleut' zusamm', er sitzt immer in der Schreibstub'n, disk'riert nie mit die Kundschaften, geht an keinen öffentlichen Ort, außer alle Quartal' zu der Schützengesellschaft. Er kann es nicht erfahren –

Christopherl Wenn uns aber zufällig der Prinzipal in der Stadt sieht?

Weinberl Er ist ein alter Herr, der heirat't, folglich mit Blindheit g'schlagen. Und wissen wir denn auch, ob er in die Stadt fahrt? Und dann geht er auch Geschäften, wir bloß dem Vergnügen nach; sein Weg geht tschihi, unserer dahott, wie die Seeleute sagen, sprich ich, wie die Fuhrleute sagen.

Christopherl Wenn uns aber die Fräul'n Marie verrat't?

Weinberl Die hat Liebesaffären, is folglich froh, wann sie nicht verraten wird.

Christopherl Wann aber die alte Gertrud plauscht?

Weinberl Das Hindernis is unübersteiglich, sie is ein altes Weib, sie muß plauschen. – Aber wenn wir – halt – so geht's – die Alte muß gerade die Assekuranz sein bei unserer Unternehmung. Helfen Sie mir g'schwind in dem Herrn seine Schützenuniform hinein! (Kleidet sich während des Folgenden schnell mit Christopherls Beihilfe in die auf dem Tische liegende alte Schützenuniform Zanglers, schnallt den Hirschfänger um und setzt den Hut auf.)

Christopherl Wegen was denn?

Weinberl Weil ich den Herrn Zangler vorstellen will! Damit s' die Stimme nicht kennt, stell' ich mich bös, und Sie sagen ihr den Auftrag, den ich als Zangler geb' und den sie dann an mich ausrichten muß, wenn ich wieder Weinberl bin.

Christopherl Ich bin mir nicht g'scheit g'nug.

Weinberl Stellen Sie's Licht auf den Tisch hinüber!

Christopherl Gleich. (Nimmt eilig das Licht vom Tische links und stellt es auf den Tisch rechts.)

(Weinberl wirft sich in den am Tische links stehenden Stuhl und läutet heftig mit der Tischglocke.)

Vierzehnter Auftritt

Gertrud; die Vorigen

Gertrud (aus der Seitentüre rechts kommend, für sich) Das is wieder eine Läuterei, als ob alles taub wär'. (Laut.) Was schaffen S', Herr von Zangler? (Beiseite.) I war schon froh, hab' glaubt, er is fort.

Christopherl (welchem Weinberl leise etwas erklärt hat, zu Gertrud) D' Frau Gertrud hat den Herrn wieder kurios bös g'macht.

Gertrud Ich weiß aber nicht –

(Weinberl hustet und brummt ärgerlich einige unverständliche Worte.)

Christopherl Hat'n d' Frau g'hört? Er will gar nicht reden mit Ihr, drum gibt er Ihr durch mich den Auftrag, Sie soll morgen in aller Fruh' dem Herrn Weinberl sagen –

Gertrud Der Christopherl wird doch heut' noch selber den Herrn Weinberl sehn, folglich kann ihm ja der Christopherl –

Christopherl Mussi Christoph, bitt' ich mir aus.

(Weinberl hustet und brummt noch heftiger als früher. Gertrud erschrickt.)

Christopherl Hat'n d' Frau g'hört? Der Herr hat mir andere G'schäft' gegeben, die meinen ganzen Hirnkasten in B'schlag nehmen. Weil ich also drauf vergessen könnt', so soll durchaus die Frau Gertrud –

(Weinberl hustet und brummt wie vorher.)

Christopherl Hat'n d' Frau g'hört? – Die Frau Gertrud soll also morgen in aller Fruh dem Herrn Weinberl sagen, der Herr Zangler läßt ihm strengstens anbefehl'n, daß er während seiner Abwesenheit durch zwei Tag' das G'wölb' ja nicht aufsperren soll. Verstanden?

Gertrud Na freilich, 's G'wölb' darf nicht aufgesperrt wer'n, das wird doch nicht schwer zu verstehn sein.

(Weinberl murmelt etwas zu Christopherl, welcher sich seinem Stuhle etwas genähert hat.)

Christopherl Frau Gertrud soll schaun, daß s' weiter kommt, und soll ihm nicht mehr vor Augen –

Gertrud Na ja!

(Weinberl hustet und brummt noch ungestümer als vorher.)

Christopherl Hat'n d' Frau g'hört?

Gertrud (erschrocken zur Seitentüre rechts gehend) Der Mann is heut' in einer Laune, das is schon aus der Weis'. (Ab.)


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