Johann Nestroy
Zu ebener Erde und erster Stock
Johann Nestroy

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Vierter Auftritt

Voriger; Salerl und Monsieur Bonbon (kommen aus links).

Salerl (läuft ängstlich herein; sie trägt eine Haubenschachtel in der Hand). Aber ich bitt', – ich weiß gar nicht –

Bonbon (sie verfolgend). Liebes Kind – schönes Kind – herziges Kind, ich bin hier bekannt im Hause – man darf mich nicht sehn –

Salerl. Ja, so gehn Euer Gnaden!

Bonbon. Ich speise heute zu Mittag hier im ersten Stock.

Salerl. Ich wünsch' guten Appetit.

Bonbon (sehr eilig). Du mußt mir schreiben, Goldschätzchen, wann ich dich sprechen kann, du Herzchen! Ich lasse vor Tisch eine Schnur vorn Fenster herab, du bindest ein zärtliches Briefchen daran, ich ziehe es hinauf – verstehst du? Adieu, lieber Schatz, adieu! (Ab.)

Fünfter Auftritt

Vorige ohne Bonbon.

Salerl (ihm erstaunt nachsehend). Ah, da muß ich bitten! Der glaubt, man darf nur Haferl sagen.

Damian (aus seinem Versteck hervortretend). Meineidige! Was hab' ich g'sehn?!

Salerl. Einen alten Stutzer, sonst nix.

Damian. Wie kommt er in deine Nähe?

Salerl. Auf seine zwei Spazierhölzer. Er is mir nachg'rennt wie ein Wahnsinniger, hat mir eine Menge Schönheiten g'sagt und hat mich gar nicht zu Wort kommen lassen, so oft ich 'n hab' fortschaffen wollen.

Damian. Ich sag' dir's, reiz mich nicht. Ich bin ein guter Kerl, aber in der Eifersucht kann ich dem Othello ein Doublé vorgeb'n.

Salerl. Hör auf, ich glaub', ich geb' dir nit viel Anlaß.

Damian. Wenn ich nicht so hungrig wär', den hätt' ich g'haut –! So aber fühl' ich mich zu kraftlos; allein es handelt sich nur um drei Bandel Leberwürst', und ich bin wieder Mann und zerreiße öng in Lüften alle zwei!

Salerl. Du bist ein Narr! Jetzt sei wieder gut, denn ich mag nur die guten Narr'n.

Damian. Dem Krippenreiter kann ich's nit schenken, ich hab' so einen Rachedurst in mir!

Salerl. Geh, geh, das wird wohl ein anderer Durst sein.

Damian. Is möglich, aber Wasser löscht ihn auf kein' Fall; ich glaub' immer, es wird's nur Rache tun.

Salerl. Probier's halt derweil mit a paar Seitel Heurigen.

Damian. Foppst mich? Meine Kassa verträgt solche Depensen nicht. Da oben (gegen den ersten Stock zeigend), ja, da könnten s' ei'm was zukommen lassen. Der reiche Herr ober uns gibt große Tafel. Sein wir nit eing'laden?

Salerl. Du Dalk! Da speisen lauter reiche Leut'!

Damian. Das is eben das Dumme und höchst Ungerechte. Wenn die reichen Leut' nit wieder reiche einladeten, sondern arme Leut', dann hätten alle genug zu essen.

Salerl. Geh, du red'st wieder so g'schwoll'n.

Damian. O nein, meine Red' is philosophisch, und das Geschwollene g'hört ins Medizinische.

Salerl. Man muß die Welt nehmen, wie s' is, und nicht, wie s' sein könnt'.

Damian. Mich wird die Welt bald gar nix mehr kümmern.

Salerl. Das kann nur der sagen, der sehr hoch steht.

Damian. Oder der, der sehr tief liegt.

Salerl (befremdet). Tief liegt?

Damian. Ja, im Grab.

Salerl. Jetzt hör mir auf!

Damian (kleinlaut). Wenn der Mensch gar kein Glück hat –

Salerl. So muß er geduldig warten, bis 's Glück kommt.

Damian. Mir bleibt's z' lang aus, ich fang' schon an, kleinmütig z' werd'n.

Salerl. Schäm dich! Bist du ein Mann?

Damian. Ja, aber ein kleinmütiger!

Salerl. 's Glück is kugelrund; es kann alles noch anders werd'n.

Damian. Ich bin halt kleinmütig!

Salerl. Da hast zwölf Groschen auf ein' Wein. (Gibt ihm eine Handvoll Kupfermünzen.)

Damian. Du bist großmütig!

Salerl. Jetzt geh, Narr, und komm g'scheit zurück. Ich kenn' dich, beim dritten Seitel erscheint dir alles in einem andern Licht. (Rechts ab.)

Damian (allein). Wer hätte so eine ausgebreitete Menschenkenntnis in dieser klebern Person gesucht?

Sechster Auftritt

Damian, Schlucker (schlecht gekleidet, aus links).

Schlucker (erhitzt). Ah, der Damian is da? Gut!

Damian. Was will der Schwager?

Schlucker. Schon wieder neue G'schichten!

Damian. So?

Schlucker. Mein Sohn ist in die Goldfuchs'sche Fräule verliebt.

Damian. Da ober uns? Das ist schon a alte Geschicht', die g'hört auf 'n Tandelmarkt.

Schlucker. Für mich ist s' neu, nagelneu, und darf gar nit alt werden.

Damian. 's Stubenmadel tragt Posten, d' Fräule geht ein bissel über d' Stiegen herunter, der Sohn a bissel auf d' Stiegen hinauf, auf 'n halben Weg kommen s' zusamm'.

Schlucker. Ich werd' s' auseinandertreiben! Da käm' weiter kein Spektakel heraus! Ich hab' jetzt noch einen notwendigen Gang, drum geh' der Schwager hinein zu der Meinigen, sie soll mir den Malefizbuben nicht außer Augen lassen. (Immer hitziger und geschwinder.) Wie er nach Haus kommt, muß er in die Kammer hinein und derf ja nicht mit kein' Blick auf die Stiegen hinausgehn, mit kein' Fuß beim Fenster hinausschaun. Sie soll bedenken, was uns der alte Herr von Goldfuchs für eine Historie anfanget, sie soll bedenken, daß er glaubet, wir sind einverstanden mit dem Liebeshandel, sie soll bedenken, daß er's dahin bringen könnt', daß wir abgeschafft würden, sie soll bedenken, daß wir zwar schlechte Leut' sein, daß man uns aber nichts Armes nachsagen kann; das sag' ihr der Schwager, ich hab' jetzt einen notwendigen Gang. (Eilt links ab.)

Siebenter Auftritt

Damian, dann Sepherl.

Damian (allein). Mir scheint, der war beim Heurigen. – Die Kommission ist mir zu lang. (Geht zur Tür rechts und ruft.) Sepherl, Schwester! Du sollst achtgeben auf 'n großen Buben. (Will links ab.)

Sepherl (steckt den Kopf aus rechts). Was ist's?

Damian. Ich hab's schon einmal g'sagt, zweimal red' i nit. (Ab.)

Sepherl. Na, na, der hat's wieder g'nätig. (Geht zurück.)

Achter Auftritt

Zins, Friedrich (aus links).

Zins (gibt Friedrich Geld). Da hat Er ein' Gulden, Freund, meld' Er mich; sag' Er nur, ich hab' in einer dringenden Angelegenheit zu sprechen.

Friedrich. Sogleich, Euer Gnaden! (Rechts ab.)

Zins (allein). Ich weiß nicht – ich habe eine ordentliche Furcht in mir – ei, was! Ich hab' ihm einen so wichtigen Dienst geleistet, und überhaupt, was hat denn ein Hausherr zu fürchten?! – Ich bin freilich schon 47 Jahr' – aber ich hab' drei Häuser; auf mein' G'sicht sein freilich einige Blattermasen – aber auf meine Häuser sein keine Sätz'! – Mit einem Wort, ich bin ein junger, sauberer Kerl, ich riskier's!

Neunter Auftritt

Zins, Goldfuchs, Johann, Friedrich (aus rechts; letzterer geht gleich ab).

Goldfuchs. Was seh' ich, der Hausherr!? Sie kommen um den Zins? Wissen Sie, daß morgen erst der Tag ist? Mir ist es zwar gleichgültig, ob ich eine Bagatelle von zweitausend Gulden einen Tag früher oder später bezahle, aber es sieht so aus, als ob Sie Mißtrauen in meine Pünktlichkeit setzten.

Zins. Ich bitte – ich komme –

Johann. Wir sind noch nie unsern Zins schuldig geblieben und wir werden uns wegen dumme zweitausend Gulden auch noch nicht schmutzig machen.

Zins (ernst zu Johann). Was hat denn Er –?

Goldfuchs (sehr gütig zu Johann). Schweig, Johann!

Johann (heuchlerisch). Ja, wenn Euer Gnaden wer tuschiert, das is mir grad, als wenn man mir ans Leben ging'.

Goldfuchs (für sich). Braver Pursche das –

Zins. Mein Anliegen ist ganz anderer Art! Ich komme aus keiner halbjährigen, sondern aus einer lebenslänglichen Ursache; mit einem Wort, ich möchte heiraten.

Goldfuchs. Tun Sie das immerhin – aber was –

Johann. Was geht denn das uns an?

Goldfuchs. Mir diese Konfidenz zu machen, ist doch ein äußerst barocker Gedanke.

Johann. Ein Friseur könnt' keinen parockeren Gedanken haben.

Zins (ernst zu Johann). Wird Er mich zu Wort kommen lassen? (Zu Goldfuchs.) Sie kennen meine Vermögensumstände, wissen, daß ich drei Häuser hab', wissen, daß ich ein ehrlicher Mann bin, drum nehm' ich mir ohne Umständ' die Freiheit und halte um die Hand Ihrer Tochter an.

Goldfuchs (erstaunt). Wa – was? – (Will sich ärgern, betrachtet aber Zins mit geringschätzender Miene und bricht in lautes Gelächter aus.) Hahahahaha!

Johann (Zins messend). Hahahahaha!

Zins (zu Goldfuchs). Was ist denn da Lächerliches dran?

Goldfuchs (ernst und stolz). Danken Sie es meinem gegenwärtigen guten Humor, daß ich nur lache über Ihr keckes Begehren.

Johann. Sei'n Sie froh, wenn wir lachen, denn sonst –

Zins (fest zu Johann). Was sonst –?

Johann (zurücktretend). Das wird schon mein Herr sag'n.

Goldfuchs (gütig zu Johann). Ruhig, Johann, ruhig! (Kalt und stolz zu Zins.) Ohne mich mit Ihnen in Weitläufigkeiten einzulassen – ich habe andere Pläne mit meinem Mädl.

Johann. Ganz andere Pläne haben wir mit unserm Mädel.

Zins (seinen Zorn verbeißend). Wär' ich Ihnen also zu schlecht zum Schwiegersohn?

Goldfuchs. Wie Sie's nehmen wollen. Ich fordere nicht bloß Reichtum, sondern auch gute Herkunft von meinem Eidam.

Zins. Erlauben Sie mir, mein Vater war nicht reich, aber ein Ehrenmann. Ist das der Ihrige auch gewesen?

Goldfuchs. Mein Vater war Lieferant, ich bin geborner Millionär.

Johann (zu Zins). Folglich gibt's da für Ihnen keine Braut. Zu kühne Wünsche kommen von erhitztem Gehirn; nehmen Sie Eisumschläg' auf 'n Kopf, es kann nicht schaden.

Zins (losbrechend). Jetzt hab' ich's satt, Er infamer Schlingel –! (Will auf Johann los.)

Goldfuchs (zwischentretend). Halt! Eine Rauferei in meinem Hause –!?


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