Johann Nestroy
Zu ebener Erde und erster Stock
Johann Nestroy

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neunzehnter Auftritt

Johann (allein).

Johann. He! Herr Schlucker! – Ist da niemand zu Haus? – Hm! Fatal! – Doch halt, den Moment muß ich zu was anderem benützen. Der spröden Jungfer Salerl will ich einen Streich spielen. Der Damian ist eifersüchtig, ich zieh' jetzt den Rock an (kleidet sich schnell in Bonbons Rock), setz' die Tour und den Hut auf (tut es) und schau' beim Fenster hinaus – die Nachbarschaft sieht, daß ein Chevalier bei der Salerl ist, erzählt das bei Gelegenheit dem Damian, dem Damian rutscht in der Eifersucht was aus. – Wart, Jungfer Salerl, dir brock' ich eine Suppen ein. (Sieht auffallend zum Fenster hinaus.)

Zwanzigster Auftritt

Voriger; dann Damian, Grob, Trumpf.

Damian (öffnet zufällig die Türe rechts). Ich muß nur – (Bemerkt Johann und hält ihn für Bonbon.) O je! (Winkt in die Türe, Grob und Trumpf kommen leise.) Das ist der Bonbon!

Grob und Trumpf. Gut! (Stürzen mit Damian auf Johann los.) Wart, du verdammter Bonbon! (Sie prügeln ihn unter Lärm und Geschrei links hinaus.)

Einundzwanzigster Auftritt

Bonbon (aus rechts, hat Johanns Livree an und einen runden Tressenhut auf), dann Friedrich, Anton, zwei Bediente.

Bonbon. Johann wird unten schon in Ordnung sein, jetzt will ich daran. (Geht vorsichtig gegen die Türe links.)

Friedrich (stürzt mit Anton und den zwei Bedienten aus dem Saale rechts). Haben wir dich, du schlechter Kamerad?

(Fallen über Bonbon, den sie für Johann halten, her und bläuen ihn, indem sie lärmend durcheinander schreien.)

Bediente. Wart, Johann, da hast dein' Tee!

(Der Tumult zieht sich schnell nach dem Tanzsaal zurück, so daß alle bald von der geschlossenen Flügeltüre gedeckt sind.)

Zweiundzwanzigster Auftritt

Salerl, dann Damian, Grob, Trumpf.

Salerl (aus rechts). Was ist denn geschehn? Was war denn da für ein Lärm?

Damian (zurückkommend). Der hat sein Teil.

Grob, Trumpf. Ja, wir können's! (Rechts ab.)

Damian. Die Rache ist vollbracht. Salerl, ich habe dich gerochen! Jetzt komm, ich kauf' dir a G'wand, dann lad' ich alle meine Herrn Kollegen ein. Das soll heut eine Tandler-Reunion werden, wie noch keine war, solang d' Welt steht.

(Beide links ab.)

Dreiundzwanzigster Auftritt

Goldfuchs, dann Friedrich, Anton, Bediente, Bonbon.

Goldfuchs (aus links nach Hause kommend, hört Lärm im Saale). Was ist das für ein Spektakel?

Friedrich (bringt mit den übrigen Bonbon gewaltsam aus dem Tanzsaal). Der Johann kriegt Schläg', Euer Gnaden.

Goldfuchs. Der Schlingel verdient's, nur zu!

Bediente. Nur zu! (Wollen neuerdings über ihn herfallen.)

Vierundzwanzigster Auftritt

Vorige; Zins, zwei Wächter (von links).

Zins. Was Teufel geht da vor?

Friedrich (und die andern Bedienten lassen Bonbon los). Herr von Zins, wir haben unser Trinkgeld verdient.

Goldfuchs (erkennt Bonbon in der Livree). Was seh' ich? Bonbon –?

Bonbon (ganz verstört). Es herrschte hier ein Irrtum in der Person. Die Schlingels wollten den Johann – die verdammte Livree! –

Fünfundzwanzigster Auftritt

Vorige; Johann (echauffiert aus links).

Johann. Der verdammte Rock!

Die Bedienten (verblüfft, als sie Johann erblicken). Da is er!

Friedrich. Wir haben einen Unrechten erwischt.

Zins (zu den Bedienten). Ihr seid's ja –

Johann (zu Bonbon). Wissen Euer Gnaden, daß ich in Ihrem Rock Schläg' kriegt hab' statt Ihnen?

Bonbon (zu Johann). Weiß Er, daß ich in Seinem Rock statt Ihm geprügelt worden bin?

Johann. Nicht möglich! (Sieht die Bedienten.) Aha! (Zu Bonbon.) Euer Gnaden haben also meine Schläg' kriegt und ich die Ihrigen; jetzt fragt sich's nur, welche besser waren.

Bonbon. Gib Er her! (Zieht die Livree aus.)

Goldfuchs. Ich begreife nicht –

Zins. Herr von Goldfuchs, Sie können keinen Zins zahlen.

Johann (indem er den Rock zurückgeben will, fühlt er etwas in der Tasche desselben; für sich). Da is ja was Schweres.

Goldfuchs (zu Zins). Wer sagt das?

Zins. Ich sag's.

Johann (seitwärts, für sich). Ein Geldbeutel? Der verspielt sich zu mir herüber. (Gibt Bonbon den Rock und steckt den herausgenommenen Beutel schnell in die Tasche seiner Livree, welche ihm Bonbon in diesem Augenblicke zurückgibt.)

Zins (zu Goldfuchs). Ihre achtzigtausend Gulden, auf die Sie noch bauen, sind weg, das Haus hat heut falliert.

Goldfuchs (wie niedergedonnert). Entsetzlich –!! Ist es wirklich so?

Zins. Ja, leider! Ich hab' selber ein paar tausend Gulden dabei verloren.

Goldfuchs (vernichtet und mit gebrochener Stimme). Nun erst bin ich ganz ruiniert. (Hält sich an einen Stuhl.)

Johann (barsch zu Goldfuchs). So? Was is denn hernach mit die sechstausend Gulden von meinem Vetter? (Beiseite.) Verfluchte G'schicht'! (Geht seitwärts unruhig auf und nieder.)

Zins (zu Bonbon). Ihnen, Chevalier, kann ich bessere Nachrichten bringen. Ein Bekannter von mir, ein Freund Ihres Bruders, ist für Ihre hiesigen Schulden gutgestanden. Sie sind frei, die Wach' ist schon abg'schafft.

Bonbon. O scharmant! Ich kann also abreisen. Zum Glück habe ich noch Reisegeld, zweihundert Louisdor, in meiner Börse.

Ein Wächter. Wir warten nur auf eine kleine Diskretion.

Bonbon. Gleich, gleich! (Sucht in den Taschen.)

Johann (boshaft zu Goldfuchs). Ich pfänd' Ihnen.

Zins. Oho, ich bin der Hausherr, ich bin der erste, der pfänd't!

Johann. Gut, so wird er eingesperrt. Heda, Wachter!

Bonbon (erschrocken). Meine Börse ist weg – zweihundert Louisdor!

Alle. Was?

Bonbon. Johann hat meinen Rock angehabt, – niemand hat sie gestohlen als er.

Johann. Was? Ich?

Die Bedienten (packen Johann). Nur visitiert! Halt! Da is s' schon.

(Sie ziehen ihm die Börse aus der Tasche, und Friedrich gibt sie an Bonbon.)

Johann. Verdammt

Die Bedienten. Jetzt wird der eing'sperrt! – Heda, Wachter!

Beide Wächter (Johann am Arme fassend). Nur fort, da nutzt nix!

Johann. Aber ich –

Die Wächter. Marsch!

Die Bedienten. Das is g'scheit! Hahaha!

(Johann wird mit Gewalt von den Wächtern fortgeführt, die Bedienten und Bonbon folgen.)

Sechsundzwanzigster Auftritt

Goldfuchs, Zins, Emilie.

Emilie (aus rechts). Vater! Lieber Vater!

Goldfuchs. Du wagst es noch, mir unter die Augen zu treten, Entartete?

Emilie. Was man Ihnen auch über mich gesagt haben mag, es ist vorbei, mein ganzes Leben will ich nun allein Ihrem Troste weihen.

Goldfuchs. Für mich gibt's keinen Trost mehr!

Zins. Reden wir jetzt von etwas anderm. Die schöne herrschaftliche Wohnung da ist schon vergeben; die Möbeln pfänd' ich, und Sie müssen gleich hinaus.

Emilie. Wie, Unmensch, Sie weisen meinen Vater auf die Straße?

Zins (lächelnd). Er hat ja Freunde.

Goldfuchs. Im Unglück keinen wie jedermann.

Zins. Wenn Sie wollen, das Quartier grad da unten z' ebner Erd' wird gleich leer werden, auf ein paar Tag' können Sie 's haben.

Goldfuchs (Emilien mit einem strafenden Blick betrachtend). Bist du's zufrieden, da unten?

(Emilie schlägt die Augen nieder.)

Siebenundzwanzigster Auftritt

Schlucker, Sepherl, die Kinder, Grob, Trumpf (kommen mit allerlei Habseligkeiten, die Kinder mit schlechten, halbzerbrochenen Spielereien bepackt, nacheinander aus rechts). Vorige.

Schlucker. Nur g'schwind, nur g'schwind! Ich kann's nicht erwarten, bis ich in ersten Stock hinaufkomm'.

Sepherl. Hat keins was vergessen?

Seppel (ein zerbrochenes hölzernes Pferd tragend). Nein, das Notwendigste haben wir schon.

Schlucker. Kommt's her, was in dem alten Kasten drin ist, werfen wir in die Butten und nehmen's a mit.

Goldfuchs (zu Zins). Ich nehme Ihr Anerbieten an.

Zins. Aber nur geschwind, ich glaub', die neue Partei kommt schon.

Goldfuchs (sein schmerzliches Gefühl gewaltsam unterdrückend). Komm, Tochter! (Will links ab, bleibt aber einen Augenblick stehen.) Ich möchte niemanden begegnen.

Emilie. Gehen wir die Hintertreppe hinab!

Die Kinder (jubelnd). Das ist a Ausziehzeit! Juchhe! (Alle links ab.)

Achtundzwanzigster Auftritt

Zins (allein).

Zins (den Abgegangenen nachblickend). Das is eine Ausziehzeit! – Das hätt' der sich nicht gedacht, wie er eingezogen ist.

Neunundzwanzigster Auftritt

Goldfuchs, Emilie. Schlucker, Sepherl, die Kinder, Grob, Trumpf (aus links).

Sepherl. Da wär'n wir!

Schlucker. Mit Sack und Pack. (Schlucker wirft den großen Bündel, den er trägt, auf den Boden.)

Zins. Na, wie g'fallt's euch da?

Sepherl und Schlucker. Oh, einzig, einzig!

(Alle übrigen werfen Bettgewand usw., was sie tragen, mitten ins Zimmer auf einen Haufen.)

Zins. Schaut's nur erst die andern Zimmer alle an, da werd't's Augen machen! Adieu derweil! (Seite links ab.)

Schlucker. Gehorsamster Diener! Weib, das Gefühl laßt sich nicht beschreiben! Mein Appartement wird da sein, deins im linken Flügel.

Sepherl. Warum nit gar!

Schlucker (aufgeblasen). Na, nehmen wir halt unser ganzes Palais in Augenschein! (Mit Sepherl rechts ab.)

Die Kinder. Das g'hört alles uns!

(Folgen stolz nach, zuletzt Grob und Trumpf.)

(Goldfuchs und Emilie treten von links ein und sehen sich traurig im Zimmer um.)

Goldfuchs. Also so weit mußt' es mit mir kommen! (Verhüllt sich mit beiden Händen das Gesicht.)

Emilie. Fassen Sie sich, lieber Vater, hoffen Sie!

Goldfuchs. Damit ist's vorbei!

Dreißigster Auftritt

Die Vorigen; Fanny (aus links).

Fanny. Ach, Fräulein Emilie, was hab' ich gehört?

Emilie. Wir sind arm. Du mußt mich verlassen, und nichts als meinen Dank kann ich dir zum Abschied geben.

Fanny. Nein, ich bleib' bei Ihnen, mag geschehen, was will.

Einunddreißigster Auftritt

Die Vorigen; Adolf, dann Zins.

Adolf (rasch aus links). Wo ist –? (Erblickt die Anwesenden und bleibt betroffen stehen.) Was seh' ich?

Goldfuchs (ihn scharf messend). Einen ruinierten Mann, nach dessen gestern noch reicher Tochter Sie eigennützig Ihre Liebesnetze ausgeworfen.

Adolf. Sie tun mir Unrecht. Meine Liebe zu Emilien ist wahr und rein.

(Zins tritt in diesem Augenblicke aus links ein und bleibt, von den Anwesenden ungesehen, im Hintergrunde stehen.)

Adolf (fährt, ohne sich zu unterbrechen, fort). Wohl mir, daß ich so leicht Sie davon überzeugen kann. Ich habe eben von Ihrem Unglück gehört, doch wissen Sie, weit mehr, als Ihnen des Glückes Laune nehmen konnte, hat sie mir gegeben. Mein Vater lebt in Indien, heute empfing ich die Kunde, ich bin der Erbe eines ungemessenen Reichtums. – Emilie liebte mich, als ich arm war, jetzt ist sie arm, nun leg' ich alles, was ich habe, freudig zu ihren Füßen. – Darf ich sie die Meine nennen?

Goldfuchs (im größten Staunen, will antworten, erblickt Zins und wendet sich unwillig zu diesem). Was suchen Sie hier?

Zins (auf Adolf zeigend). Den such' ich.

Adolf (zu ihm). Mit Ihnen hab' ich nichts zu schaffen.

Zins. Aber ich mit dir, weil ich dein Herr Onkel bin. Hast du denn die Schrift nicht gelesen, die ich da gefunden hab'? (Zieht die Schrift hervor). Christoph Zins heißt dein Vater! Er lebt! Mein Bruder! Mein Christoph! Du bist sein Sohn! Komm her zu mir!

Adolf (freudig überrascht in die Schrift sehend). Wär's möglich?

Zins. Freilich is es so, sonst tät' ich dich nicht umarmen, du Nebenbuhler, du! Geh her! (Umarmt ihn.)

Goldfuchs. Ich staune –

Zins. Ich hab' wohl selbst (zu Emilien) heiratslustige Absichten g'habt. Na, das ist jetzt alles anders; ich bleib' ledig und du, Bursch, wirst mein Universalerbe. (Zu Goldfuchs.) Nun, was glauben S' jetzt? Was tun wir mit die zwei Leuteln?

Zweiunddreißigster Auftritt

Die Vorigen. Damian, Salerl, acht Musikanten (aus links. Damian und Salerl sind mit Überladung aufgeputzt). Schlucker, Sepherl, Grob, Trumpf und die Kinder (kommen aus rechts).

Damian. Musikanten, da stellt's euch alle her!

(Die Musikanten stellen sich hinten im Tanzsaal auf.)

Salerl (sich wohlgefällig betrachtend). Nein, wie ich schön bin, das ist einzig!

Goldfuchs (zu Adolf und Emilien, deren Hände er zusammenlegt). Nehmt meinen besten Segen! – Mein Beispiel gebe warnend euch die Lehre: Fortunas Gunst ist wandelbar.

(Adolf und Emilie reichen sich kniend die Hände, Goldfuchs und Zins heben die ihrigen segnend über sie, Fanny betrachtet in freudiger Rührung die Gruppe.)

Damian (ans Publikum). Ich wünsch' mir nichts, auf Tandler-Ehre, als Ihre Gunst durchs ganze Jahr!

Alle. Vivat!

Chor.
Lasset uns jubeln, es heirat't ein Paar,
Wir gratulieren, und was wir wünschen, wird wahr,
's Glück treibt's auf Erden gar bunt,
s' Glück bleibt halt stets kugelrund.

(Allgemeiner Jubel.)

Der Vorhang fällt.


 << zurück