Johann Nestroy
Höllenangst
Johann Nestroy

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Zwölfte Szene

Die Vorigen, Reichthal.

Reichthal (nahe an der Tür stehenbleibend). Also darf ich dieses Haus mit Vertrauen betreten?

Thurming. Ohne Sorge, in meinem Hause sollen Sie nur Freunde finden.

Reichthal (nachdem er Thurming begrüßt). Mein guter Wendelin, auch dich finde ich hier, treue, aufopfernde Seele?

Wendelin (für sich). Der stichelt auch schon auf meine Seel', daß ich s' aufgeopfert hab' –

Thurming (zu Wendelin). Geh einstweilen hier hinein. (Er zieht den Vorhang von dem Eingang rechts vorne, wo Rosalie abgegangen, etwas zurück.) Hast du sonst noch einen Wunsch?

Wendelin (freudig aufschreiend). Millionen Element! Die Sali –! Ja, jetzt gewinnt die Sache Gestalt, die G'schicht' hat jetzt Hand und Fuß und alles mögliche, die ganze Teufelverschreibung kriegt jetzt erst a G'sicht, und was für ein liebes G'sicht! (Zu Thurming.) Satan, du hast mich am Haare gefaßt – (über Thurmings Lächeln empört) gelt, jetzt lächelst und frohlockest? Oh, nur recht die Schwäche eines Menschen benutzen, bis man ihn ganz umgarnt hat, und nacher –! (Macht die Pantomime: in den Abgrund ziehen.) Oh du – (mit Ingrimm) pfui Teufel! (Geht rechts vorne ab.)

Dreizehnte Szene

Die Vorigen ohne Wendelin.

Reichthal. Werden Sie mir auch nicht zürnen, einen Schritt getan zu haben, der auch Sie in Gefahr bringen kann?

Thurming. Ich bin hocherfreut, von Ihnen selbst unter die vielen Freunde gezählt zu werden, die, von Ihrer Unschuld überzeugt, mit innigster Teilnahme auf eine günstigere Wendung Ihres unverdienten Loses hoffen.

Vierzehnte Szene

Die Vorigen; Ignaz, Gottfried.

Ignaz (eintretend, mit geheimnisvoller Wichtigkeit zu Thurming). Euer Gnaden –

Gottfried (mit einem Servierbrette, welches mit einem reichlichen Gabelfrühstück besetzt ist, eintretend). Ich bitt', wo kommt das hin?

Thurming. Was soll das –?

Ignaz. Das is 's Fruhstuck für 'n Rauber.

Thurming. Ah, nur da hinein! (Weist Gottfried nach rechts vorne.)

Gottfried (tut, wie ihm befohlen, kommt dann wieder zurück und geht während des Folgenden durch die Mitte ab).

Ignaz. Euer Gnaden –! (Thurming geheimnisvoll beiseite winkend.) Eine verschleierte Dam' ist angekommen und wünscht –

Thurming (für sich). Das ist Adele –! (Spricht ein paar Worte leise zu Ignaz, der dann durch die Mitte abgeht.)

Reichthal. Sollte meine Gegenwart Ihnen irgend lästig sein, so ziehe ich mich zurück.

Thurming. O keineswegs, doch mögen Sie einstweilen hier eintreten – (zeigt nach der Seitentüre links rückwärts), um in wenigen Augenblicken zu erfahren, welch gegründete Ansprüche Sie auf meinen Schutz, auf meine Freundschaft haben –

Reichthal. Ich gehorche. (Geht durch die bezeichnete Türe ab.)

Fünfzehnte Szene

Adele, Thurming.

Thurming (seiner Gattin entgegengehend, welche durch die Mitteltüre eintritt). Teure, geliebte Adele, so schnell hätt' ich mir dieses Glück nicht als möglich gedacht.

Adele. Ach, mein teurer Gatte, ich erliege fast der Angst.

Thurming. Fasse dich, du bist in Sicherheit.

Adele. Heute morgen hat mein Vormund mir neuerdings erklärt, ich müsse das Kloster wählen, und nun fürchte ich, wenn er alles erfährt, daß er unsere Ehe als ungültig erklären läßt.

Thurming. Das soll ihm nicht gelingen. Und nun, teure Adele, verbanne jede Sorge, deiner wartet ein Augenblick freudiger Überraschung.

(Geht mit Adele durch die Seitentüre rechts rückwärts ab.)

Sechzehnte Szene

Wendelin, Rosalie.

Rosalie (von rechts vorne kommend). Den Wendelin müssen s' mir aus'tauscht haben, das is ja gar nicht mehr der nämliche; er is auf einmal so verzagt, und sonst hab' ich mich gar nicht g'nug retten können vor ihm.

Wendelin (ebenfalls aus Seite rechts vorne kommend, in sich gekehrt). Die Geschwindigkeit, mit der das Frühstück vernichtet war, is fabelhaft, das war kein natürlicher Appetit – 's war Heißhunger. – Und wenn ich trink', das is auch als wie auf ein' heißen Stein – es müssen schon Flammen in mir sein, ich lass' mir's nicht nehmen.

Rosalie (tritt ihm näher). Jetzt wirst du ein Geständnis ablegen. Woher diese Traurigkeit? Du bist frei –

Wendelin (gleichgültig). Ich hab's im voraus g'wußt, daß mir nix g'schehn kann.

Rosalie. Du bist geliebt –

Wendelin (kalt). So? Das hätt'st mir gestern sagen sollen.

Rosalie. Na, ich glaub', wegen ein' Tag auf oder ab is das Glück noch immer groß genug.

Wendelin. Gestern warst du noch unschätzbar, heut' bist du wertlos.

Rosalie. Was?

Wendelin. Ja, wenn du aus eignem Antrieb so reden und handeln tätst – ja –

Rosalie. Wer soll mich denn gezwungen haben?

Wendelin. Sali –! (Mit Nachdruck.) Hältst du dich wirklich für eine freiwillige? G'spürst du gar nichts von einer verborgenen Kraft in dir?

Rosalie. Du meinst doch die Kraft der Liebe?

Wendelin. Aziwoi, Liebe! Da wär' ich freilich glücklich –

Rosalie. So sei glücklich, wer verbiet't dir's denn? (Fällt ihm um den Hals.)

Wendelin. Ich bitt' dich, Sali, um alls in der Welt – Sali, was tust du? Sali, was fallt dir denn ein, Sali! Geh –

Rosalie (zärtlich). Wendelin –!

Wendelin (strenge). Fort! (Sich besinnend, beiseite.) Jetzt, warum bin ich denn aber so? Ich malträtier' ja mich selbst – ich bin im Grund ein Esel –

Rosalie. Du, 's hat dich wer geruft –

Wendelin. Ich wüßt' nicht, wer.

Rosalie. Mir war aber ganz deutlich –

Wendelin. Mein Namen is ja hier nicht so bekannt, und wenn auch – just nicht –! (Sich auf einmal aller Grillen entschlagend.) Da bringt mich jetzt keine Macht der Erde weg, ich seh' nicht ein – geholt werd' ich doch einmal, also – (will sie stürmisch umarmen, sie entschlüpft ihm schnell.)

Rosalie. No, no, wie g'schieht dir denn auf einmal?

Wendelin. Du entschlüpfst mir? Dieses schlüpfrige Benehmen hätt' ich nicht von dir erwartet. (Nähert sich ihr.)

Rosalie (zurückweichend). Zurück!

Wendelin. Sali, bedenk', Wendelin bittet, wo er befehlen könnte.

Rosalie. Befehlen? Na, das ging' mir ab!

Wendelin. Zwing mich nicht, übernatürliche Mittel anzuwenden.

Rosalie. Übernatürliche Mittel?

Wendelin. Tu lieber aus eigenem Antrieb, was du halt glaubst, daß recht is.

Rosalie (hartnäckig). Nix da! jetzt 's die Reihe an mir, jetzt sag' ich (ihn parodierend): Fort!

Wendelin. Aha! Sind's schon wieder, die dämonischen Kalfoniblitzer schnöder Liebesgaukelei –? Oh, ich kenn' dich, du marmoriertes Kieselherz! (Für sich.) Für mich gibt's keine Liebe, keine Seligkeit – – ich bin ein unglücklicher junger Mensch! (Hat ich auf den Stuhl geworfen und verhüllt sich das Gesicht mit beiden Händen, indem er sich mit den Ellbogen auf den Tisch stützt.)

Rosalie (staunend für sich). Ah, wie der heut' kurios is –!

Wendelin. Freilich, wenn ich mich kaprizier', so müßt' sie wohl – ich brauchet bloß so die Sach' als Wunsch vor mich hinzumurmeln, allenfalls: »Beelzebub, mach', daß sie zu mir kommt!« – Aber –

Rosalie (für sich). Ich muß ihn doch besänftigen. (Sich nähernd und laut.) Schau, lieber Wendelin –

Wendelin (für sich). Aha – was hab' ich g'sagt?! Sie geht aufs Wort, das heißt, aufs Zauberwort.

Rosalie. Vielleicht kann ich das mit einem Kuß beweisen.

Wendelin. Ich dank', es muß nicht gleich sein.

Rosalie (mit fast unheimlicher Verwunderung). Ha, er is aus'tauscht! So was hat ihn sonst außer sich bracht vor Entzücken –

Wendelin (beiseite). Im Liebeszauber bin ich ferm, das hab' ich schon weg. Jetzt muß ich nur auf eine konträre Bezauberung studieren, wenn einem eine z'wider wird, wie man s' da losbringt mit Teufelsg'walt, denn das is immer viel schwerer als die Anziehungskraft.

Rosalie. Is das mein Dank, weil ich beim Herrn Oberrichter ein gut's Wort eingelegt hab' für dich?

Wendelin. Also den haltst du für 'n Oberrichter?

Rosalie. Für was denn sonst?

Wendelin. Sauberer Oberrichter von unten! (Mit geheimnisvoller Wichtigkeit.) Die Garderob' des Luzifer besteht aus Gestalten, da schlieft er nach Belieben aus und ein, um die Sterblichen zu blenden.

Rosalie (staunend). Wendelin – zehn alte Weiber sind nichts gegen dich an Aberglauben. Den guten Herrn von Thurming halt't er für ein' bösen Geist! Das müßt' doch mein Fräul'n am besten wissen, die is schon drei Wochen heimlich verheiratet mit ihm.

Wendelin. So? Na, da hat s' a schöne Partie g'macht; wenn sich a junge Baroneß nix Besseres weiß –

Rosalie. Sie is glücklich mit ihm, er liebt sie mit einer Glut –

Wendelin. Mit Glut, das will ich glauben, dem wird auch 's Feuer nicht so g'schwind ausgehn; is bei mir der nämliche Fall, mich wirst in zehn Jahren erst recht in Feuer finden.

Rosalie. Dann bin ich ja glücklich; ich will ja nix anders als deine Lieb', und daß du nebenbei a bisserl Vernunft annimmst.

Wendelin (für sich). Sie wird schon wieder zudringlich und indiskret, jetzt is er da, der Moment. (Mit feierlichem Ernst.) Rosalie, ich will dich nicht in mein Schicksal ziehen.

Rosalie. Wenn ich jedes Los mit dir teilen will, geht's dich was an?

Wendelin. Also muß ich das Schreckensbild aufrollen vor deinen Augen? Nun denn – denk' dir, wir werden kopuliert –

Rosalie. Na, das is doch nix Schreckliches.

Wendelin. Auf meiner Seiten löschen die Lichter aus –

Rosalie. Das bin ich g'wöhnt, daß bei dir nie ein Licht aufgeht.

Wendelin. Die Hochzeitstafel beginnt, es wird gegessen – getrunken –

Rosalie. Allenfalls schrecklich gegessen und getrunken, das macht nix.

Wendelin. Ich selbst betäube mich in Wein –

Rosalie. Is meine Sorg', daß das nicht g'schieht.

Wendelin. Es schlägt Mitternacht –

Rosalie. Auch da werd' ich mich noch nicht fürchten.

Wendelin. Ja, wenn du gar nichts schrecklich find'st, dann beschreib' ich nicht weiter, sondern ich sag' dir nur soviel: Dich erwartet die Hölle an meiner Seite –

Rosalie (böse werdend). Ah, jetzt is es mir zu arg! Die andern versprechen einem doch wenigstens den Himmel, wenn's auch nicht wahr is, aber der untersteht sich, so zu reden, während ich die unendliche Liebe entwickle – was zu viel is, is z'viel! Du wirst's zu spät bereun, du hast eine Rosalie gehabt. (Geht in die Seitentüre links rückwärts ab.)


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